Thronreden

21. Februar 2008

Thronrede, Erbprinz Alois

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 21. FEBRUAR 2008


Heute feiern wir die erste Landtagseröffnung im neuen Landtagsgebäude, gleichzeitig aber auch die letzte in dieser Legislaturperiode. In den vergangenen drei Jahren wurde vieles geleistet. Die Regierung und die Verwaltung haben wieder umfangreiche Reformentwürfe ausgearbeitet, mit denen Sie sich bald befassen werden. Ich hoffe, dass auch das vor uns stehende Jahr kein Jahr des Wahlkampfs, sondern ein Jahr der Reformen sein wird.

Ein wichtiger Teil der Reformvorschläge betrifft unseren Finanzplatz. Zwar hat der Finanzplatz in den letzten Jahren schon einen beträchtlichen Reformschub erlebt, ein weiterer Reformschub wird aber nötig sein, wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes in Zukunft nicht nur sichern, sondern auch erhöhen wollen. Einerseits haben andere Standorte durch das Schaffen neuer, attraktiver Rahmenbedingungen aufgeholt, andererseits ist der internationale Druck auf Standorte, die einen hohen Schutz der Privatsphäre kennen, gestiegen.

In den letzten Jahren mussten wir – ausgehend von der Finanzplatzkrise der Jahre 1999 und 2000 – vor allem re-aktiv handeln und Versäumtes nachholen. Besonders die Aufsicht über den Finanzplatz war nicht ausreichend mit den Finanzunternehmen mitgewachsen bzw. nicht mit genügend ausgebildeten Spezialisten besetzt. Innerhalb von kurzer Zeit haben wir nicht nur Gerichte, Staatsanwaltschaft und Polizei wesentlich verstärkt, sondern auch eine FIU und eine voll integrierte Finanzmarkaufsicht geschaffen. Dies sowie die zusätzlichen gesetzlichen Verbesserungen sind auch im Ausland positiv gewürdigt worden, insbesondere die schnelle Umsetzung der verschiedenen Massnahmen.

Die nun anstehenden Reformen, die unter anderem auch im Rahmen des Projektes Futuro ausgearbeitet worden sind, sollten uns erlauben, pro-aktiv aus eigenem Antrieb heraus weitere Verbesserungen für den Finanzplatz zu erreichen. Gerade jetzt, angesichts der jüngsten Entwicklungen, ist eine umfassende Umsetzung dieser Reformen besonders wichtig. An einigen der Reformen wird schon seit langem gearbeitet, so an der Steuer- und der Stiftungsrechtsreform. Aber auch viele der anderen Initiativen, die das Projekt Futuro aufgenommen hat, sind nicht neu. Etliche von ihnen wurden bereits einmal im Rahmen eines Vorgängerprojektes zum Finanzplatz diskutiert. Im Unterschied zu damals ist es gelungen, dass Regierung, Verwaltung und Verbände gemeinsam mit Experten eine umfassende Gesamtstrategie entwickelt haben, von der ein ganzer Strauss von abgeleiteten Initiativen ausgeht. Von diesen Initiativen möchte ich im Folgenden einige herausheben, die ich für besonders wichtig erachte.

Der Schutz der Privatsphäre und des Eigentums soll bei gleichzeitiger Optimierung der Rechtshilfe gestärkt werden. Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem andere Staaten immer stärker in die Privatsphäre ihrer Bürger eingreifen, ja sogar soweit gehen, dass sie Millionenbeträge für gestohlene Daten ausgeben, ist das Bedürfnis der Bürger nach einem starken Schutz der Privatsphäre gross. Der Schutz der Privatsphäre darf dabei nicht nur im Sinne eines starken Bankgeheimnisses in Steuerfragen verstanden werden, sondern muss breit, im Sinne einer Kultur der Privatsphäre, erfolgen, die auch dann noch hochgehalten wird, wenn das Bankgeheimnis in Steuerfragen vielleicht einmal aufgrund internationaler Verträge nicht mehr so umfassend wie heute ist. So sollten beispielsweise Eingriffe in die Privatsphäre nicht ohne richterliche Prüfung möglich sein. Da aber in Fällen berechtigter Eingriffe die nötigen Daten oft schnell erhoben werden müssen, bedarf es gleichzeitig eines zwar genauen aber raschen Rechtshilfeprozesses. Die Finanzplatzkrise wurde nicht zuletzt vor allem dadurch verursacht, weil unser Rechtshilfesystem schlecht funktioniert hat. Dies wurde erkannt und das Rechtshilfesystem erheblich verbessert. Allerdings werden heute in gewissen Fällen immer noch bis zu 8 Instanzenzüge benötigt. Hier müssen wir umdenken und Verfahren suchen, die ähnlich schnell ablaufen wie das Ausstellen eines Durchsuchungs- oder Haftbefehls durch den Untersuchungsrichter, ohne, dass wir die Qualität der Prüfung eines Rechtshilfeersuchens durch einen von der ersuchten Behörde völlig unabhängigen Richter beeinträchtigen. Wie die Privatsphäre, soll auch der Eigentumsschutz gestärkt werden und Eingriffe in das Eigentumsrecht nur die Ausnahme bilden.

Wichtig sind auch die verschiedenen Initiativen zur Stärkung der Stiftungen und der Trusts. Eine erste bedeutende Reform wird jene des Stiftungsrechts sein. Auch dies ist eine Reform, an der schon lange gearbeitet wird und die im Interesse des Finanzplatzes bald erfolgen sollte. Eine wesentliche Stärkung könnte zusätzlich ein Ausbau der Forschung und des Lehrangebotes in diesem Bereich bringen sowie spezialisierte Gerichte oder Schiedsgerichte für Stiftungs- und Trustrecht. Wir sind der führende Stiftungsplatz und können unsere Position ausbauen, indem wir durch solche Initiativen nicht nur die Rahmenbedingungen für Familienstiftungen, sondern auch für die gemeinnützigen Stiftungen erheblich verbessern. Damit könnten wir uns ein zusätzliches Standbein im Bereich der Philanthropie schaffen.

Noch länger - mehr als zwanzig Jahre - wird schon an einer grundlegenden Reform unseres Steuerrechts gearbeitet. Wahrscheinlich ist es unrealistisch, dass eine solche noch vor den Wahlen in den Landtag eingebracht wird. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle betonen, dass eine grundlegende Steuerreform, die ein in sich geschlossenes und auf klaren Grundprinzipien aufbauendes Steuersystem bringt und damit sämtliche ring fencing- und Beihilfenprobleme eliminiert, für die Zukunft des Finanzplatzes ebenfalls von entscheidender Bedeutung ist.

Ausserdem ist eine verbesserte Aufsicht im Treuhänderbereich nötig. Zwar haben wir – wie schon erwähnt - die Aufsicht über den Finanzplatz generell sehr erfolgreich verbessert, wir laufen aber Gefahr, diesen Erfolg zu verspielen, wenn wir nicht bald einige identifizierte Schwächen bei der Aufsicht über die Treuhänder beseitigen.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen auch noch ein anderes Reformvorhaben empfehlen, das hoffentlich auch noch in diesem Jahr in den Landtag kommt: die Einführung einer wirklich unabhängigen Finanzkontrolle. Dieses Projekt steht zwar in keinem direkten Zusammenhang mit dem Finanzplatz, aber eine gründliche und unabhängige Kontrolle des staatlichen Gebarens ist gerade auch dann von grosser Bedeutung, wenn in den kommenden Monaten, ausgehend vom Projekt Futuro, viele Initiativen lanciert werden, die teils auch höhere Investitionen in die Zukunft bedeuten, als wir dies in der Vergangenheit gewohnt waren. Eine solche Kontrolle braucht es allerdings ganz generell, da moderne Industriestaaten wie Liechtenstein in den vergangenen Jahrzehnten eine Vielzahl von Aufgaben übernommen haben und Staatsverwaltungen äusserst komplexe Organisationen geworden sind, die in ihrer Komplexität mit internationalen Grosskonzernen vergleichbar sind, welche schon lange vom Management unabhängige interne Revisionsstellen kennen. Internationale Grosskonzerne haben zwar mehr Mitarbeiter als die Verwaltung eines sehr kleinen Staates wie Liechtenstein, sie besitzen aber zwei entscheidende Vorteile.

Erstens können sich internationale Grosskonzerne meist auf eine sehr beschränkte Zahl von Produkten oder Dienstleistungen konzentrieren, was die Verwaltung eines modernen Industriestaates nicht kann. Dort erwarten Bürgerinnen und Bürger eine Vielzahl von Dienstleistungen, was die Übersichtlichkeit und die effiziente Verwaltung entscheidend erschwert.

Zweitens muss sich selbst der grösste Konzern in einer Marktwirtschaft dem internationalen Wettbewerb stellen. Auf dem Markt entscheidet der Kunde, welche Dienstleistung er zu welchem Preis einkaufen will. Der Staat dagegen ist von seiner Natur her ein Monopolbetrieb. Dort entscheiden Regierung und Parlament, welche Dienstleistungen zu welchem Preis vom Staat angeboten werden. Den Preis bezahlt in der Regel der Steuerzahler, gleichgültig, ob er diese oder jene Dienstleistung des Staates in Anspruch nimmt. Das Dienstleistungsunternehmen Staat mit seinem vielfältigen Leistungsangebot verfügt deshalb nicht über die Information vom Markt wie ein privates Dienstleistungsunternehmen, welches schnell feststellen kann, ob sein Dienstleistungsangebot den Preis/Leistungsvorstellungen der Kunden entspricht. Die Konkurrenz zwingt das private Dienstleistungsunternehmen darüber hinaus ständig, sowohl sein Angebot zu überprüfen als auch die einzelnen Produkte, was Qualität und Preis betrifft, dem Markt beziehungsweise den Wünschen der Konsumenten anzupassen.

Ein Ansatzpunkt um dieses Problem zu vermindern, ist die Schaffung einer unabhängigen Finanzkontrolle bzw. eines unabhängigen Rechnungshofes. In den vergangenen Jahrhunderten, als die Staaten sich innenpolitisch im Wesentlichen auf die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung beschränken konnten, haben sich unabhängige Gerichte entwickelt. Es hatte sich als sinnvoll herausgestellt, eine Institution zu schaffen, die von den gesetzgebenden und gesetzvollziehenden Instanzen unabhängig ist. Nachdem die Staaten in der Zwischenzeit eine Vielzahl von Aufgaben übernommen haben, soll dieses Konzept nun auf die Finanzkontrolle übertragen werden.

Das Fürstentum Liechtenstein besitzt bereits eine Finanzkontrolle, deren Aufgabengebiet aber beschränkt ist und deren Unabhängigkeit den internationalen Standards nicht entspricht. Es wäre daher wichtig, die Finanzkontrolle, wie in anderen modernen Industriestaaten, in eine wirklich unabhängige Finanzkontrolle oder einen unabhängigen Rechnungshof umzugestalten, vergleichbar mit unserem Verwaltungsgerichtshof oder unserem Staatsgerichtshof. Eine Finanzkontrolle, welche direkt der Regierung oder dem Landtag unterstellt ist, besitzt nicht die notwendige Unabhängigkeit. Was das Ernennungsverfahren betrifft, kann man auf die neuen Regelungen für die Gerichte zurückgreifen, die sich seit ihrer Einführung in den letzten Jahren sehr bewährt haben. Dort, wo besondere Regelungen notwendig sind, können sie in einem eigenen Gesetz festgehalten werden, so wie das heute schon bei den Sonderregelungen für den Staatsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof der Fall ist.

Die Parteien sind sich grundsätzlich einig, dass unser Staat eine unabhängige Finanzkontrolle braucht und haben diese auch entsprechend ins Regierungsprogramm aufgenommen. Eine unabhängige Finanzkontrolle oder ein unabhängiger Rechnungshof – die Bezeichnung ist nebensächlich - werfen aber noch eine Reihe von Fragen auf, die sorgfältig überlegt werden müssen, um dieses Reformprojekt erfolgreich umzusetzen.

Soll sich zum Beispiel der Aufgabenbereich der Finanzkontrolle nur auf die Staatsverwaltung erstrecken oder auf sämtliche Aufgabengebiete der öffentlichen Hand, in denen Steuergelder verwendet werden? Sollen sich die Gemeinden auch der Finanzkontrolle unterstellen können? Kann die Finanzkontrolle nur auf Antrag tätig werden oder auch von sich aus in ihren vom Gesetz zugewiesenen Aufgabenbereichen? Was ist, wenn sie mit Anträgen überhäuft wird? Soll die Finanzkontrolle an einen Antrag gebunden sein? Wer kann einen Antrag stellen? Sind es nur die staatlichen Institutionen wie Regierung, Landtag und Staatsoberhaupt oder, falls sie der Finanzkontrolle unterstellt sind, auch die Gemeinden, oder darf jeder Steuerzahler einen Antrag stellen? Sind die Berichte der Finanzkontrolle nach ihrer Fertigstellung zu veröffentlichen, oder soll die Finanzkontrolle nur in einem Jahresbericht die Öffentlichkeit über seine Tätigkeit informieren? Ist die Finanzkontrolle, wie in anderen Staaten, in der Verfassung zu verankern, damit sie wirklich unabhängig ist oder genügt ein einfaches Gesetz?

Sehr geehrte Abgeordnete,

ich wünsche ihnen für Ihre Aufgabe viel Weisheit, Entschlossenheit und Gottes Segen.