Thronreden

06. Mai 1966

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 6. Mai 1966



Die Eröffnung der neuen Legislaturperiode des Landtages ist mir Anlass, über einige wichtige Fragen zu sprechen, mit welchen sich dieses Forum in der nächsten Zeit befassen sollte.

Auf legislatorischem Gebiet besteht die Notwendigkeit, einige Lücken zu schliessen. Ich denke an das von der Verfassung vorgesehene Gesetz über die Verwaltungsorganisation. Im Interesse eines geordneten und reibungslosen Ablaufes der Verwaltungstätigkeit erscheint es mir geboten, eine entsprechende Regelung zu schaffen. Ebenso wird sich der Landtag mit der Frage der Amtshaftung des Staates zu befassen haben. In diesem Gesetz müsste genau festgelegt werden, wann und in welchem Verfahren der Staat für die Amtsführung seiner Organe gegenüber dem einzelnen Bürger haftbar gemacht würde. Ich brauche, glaube ich, nicht zu betonen, dass die Vorkommnisse nach den letzten beiden Landtagswahlen die Notwendigkeit aufzeigen, gewisse Bestimmungen unseres Wahlgesetzes zu verbessern. Es ist ein unbefriedigender Zustand, wenn nach jeder Neuwahl die Tätigkeit des Landtages durch Monate lahmgelegt wird.


bergehend auf die Fragen des Staatshaushaltes wäre zu bemerken, dass einige Abänderungen des Steuergesetzes notwendig werden. Die Couponsteuer, welche Liechtenstein auf Grund des Zollvertrages mit der Schweiz einhebt, verliert ab 1967 ihre gesetzliche Grundlage. Die Neuordnung verschiedener anderer Fragen des Steuerrechtes wurde bereits vom letzten Landtag in Beratung genommen und wären jetzt diese Arbeiten abzuschliessen. Dabei sollte bei der Behandlung der Fragen des Staatshaushaltes das Prinzip als Grundsatz dienen, dass dauernden Ausgaben des Staates auch dauernde Einnahmen gegenüberstehen müssen. Ein auf sicherer und vernünftiger Basis aufgebautes Budget dient auch in der Zukunft am besten dem Wohle des liechtensteinischen Volkes, sei es in sozialer, kultureller oder wirtschaftlicher Hinsicht.

Auf dem sozialen Sektor zeigt sich die Notwendigkeit, das Problem einer Arbeitslosenversicherung zu lösen. Die gegenwärtige Konjunktur sollte uns nicht verführen, dieser Frage, die irgend einmal aktuell werden kann, aus dem Wege zu gehen. Im Bereiche des sozialen Sektors verweise ich weiters auf eine Neuregelung des Krankenversicherungswesens, welches modernisiert werden müsste.

Im kulturellen Sektor wird in der nächsten Zukunft ein ziemlich reiches Arbeitsprogramm betreffend Fragen der Erziehung und Ausbildung vorgelegt werden. Unser Schulgesetz bedarf dringend einer Modernisierung und das Stipendienwesen sollte weiter ausgebaut werden, um noch besser als bisher unbemittelten und minderbemittelten begabten jungen Leuten eine gründliche Fachausbildung zu ermöglichen. Aber auch in einer anderen Richtung hätte der Staat für unsere studierfreudige Jugend Vorsorge zu treffen. Da wegen der Kleinheit unseres Landes die Möglichkeit, eigene Schulen zu errichten, naturgemäss beschränkt bleibt, müsste das Land bestrebt sein, genügend Studienplätze unserer Jugend zu sichern, soweit dieselbe auf eine notwendige Ausbildung im Ausland angewiesen ist. Erfolgreiche Bemühungen in dieser Richtung wurden bereits unternommen. Ich möchte hier nochmals mit Nachdruck auf die grosse Bedeutung hinweisen, die die fachliche Ausbildung, heute noch viel mehr als früher, hat Die durchgreifende Industrialisierung unseres Landes erfordert in immer stärkerem Masse gründlich geschulte Fachkräfte, und unsere Wirtschaft wird nur dann einer weiteren sicheren Entwicklung entgegensehen, wenn sie sich auf genügend Fachkräfte unter den eigenen Bürgern stützen kann.

Im wirtschaftlichen Sektor ist der Fragenkomplex der Landesplanung von grosser Bedeutung. Aber auch die sozialen, kulturellen und geistigen Belange, welche miteingeschlossen sind, darf man nicht übersehen. Regierung und Behörden haben sich bereits im abgelaufenen Jahr mit diesem Fragenkomplex befasst und sind schon umfangreiche und wertvolle Vorarbeiten vorhanden. Ich will hier auf die Dringlichkeit einer solchen Planung hinweisen. Die Landwirtschaft braucht neben der Industrie, soll sie ungestört wachsen können, einen gesicherten Entwicklungsraum. Alle Anstrengungen, unsere Landwirtschaft zu fördern, führen zu keinem Ziel, wenn wir dem Bauernstand nicht auf Generationen hinaus das notwendige Ackerland sichern. Der Boden bedeutet Lebensraum für die Landwirtschaft und ist gleichzeitig die Grundlage für jede rationelle Wirtschaft auf weite Sicht. Wie die Vorarbeiten zeigten, wird die Landesplanung auch die Voraussetzung schaffen, damit noch eine Bevölkerung von 140 000 Menschen in weitem Masse im eigenen Hause wohnen kann und nicht auf eine Wohnung in Wolkenkratzern angewiesen ist Auch die Fragen des Naturschutzes und der Gesunderhaltung der Landschaft sind in dieser Planung eingeschlossen. Unsere Heimat ist zwar klein, mit landschaftlichen Schönheiten ist sie aber reich gesegnet. Diese gilt es zu erhalten, denn sie sind ein wertvolles Erbe, für dessen Weiterbestand wir der künftigen Generation verantwortlich sind.

Abschliessend sehe ich mich veranlasse noch auf die Verbindung Liechtensteins mit der Welt ausserhalb unseres Landes hinzuweisen. Trotz mancher Rückschläge drängt die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung weiter in Richtung auf einen grossräumigen Markt. Diese Entwicklung darf auch bei uns nicht übersehen oder gering geschätzt werden. Unsere Wirtschaft muss alle Fragen der Integration laufend prüfen, um in dem immer heftiger werdenden Konkurrenzkampf bestehen zu können. Durch ein glückliches Schicksal gehört unser Land zu den meistbegünstigten Staaten der Welt, indem im Lande eine wahrhaft wohlhabende Wirtschaft gut gedeiht. Angesichts dieser Privilegien haben wir aber auch die Verpflichtung, nach besten Kräften zu helfen, soweit es unsere Möglichkeiten erlauben. Unsere Anstrengungen im Rahmen der Entwicklungshilfe sollten verstärkt werden, denn das ist einer der wichtigsten Wege, unsere Solidarität im internationalen Räume zu zeigen.

Ich schliesse mit dem innigen Wunsche, der Segen Gottes und der Beistand des Heiligen Geistes möge Ihre Arbeit begleiten und erkläre die Sessionsperiode 1966 des Landtages für eröffnet.