Thronreden

25. März 2021

Thronrede, Erbprinz Alois

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 25. März 2021

Es gilt das gesprochene Wort!


ANSPRACHE

SEINER DURCHLAUCHT ERBPRINZ ALOIS VON UND ZU LIECHTENSTEIN

ANLÄSSLICH DER LANDTAGSERÖFFNUNG

am 25. März 2021

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete und Regierungsmitglieder

Herzliche Gratulation zu Ihrem Wahlerfolg. Die starke Erhöhung des Frauenanteils im Landtag ist sehr erfreulich. An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die dazu beigetragen haben – von den verschiedenen Unterstützungsgruppen bis zu den Parteiverantwortlichen. Zusammen mit der erstmaligen Mehrheit der Frauen in der Regierung ist dadurch das weibliche Element in der liechtensteinischen Politik so stark vertreten wie noch nie.

Danken möchte ich auch den beiden Grossparteien, dass sie trotz des ausserordentlich knappen Wahlausgangs mit seinen verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten bezüglich des Wahlsiegers das Staatsinteresse in den Vordergrund gestellt und rasch eine Regierung gebildet haben. Ich begrüsse dies auch deshalb, weil wir uns insbesondere wegen der Pandemie in einer immer noch sehr herausfordernden Situation befinden.

Zwar besteht aufgrund der Virusmutationen noch viel Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Pandemie, die bisherigen Impfresultate verbreiten aber Zuversicht. Um sowohl für zukünftige Pandemien als auch für andere Krisen von ähnlichem Ausmass zu lernen, sollten wir die Pandemie jedenfalls gründlich aufarbeiten und mithilfe einer genauen Risikoanalyse die für die Zukunft kritischen Bereiche identifizieren.

Ein kritischer Bereich ist die digitale Infrastruktur. Das hat nicht zuletzt auch die Pandemie gezeigt:

  • Wir leben bereits in einer sehr digitalen Welt und sind daher auf eine sichere digitale Infrastruktur angewiesen,
  • Staaten mit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur und einer digital gut ausgebildeten Bevölkerung haben bei der Pandemiebewältigung grosse Vorteile und
  • die Pandemie hat zu einer erheblichen Beschleunigung der Digitalisierung geführt.

Auf die Digitalisierung sollten wir daher auch in dieser Legislaturperiode einen besonderen Schwerpunkt legen. Für die Stabilität der digitalen Infrastruktur wird eine ständige Weiterentwicklung der sogenannte Cyber-Sicherheit gemäss internationalen Standards und in internationaler Zusammenarbeit von grosser Bedeutung sein. Kritisch für die digitale Infrastruktur ist auch ein stabiles Stromnetz, das vielleicht durch einen höheren Eigenversorgungsgrad und weitere Massnahmen noch gestärkt werden könnte.

In einer digitalen Welt ist die Bildung der Bevölkerung entscheidend. Dazu benötigen wir einerseits eine geeignete Infrastruktur für digitalen Fernunterricht. Andererseits müssen wir nicht nur die Jugend möglichst gut auf die digitale Welt vorbereiten, sondern auch die Erwachsenen. Je besser alle Altersschichten die digitalen Möglichkeiten nutzen und sich gleichzeitig der digitalen Gefahren bewusst sind, umso besser bewältigen wir Pandemien, umso erfolgreicher wird sich unser Standort entwickeln und umso weniger Personen werden durch die Folgen der Pandemie und der beschleunigten Digitalisierung negativ betroffen sein.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Legislaturperiode sollte die nachhaltige Entwicklung sein. Die Orientierung an den UNO-Nachhaltigkeitszielen, die fast alle Lebensbereiche erfassen, wird zunehmend ein Erfolgsfaktor für die Attraktivität eines Standortes sowie für die Rekrutierung von qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Aufbauend auf einem nachhaltig finanzierten Staatshaushalt sollte daher die Politik in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Zivilgesellschaft innovative Wege suchen, um die ökologische und soziale Nachhaltigkeit weiter zu verbessern.

Insbesondere mit der Klimastrategie und der Energiestrategie bzw. in Bereichen wie Mobilität, Bau, öffentliches Beschaffungswesen und Landwirtschaft könnte in nächster Zeit die ökologische Nachhaltigkeit erhöht werden. Hinsichtlich der sozialen Nachhaltigkeit könnten Fortschritte bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Altersvorsorge und Alterspflege Verbesserungen bringen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war schon in der vorletzten Legislaturperiode ein wichtiges Thema, das nicht zuletzt zu einer Volksabstimmung geführt hat. Inzwischen konnten wir zwar einige Fortschritte erzielen, in der neuen Legislaturperiode sollten wir aber weitere Schritte setzen, insbesondere durch:

  • die Einführung eines geeigneten finanziellen Unterstützungsmodells, damit alle Eltern die Betreuung ihrer Kinder im ersten Lebensjahr selbst wahrnehmen können,
  • eine enge Koordination zwischen Schulen, Vereinen und sonstigen Betreuenden, damit im Kindergarten- und Pflichtschulalter sowohl während der Schulzeiten als auch der Ferienzeiten eine gute und umfassende Betreuung sichergestellt ist und
  • die Nutzung der von den Unternehmen während der Pandemie gewonnenen Erfahrungen im Bereich des Home Office für mehr Flexibilität am Arbeitsplatz zum Wohle der jungen Eltern.

Auch auf die Altersvorsorge und Alterspflege sollten wir in dieser Legislaturperiode einen Schwerpunkt legen. Uns ist im Grunde allen bewusst, dass wir die finanziellen Folgen der demographischen Entwicklung bei der Altersvorsorge und Alterspflege nicht vorwiegend über immer höhere Beitragssätze ausgleichen können. Langfristig laufen wir ansonsten Gefahr, die Standortattraktivität und damit die Arbeitsplätze sowie letztlich auch die Finanzierungsbasis für die Altersvorsorge und Alterspflege zu gefährden. Da dies aber ein politisch unpopuläres Thema ist, wird es gerne in die jeweils nächste Legislaturperiode verschoben.

Um die Altersvorsorge und Alterspflege langfristig wirklich nachhaltig zu gestalten, sollten wir uns daher Gedanken über einen breiten Lösungsansatz für das Alter machen. Ähnlich wie bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnten wir in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft einen Kulturwandel in Richtung höherer Wertschätzung von Arbeit im Alter und altersgerechten Arbeitsformen anstreben. Da heute viele gerne länger im Arbeitsleben verbleiben möchten, könnten wir so auf eine attraktivere Weise die finanzielle Lage der Sozialversicherungen verbessern, als dies durch einen alleinigen Fokus auf Erhöhungen der Beitragssätze oder des Pensionsalters möglich ist. Wenn wir infolge auch noch gesünder alt werden, könnten wir ausserdem die Pflege- und Gesundheitskosten reduzieren.

Für einen solchen Ansatz kommen uns verschiedene Trends entgegen:

  • Erstens wird es für unsere Unternehmen zunehmend wichtiger, ihre qualifizierten Arbeitskräfte, in deren Ausbildung sie viel investiert haben, möglichst lange zu halten, weil gleichzeitig die neu ins Berufsleben eintretenden Jahrgänge immer kleiner werden.
  • Zweitens gewinnt für die Unternehmen – wie bereits erwähnt – eine nachhaltige Positionierung an Bedeutung, dies gilt nicht nur für den Umweltbereich, sondern auch für soziale Themen wie das Alter.
  • Drittens führt nicht zuletzt die Pandemie zu einer stärkeren Betonung der Resultatorientierung anstelle der Präsenzorientierung, was flexiblere Regelungen für ältere Arbeitskräfte erleichtern sollte.

Gelingt dieser Kulturwandel, tun wir uns auch leichter bei der Beantwortung folgender Fragestellungen, denen wir uns in dieser Legislaturperiode ebenfalls widmen sollten:

  • Wäre es besser, dass wir die Dauer der Beitragszahlungen zu den Sozialversicherungen an die Lebenserwartung koppeln, um damit weniger häufig Finanzierungspakete schnüren zu müssen, weil wir uns in Zukunft so auf Massnahmen zum Ausgleich des Geburtenrückgangs konzentrieren könnten?
  • Ist es wirklich sinnvoll, dass wir einerseits in der zweiten Säule obligatorisch vorsorgen müssen und andererseits mit Pensionsantritt den gesamten Betrag von einem auf den anderen Tag ausgeben dürfen?
  • Wäre es sinnvoller, einen Teil der obligatorischen Vorsorge der zweiten Säule mit dem Pensionseintritt verpflichtend für die Finanzierung der Alterspflege beiseite zu legen?
  • Wie sichern wir eine ausreichende Altersvorsorge und Alterspflege für jene mit keinen oder nur sehr wenigen Beitragszahlungen in die zweite Säule der Altersvorsorge?
  • Wie garantieren wir auch in Zukunft ausreichend Pflegekräfte und wie lösen wir die regulatorischen Herausforderungen mit den Pflegemigrantinnen?

Obwohl ein breit koordiniertes Vorgehen beim Schnüren eines Gesamtpaketes für das Alter wichtig ist, dürfen wir nicht die gesamte Legislaturperiode damit verbringen, sondern sollten jeweils sofort all das umsetzen, was richtig und notwendig ist. Nur, wenn wir mit dem langfristigen Ziel im Auge konsequent und rechtzeitig Schritt für Schritt gehen, werden wir bei nachhaltigen Sicherung der Altersvorsorge und Alterspflege erfolgreich sein.

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete und Regierungsmitglieder

Die Pandemie sowie die geopolitische, technologische und demographische Entwicklung bedeuten grosse Herausforderungen. Nach einem holprigen Start in die letzte Legislaturperiode konnten wir während den Monaten der Pandemie trotz Wahlkampf von einer guten Zusammenarbeit zwischen Landtag und Regierung profitieren. Lasst uns zu unser aller Wohl und im gemeinsamen langfristigen Interesse während der gesamten Legislaturperiode alle konstruktiv zusammenarbeiten. Für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe wünsche ich Ihnen Kraft, Weisheit und Gottes Segen!