Thronreden

25. März 1980

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 25. März 1980



Schauen wir von der Warte unseres Landes in die Welt hinaus, so hat sich viel ereignet und ist auch viel in Fluss gekommen, was nicht mehr zum Stehen gebracht werden kann. Wenn wir auch scheinbar ein kleiner ruhender Pol sind, so werden wir doch von Änderungen in der Welt betroffen werden. Gerade deshalb müssen wir trachten, unsere Heimat stets den jeweiligen Erfordernissen anzupassen.

In den letzten Jahren, vor allem im vergangenen Jahre, wurde im Lande viel von Überfremdung gesprochen. Um dieses Problem wirklich erfassen zu können, müssen wir uns klar sein, was dieser Zustand alles bedeutet. Bei uns leben seit längerer Zeit zahlreiche Familien fremder Staatsbürger, welche in anderen Ländern schon längst eingebürgert wären. Wenn wir von Einbürgerung sprechen, müssen wir uns bewusst sein, dass diese Frage in unserem Lande gewissen Schwierigkeiten begegnet Das gewichtigte Recht zu entscheiden, wer eingebürgert wird oder nicht, steht im Oberland 31 % der Stimmbürger nicht mehr zu. Die betreffende Zahl lautet für das Unterland 21%. So viele Stimmbürger leben nämlich nicht mehr an ihren Heimatorten. Ich begrüsse deshalb die Bemühungen, unsere gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf die eben angeführten Gesichtspunkte abzuändern und diesen Umständen Rechnung zu tragen.

Die Reform in aller Munde hier im Lande, aber auch im benachbarten Ausland, ist die Reform des Gesellschaftsrechtes. Diese Reform ist notwendig, wie sich in der Praxis erwiesen hat. Freilich wird sich diese Reform nur segensreich auswirken, wenn sich die im Gesellschaftswesen Tätigen auch der Verantwortung ihres Berufsstandes in Hinsicht auf die zukünftige Gestaltung dieses Wirtschaftszweiges wirklich bewusst sind. Ich glaube, dass das liechtensteinische Volk der Meinung ist, dass die im Gesellschaftswesen Tätigen eine entsprechende Einstellung zeigen müssen. Die beste Reform nützt nichts, wenn nicht über die Befolgung des gesetzlichen Buchstabens hinaus verantwortungsbewusst gehandelt wird. Dabei muss den im Gesellschaftswesen Tätigen ständig vor Augen stehen, dass ihnen vom Land aus die entsprechenden politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen geboten werden.

Wir sind mit Recht stolz auf unser vorbildliches und sehr ausgebildetes Sozialwesen. Diesem entspricht es aber nicht, wie sich die Belastung der öffentlichen Hand auf die einzelnen Einwohner Liechtensteins heute verteilt. Es wird deshalb mit Recht weitergearbeitet an der Reform, die dann die Erwerbsteuer durch eine allgemeine Einkommensteuer ersetzen soll. Ich bin nicht dafür, wie ich es schon früher gesagt habe, dass durch diese Steuerreform das Steuereinkommen des Staates erhöht werden soll. Diese Reform soll gewährleisten, dass die Erfassung des Einkommens in einer formell gleichen Weise erfolgt Es hat dies aber gar nichts zu tun mit der Frage des Steuerfusses. Rufen wir uns ins Gedächtnis, dass neben der Tüchtigkeit unserer Staatsbürger auch die niederen Steuern unseren Wohlstand begründet haben.

Wir befinden uns auch in einer Reform des Strafrechtes. Wie wir uns die Ausgestaltung des Strafrechtes vorstellen, hängt von der Einstellung unserem Nebenmenschen gegenüber ab. Ist man kein Materialist, achtet man den Nebenmenschen als Ebenbild Gottes, so muss man auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Wir haben daher als ständige Richtschnur uns die Würde des Menschen vor Augen zu halten und das Prinzip der Gerechtigkeit. Die Strafrechtsform und die Reform der Strafpflege haben sich nach diesen Prinzipien zu richten. Seien wir uns klar, dass die Freiheit ein konstitutives Element des menschlichen Lebens ist. Indem wir durch ein Urteil des Gerichtes die Freiheit des Menschen einschränken, wollen wir die Allgemeinheit vor Übergriffen schützen und auch in Erinnerung rufen, dass man sich nicht so verhalten kann. Der Schutz des Einzelnen und der Allgemeinheit sollte das entscheidende Element sein und nicht eine sogenannte Bestrafung, für die uns stets die absolute Objektivität fehlen wird. Wenn wir von solchen Überlegungen ausgehen, werden wir uns auch der Fragwürdigkeit der Todesstrafe und des lebenslänglichen Gefängnisses bewusst Ich begrüsse es auch, dass in der geplanten Reform notwendige Differenzierungen, wie sie im Ausland bereits bestehen, vorgesehen werden sollen, wie zum Beispiel die verstärkte Anwendung einerden persönlichen Verhältnissen entsprechenden Geldbusse.

Wir hören immer wieder von der Notwendigkeit, dass sich in der Welt, aber vor allem in Europa, die Staaten näherkommen. Dies bedeutet für unser Land, dass sich für uns Probleme stellen werden, die irgendwie unsere Existenz berühren. Sollte es im Verlaufe dieser Entwicklung zu einem noch engeren wirtschaftlichen oder auch politischen Zusammengehen der europäischen Staaten kommen, müssen wir trachten, im eigenen Hause noch möglichst die eigenen Herren zu bleiben. Im Hinblick auf eine solche Entwicklung müssen wir es alle begrüssen, dass sich jetzt zwischenparteiliche Bemühungen in einer Gemischten Kommission bemerkbar machen, welche das geeignete Gremium ist, um wichtige Fragen einer Lösung entgegenzubringen. Diese zwischenparteilichen Bemühungen sollten allen Liechtensteinern ins Gedächtnis rufen, dass man nur in gemeinsamem Geiste, ohne unnötige Streitereien, wichtige Probleme lösen kann.

Für die kommende Sessionsperiode des Landtages wünsche ich Ihnen, meine Herren Abgeordneten, Gottes Segen und Beistand und erkläre hiermit die neue Landtagsperiode für eröffnet.