Thronreden

23. Februar 1950

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 23. Februar 1950


Gemäss Art. 48 der Verfassung habe ich den Landtag für die Sessionsperiode 1950 auf heute einberufen und möchte bei diesem Anlasse zu Ihnen sprechen.

Seitdem der Landtag vor einem Jahr nach den Wahlen zum ersten Male zusammentrat, ist zwar erst eine kurze Spanne Zeit verstrichen, aber die politische und wirtschaftliche Lage in Mitteleuropa hat sich grundlegend geändert Auch die wirtschaftliche Position unseres Landes wurde durch diese Veränderungen berührt. Wir müssen vor allem feststellen, dass die Hochkonjunktur der Wirtschaft in dem vergangenen Jahre weitgehend abflaute, in zahlreichen Zweigen der Wirtschaft hat sie gänzlich aufgehört. Aus dieser Feststellung ergibt sich die Forderung, im Staatshaushalt sparsam zu wirtschaften und in den laufenden Ausgaben das Geld nur noch für unbedingt notwendige Arbeiten aufzuwenden, die entweder, wie die Automatisierung des Telephonnetzes, bereits im Bau sind, oder für gewisse Strassenbauten, die schon sehr notwendig waren. Das mit einem Defizit abschliessende Budget für 1950 ermahnt Landtag und Behörden, bei den Voranschlägen für das nächste Jahr grösste Vorsicht walten zu lassen, denn wir müssen uns die Möglichkeit offen halten, falls die Beschäftigung in der Wirtschaft weiter zurückgeht, durch Arbeitsbeschaffung, wie schon einmal in den Dreissigerjahren, Abhilfe zu schaffen. Es ist unbedingt notwendig, für diesen Fall einer zusätzlichen Arbeitsbeschaffung Vorsorge zu treffen.

Gerade für die kommenden schweren Zeiten ist es besonders wichtig, dass die Behörden alle Massnahmen ergreifen, damit die Wirtschaft gut und rationell arbeiten kann. In diesem Fall ist besonders an die Landwirtschaft zu denken, die in schweren Zeiten immer notleidend war. Nun lässt sich gerade in der Landwirtschaft ziemlich viel tun durch eine vernünftige Rationalisierung. Als die wichtigste Massnahme in diesem Sinn wäre die Kommassierung zu bezeichnen. Jedermann im Lande weiss ja um die unmögliche Zersplitterung der Grundstücke, die hier ein Ausmass erreicht hat, wie nicht sobald woanders in Europa. Durch die Vermessung im Lande ist die Grundlage für die Bodenzusammenlegung geschaffen worden, und es hängt jetzt nur mehr von der verständigen Zusammenarbeit des Einzelnen mit den Behörden ab, dass ein für das ganze Land und seine Wirtschaft wahrhaft grosses Werk geschaffen werden kann.

Die liechtensteinische Landwirtschaft hat sich weitgehend wieder auf Viehzucht und Milchwirtschaft umgestellt, wie es bis zum Kriege Tradition war. Ich möchte hier vor allem hinweisen auf die Notwendigkeit einer energischen Bekämpfung der Rindertuberkulose. Es ist unerlässlich, alle Massnahmen für die Gesundung des Rinderbestandes im Lande zu ergreifen, um so einen freien Markt für den Viehabsatz offen zu halten. Was nun die Verwertung der Milch und ihrer Produkte betrifft, so sind die Verarbeitungsmethoden hier im Lande noch nicht auf der notwendigen Höhe. Es ist das Zeichen eines ungesunden Zustandes, wenn die eigenen Milchprodukte im Lande wegen Mangel an Qualität zeitweise nur sehr schwer Absatz finden und der Bedarf deshalb teilweise durch Importe gedeckt werden muss. Daher ist es auch zu begrüssen, dass die Einzelnen und die Genossenschaften mit den Behörden vor nicht zu langer Zeit die Frage besprochen haben, wie da Abhilfe zu schaffen wäre.

Damit das Leben in Staat und Volk gesund fortschreitet ist es nicht nur notwendig, dass die Wirtschaft prosperiert, sondern es muss auch die Gerechtigkeit das Leben des Einzelnen und der Gesamtheit regeln. Eine besonders wichtige Seite der Gerechtigkeit ist die soziale Gerechtigkeit, und da immer im Leben Jeder Stillstand einen Rückschritt bedeutet, so müssen auch wir im Lande trachten, in den sozialen Belangen Fortschritte zu erzielen. In einigen Ländern, wie in der Schweiz, wurde in letzter Zeit eine Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung geschaffen. Auch für Liechtenstein hätte eine solche Versicherung grosse Vorteile, doch muss sie den besonderen liechtensteinischen Verhältnissen angepasst werden, die vor allem durch die Kleinheit des Landes und der damit verbundenen Empfindlichkeit unserer Wirtschaft bedingt sind. Bei uns käme wahrscheinlich das Kapitaldeckungssystem nicht in Frage, denn der Staat hat nicht soviel Geld, um riesige Fonde anzulegen. Es ist zu überlegen, ob beim Aufbau einer solchen Versicherung nicht das Umlageverfahren anzuwenden wäre. Ausserdem sollte in diese Versicherung das Prinzip der Kinderzulagen, wie sie jetzt das Land aus seiner Kasse bestreitet, irgendwie eingebaut werden. Eine solche Versicherung kann, wie gesagt, sicher Gutes schaffen, wenn sie vollkommen den bescheidenen und ganz anders gearteten Verhältnissen unseres Landes angepasst ist.

Zur sozialen Gerechtigkeit gehört es auch, dass jeder Bewohner des Landes, ob reich oder arm, vor dem Gesetz das gleiche Recht geniesst. Es soll bei uns jetzt und in Zukunft gelten, dass Jedermann sein Recht bekommt und es nicht davon abhängt ob Einer mit mehr oder minder grossem Geschick und viel Geld seine Interessen vertritt.

Als Vertreter eines christlichen Landes wollen wir für die Arbeit von Landtag, Regierung und Volk Gott um seinen Beistand bitten. Er wird uns seine Hilfe aber nur dann angedeihen lassen, wenn wir Sorge tragen, dass weiterhin im täglichen Leben und bei der Arbeit der staatlichen Organe der Geist des Christentums herrscht, auf dem sich unsere Kultur aufbaut.

Ich erkläre hiermit die Sessionsperiode 1950 für eröffnet.