Thronreden

17. März 1976

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 17. März 1976

In der langen Reihe der Jahre, in welchen sich das Leben der Völker und Staaten abspielt, gleicht kein Jahr dem anderen. Es gibt kein statisches Stehenbleiben oder eine durch die Jahre gleichförmige Entwicklung.

Als die Industriestaaten, zu denen auch Liechtenstein zu rechnen ist, sich Jahre einer unerhörten Konjunktur erfreuten, waren Wirtschaftsfachleute der Meinung, dass der Trend über kurz oder lang sich ändern würde. Sie führten zu Recht an, dass bald eine Sättigung des Marktes bei gleichzeitigem Vorliegen von Überkapazitäten in gewissen Industriegruppen eintreten würde. Als eine wirtschaftliche Stagnation einsetzte, wurde diese dann durch die Lage am Energiemarkt und die darauffolgende Psychose sehr verschärft. Wie wir jeden Tag lesen und hören können, kann kein europäischer Staat der Krise allein Herr werden. Selbst die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft kopflastig durch ihren grossen Export, kann keine Abhilfe schaffen. Die Vereinigten Staaten als autarkes Wirtschaftsgebilde mit einer relativ sehr geringen Ausfuhrquote können am ehesten aus eigener Kraft die Depression überwinden. Die Krisenzeiten Ende der Zwanziger- und Anfang der Dreissiger-Jahre trafen in unserem Lande ein Gebiet mit kaum entwickelter Wirtschaft. Die meisten Arbeitskräfte waren mehr oder weniger ausgebildete Bauarbeiter, die zu einem Grossteil als Saisonarbeiter im Ausland beschäftigt waren. Liechtenstein konnte ihnen eine gewisse Beschäftigung durch Bauarbeiten in der Infrastruktur geben. Dagegen kann jetzt das Land Liechtenstein als der kleinste Industriestaat seiner Wirtschaft nicht finanziell weiterhelfen. Eine gewisse Ausnahme bildet die Bauwirtschaft, doch da sind der Hilfe auf die Dauer ziemlich enge Grenzen gesetzt. Erinnern wir uns daran, dass es ein Überangebot an leerstehenden Wohnungen gibt und dass manche unserer Baufirmen vor der Krise Beschäftigung in der Schweiz fanden und jetzt nicht mehr voll ausgelastet sind. Unsere Wirtschaft als Ganzes betrachtet, wird nur dann erfolgreich bestehen, wenn Industrie und Gewerbe die bewährte Energie, Tatkraft und den Einfallsreichtum zeigen wie bis jetzt. Die öffentliche finanzielle Hilfe, bei uns übrigens nur in ganz bescheidenem Rahmen möglich, kann niemals die Privatinitiative ersetzen. Unsere hochindustrialisierte Volkswirtschaft beruht auf der Konkurrenzfähigkeit unserer Privatwirtschaft. Wir können der Wirtschaft aber helfen, wenn wir ihr nicht zu grosse Lasten aufbürden durch Steuern und eine überdimensionierte Steigerung der Soziallasten. Die öffentliche Hand muss sparsam haushalten, denn der Staat und seine Institutionen können nur das Geld ausgeben, welches eine gutgehende Wirtschaft aufbringen kann. Deshalb sollten auch unbegründete oder unerfüllbare finanzielle Forderungen der Bürger kein Gehör und keine Vertretung finden bei Behörden und Parteien.

Liechtenstein hat in der Vergangenheit immer wieder schwere Zeiten zu bestehen gehabt und glücklich überwunden. Ich glaube, wir werden auch diese Krise überwinden, wenn der Staat und der Einzelne den gemeinsamen Willen aufbringen, den Schwierigkeiten Herr zu werden.

Ich möchte nun noch Ihnen, meine Herren Abgeordneten, für die diesjährige Sessionsperiode des Landtages Gottes Segen und Beistand wünschen und erkläre hiermit den Landtag für eröffnet.