Thronreden

12. Februar 1998

Thronrede, Fürst Hans-Adam II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 12. Februar 1998



Das Jahr 1997 wird in die liechtensteinische Geschichte als das Jahr eingehen, in dem die uralte Bindung zum Bistum Chur zu Ende ging und in Liechtenstein ein eigenes Erzbistum errichtet wurde. Dieses Ereignis traf uns unvorbereitet und hat verständlicherweise die Gemüter erregt.

Verschiedene Kreise im In- und Ausland haben versucht, aus diesem Ereignis einen Gegensatz zwischen Volk und Monarchie zu konstruieren, so wie das schon 1992 der Fall war. Wie damals wurden auch jetzt falsche Behauptungen verbreitet, so habe z.B. das Fürstenhaus nicht nur vor der Regierung über die Errichtung des Erzbistums erfahren, sondern sich aktiv dafür eingesetzt. Beide Behauptungen sind selbstverständlich falsch, was sich überprüfen lässt. Natürlich ist das Verbreiten falscher Nachrichten ärgerlich, aber man sollte sich dadurch nicht beunruhigen lassen. Ich bin zuversichtlich, dass der Versuch wiederum scheitern wird, einen Keil zwischen Volk und Monarchie zu treiben.

Sehr viel entscheidender für die Zukunft unseres kleinen Heimatlandes wird die Antwort auf die Frage sein "Welches ist die optimale liechtensteinische Lösung?". Wir werden immer wieder mit Entwicklungen und Ereignissen konfrontiert werden, die von aussen an uns herangetragen werden und die wir kaum beeinflussen können. Für die voranschreitende europäische Integration haben wir mit dem EWR im Rahmen des Möglichen eine für unser Land optimale Lösung gefunden, selbst wenn unser Partner, die Schweiz, Mitglied der EU werden sollte. Nun gilt es in der Religionsfrage eine optimale liechtensteinische Lösung zu finden.

Der Landtag und Teile der Bevölkerung wünschen sich anscheinend ein Konkordat zwischen dem Hl. Stuhl und dem Fürstentum Liechtenstein. In dieser Frage können wir wie beim EWR auf die Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen: Konkordatsverhandlungen können Jahre dauern, und es ist wenig wahrscheinlich, dass der Hl. Stuhl die Wünsche und Hoffnungen erfüllen wird, die da und dort vorgebracht werden. Es würde den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils widersprechen, würde der Hl. Stuhl dem Fürstentum Liechtenstein ein Mitspracherecht für das Erzbistum in personellen, organisatorischen oder Glaubensfragen zugestehen. Ausserdem muss ich wie schon 1992 darauf hinweisen, dass gemäss Art. 8 der Verfassung die Aussenpolitik in den Verantwortungsbereich des Fürsten fällt. Es widerspricht meiner Überzeugung, dem Hl. Stuhl in einem Konkordat Privilegien einzuräumen, solange wir nicht bereit sind, anderen anerkannten Religionsgemeinschaften die gleichen Privilegien zu gewähren. Bevor wir mit dem Hl. Stuhl ein Konkordat vereinbaren, müssen wir deshalb zuerst die Frage beantworten, wie wir in Zukunft im Fürstentum Liechtenstein die Frage der Religionsfreiheit klären.

Weder dem Fürstenhaus noch mir kann man vorwerfen, wir seien gegen die katholische Kirche, trotzdem bin ich schon seit langem für eine klare Trennung von Kirche und Staat. Einem Teil der katholischen Bevölkerung fällt es schwer, diesen Standpunkt zu verstehen, und deshalb möchte ich ihn im folgenden ausführlicher begründen.

In Vorträgen habe ich schon verschiedentlich dargelegt, weshalb meiner Meinung nach die Religion für die menschliche Gesellschaft und damit auch für den Staat wichtig ist. Die meisten Menschen, die sich mit dieser Frage intensiver auseinandergesetzt haben, sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Allerdings haben viele daraus den falschen Schluss gezogen, dass deshalb der Staat und die Religion eng zusammenarbeiten müssen. Die Nachteile, welche durch so eine Politik langfristig entstehen, wurden von beiden Seiten unterschätzt. In der Regel ist der Staat der stärkere Partner und schränkt bei einer Zusammenarbeit die Autonomie der Religion ein. Beherrscht andererseits die Kirche den Staat, führt dies ebenfalls zu Problemen, wie wir dies in der Menschheitsgeschichte an Beispielen von gescheiterten Experimenten mit Kirchen- oder Gottesstaaten studieren können. Im besten Fall ist die Religionsfreiheit eingeschränkt, im schlimmsten Fall kommt es zu Verfolgungen anderer Religionsgruppen.

In vielen Staaten werden Steuergelder verwendet, um die eine oder andere vom Staat anerkannte Religionsgruppe finanziell zu unterstützen. Kann der Staat mit Steuergeldern Seelen für die Kirchen kaufen oder sollen Wählerstimmen gekauft werden? Der Nutzen dieser Finanzierung ist fraglich, den Schaden hat aber mit Sicherheit der Steuerzahler. Die Aktivitäten des Staates in Religionsfragen werden unter anderem damit begründet, dass der Staat für den religiösen Frieden zu sorgen habe. Besteht nicht die Gefahr, dass aus dem religiösen Frieden ein religiöser Friedhof entsteht? Dürfen sich religiöse Menschen nicht über Religionsfragen streiten, solange sie sich an Gesetz und Verfassung halten? Soll dem religiösen Menschen verboten sein, was dem politischen Menschen erlaubt ist?

Als Christen müssen wir mit der Tatsache leben, dass Christus ans Kreuz genagelt wurde, weil seine Botschaft den religiösen Frieden gestört hat. Ist Christus nicht auch der Meinung, dass Kirche und Staat getrennt gehören? Er hat gesagt: "Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.", und nicht: "Gebt dem Kaiser, damit er Gott geben kann." Ist es nicht ein Mangel an Selbstbewusstsein, wenn Katholiken in Liechtenstein für die katholische Kirche besondere Privilegien verlangen? Sind diese Privilegien notwendig, um im Konkurrenzkampf mit den anderen Religionsgruppen zu überleben? Mit welchem Recht verlangt man von den Mitgliedern der anderen Religionsgruppen, dass sie die katholische Kirche mit ihren Steuergeldern subventionieren?

Die Befürchtung, dass bei einer Trennung von Kirche und Staat das religiöse Leben langfristig leiden wird, ist falsch. Die USA kennen eine radikale Trennung von Kirche und Staat. Jeder gute Kenner der USA weiss, dass das religiöse Leben in den USA stärker ist als in den anderen modernen Industriestaaten. Vergleichende Studien zwischen den USA und verschiedenen europäischen Staaten bestätigen diesen Eindruck.

In den europäischen Staaten zahlt die öffentliche Hand an die Kirchen, soweit feststellbar, sehr unterschiedliche Beiträge pro Kopf der Bevölkerung. Da in der Regel staatliche, regionale und lokale Behörden unter verschiedenen Titeln Steuergelder an Kirchen auszahlen, sind genauere Zahlen nur schwer zu ermitteln. In Italien, das vor wenigen Jahren ein modernes und transparentes System eingeführt hat, sind es nicht ganz 10 Franken pro Jahr und Einwohner. Im Kanton Zürich, der wahrscheinlich nicht nur für die Schweiz, sondern auch für Liechtenstein repräsentativ ist, liegt der Betrag bei fast 300 Franken pro Jahr und Einwohner, also ungefähr dreissigmal so hoch wie in Italien. Niemand wird behaupten können, dass das religiöse Leben bei uns dreissigmal besser ist als in Italien - im Gegenteil.

Wie schon erwähnt, bin ich überzeugt, dass die Religion in ihren verschiedensten Formen für Staat und Gesellschaft von grösster Bedeutung ist. Ein Staat, der die Religionsfreiheit einschränkt oder aufhebt, schadet nicht nur der Religion, sondern sich selbst und seinen Bewohnern. Unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklung werde ich mich deshalb vermehrt dafür einsetzen, dass im Rahmen der Verfassungsdiskussion die Religionsfreiheit in unserer Verfassung besser verankert wird. Zur Religionsfreiheit gehört auch die Freiheit, jede Religion abzulehnen, und es darf niemand gezwungen werden, mit seinen Steuergeldern Religionen zu subventionieren.

Die beste Lösung, was das Verhältnis Kirche - Staat betrifft, ist meiner Meinung nach jene der USA. Diese hat sich 200 Jahre lang bewährt und wahrscheinlich wesentlich zum Erfolg der USA beigetragen. Die Menschheitsgeschichte zeigt uns immer wieder, dass nicht Unterdrückung und Verfolgung die grössten Feinde der Religion sind, sondern eine beschränkte Religionsfreiheit, bei welcher der Steuerzahler gezwungen wird, mit seinen Steuern anerkannte Religionsgruppen oder Kirchen zu subventionieren. Hohe Subventionen an die Kirchen verärgern zu Recht den Steuerzahler und machen die Kirche für Menschen attraktiv, die mehr am Geld als am Glauben interessiert sind.

Sollte es sich herausstellen, dass es bei uns nicht möglich ist, eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat ähnlich wie in den USA zu erreichen, könnte ich mir als Kompromisslösung eine Entflechtung ähnlich wie in Italien vorstellen. Der Vorteil der italienischen Lösung ist, dass der Steuerzahler und nicht der Politiker darüber entscheidet, ob die öffentliche Hand eine Religionsgruppe subventionieren darf, und wenn ja, welche. Über einen Teil der Einkommenssteuer sollte der Steuerzahler frei bestimmen können, ob dieser Betrag der Religionsgruppe seiner Wahl zufliesst oder nicht. Lehnt der Steuerzahler, aus welchen Gründen auch immer, eine Subventionierung der Religion ab, fliesst dieser für die Religionsgruppen reservierte Teil der Steuergelder der öffentlichen Hand zur freien Verfügung zu. Allerdings darf die öffentliche Hand keine Religionsgruppen mehr finanzieren. Religionsgruppen sollen aber wie andere wohltätige Organisationen von den Steuern befreit sein und Spenden an diese von den Steuern abzugsfähig. Besitzen Religionsgruppen historisch wertvolle Gebäude, erhalten sie im gleichen Rahmen wie Privatpersonen Subventionen.

Gleichgültig, welches der beiden Modelle als Vorbild dient, wir müssen eine liechtensteinische Lösung finden, die den Religionsgruppen und dem Steuerzahler mehr Freiheit gibt als heute. Diese liechtensteinische Lösung müssen wir jetzt im Rahmen der Verfassungsdiskussion finden und erst dann können wir sinnvollerweise Verhandlungen über ein Konkordat führen.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrte Herren Abgeordnete, für die vor Ihnen liegenden Aufgaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Gottes Segen.