Thronreden

13. Februar 2003

Thronrede, Fürst Hans-Adam II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 13. Februar 2003

Im Namen des Fürstenhauses möchte ich allen Landtagsabgeordneten, die dem Fürstenhaus und dem Fürstentum das Vertrauen ausgesprochen haben, sehr herzlich danken. Gemeinsam mit der Regierung und der Verfassungskommission haben Sie eine gute Lösung gefunden, um den jahrelangen Verfassungskonflikt um die Monarchie zu beenden, der dem Land innenpolitisch, aber noch mehr aussenpolitisch, grossen Schaden zugefügt hat. Die Verfassungsreform bildet eine solide Grundlage, auf der sich das Fürstentum Liechtenstein in diesem dritten Jahrtausend weiterentwickeln kann. Der demokratische Rechtsstaat wird ausgebaut und braucht weder in Europa noch ausserhalb Europas einen Vergleich zu scheuen. Nach der Verfassungsreform gibt es wohl keinen Staat, der seinem Volk so viele demokratische Rechte einräumt wie das Fürstentum Liechtenstein.
Die Verfassungsreform garantiert unter anderem dem liechtensteinischen Volk, dass der Fürst das Amt des Staatsoberhauptes nur so lange ausübt, solange eine Mehrheit des Volkes dies wünscht. Meines Wissens hat es in der Verfassungsgeschichte der Menschheit noch keine Monarchie gegeben, die sich so ausdrücklich auf den Willen des Volkes abstützt und dadurch legitimiert wird.
Natürlich bedauern wir es im Fürstenhaus, dass von 25 Abgeordneten 12 dem Fürstenhaus das Vertrauen entzogen haben. In diesem Zusammenhang drängt sich die folgende Frage auf: Was für eine Lösung schlagen diese Abgeordneten dem liechtensteinischen Volk vor?
Da zeigt sich schon das erste Problem: Einige Abgeordnete schlagen Änderungen der Verfassung von 1921 vor, andere wollen diese Verfassung unverändert lassen. Aber selbst jene, die bei der Verfassung von 1921 bleiben wollen, haben in der Vergangenheit weitgehende Änderungen dieser Verfassung verlangt. Das doppelte Nein bei der Volksabstimmung dient nur einem Zweck, und das ist die Fortsetzung des Verfassungsstreites um die Monarchie ohne absehbares Ende. Allerdings würde das Fürstenhaus den Verfassungsstreit, der dem Land und dem Fürstenhaus so geschadet hat, nicht fortsetzen und sich aus dem Land zurückziehen.
Damit kommen wir aber schon zum zweiten Problem: Nicht nur das Fürstenhaus, sondern voraussichtlich auch die grosse Mehrheit des liechtensteinischen Volkes lehnt die Fortsetzung des jahrelangen Verfassungsstreites um die Monarchie ab. Um eine drohende Abstimmungsniederlage zu verhindern, haben verschiedene Personen und politische Gruppen vor ein paar Monaten den Versuch unternommen, eine Volksabstimmung durch Klagen bei den liechtensteinischen Gerichten zu verhindern. Mit diesem Schritt wird aber nicht nur dem Fürstenhaus, sondern auch dem liechtensteinischen Volk das Vertrauen entzogen. Das liechtensteinische Volk soll entgegen unseren Bestimmungen in Verfassung und Gesetz nicht mehr entscheiden dürfen, noch dazu in einer Frage, bei der es um die existenzielle Zukunft unseres Landes geht.
Das dritte und grösste Problem stellt der wohl beispiellose Vorstoss beim Europarat dar. Nachdem man dem Fürstenhaus und dem liechtensteinischen Volk das Vertrauen entzogen hat, entzieht man vorsorglich gleich auch der liechtensteinischen Gerichtsbarkeit das Vertrauen und wendet sich an den Europarat, bevor das liechtensteinische Gericht sich mit dem Fall überhaupt befassen konnte.
Das Ziel dieses Vorstosses war es, das Fürstentum Liechtenstein de facto in ein Protektorat des Europarates zu verwandeln. Ein Lord aus Nordirland sollte zusammen mit einer bis vor kurzem weitgehend unbekannten Venedig-Kommission Land und Volk vorschreiben, welche Verfassung hier
eingeführt wird. Dabei kommt der Lord aus einem Staat, der keine Verfassung kennt. Die Mitglieder der Venedig-Kommission kommen aus Staaten, die entweder ihren Völkern weniger demokratische Rechte einräumen oder in denen der Rechtsstaat weniger stark ausgebaut ist als in Liechtenstein.
Falls der Europarat an einem Ausbau des demokratischen Rechtsstaates bei seinen Mitgliedern interessiert ist, würde ich es begrüssen, wenn er nach der Volksabstimmung im Einzelnen die liechtensteinische Verfassung mit den Verfassungen der anderen Mitgliedsländer vergleicht. Dabei würden die Experten schnell feststellen, dass kein anderes europäisches Volk so viele demokratische Rechte besitzt wie das liechtensteinische, und dass der Monarch in Liechtenstein seine Funktionen nur so lange wahrnimmt, solange eine Mehrheit des Volkes dies tatsächlich wünscht. Nicht die liechtensteinische Verfassung müsste sich an einem nirgends festgelegten europäischen Mittelmass orientieren, sondern die liechtensteinische Verfassung wäre ein Modell, an dem sich die anderen europäischen Verfassungen orientieren könnten.
Darf ich jene bitten, die dem Fürstenhaus das Vertrauen entzogen haben, eine demokratische Entscheidung des liechtensteinischen Volkes zu akzeptieren und sich von Gruppen und Personen zu distanzieren, welche die Souveränität des Landes und das Selbstbestimmungsrecht seiner Bevölkerung in Frage stellen. Es ist in der heutigen Zeit nicht schwer, im Ausland Gegner des Fürstentums Liechtenstein zu finden, sei es wegen des Finanzplatzes, der Monarchie oder ganz einfach, weil wir ein erfolgreicher Kleinstaat sind. Ein Kleinstaat, der Jahrhunderte im Herzen dieses unruhigen Europas überlebt hat, währenddem sehr viel grössere Staaten und Reiche entstanden und wieder verschwunden sind.
Wir sind im Fürstenhaus zuversichtlich, dass uns eine deutliche Mehrheit der liechtensteinischen Bevölkerung auch weiterhin das Vertrauen schenkt. Nur so wird es möglich sein, diesen jahrelangen Verfassungsstreit um die Monarchie zu beenden und die Souveränität des Landes wie auch das Selbstbestimmungsrecht seiner Bevölkerung langfristig zu sichern. Wie vor gut 50 Jahren sollte es uns wiederum gelingen, die innenpolitischen Gräben zuzuschütten und die Gegner des Fürstentums im Inland politisch und sozial zu integrieren. In seiner langen Geschichte war das Fürstentum Liechtenstein noch nie so erfolgreich wie in den vergangenen zwanzig Jahren. Es wäre bedauerlich, wenn sich das Fürstentum Liechtenstein am Höhepunkt seines Erfolges selbst zerstören würde.
Sehr geehrte Landtagsabgeordnete, für die vor Ihnen liegenden Aufgaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Gottes Segen.