Ansprachen

15. August 2023

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2023

(Es gilt das gesprochene Wort)

Durchlauchter Landesfürst

Durchlauchter Erbprinz

Königliche Hoheit

Durchlauchten

Geschätzte Mitglieder von Landtag und Regierung

Exzellenzen

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner

Liebe Gäste

Wenn wir die Entwicklung unseres Landes in den vergangenen Jahrzehnten betrachten, so fasst eine oft gehörte Aussage diese ziemlich treffend zusammen: «Vom Bauern zum Banker». Oder übersetzt: Von bitterer Armut zu grossem Wohlstand. Seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dürfen wir einen beinahe permanenten wirtschaftlichen Aufschwung erfahren. Es gibt immer weniger Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner, die in ihrem Leben noch beide Seiten kennengelernt haben. Das könnte unmerklich zur fatalen Einschätzung führen, dass Wohlstand im Lande als gegeben und selbstverständlich anzusehen ist. Wir sollten uns tunlichst immer wieder auf jene Werte und Massnahmen besinnen, die den Weg des Erfolges ermöglicht haben.

Eine ganz wesentliche Grundlage für die erstaunliche wirtschaftliche Entwicklung bildet der Zollanschlussvertrag mit der Schweiz aus dem Jahre 1923. Die Bereitschaft der Schweiz, den Zollanschluss Liechtensteins zu ermöglichen, war nicht das Resultat nationaler Interessen, sondern ein Zeichen von Grossmut vonseiten der Schweiz. So sagte Nationalrat Henri Calame in der Sitzung des Nationalrates vom 21. Dezember 1923: «Die Schweiz verfolgt keine egoistische Absicht, sie hat den Ruf eines Landes vernommen, das kleiner ist als sie selbst, sie hilft einem Lande an der Grenze, das sein Gleichgewicht nur dank unserer Hilfe wiederfinden kann.» Der Zollanschlussvertrag war für Liechtenstein wichtiger als für die Schweiz. Es ist daher mehr als selbstverständlich, dass das Jubiläum 100 Jahre Zollvertrag in Liechtenstein gebührend und umfassend gefeiert wurde. Ganz besonders erfreulich ist aber, dass auch die Schweiz in Bern im Bundeshaus eine Jubiläumsfeier abhielt. Dass der Liechtensteiner Landtag und als Festredner der Landtagspräsident dazu eingeladen wurden, darf als Zeichen grosser Wertschätzung gegenüber unserem Land gewertet werden. Zudem als Zeichen, dass die zwischenstaatliche Partnerschaft auch von der Schweiz als nutzbringend erachtet wird. War Liechtenstein vor 100 Jahren Bittsteller, so kann heute von einer für beide Seiten vorteilhaften Gemeinschaft gesprochen werden.

Geschätzte Festgemeinde

Liechtenstein ist in den vergangenen Jahrzehnten als Staat gewachsen. Visionäre Aussenpolitik hat dazu geführt, dass unsere Souveränität mit den Mitgliedschaften in UNO und EWR weiter gestärkt wurde und Liechtenstein heute in der internationalen Staatengemeinschaft ein angesehenes Mitglied ist. Die Beziehungen werden auf vielen Ebenen gepflegt. So hat unser Land, um nur ein Beispiel zu nennen, seinen festen Platz bei den Konferenzen der deutschsprachigen Staaten, sei es auf Ebene der Staatsoberhäupter, der Regierungen oder der Parlamente. Diese Erfahrungsaustausche mit befreundeten Ländern sind bei der Bewältigung aktueller politischer Herausforderungen sehr hilfreich.

Eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit ist die rasante Entwicklung rund um die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz. Fake News und Desinformation sind heute verbreiteter denn je. Besonders ein Beispiel hat uns vor Augen geführt, dass diese Entwicklung eine bisher nicht gekannte Gefahr für die Demokratie darstellt. Noch nie war Manipulation so einfach und noch nie konnten Falschmeldungen in Sekundenschnelle so breit gestreut werden. Das kann zu Radikalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen führen. Wir werden nicht umhinkommen, zum Schutze der Gesellschaft Regulierungen zu schaffen. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Die Medienkompetenz bei allen Bevölkerungsgruppen zu fördern, ist ein Gebot der Stunde. Es ist essenziell, verlässliche von unseriösen Nachrichten unterscheiden zu können.

Wir müssen ein Zusammenleben in respektvollem Miteinander sichern. Dazu gehört, dass wir Reibungsflächen auch einmal hinter uns lassen können. Ich denke hier an die unterschiedliche Bewertung der von der Corona-Pandemie ausgegangenen Gefahren und der getroffenen Massnahmen. Hinterher sind wir alle besser in der Lage, einzelne Handlungen differenzierter zu beurteilen. Wenn wir uns aber gegenseitig zugestehen, dass alle Personen in jener herausfordernden Zeit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, so können und sollten wir gemeinsam den Blick nach vorne richten.

Viele neue Aufgaben, die sich zum Teil auch durch den russischen Überfall auf die Ukraine ergeben haben, erfordern unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit. In den kommenden Monaten werden sich Politik, Wirtschaft und Bevölkerung mit vielen Themen auseinandersetzen müssen. Ohne zu gewichten, möchte ich einige der anstehenden Aufgaben ansprechen.

Die Sicherung der Energieversorgung ist von herausragender Bedeutung und muss mit Massnahmen im Lande selbst beginnen. Die Eigenversorgung muss erhöht werden. Politik ist in der Demokratie die Kunst des Machbaren. Es gilt, im Einvernehmen mit der Bevölkerung, wirksame und nachhaltige Konzepte umzusetzen.

Auch im Einvernehmen mit der Bevölkerung muss die Gesundheitsversorgung im Lande geklärt werden. Sich abzeichnende Mehrkosten beim geplanten Landesspital haben dazu geführt, dass die Grundsatzdiskussion, ob wir ein eigenes Spital brauchen, erneut entfacht wurde. Die Abstimmung über einen Zusatzkredit wird somit absehbar zum Plebiszit, ob die Bevölkerung ein Landesspital will oder nicht.

Der Fachkräftemangel ist ein aktuelles Thema, das unsere Wirtschaft ernsthaft fordert. Ursache ist unter anderem der demografische Wandel. Viele Arbeitskräfte aus geburtenstarken Jahrgängen kommen ins Pensionsalter. Gewinner im Wettbewerb werden jene Betriebe sein, die mit attraktiven Arbeitsbedingungen und verlässlicher sozialer Absicherung konkurrenzfähig bleiben. Konkurrenzfähigkeit müssen wir auch dem Staat als Arbeitgeber ermöglichen, wenn wir eine leistungsfähige Landesverwaltung wollen.

Vor dem Klimawandel und seinen Auswirkungen die Augen zu verschliessen wäre verfehlt. Extreme Temperaturschwankungen, wie wir sie gerade in letzter Zeit erfahren haben, schneearme Winter oder weltweit verheerende Sturm- und Feuerschäden zeigen auf, dass die Natur aus den Fugen geraten ist. Wir bringen den Klimawandel auch nicht unter Kontrolle, indem wir mit Fingern auf andere zeigen. Es braucht koordinierte Massnahmen der internationalen Gemeinschaft, auch von uns, um noch weit Schlimmeres zu verhindern.

In aussergewöhnlichem Masse gefordert ist auch das Bildungswesen. Die digitale Revolution mit ihren genialen Innovationen und die Künstliche Intelligenz verändern die Arbeits- und Lebenswelt auf allen Ebenen und in immer kürzeren Schritten. Die Menschen zu befähigen, mit diesem Tempo und den steten Veränderungen Schritt halten zu können, kann nur mit permanenter Anpassung der Lehrinhalte und der Weiterbildungsangebote erreicht werden.

Wir werden uns auch mit innenpolitischen Fragen auseinanderzusetzen haben. Soll die Regierung künftig vom Volk gewählt werden? Entscheidend für oder gegen einen Systemwechsel wird die Frage sein, wie die Bevölkerung mögliche Risiken für die Stabilität unseres Landes beurteilt.

Die Liste der Aufgaben, denen sich die Politik, die Führungskräfte der Wirtschaft aber auch die Bevölkerung stellen müssen, könnte noch weitergeführt werden. Es stehen viele komplexe Themen an. Wir dürfen aber aus gutem Grunde optimistisch sein. Die Resilienz der Menschheit im Allgemeinen und der liechtensteinischen Gesellschaft im Besonderen gegenüber Herausforderungen aller Art ist beeindruckend. An unserem Staatsfeiertag ist die Erkenntnis wichtig, dass wir zwar einen verschwindend kleinen Teil der Menschheit darstellen, aber genauso zu Solidarität verpflichtet sind wie grosse Nationen. Gerade die Jugend unseres Landes ist zu unterstützen, sich bei der Gestaltung der zukünftigen Lebenswelt aktiv und mit Ideenreichtum einzubringen. Wir wollen miteinander sicherstellen, dass auch kommende Generationen in einem behaglichen und prosperierenden Fürstentum Liechtenstein leben können.

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner

Wir müssen uns immer wieder vertrauensvoll auf unsere Stärken besinnen und diese gemeinsam am Leben erhalten. Liechtenstein soll eine Heimat bleiben, die von einer bildungsfreudigen, strebsamen und füreinander einstehenden Gesellschaft getragen wird. Am heutigen Festtag rufe ich dazu auf, unsere Gemeinschaft zu pflegen. Rücken wir das in den Vordergrund, was uns verbindet und glücklich macht.

Abschliessend bedanke ich mich bei all jenen, die zum guten Gelingen des heutigen Festtages einen Beitrag leisten. Ich wünsche der ganzen Bevölkerung und unseren Gästen von Herzen ein freudvolles Fürstenfest und Gottes Segen.

15. August 2022

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten anlässlich des Staatsfeiertags 2022

Wie haben wir auf diesen Tag gewartet. Beisammen sein, miteinander feiern, ohne Maske, ohne Zertifikat, einfach die Freude am Staatsfeiertag ohne Einschränkungen geniessen zu können. Was für eine Befreiung. Die Covid-Pandemie hat etliche unter uns in die Einsamkeit getrieben. Ein Stück Freiheit ging verloren. Unterschiedliche Ansichten zur Gefahr und der Umgang mit ihr haben den Zusammenhalt im Lande geschwächt. Niemand wollte Schlechtes für andere, niemand wollte andere bevormunden. Es ging einzig darum, in einer Situation, die mit grosser Unsicherheit behaftet war, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Jetzt wieder zu unserer Gemeinschaft zusammenzufinden, setzt genau diesen guten Willen von allen voraus. Mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt sich neues Ungemach. Wir leben in einer Zeitenwende, die uns vieles abverlangt und die unsere Arbeitskraft und unseren Willen zur Zusammenarbeit in hohem Masse erfordert.

Das Inflationsgeschehen wird im Alltag deutlich spürbar. Für gleich viel Geld gibt es weniger zu kaufen als noch vor Kurzem. Die Teuerung bei Heizöl, Gas, Benzin und Lebensmitteln wird für viele zum ernsthaften Problem.

Energieknappheit ist über Nacht zum vorherrschenden Thema geworden. Es gilt, möglichst rasch auf andere Energiequellen umzustellen, vorwiegend auf Elektrizität. Dabei darf nicht übersehen werden, woher der Strom kommen soll. Bereits wird Strom aus Atomkraft wieder als grüne Energie angepriesen und Ausstiegsszenarien werden zurückgestellt. Bei der aktuellen Dominanz des Themas Energieknappheit darf die wohl grösste Herausforderung der Menschheit, der rasend schnelle Klimawandel, nicht aus dem Bewusstsein gedrängt werden.

Was hat unsere Gemeinschaft dieser Vielfalt an Herausforderungen entgegenzusetzen? Meine Antwort: Unsere Werte, die auf christlichen Werten basieren. Das heisst, eine freiheitliche Gesellschaft, eine gelebte Demokratie, ein stabiles Staatswesen, unsere Arbeits- und Innovationskraft und eine wertschöpfungsorientierte Wirtschaft.

Zum ersten Mal seit Langem wird uns wieder bewusst, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist. Auf europäischem Boden werden Menschen getötet, verschleppt, unterjocht. Menschenleben und die Menschenwürde gelten auf Teilen unseres Kontinents nichts mehr.

Das bedeutet auch für uns: Zusammenrücken, unsere Kräfte bündeln, uns gegenseitig stärken. Anstand und Respekt müssen in unserer Politik und in unserer Gesellschaft wieder ihren festen Platz haben. Wir können es uns nicht leisten, unsere Kräfte in kleinkarierten Scharmützeln zu vergeuden. Die Menschen im Lande haben die Nase voll davon. Gehen wir gemeinsam den aufrechten Gang und bringen wir das Land mit vereinten Kräften weiter.

Liebe Festgemeinde, 100 Jahre mit unserer Verfassung haben uns gezeigt, dass die Verankerung der Staatsgewalt im Fürsten und im Volk eine gute Voraussetzung ist, um unser Staatswesen auch durch raue Winde zu führen. Dabei gilt es stets, auf Entwicklungen zu reagieren.

 

Man muss sich heute die Frage stellen, ob der Landtag, die Volksvertretung, noch richtig aufgestellt ist. Der Landtag muss seine verfassungsmässig zugeordneten Aufgaben vollumfänglich wahrnehmen können. Das entstandene Ungleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative darf nicht weiter zunehmen. Den Landtag zu stärken, heisst, das Volk zu stärken.

Eine Abkehr vom Milizsystem wäre meines Erachtens nicht opportun. Zu gross wäre die Abhängigkeit vom Arbeitsplatz Landtag und zu gross wäre die Versuchung, sich diesen Arbeitsplatz durch Gefälligkeitspolitik zu sichern. Aber innerhalb des Milizsystems sind Anpassungen möglich, welche die Arbeit der Abgeordneten unterstützen und erleichtern könnten. Dies wiederum würde zu effizienterer Arbeitsweise führen und sich qualitätssteigernd auswirken. Voraussetzung dafür ist, dass der Landtag ein Selbstbewusstsein an den Tag legt, das seiner Stellung in der Verfassung entspricht.

Werte Einwohnerschaft, unsere freiheitliche Gesellschaft sieht viel Selbstverantwortung vor, was durch geeignete Rahmenbedingungen zu unterstützen ist.

Aufgrund der guten Wirtschaftslage hat sich ein eigentliches Luxusproblem ergeben. Es fehlt in vielen, um nicht zu sagen in fast allen Bereichen an Arbeitskräften. Dazu passt nicht, dass sich immer mehr gut- und auch bestausgebildete Frauen bei Mutterschaft und gleichzeitiger Berufstätigkeit grössten Hindernissen gegenübersehen. Der Bedarf an teilzeitlicher Arbeitsweise wäre gross, wird aber nicht in genügendem Masse angeboten. Zudem ergibt sich derzeit die Situation, dass sich diese Arbeit in vielen Fällen gar nicht lohnt. Wenn für die Betreuung der Kinder, durch höhere Steuern und für andere einkommensabhängige Belastungen ein Grossteil des Zusatzlohns aufgeht, so ist dies völlig demotivierend. Familienpolitik hat auch dafür zu sorgen, dass sich Arbeit lohnt. Wesentlich erscheint mir auch, dass in unserer liberalen Wirtschaftsordnung der ideelle Gedanke der Wertschöpfung weiterhin hoch gewichtet wird. Wenn wir mit unserer industriellen Produktion dazu beitragen, dass weltweit sicher gebaut wird, dass Häuser gut beheizt sind, dass Menschen ein hübsches Lächeln haben oder ihr Hunger gestillt wird, so ist dies gut so. Ebenso hilfreich ist es, wenn wir durch ausgezeichnete Dienstleistungen dafür besorgt sind, dass Menschen ihr Geld sicher verwaltet sehen oder dass sie gut versichert sind.

Weniger stolz dürfen wir auf Wirtschaftszweige sein, bei denen es zum eigenen Vorteil darum geht, Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen und Sozialfälle zu produzieren. Wir sind mit wertschöpferischer Tätigkeit immer gut gefahren. Ich will noch einmal betonen, dass sich Arbeit lohnen muss. In unserem Steuersystem ging der Anreiz verloren, im Laufe des Lebens Vermögen zu bilden. Die beste persönliche Altersvorsorge, Geld anzusparen oder eine eigene Wohnung schuldenfrei zu machen, muss heute als Sollertrag auf Vermögen jährlich erneut versteuert werden. Es ist in der Tat verlockender geworden, sein Geld zu verjubeln. Das schwächt vor allem unsere breiteste Bevölkerungsschicht, den Mittelstand. Mit einem angemessenen Freibetrag auf das zu versteuernde Vermögen könnten der Sparwille und die Selbstvorsorge wieder gestärkt werden.

Während des Sommers wurde in unserer Nachbarschaft ein schon dramatischer Mangel an Lehrpersonen bekannt. Es müssen Personen ohne entsprechende Ausbildung angestellt oder Klassen zusammengelegt werden. Diese Problematik wird auch vor uns nicht Halt machen, was für das so wichtige Bildungswesen Gift wäre. Es gilt, vorausschauend wirksame Massnahmen zu treffen, um einen der einst angesehensten Berufe für junge Menschen wieder attraktiv zu machen.   

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner, grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Liechtenstein ist in Jubiläumsstimmung. Nach den Feiern zu 300 Jahre Fürstentum Liechtenstein und zu 100 Jahre Verfassung dürfen wir im kommenden Jahr 100 Jahre Zollvertrag mit der schweizerischen Eidgenossenschaft feiern. Kaum ein anderer Schritt hat so viel zu unserem Wandel vom veritablen Armenhaus zu einem der wohlhabendsten Staaten beigetragen. Das soll und wird 2023 gebührend und auf vielfältige Weise gefeiert werden. Als Landtagspräsident ist es mir eine besondere Freude, aus Sicht des Landtages eine Sondersitzung zur Würdigung dieses für uns so bedeutenden Vertragswerks ankündigen zu dürfen.

Geschätzte Einwohnerschaft, zu Zeiten, die von Unsicherheit und Wandel geprägt sind, ist es wichtig und hilfreich, Zuversicht zu verströmen. Glauben wir in unserem kleinen, aber feinen Fürstentum an die Kraft unserer Gemeinschaft. Setzen wir unsere Stärken ein, jede und jeder im eigenen Wirkungsbereich.

Der Staatsfeiertag soll uns in Erinnerung rufen, dass wir in Liechtenstein in Frieden und Freiheit leben dürfen und dass uns für den Erhalt dieser Werte kein Einsatz zu hoch sein darf. In Dankbarkeit wollen wir auch grosszügig Solidarität mit jenen zeigen, die vom Glück weniger begünstig sind.

Wie sehr haben wir darauf gewartet, wieder miteinander feiern zu können. Geniessen wir den heutigen Festtag und lassen wir unsere Heimat hochleben. Freuen wir uns über all das, was uns verbindet. Ich wünsche allen ein frohes, beglückendes Beisammensein und Gottes Segen.

15. August 2020

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2020

Es gilt das gesprochene Wort!

Durchlauchter Erbprinz, liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.“ Dieser Wilhelm Busch zu geschriebene Spruch trifft auf das Jahr 2020 ganz besonders zu. Mit dem Coronavirus „Covid 19“ brach eine unsichtbare Bedrohung über die Welt herein. Bald mussten auch in Liechtenstein die ersten Infektionen festgestellt werden. Nachrichten von medizinischen Notständen in China, Italien und zunehmend weiteren Ländern lösten Gefühle von Verunsicherung bis hin zu Panik aus. Man war sich einig, dass wir vor der grössten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg stehen. Das gewohnte und vertraute Alltagsgeschehen wich einer akuten Gefahr mit unbekanntem Ausgang.

Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung waren unverzüglich gefragt. Es war in dieser aussergewöhnlich bedrohlichen Situation völlig klar, dass die Staatsführung ohne Einschränkung funktionieren muss. Auch war klar, dass Regierung und Landtag zusammenarbeiten müssen und sich den Herausforderungen gemeinsam stellen müssen. Es wurden Massnahmen ergriffen und Empfehlungen vermittelt, die viele Bereiche des gewohnten Lebens betrafen und einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brachten. Aus heutiger Sicht dürfen wir feststellen, dass eine folgenschwere Ausbreitung der Pandemie in Liechtenstein verhindert werden konnte. Auch dürfen wir dankbar feststellen, dass es uns möglich ist, die wirtschaftlichen Einbrüche dank einer vorausschauenden Finanzpolitik ohne Verschuldung aufzufangen.

Für viele unserer Mitmenschen wurde Corona zur herausfordernden Belastung. Mit Kurzarbeit ging die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes einher. Menschen in Altersheimen erfuhren bedrückende Einsamkeit, weil ihre Angehörigen sie nicht mehr besuchen durften. Grosseltern wurden von ihren Enkelkindern getrennt, eine für beide Seiten schmerzliche Einschränkung. Menschen durften sich nicht mehr umarmen und auch auf das Händeschütteln wurde verzichtet. Mit der Schliessung der Schulen kamen auf Eltern zusätzliche Betreuungsaufgaben zu. Lehrpersonen mussten im Eiltempo auf digitales Lehren umstellen. Besonders belastet waren jene Personen, die im Verkauf oder im Gesundheitswesen ihren Beruf weiterhin vor Ort ausüben mussten und sich dabei erhöhter Ansteckungsgefahr aussetzten. Oder denken wir auch an jene Personen, deren Einkommen existenzbedrohend einbrach.

Liebe Einwohnerinnen und Einwohner,

Bei all diesen Belastungen ist es wirklich bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit grösste Teile der Bevölkerung die Vorgaben verantwortungsbewusst befolgten. Noch ist Corona nicht vorbei. Aber wir dürfen mit Freude feststellen, dass in dieser besonderen Situation eine Welle von Solidarität im Land aufblühte. Nebst dem staatlichen Engagement bildeten sich private Hilfsbewegungen, um besonders betroffene Mitmenschen zu unterstützen. Ich danke all jenen von Herzen, die in dieser schwierigen Zeit Zusammenhalt bewiesen und durch spontane Hilfsbereitschaft für Lichtblicke gesorgt haben. Solidarität ist ein Zeichen von Stärke und ein solides Fundament, auf das wir bauen dürfen. Solidarität ist ein Merkmal, das wir uns auch für die Zeit nach Corona bewahren können. Wenn sich Solidarität mit Mitmenschen im Lande und mit den Ärmsten der Welt als fester Wert unserer Gesellschaft etabliert, dann gehen wir gestärkt aus dieser Krise.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Unsere duale Staatsform, die die Staatsgewalt im Fürsten und im Volk verankert, hat seit vielen Jahren Bestand und sichert Stabilität und Vertrauen in die Staatsführung. Es ist mir heute ein Bedürfnis, dem Durchlauchten Fürstenpaar im Namen der liechtensteinischen Bevölkerung zum 75. bzw. 80. Geburtstag herzlichst zu gratulieren. Dies verbunden mit den allerbesten Wünschen für eine gute Zukunft.

Unser kleines Land muss sich im internationalen Umfeld immer wieder bewähren. Dabei sind wir oft auf das Wohlwollen anderer angewiesen. Wohlwollen erwirbt man durch Verlässlichkeit, Stabilität und durch erkennbar gute Staatsführung. Als starkes Rückgrat erweisen sich zudem die im liechtensteinischen Volk tief verankerten Werte. Die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner gelten als fleissig, verlässlich, strebsam und hilfsbereit. Bewahren und stärken wir diese Werte, die für unser erfolgreiches Gemeinwesen von erheblicher Bedeutung sind.

Die Demokratie in Liechtenstein lebt von der Partizipation der Bevölkerung. Wir sind in der glücklichen Lage, dass die Bürgerrechte hierzulande mit hoher Beteiligung ausgeübt werden. In Kürze stehen drei Volkstabstimmungen an. Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner haben das Privileg, bei wichtigen politischen Weichenstellungen mitentscheiden zu können. Ich fordere Sie dazu auf, dieses Recht wahrzunehmen. Die Meinung jeder und jedes Einzelnen ist gefragt und wird gleich gewichtet. Und bald stehen auch wieder Landtagswahlen an. Ich möchte unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger ermutigen, sich für eine Kandidatur zur Verfügung zu stellen. Die Anerkennung, die man vermittelt bekommt, überwiegt eine gelegentliche Kritik bei Weitem. Es ist eine dankbare Aufgabe, für die Menschen im Lande Verantwortung zu tragen und die Zukunft unseres Landes mitzugestalten.

Wie wird diese Zukunft aussehen? Fünf globale Entwicklungstendenzen werden in den kommenden Jahren massgeblichen Einfluss auf unser Land haben:

Der Klimawandel wird zur wohl grössten Herausforderung der Weltgemeinschaft. Der menschengemachte Treibhauseffekt verursacht Rückstau von Wärme auf unserem Planeten. Folgen in Form von schneearmen Wintern, heissen Sommern oder Starkniederschlägen sind hierzulande schon deutlich spürbar.

Die Globalisierung ist für unsere Wirtschaft wegweisend. Derzeit verschieben sich die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse der Weltregionen. Das Exportland Liechtenstein kann sich den internationalen Märkten nicht entziehen und wird sich den Gegebenheiten laufend anpassen müssen.

Die Digitalisierung verändert das Umfeld, in dem wir leben. IT-Kompetenzen werden in der Unternehmensführung zur Schlüsselkompetenz. Neue Berufe und neue Geschäftsmodelle werden zunehmend unseren Alltag begleiten.

Der demografische Wandel wird hohe Ansprüche an unsere Sozialwerke zur Altersvorsorge stellen. Gleich viele 70-jährige wie 20-jährige Bewohner im Lande sind beredtes Zeugnis einer veränderten Zusammensetzung unserer Gesellschaft.

Der Trend zu Migration wird weiter zunehmen. Prognosen weisen darauf hin, dass Europa in den nächsten 30 Jahren eine Nettozuwanderung von 40 % erleben wird. Eine breit unterstützte Integration von Migranten wird von essenzieller Bedeutung sein.

Diesen fünf Megatrends müssen wir uns mit Selbstvertrauen und mit Innovationskraft stellen. Daneben bleiben uns genügend und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, um unser Land verantwortungsbewusst und unter Einbezug der Bevölkerung weiterzuentwickeln. Wir wollen Liechtenstein so gestalten, dass auch unsere Enkel ein gutes Leben führen dürfen.

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

Unser Staatsfeiertag wurde vor genau 80 Jahren in der für unser Land existenzbedrohenden Zeit des Zweiten Weltkrieges ins Leben gerufen. Er sollte damals den gemeinsamen Willen zum Erhalt der Heimat stärken und als Zeichen der Hoffnung und des inneren Zusammenhalts wirken. Diese Vorgabe aus dem Jahr 1940 hat wieder grosse Aktualität erlangt. Bei der Bewältigung der Coronakrise sind innerer Zusammenhalt, Hoffnung und Zuversicht in hohem Masse gefragt.

Dieses Jahr feiern wir unseren Staatsfeiertag anders als gewohnt. „Zemma im klina fiira“ ist das Motto. Am Abend werden wir die Höhenfeuer, die Krone auf Tuass und den Fackelzug entlang des Fürstensteigs geniessen können. Liechtenstein ist beflaggt und in jeder Gemeinde wird ein Gebäude in den Landesfarben erstrahlen.

Für den Staatsakt wurde ein kleiner, aber feiner Rahmen gefunden. Ich danke der Bläsergruppe und dem Männerquartett für die musikalische Gestaltung. Auch danke ich dem Trachtenverein, der Rheinmark und den Pfadfindern. Sie alle machen Heimatverbundenheit erlebbar. Der ehemalige Regierungsrat und Landtagsabgeordnete Dr. Walter Oehry hat unserer Heimat ein Gedicht gewidmet, das gut zum Staatsfeiertag passt: „Die Entstehung Liechtensteins“. Mit seinen im Dialekt verfassten Versen komme ich zum Ende meiner heutigen Rede.

Der Herrgott ischt grad fertig gse
Und hät si ghörig gfreut
Es ischt der letschte Werktig gse
Und er häts ned bereut.

D’Engel luagen öberall,
Well sie muand nochher rumma.
Änn rüaft: Do hat’s noch Matrial
A klises betzle umma.

Es ischt zwor blos a Hüfele
Und gär ned förchtig tüür
I glob, i nümm mis Schüfele
Und wörf’s grad schnell is Füür.

Do seet der Herrgott: Wart a betz,
I glob I mach noch schnell,
Vor i mi nocher ahisetz,
a munzig kliis Modell.

A betzle Berg, a betzle Tal
Viel Sunna und viel Moo,
Drzwösche dinna recht viel Wald
Viel Tierle sowieso.

Und Lütle, grad wie n’is gern mag.
Fromm und met viel Respekt,
Wo schaffen, wenn sie Tag för Tag
Der Güggel jedsmol weckt.

Wenn’s fertig ischt, denn legen mer’s
Grad metta zu da-n-andera
Denn ka ma krüzwiis und verquers
Dors‘ kline Lendle wandera.

Denn sächt ma, dass der kline Rescht
Vom grossa Werk allää
A klises Meischterwerkle ischt
Und hässen’s Liachtaschtää.

Mit dieser Ode an die Heimat wünsche ich allen Einwohnerinnen und Einwohnern einen beglückenden Staatsfeiertag und wünsche Ihnen von Herzen Gottes Segen.

15. August 2019

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2019

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Durchlauchter Landesfürst

Durchlauchte Landesfürstin

Durchlauchter Erbprinz

Königliche Hoheit

Durchlauchten

Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag

Exzellenzen

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner

Liebe Gäste

 

Ein Land in Jubiläumslaune, was für eine Freude!

1719 wurde das Fürstentum Liechtenstein gegründet. 300 Jahre verbinden die Bewohner unseres Landes mit dem Fürstenhaus Liechtenstein. Es ist dies eine wechselhafte Geschichte, die von einer Fernbeziehung in das heutige Zusammenleben in Liechtenstein führt.

Das Fürstentum Liechtenstein wurde buchstäblich aus der Not geboren. Aufgrund hoher Schulden sahen sich die Grafen von Hohenems gezwungen, 1699 zunächst die Herrschaft Schellenberg und 1712 die Grafschaft Vaduz an den Fürsten von Liechtenstein zu verkaufen. Zwei unbedeutende Fleckchen Erde, die nichts abwarfen, bewohnt von Bauern, die mit Missernten zu kämpfen hatten.

Dass sich das Adelshaus Liechtenstein im fernen Mähren für die Region interessierte, hatte einen bedeutsamen Grund: Schellenberg und Vaduz waren schon seit dem 14. Jahrhundert reichsunmittelbar, das heisst, der regionale Herrschaftsträger war ohne Zwischeninstanzen dem Kaiser unterstellt. Schon seit Jahrzehnten bemühte sich das Fürstenhaus, die Reichsfürstenwürde zu erlangen. Dafür bedurfte es allerdings des Besitzes eines reichsunmittelbaren Territoriums von bestimmter Grösse. Mit dem am 23. Januar 1719 durch Kaiser Karl VI. erlassenen Zusammenschluss der Herrschaft Schellenberg und der Grafschaft Vaduz zum Fürstentum Liechtenstein wurde ein solches Territorium geschaffen. Es war die Geburtsstunde unseres Landes.

Nach dem Zerfall des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als Folge der Napoleonischen Kriege wurde das Fürstentum Liechtenstein zusammen mit viel grösseren Ländern wie Bayern, Württemberg oder Baden durch Napoleon in den Rheinbund aufgenommen. Damit erlangte das Land im Jahre 1806 die volle Souveränität.

Es sollte fast die Hälfte unserer 300-jährigen gemeinsamen Geschichte vergehen, bis im Jahre 1842 erstmals ein Landesfürst das Land besuchte. Man kann sich die Frage stellen, warum das so lange gedauert hat.

Nun, zum einen waren die damaligen Reisemöglichkeiten nicht mit den heutigen vergleichbar, was eine entsprechend lange Reise in ein Alpental weit hinter dem Arlberg als überaus beschwerlich erscheinen liess. Zudem waren die Tätigkeiten des Fürstenhauses in den angestammten Landen vielfältig und anspruchsvoll. Das Haus Liechtenstein erreichte die höchsten Ränge im Kaiserreich und hatte weit grössere Ländereien als das kleine Liechtenstein in seinem Besitz. Das Fürstenhaus war Ende des 17. Jahrhunderts in Mähren für ca. 19‘000 Familien verantwortlich, während die Bevölkerung im fernen Liechtenstein weniger als 1000 Haushalte zählte.

Dazu gab es noch andere Gründe, sich mit einer Reise ins Alpenrheintal nicht zu beeilen. Was Landvogt Schuppler dem Fürsten 1815 in seiner Landbeschreibung berichtete, enthielt in der Tat wenig Verlockendes, sich bald auf die Reise zu machen. „Die intellektuelle und körperliche Bildung der Landeseinwohner hat keineswegs die dem Zeitgeist angemessene Höhe erreicht“, so meinte Schuppler und weiter: „In seiner Lebensweise sucht der Liechtensteiner sein Glück in zügelloser Freiheit, fröhlichem Müssiggang und in der Befriedigung all seiner Leidenschaften, wenn die gleich dem Nächsten und dem Staate schädlich sind.“ Markige Schuppler-Worte!

Diese Schilderung, geschätzte Gäste, zeigt doch sehr eindrücklich, dass die Geschichte Liechtensteins eine Geschichte des Wandels ist. Liechtenstein ist heute ein Wohlfahrtsstaat. Die Lebensqualität in unserem Land ist im Weltvergleich ganz oben anzusiedeln. Der Aufstieg hin zu Wohlstand begann allerdings erst vor ungefähr 75 Jahren. Die 300 Jahre unserer Geschichte lassen sich zu drei Vierteln in eine Zeit der Armut und zu einem Viertel in eine Zeit des wachsenden Wohlstands aufteilen.

Die Geschichte des Landes ist durch ein beachtliches Bevölkerungswachstum geprägt. In den 300 Jahren ist die Anzahl der im Lande lebenden Menschen von weniger als 4000 auf 38‘000, also um das Zehnfache, gestiegen. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich mehr als verdoppelt. Sie lag bis ins letzte Jahrhundert unter 40 Jahren. Heute liegt sie bei über 80 Jahren und es bewohnen z.B. gleich viele 65-Jährige wie Dreissigjährige das Land.

Den wohl grössten Unterschied zu früher aber macht der hohe Bildungsstand der Bevölkerung aus. Fast alle Berufstätigen können heutzutage eine qualifizierte Berufsausbildung vorweisen. Gegen 40% der Frauen und Männer erlangen eine Ausbildung auf Universitäts- oder Hochschulebene. Noch vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert war Höhere Bildung weniger als 5 % der Bevölkerung und ausschliesslich Männern zugänglich.

War über lange Zeit fast die ganze Einwohnerschaft dem Bauernstand zuzuordnen, so sind heute weniger als 1 % der Berufstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt. Die gut diversifizierte, international erfolgreiche Wirtschaft mit den Hauptsektoren Industrie und Finanzdienstleistungen sorgt für eine grosse Anzahl von attraktiven Arbeitsplätzen. Rund 20‘000 Personen aus der Nachbarschaft pendeln daher täglich nach Liechtenstein, um hier zu arbeiten.

Das durchschnittliche Einkommen der Liechtensteiner ist eines der höchsten weltweit, die Steuerbelastung hingegen eine der tiefsten. Mit einem gut ausgebauten Sozialsystem ist die Erfüllung der existenziellen Grundbedürfnisse für alle Teile der Bevölkerung gesichert.

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

Wir dürfen 300 Jahre Fürstentum Liechtenstein in der wohl besten Zeit unserer Geschichte feiern. Wir dürfen dankbar für eine Entwicklung sein, die Wohlstand und Lebensqualität ins Land gebracht hat. Und so stellt sich die Frage, wie wir Sicherheit, Frieden und den gehobenen Lebensstandard für unsere Nachkommen bewahren können. Am besten wohl, indem wir die Grundlagen und Werte bewahren, die uns so weit gebracht haben.

Unser Staatswesen mit der im Fürsten und im Volk verankerten Staatsgewalt bildet die bewährte Grundlage für weitsichtige und verantwortungsvolle Politik. Stabilität und Verlässlichkeit unseres Staatswesens schaffen Vertrauen. Sie ermöglichen eine angemessene Positionierung in der internationalen Staatengemeinschaft und damit die Wahrung der Interessen des Landes. Kluge Aussenpolitik leistet seit Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag zu einem souveränen, glaubwürdigen und erfolgreich positionierten Liechtenstein.

Eine liberale Wirtschaftsordnung hat ein Unternehmertum gefördert, das seinesgleichen sucht. Gegen 5000 Unternehmen im Lande, vom Start-up bis zum Weltkonzern, sind beredte Zeugen der innovativen und erfolgsorientierten Wirtschaftstätigkeit.

Meine Damen und Herren,

Hinter all dem stehen Menschen, die Menschen im Lande. Der gute Landvogt Schuppler müsste sich eines ganz anderen Vokabulars bedienen, wollte er die heutige liechtensteinische Gesellschaft beschreiben. Bildungsfreude, Leistungsbereitschaft, Strebsamkeit, Anstand und Menschlichkeit sind erkennbare Werte unserer Gesellschaft. Werte, die unserer christlichen Glaubenstradition entsprechen und in der Bevölkerung nach wie vor tief verwurzelt sind. Menschen zeigen sich solidarisch und setzen sich in Freiwilligenarbeit zugunsten anderer ein. Dies alles gilt es zu bewahren. Achten wir verantwortungsbewusst darauf, dass unser politisches Handeln wertebasiert bleibt und dass nicht Marktdiktat und Gewinnmaximierung zum Mass aller Dinge werden! Wir sagen, was gut ist für unser Land.

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

Ich darf an unserem 300. Geburtstag voll Freude feststellen: Die liechtensteinische Gesellschaft hat eine gute Entwicklung genommen. Sie ist weltoffen, gebildet, bodenständig und mit Gemeinschaftssinn ausgestattet. Im Miteinander liegt unsere Kraft. Unsere Heimat ist unser Gemeinschaftswerk.

Lassen Sie mich danken. Dank an das Fürstenhaus, an unsere Mütter und Väter und an die Mitbürgerinnen und Mitbürger. Sie haben unser Land zu dem gemacht, was es heute ist. Und lassen Sie mich den Wunsch an unsere Töchter und Söhne richten, sich für die Heimat einzusetzen und zum kostbaren Erbe Sorge zu tragen. Möge unser Liechtenstein weiterhin gut gedeihen und ein Hort des Glücks, des Friedens und der Menschlichkeit bleiben.

Ich danke allen, die zum Gelingen des heutigen Staatsaktes beigetragen haben, und wünsche den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern, allen Einwohnern und allen Gästen einen beglückenden Festtag und Gottes Segen.

15. August 2018

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2018

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Durchlauchter Landesfürst

Durchlauchte Landesfürstin

Durchlauchter Erbprinz

Königliche Hoheit

Durchlauchten

Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag

Exzellenzen

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner

Liebe Gäste

 

Es ist wieder Fürstenfest. Wie immer, wenn sich der Hochsommer zu Ende neigt und sich der Himmel in einem besonders intensiven Blau zu zeigen beginnt. So wie das Blau in den Landesflaggen, die auch heute wieder zu Tausenden unsere Häuser und Strassen schmücken. Die zur Verfügung gestellten Plätze für das Zusammensein im Rosengarten waren wiederum im Nu vergeben. Das zeigt die Beliebtheit des Fürstenfestes und die Verbundenheit der Bevölkerung mit unserer Heimat.

Vorab möchte ich Ihnen, Durchlauchter Erbprinz, für Ihre wegweisenden Worte danken. Ich habe nun schon einige Jahre die Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, und darf dankbar feststellen, dass Sie bei der Wahrnehmung der fürstlichen Hoheitsrechte stets das eine Ziel verfolgen, vorausschauend Gutes für das Land zu bewirken. Sie durften diesen Sommer gleich zwei Mal feiern. Zum einen Ihren 50. Geburtstag und zum anderen zusammen mit Ihrer Königlichen Hoheit, Erbprinzessin Sophie, das Fest der Silberhochzeit. Im Namen der liechtensteinischen Bevölkerung darf ich Ihnen dazu von Herzen gratulieren. Ich danke Ihnen beiden für Ihren grossen Einsatz für Land und Leute und für Ihre hochgeschätzte Verbundenheit mit den Menschen im Lande.

In welchem Ausmass Ihre Worte wegweisend sein können, Durchlauchter Erbprinz, haben uns die vergangenen Jahre gezeigt. Ihre deutliche Aufforderung, unsere Sozialwerke zu reformieren, blieb nicht ungehört und hat uns gegenüber anderen Staaten in eine vorteilhaftere Lage gebracht. Erst kürzlich wurde in einem Nachbarstaat die Befürchtung geäussert, dass, wenn nicht schnell etwas passiere, die Renten nicht mehr zum Leben reichen werden und grosse Teile der Bevölkerung von Ergänzungsleistungen abhängig sein werden. Auch wenn in dieser Einschätzung etwas Schwarzmalerei mitspielen mag, dürfen wir uns doch glücklich schätzen, dass wir bezüglich der Sicherung der Sozialwerke einen guten Schritt weiter sind. Und so wird es auch in Zukunft ratsam sein, vorausschauend und abseits von eingefahrenen Gleisen Denkanstösse zu vermitteln.

 

Meine Damen und Herren,

Nach Jahren des Sparens zeigt sich unser Staatshaushalt wieder im Gleichgewicht und einträgliche Entwicklungen der Finanzmärkte erlauben es uns gar, unser Staatsvermögen beträchtlich zu erhöhen. Das mag auf den ersten Blick euphorisch stimmen und könnte zu Leichtsinn verführen. Eine vertiefte Analyse unserer Finanzlage lohnt sich aber. Wir leben in einer Zeit der absoluten Hochkonjunktur, der Weltwirtschaftsmotor läuft auf Höchsttouren und wir dürfen von Vollbeschäftigung reden.

Wenn zu solchen Zeiten, die wirtschaftlich eigentlich nicht mehr besser sein können, die Betriebsrechnung des Staates gerade ein knappes Plus von 11 Millionen Franken ausweist, d.h. ein Plus von weniger als 1 ½ Prozent, so lässt es sich unschwer erahnen, wie diese Rechnung zu Zeiten einer zukünftigen Wirtschaftskrise aussehen wird. Wirtschaftskrisen gehorchen zuverlässig einem ungeschriebenen Gesetz: Sie kommen immer wieder und sie sind in aller Regel von Verlusten auf den Finanzmärkten begleitet. Es ist daher ratsam, sich mit dem Szenario Krisenzeit auseinanderzusetzen und nach Jahren des Sparens allenfalls auch einmal einen Blick auf die Einnahmenseite des Staates zu werfen.

Mit gleich vielen Arbeitsplätzen wie Einwohnern hat unser Land in kurzer Zeit eine einzigartige wirtschaftliche Expansion erlebt. Knapp 10‘000 zusätzliche Arbeitsplätze in nur 15 Jahren sprechen eine deutliche Sprache für die jüngste Entwicklung des Wirtschaftsstandorts. Die Wirtschaft boomt wie nie zuvor. Was bedeutet diese Expansion für Land und Leute? Hat der Staat eine entsprechend ausgeweitete Handlungsfähigkeit erlangt? Sind Löhne und Sozialleistungen entsprechend gestiegen? In welchem Ausmass ist der Wirtschaftsboom für untere Einkommensschichten und für den Mittelstand spürbar?

Wenn wir auch noch in Betracht ziehen, dass unser Land keine Ausgaben für die Landesverteidigung tätigen muss. Eine Ausgabenposition, die die meisten anderen Staatsbudgets in hohem Ausmass belastet. Und wenn wir in Betracht ziehen, dass unser Infrastrukturbudget in sehr viel geringerem Ausmass oder gar nicht durch Schienennetze, Autobahnen, Flugplätze, Tunnels, Metros und anderes belastet wird. Um dies an einem Beispiel festzumachen: Alleine mit den für das NEAT-Projekt am Gotthard angefallenen Kosten könnte unser Land bis ins Jahr 2046 sämtliche seiner Ausgaben bestreiten.

Wenn man das alles in Betracht zieht, so müssten bei uns gerade zu Zeiten eines Wirtschaftswunders genügend Mittel vorhanden sein, um Sozialwesen, Alterspflege, Gesundheitswesen, Kultur- und Sportförderung und anderes auf hohem Niveau sicherstellen zu können. Und es muss möglich sein, die das Bildungswesen destabilisierenden finanziellen Reduktionen zu korrigieren.

 

Meine Damen und Herren,

Diese Sichtweisen mögen zum Nachdenken anregen. Lassen Sie mich an dieser Stelle aber betonen, dass wir in Liechtenstein einen ausserordentlich hohen Lebensstandard geniessen und wir es als Privileg erachten dürfen, in diesem Land zu leben.

Als einer der kleinsten Staaten in der internationalen Gemeinschaft ist unser Einfluss auf das Weltgeschehen gering. Handelskriege, Demokratieverluste, Brexit, Migrationsströme und vieles mehr sind durch uns nicht beeinflussbar. Aber wir müssen in der Lage sein, darauf zu reagieren. Dazu müssen wir fähig bleiben, dafür müssen wir immer bereit sein. Und um das zu können, müssen wir unsere Qualitäten, die ich gerne immer wieder erwähne, erhalten und fördern. Wir brauchen ein herausragendes Bildungswesen, bestausgebildete Einwohnerinnen und Einwohner. Wir müssen unserer fleissigen, bildungswilligen Bevölkerung lohnende Perspektiven erhalten. Und: Wir brauchen ein stabiles und verlässliches Staatswesen.

Um all das sicherzustellen, ist die Bündelung unserer Kräfte gefragt. Stärke muss im Lande selbst gedeihen. Unsere Stärke liegt nicht im Gegeneinander, sie liegt im Miteinander. Wir dürfen die Gemeinsamkeit im Denken und Handeln nicht vernachlässigen. Politische Stärke ergibt sich letztlich aus gemeinsam erarbeiteten visionären Handlungen. Unser Staatsfeiertag ist besonders geeignet, dieses Miteinander in Erinnerung zu rufen und zu beleben und damit unser Schicksal und dasjenige unserer Nachkommen in gute Bahnen zu lenken.

 

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

Beim Ringen um gute Lösungen dürfen wir auch auf unsere Herkunft vertrauen. Eine Herkunft, die unsere Gene mit einer besonderen Gabe ausstattet, die Gabe der Bauernschläue. Erinnern Sie sich an die Sage vom Teufelsloch?

Der Belzebub anerbot sich vor vielen Jahren, für einen Unterländer Bauern die Mäh- und Heuarbeit zu erledigen und verlangte als Lohn dessen Seele, wenn die Arbeit vor dem Ave-Maria-Läuten fertig würde. Der schlaue Bauer ging auf den Handel ein, rannte zum Kirchhügel und bat den Pfarrer von Bendern, die Glocke ausnahmsweise eine Stunde früher zu läuten. Und so erklang die liebliche Glocke just zu dem Zeitpunkt, als der Belzebub sich anschickte, das letzte Fuder zu beladen. In seiner Wut schleuderte der vom Bauern Überlistete den Wiesbaum über den Rhein in die gegenüberliegende Felswand. Und durch das dort entstandene riesige Loch im Felsen fällt auch heute noch gelegentlich ein wärmender Sonnenstrahl auf Bendern.

Ja, meine Damen und Herren, diese Bauernschläue wollen wir einsetzen, auf dass auch für uns die Sonne scheinen möge. Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen Staatsfeiertag. Mögen wir uns freudvoll auf den Festplätzen zu guten Gesprächen begegnen und möge der heutige Festtag mit Glücksgefühlen ausklingen, die uns in den Alltag begleiten.

Ich bedanke mich beim Fürstenhaus für die Einladung zum anschliessenden Beisammensein im Rosengarten. Auch bedanke ich mich bei allen Beteiligten für die Gestaltung und für die musikalische Begleitung dieses Staatsaktes. Wir befinden uns im Jahre 299 des Fürstentums Liechtenstein. 161 Tage trennen uns vom 23. Januar 2019, dem Tag, an dem wir den 300. Geburtstag unseres Staatswesens feierlich begehen wollen. Geniessen wir den heutigen Festtag auch in Vorfreude auf dieses wunderbare Jubiläum. Ich bedanke mich für Ihr zahlreiches Erscheinen und wünsche Ihnen allen Gottes Segen.

15. August 2017

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2017

Es gilt das gesprochene Wort.

Durchlauchter Landesfürst
Durchlauchte Landesfürstin
Durchlauchter Erbprinz
Königliche Hoheit
Durchlauchten
Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag
Exzellenzen
Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner
Liebe Gäste

Am 30. Juli durften Sie, Durchlauchtes Fürstenpaar, das Fest der Goldenen Hochzeit feiern. Dazu darf ich Ihnen heute, am Fürstenfest, im Namen der liechtensteinischen Bevölkerung von ganzem Herzen gratulieren. Älteren Semestern, zu denen ich mich auch schon zähle, ist Ihr Hochzeitsfest in unvergesslicher Erinnerung. Die Bevölkerung nahm mit Begeisterung an den Feierlichkeiten teil. Ich selbst hatte damals die Ehre, auf der Treppe der Pfarrkirche im Spalier der Pfadfinder zu stehen. Es sind Ereignisse wie dieses, die unseren Zusammenhalt fördern und uns darin bestärken, unserem Land zu dienen. Heute dürfen Sie, verehrtes Fürstenpaar, nach fünfzig Jahren des gemeinsamen Lebensglücks mit Stolz und Freude auf Ihre grosse Familie blicken. Ihre Lebensführung ist für viele Menschen im Lande Vorbild. Sie beide dürfen aber auch auf ein bewundernswertes Lebenswerk im Dienste unseres Landes blicken. Dafür danke ich Ihnen von Herzen und wünsche Ihnen für den weiteren gemeinsamen Lebensweg Gesundheit und viel Freude und Glück.

Bald feiern wir 300 Jahre Fürstentum Liechtenstein. Es ist dies die Geschichte eines Landes, das sich in kurzer Zeit vom Armenhaus zu einem Hort des gehobenen Wohlstandes entwickelt hat. Vieles ist uns mit diesem Wandel zur Selbstverständlichkeit geworden. Arbeitsplätze im Überfluss, gesicherte soziale Absicherung, erstklassige Bildungschancen – und das alles bei tiefen Steuern. Seien wir uns aber bewusst, dass wir uns in einem Umfeld bewegen, welches in hohem Tempo Veränderungen produziert und mehr und mehr durch internationale Regulierungen geprägt ist. Für die Verwaltung, vor allem aber für die Gesetzgebung ergeben sich dadurch gewaltige Mehraufwände. Nur ein Staatswesen, das flexibel genug ist, auf Bedürfnisse zu reagieren und seine Institutionen entsprechend anzupassen, darf darauf hoffen, auch in Zukunft erfolgreich zu sein.

Der Landtag ist nicht länger ein Gremium, das sich einigen wenigen, vorwiegend innerstaatlichen Aufgaben zu widmen hat. Vielmehr sieht er sich mit einer zunehmenden Fülle an hochkomplexen Vorlagen konfrontiert, die aufgrund internationaler Verflechtungen in die nationale Gesetzgebung umgesetzt werden müssen. Die Gefahr ist gegeben, dass sich Abgeordnete ausschliesslich auf Expertenrat verlassen müssen. Der Gesetzgebungsprozess muss aber im Interesse eines legitimierten demokratischen Handelns von den gewählten Volksvertretern geprägt werden. Es darf nicht sein, dass externe Einflussnahme den Prozess dirigiert. Der Landtag hat daher eine Besondere Kommission eingesetzt, die optimierte Rahmenbedingungen für die Landtagsarbeit der kommenden Legislaturperioden erarbeiten soll. Die Massnahmen sollen auf Beginn des nächsten Jahres wirksam werden. Die Fragestellungen sind vielfältig: Wie können innerhalb des Milizsystems Verbesserungen erzielt werden? Wie müsste zusätzliche Unterstützung der Abgeordneten ausgestaltet werden, um qualitätsstärkend zu wirken? Welche Rahmenbedingungen braucht die Landtagsführung, um dem Arbeitsumfang und der Verantwortung gerecht werden zu können?

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Der Staat ist Dienstleister am Volk. Für Volksvertreter muss es daher oberstes Gebot sein, im Sinne des Volkes und zum Wohle des Volkes tätig zu sein. Am Staatsfeiertag dürfen wir uns aber auch in Erinnerung rufen, dass wir alle der Staat sind. Es reicht nicht, alle vier Jahre zwei Dutzend Vertreter zu wählen, diese ihrer Arbeit zu überlassen und gelegentlich Unmut zu verbreiten. Aktive Mitarbeit in der Gestaltung unseres Staatswesens ist erwünscht. Beteiligen Sie sich an den Informationsveranstaltungen und Gesprächen, die von Behörden und Parteien angeboten werden. Teilen Sie Ihre Meinung mit. Das Ohr wirklich beim Volk zu haben, ist für Mandatare schwierig, wenn sie sich nur auf Kommentare der ewig gleichen Leserbriefschreiber abstützen können. Ich ermuntere Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, aktiv an der Gestaltung unseres Staatswesens mitzuwirken. An politischer Arbeit und Gestaltungspflicht fehlt es uns nicht:

Im Gesundheitswesen muss eine bedarfsgerechte Ausrichtung des Landesspitals umgesetzt werden, die ein wirtschaftliches Überleben ohne staatliche Millionenspritzen ermöglicht. Die Gesundheitskosten für die Bevölkerung so tief als möglich zu halten, bleibt prioritäres Anliegen.

Ein erstklassiges Bildungswesen ist unser wichtigster Erfolgsgarant. Dieser Erfolg steht oder fällt mit der Qualität der Lehrpersonen. Einzelne Verwerfungen im Lohngefüge, die unweigerlich Qualitätsverluste nach sich ziehen werden, sind rasch zu korrigieren. Auch muss eine verbindliche Strategie zu Schulorten und Schulbauten verabschiedet werden. Dabei ist auf ausgeglichene Berücksichtigung der Landesteile zu achten.
Der Landesverwaltung hat in Bezug auf Qualitätssicherung die gleiche Aufmerksamkeit zu gelten. Der Staat muss, um seine hochanspruchsvollen Aufgaben wahrnehmen zu können, auf allen Ebenen ein konkurrenzfähiger Arbeitgeber sein.
Die Neuausrichtung und Umstrukturierung des Finanzplatzes geht weiter. Dieser Prozess muss umsichtig begleitet und unterstützt werden. Dies, um vielen Menschen im Lande ihre Arbeitsplätze zu sichern und auch, um die in Krisenzeiten so wichtige Diversifikation unserer Wirtschaft zu gewährleisten.

Die rasant fortschreitende Digitalisierung ist ebenso Herausforderung wie Chance. Ob es uns passt oder nicht: Künftig wird sich alles im digitalen Raum wiederfinden. Wir sind gefordert, die Transformation mit erstklassiger Infrastruktur zu unterstützen, um den digitalen Wandel in führender Position mitgehen zu können.
In der Familienpolitik müssen wir einen erheblichen Schritt weiterkommen. Die Familie ist und bleibt die wichtigste Zelle unserer Gemeinschaft. Eine liberale Gesellschaft muss verschiedene Familienmodelle unterstützen und individuelle Wahlfreiheit ermöglichen.

Und schliesslich mein jährliches Credo: Arbeit muss sich lohnen! Die herausragende Qualität unseres Volkes ist es, fleissig und strebsam zu sein. Diese Qualität dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Es ist richtig und wichtig, für einen sozialen Ausgleich unter den Einkommensschichten zu sorgen. Dies soll aber ausschliesslich über unterschiedlich hohe Steuerbelastungen erfolgen. Zusätzliche einkommensabhängige Belastungen an allen Ecken und Enden schädigen den so wichtigen Mittelstand und sind zu vermeiden.

Liebe Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner

Wie schon gesagt, bald dürfen wir unseren Geburtstag feiern. 300 Jahre. Wir haben guten Grund, auf unser Staatswesen stolz zu sein. Das werden wir auch gebührend feiern. Zeigen wir, dass wir glücklich und dankbar sind, in dieser unserer wunderbaren Heimat leben zu dürfen. Und zeigen wir, dass wir wie unsere Vorfahren entschlossen und zuversichtlich daran arbeiten, unseren Nachkommen eine ebenso lebenswerte Heimat zu hinterlassen. Unsere Gemeinden wollen der Bevölkerung einen Jubiläumsweg durch alle elf Liechtensteiner Gemeinden und eine verbindende Hängebrücke schenken. Die Kosten für die Hängebrücke betragen etwa 0,4 % der Jahresausgaben der Gemeinden oder rund einen Tausendstel der Jahresausgaben von Land und Gemeinden. Der Jubiläumsweg wird gedanklich durch dreihundert Jahre gelebter Geschichte führen und wird uns als bleibende Erinnerung in die Zukunft begleiten. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir alle unser Jubiläum und unsere Zusammengehörigkeit in Feststimmung feiern wollen und feiern werden.

„Klein aber fein“ ist die Devise unseres Landes. Mit gezieltem Einsatz unserer Institutionen und Mittel haben wir uns internationale Achtung erworben. In einem sich neu orientierenden Europa und in einem internationalen Umfeld mit vielen Krisenherden ist innerer Zusammenhalt essenziell, wenn wir unseren Platz in der Welt und in der Geschichte behaupten wollen. Geben wir jenen wenig Gewicht, deren einzige Strategie für unser Land es ist, Unzufriedenheit zu säen. Geben wir vielmehr der Zufriedenheit und Dankbarkeit für ein uns gütig gesinntes Schicksal eine Stimme. Stellen wir das Verbindende über das Trennende und vertrauen wir auf unsere visionäre Kraft, die uns so weit gebracht hat.

Am heutigen Staatsfeiertag danke ich allen, die zum guten Gelingen beitragen. Den Organisatoren, den Sicherheitskräften, der Trachtenvereinigung und allen anderen Mitwirkenden beim Volksfest, beim Fackelzug, bei den Höhenfeuern und beim Feuerwerk. Ein herzlicher Dank auch an die Harmoniemusik meiner Heimatgemeinde Schaan für die musikalische Begleitung des heutigen Staatsaktes.

Liebe Festgäste

Lassen Sie mich mit einem Zitat schliessen: „Unsere Heimat auf Erden ist eine Filiale des Himmels.“ Ich wünsche Ihnen allen einen beglückenden, fröhlichen Festtag und Gottes Segen.

15. August 2016

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2016

Es gilt das gesprochene Wort.

Durchlauchter Landesfürst
Durchlauchte Landesfürstin
Durchlauchter Erbprinz
Königliche Hoheit
Durchlauchten
Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag
Exzellenzen
Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner
Liebe Gäste

 

Sie kennen wohl alle den Scherz, wer die ersten Politiker waren: „Die Heiligen Drei Könige! Sie legten die Arbeit nieder, zogen hübsche Gewänder an und gingen auf Reisen.“ Als Politiker muss man die Legislaturperiode nutzen, um solchen Vorurteilen zu begegnen. Die Legislaturperiode ist die Zeitdauer, die einem zur Verfügung steht, um anstehende Probleme zu lösen und sich einen guten Leistungsausweis zu verschaffen. Wieder einmal stehen wir kurz vor dem Ende einer solchen Legislaturperiode. Gestatten Sie mir einen Blick zurück.

Liechtenstein stand vor 4 Jahren vor einer Situation, die neu und beunruhigend war. Der Staatshaushalt war in beängstigendem Masse aus dem Gleichgewicht geraten. Die Verunsicherung in der Bevölkerung war allenthalben spürbar und hat zu einem für Liechtenstein völlig ungewohnten Wahlverhalten geführt. Die neue Regierung und der neue Landtag hatten eine schwierige und unangenehme Aufgabe zu übernehmen. Den Staatshaushalt zu sanieren, heisst auch sparen und Sparbemühungen treffen uns alle. Ob schwierig oder unangenehm, es blieb keine Wahl, die Aufgabe war zu lösen. Dies im Interesse von uns allen. Heute sieht die Situation erfreulicher aus. Der Landtag konnte in seiner letzten Sitzung eine ausgeglichene Jahresrechnung genehmigen, ausgeglichen auch im Betriebsergebnis. Dies dank konsequenter Ausrichtung der politischen Massnahmen auf das angestrebte Ziel. Ich bedanke mich bei den Mitgliedern von Regierung und Landtag für das gemeinsame Handeln. Unser Schiff kreuzt wieder in ruhigeren Gewässern. Wir dürfen den Blick optimistischer gestimmt nach vorne richten.

Mit den Landtagswahlen im kommenden Februar werden die Staatsorgane neu bestellt. Ich möchte Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ermuntern, auch Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Ich hoffe, dass sich viele von Ihnen für eine Kandidatur oder für eine sonstige Beteiligung zur Verfügung stellen. Unser Staatswesen ist auf die Mitarbeit Vieler angewiesen.

Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. In der nächsten Legislaturperiode steht ein aus staatspolitischer Sicht bedeutendes Ereignis an. Im Jahre 2019 werden wir 300 Jahre Fürstentum Liechtenstein feiern dürfen. Am 23. Januar 1719 wurden die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz von Kaiser Karl VI. zu einem unmittelbaren Reichsfürstentum mit dem Namen Liechtenstein erhoben. Das neue Fürstentum Liechtenstein wurde 343. Mitglied des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Es war dies die eigentliche Geburtsstunde unserer Heimat. Wir dürfen uns mit Stolz und Freude auf das grosse Jubiläum vorbereiten. Es wird dies eine grossartige Gelegenheit sein, um Zusammengehörigkeit, Heimatbewusstsein und Heimatverbundenheit zu stärken und vertieft zu empfinden.

Genauso eine Gelegenheit bietet auch der heutige Staatsfeiertag. Heimat ist die Gemeinschaft der Gefühle. Oder, wie George Moore, ein irischer Schriftsteller, es einst zum Ausdruck brachte: „Der Mensch bereist die Welt nach dem, was ihm fehlt. Und er kehrt nach Hause zurück, um es zu finden.“

Auf der Suche nach Glück würde ich mich auf die Suche nach einem Land machen, in dem Meinungsfreiheit herrscht, in dem ich heiraten darf, wen ich will. Ein Land, das mir Bildungschancen eröffnet und mir gute Möglichkeiten bietet, einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Ein Land mit tiefen Steuern und hoher sozialer Absicherung. Ein Land mit aussergewöhnlichen landschaftlichen Schönheiten und einem reichen Kultur-, Freizeit- und Sportangebot. Ein Land, in dem ich in Sicherheit leben kann. Ein Land, in dem für mich gesorgt würde, wenn ich krank oder mittellos würde. Ein Land mit fröhlichen, anständigen und geselligen Menschen. Meine Suche würde mich wohl nach Liechtenstein, nach Hause, führen.

Unser Land hat mit den höchsten Lebensstandard in Europa und mit Sicherheit auch einen der höchsten weltweit. Die Frage sei erlaubt: Sind wir uns dessen noch bewusst? Sind wir dankbar genug für ein Schicksal, das uns wohlgesinnt ist? Oder lassen wir uns nicht allzu gerne Unzufriedenheit einreden? Wir müssen in unserer Geschichte nicht weit zurückgreifen, um in eine Zeit zu geraten, in der die Bevölkerung ganz andere Sorgen hatte: Wie soll ich die elementarsten Bedürfnisse meiner Familie befriedigen? Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf? Einem grossen Teil der Menschheit stellen sich diese Fragen auch heute noch täglich. 800 Millionen Menschen weltweit kämpfen gegen das Verhungern. Sie würden das Leben hierzulande ohne zu zögern als Paradies auf Erden bezeichnen. Unzählige andere, die in bescheidensten Verhältnissen leben, würden dies ebenfalls tun.

Wir dürfen in Liechtenstein mit Genugtuung auf die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte blicken. Sie fussen auch auf unseren gesellschaftlichen Werten. Unsere fleissige, strebsame und gut ausgebildete Bevölkerung, unser innovatives Unternehmertum und unsere Staatsführung, die dem Allgemeinwohl verpflichtet ist, bilden die Basis für unsere erfolgreiche Gemeinschaft. Es besteht im liechtensteinischen Volke das uneingeschränkte Einvernehmen, dass wir diese Errungenschaften erhalten und unserem Land eine gute Zukunft sichern wollen.

Von was aber ist die gute Zukunft des Landes abhängig? In allererster Linie von Stabilität. Politische Verlässlichkeit und geordnete Staatsfinanzen sind die entscheidenden Faktoren für künftiges Wohlergehen. Die wichtigste Botschaft, die wir der Welt über uns vermitteln können, ist Stabilität. Liechtenstein soll als ein geordnetes, politisch verlässliches Staatswesen wahrgenommen werden können. Dafür müssen wir Sorge tragen. Wir leben in einem Land, dessen Industrie ausschliesslich exportorientiert ist und dessen Dienstleister ihr Angebot an alle Welt richten. Um in dieser Ausgangslage bestehen zu können, ist nach aussen erkennbare Stabilität ein und alles. Die unlängst ausgestellte Bestnote für Liechtenstein mit der Bestätigung des Triple-A-Ratings zeigt, dass wir auf gutem Weg sind. Tragen wir Sorge dafür, dieses für uns so wichtige Gütezeichen von innerstaatlicher Stabilität nicht zu gefährden.

 

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner

Wir dürfen ob unserer Privilegien glücklich sein. Vergessen wir aber nicht jene Milliarden von Menschen, die von Zuständen, die uns heute vertraut sind, nicht einmal zu träumen wagen. Solidarität, um etwas Ausgleich auf der Welt zu schaffen, soll uns Verpflichtung sein.

Aber haben wir auch den Mut und die Stärke, für unsere Staatsordnung und für unsere Werte einzustehen. Wir sind eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage; die Staatsgewalt ist im Fürsten und im Volke verankert. Das ist ein Eckpfeiler unserer Identität und unseres staatlichen Selbstverständnisses. Und haben wir den Mut, für unsere christlichen Wurzeln einzustehen. Auch dies ist ein Eckpfeiler unserer Identität und unseres gesellschaftlichen Bündnisses. Tragen wir Sorge für die Grundlagen unseres Zusammenlebens. Es gilt viele Aufgaben der innerstaatlichen Organisation zu bewältigen. Wir haben uns aber auch vielen Herausforderungen zu stellen, die von aussen an uns herangetragen werden:

Denken wir an die Veränderungen, die sich in der Europäischen Union ergeben können.

Denken wir an die Verunsicherung, die Europa nach den jüngsten Terroranschlägen heimsucht.

Denken wir an die kriegerischen Auseinandersetzungen am Rande unseres Kontinentes, die Flüchtlingsströme ungeahnten Ausmasses auslösen.

Denken wir an das schwierige wirtschaftliche Umfeld, das sich durch internationale Regulierungsanforderungen und durch die Frankenstärke ergibt.

Als Kleinstaat haben wir den Vorteil der kurzen Wege, um unter Einbezug aller Kräfte schnell und konsequent agieren zu können. Schnelles und konsequentes Handeln ist gefordert, wenn wir uns in diesem anspruchsvollen Umfeld gut behaupten wollen. Der heutige Staatsfeiertag soll uns Anlass sein, für ein überzeugtes Ja zu unserem Staatswesen und zu unseren Werten einzutreten. Einheit macht stark. Liechtenstein ist unser Heimatland, das wir uns mit all unseren Kräften bewahren wollen.

Ich danke an dieser Stelle unseren Einwohnerinnen und Einwohnern für ihren Einsatz im Dienste unserer Gemeinschaft. Im Laufe eines Jahres dürfen wir immer wieder aufs Neue erleben, wie viele Menschen sich für das Gemeinwohl einsetzen und das Miteinander pflegen. Auch am heutigen Festtage dürfen wir dies erfahren und ich danke allen Beteiligten von Herzen für ihr Mitwirken. Auch danke ich der Fürstlichen Familie für die Einladung, sich anschliessend im Schlossgarten zum gemütlichen Beisammensein einzufinden.

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner, liebe Gäste

Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen, beglückenden Staatsfeiertag und Gottes Segen.

 

15. August 2015

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2015

Es gilt das gesprochene Wort.

Durchlauchter Landesfürst
Durchlauchte Landesfürstin
Durchlauchter Erbprinz
Königliche Hoheit
Durchlauchten
Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag
Exzellenzen
Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner
Liebe Gäste

Bei der Eröffnung des Landtages im Januar dieses Jahres habe ich in Erinnerung gerufen, dass vor 75 Jahren der erste Staatsfeiertag begangen wurde. Auch habe ich Liechtenstein Marketing ermuntert, den diesjährigen Staatsfeiertag in diesen Zusammenhang zu stellen. Dies in der Überzeugung, dass es bei der Bewältigung heutiger und zukünftiger Aufgaben hilfreich ist, sich mit der eigenen Geschichte zu befassen.

Nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges war im Jahre 1940 die Ungewissheit über die Zukunft des Landes gross. Die Anhänger des Nationalsozialismus suchten den Anschluss an das Deutsche Reich und die Regierung empfand eine patriotische Einigkeitskundgebung als dringend notwendig. Die Entscheidung für einen Staatsfeiertag fiel daher in aller Eile, dieser sollte kirchlich und weltlich sein. Durch die Verbindung von Maria Himmelfahrt und dem Geburtstag des Fürsten Franz Josef II. wurde genau dieser Symbolik entsprochen. Der Staatsfeiertag sollte in allen Gemeinden zum Ausdruck des Willens zur politischen Unabhängigkeit und der Treue zur Heimat und zur Monarchie werden.

Wie ernst und unsicher die Lage im Lande war, zeigt sich darin, dass in der Nacht zum 15. August 1940 zum ersten Mal Fliegeralarm im Rheintal ertönte. Aber auch darin, dass am ersten Staatsfeiertag, parallel zu den Höhenfeuern der Pfadfinder, oberhalb des Meierhofs ein acht Meter hohes Hakenkreuz entfacht wurde. Eine Stärkung der nationalen Geschlossenheit und des Willens zum Erhalt der Heimat tat not. Der von patriotischer Gesinnung getragene Staatsfeiertag erwies sich als probates Mittel, um diesem Ziel näher zu kommen. Das Fürstenfest wurde in der Folge jedes Jahr am 15. August wiederholt.

Fünf Jahre nach der ersten Austragung wurde genau am liechtensteinischen Staatsfeiertag die Kapitulation Japans verkündet, womit der 2. Weltkrieg endgültig beendet war. In Europa war die Kapitulation schon am 7. Mai erfolgt. Die Zeit der Gefahr war vorbei. Was bleibt, ist die Erinnerung an den Kampf um den Erhalt unseres Staatswesens, an die kraftspendende Verbundenheit von Fürst und Volk und an die herausragende Bedeutung der damals blühenden Pfadfinderbewegung im Ringen um inneren Zusammenhalt.

Einige Inserate, die im Jahre 1940 die Kundmachung der Regierung zum Staatsfeiertag umrahmten, können uns heutzutage erheitern, lassen aber auch die Lebensumstände der damaligen Zeit erahnen:

So zeigt die Ausschreibung des Arbeitsmarktes Vaduz (Tel. Nr. 12) ein nicht gerade berauschendes Angebot: „Gesucht 1 Melker zu 12 - 14 Kühen nach Ragaz, Dauerstelle, 100 Fr. Lohn, und 4 – 5 Maler für längere Zeit nach Lindau.“

Der Metzgerverband liess in den Zeitungen verlauten:
„Wegen des grossen Papiermangels werden die löblichen Hausfrauen gebeten, beim Einkauf richtige Taschen mitzubringen.“

Eine Mitteilung der Fürstlichen Regierung mit dem fetten Titel „Warnung an die Lastwagenbesitzer“ lässt auf ideenreiche Geschäftstätigkeit schliessen: „Wiederholt ist in letzter Zeit festgestellt worden, dass die Lastwagenbesitzer Personen auf der Ladebrücke als zahlende Passagiere mitführen. Die fürstliche Regierung sieht sich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass in jedem festgestellten Falle gerichtliche Bestrafung erfolgt.“

Recht aussagekräftig sind auch zwei Inserate des Maseschawirtes:
„Ausflügler! Erreichen Sie auf staubfreier Autostrasse Masescha!“
Und derselbe Wirt ein paar Wochen später:
„Ausflügler! Wer kein Benzin mehr hat, macht eine Fusswanderung über Wildschloss nach Masescha!“

Geschätzte Gäste,

75 Jahre sind seither vergangen. Im Vergleich mit der Geschichte der Menschheit ein Wimpernschlag, ein Nichts. Und doch haben sich in dieser Zeit unser Land und die liechtensteinische Gesellschaft in einer Art verändert, die auch in kühnsten Vorstellungen undenkbar gewesen wäre. Lassen Sie mich dies an ein paar wenigen Beispielen verdeutlichen:

Mitten im Schaaner Dorfzentrum stand eine mechanische Werkstätte, in der ein paar Dutzend Mitarbeiter tätig waren. Aus dieser Werkstätte ist im Laufe der Jahrzehnte ein Weltkonzern gewachsen, der mehr als 20‘000 Mitarbeitende beschäftigt.

Das Telefonverzeichnis der Gemeinde Schellenberg wies genau zehn Anschlüsse auf. Heute zählt man in einer einzigen Schulklasse die doppelte Anzahl Telefone.

Die meisten Familien waren in erster Linie Selbstversorger, die von dem lebten, was Feld und Stall hergaben.

Lehrpersonen mussten in einer Schulklasse zum Teil bis zu 60 Schüler unterrichten. Höhere Bildung war nur einem verschwindend kleinen, männlichen und im Regelfall betuchten Kreis zugänglich.

Die Bevölkerungszahl lag unter der Hälfte des heutigen Standes.

Die Suche nach Arbeit und Glück im Ausland war für junge Menschen eine ständige Verlockung.

Wie anders sieht unsere heutige Welt doch aus. Dem Aufschwung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wird nur die Bezeichnung Wirtschaftswunder gerecht. Liechtenstein heute, das heisst: Ein grossangelegter Industriesektor mit mehreren Weltkonzernen, ein Finanzplatz mit internationaler Ausrichtung, eine riesige Dichte an KMUs, ein hervorragendes Bildungssystem und eine moderne Gesellschaft. Die Anzahl Arbeitsplätze im Land ist in etwa identisch mit der Anzahl Einwohner, täglich pendeln 20‘000 Arbeitskräfte ins Land. Eine stabile Staatsordnung, aber auch glückliche Umstände und eine fleissige und immer besser ausgebildete Bevölkerung haben uns einen niemals vorstellbaren Wohlstand erreichen lassen.

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

Die Frage sei erlaubt: Hat uns das alles glücklicher gemacht? Wer eine Ahnung von der Mühseligkeit der damaligen Zeit hat, wird mit einem überzeugten JA antworten. Aber es gibt Stimmen, die den Preis des immer fortschreitenden Wachstums als zu hoch erachten. Kinder haben nicht mehr hinter jedem Haus eine grosse Wiese, auf der man auf Bäume klettern oder Fussball spielen kann. Der Preis für ein kleines Grundstück und ein darauf erbautes Eigenheim entspricht heute dem halben Lebenslohn eines durchschnittlich verdienenden Berufstätigen. Auch bereitet die sich immer weiter öffnende Einkommens- und Vermögensschere Sorgen.

Wir müssen uns sehr ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, wohin die Reise gehen soll. Wie soll das Fürstentum Liechtenstein am hundertsten Staatsfeiertag aussehen?

Unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Heimat zu erhalten, muss unsere erste Aufgabe sein. Auch müssen wir dafür besorgt sein, einen breiten Mittelstand zu bewahren, d.h. möglichst vielen Menschen Eigentumsbildung zu ermöglichen. Eine der grossen Herausforderungen, denen sich unser Kontinent und damit auch unser Land derzeit gegenüber sehen, sind die gewaltigen Flüchtlingsströme und die damit verbundenen Dramen. Und das ist erst der Anfang. Die UNO geht in ihrer jüngsten Studie davon aus, dass die Weltbevölkerung in 25 Jahren neun Milliarden übersteigen wird. Die Bevölkerung Afrikas soll sich in dieser Zeit verdoppeln. Dann werden vier Mal mehr Menschen auf dem Planeten leben als im Jahre 1940. Man kann nur erahnen, welch gewaltige Menschenbewegungen hin zu Arbeit und Nahrung dies auslösen wird.

Damit komme ich zum Ausgangspunkt meiner Ansprache. Das Zusammengehen der beiden Souveräne Fürst und Volk, der innere Zusammenhalt und das gemeinsame Wirken aller guten Kräfte im Land waren in gefahrvoller Zeit unsere Erfolgsfaktoren. Diese Werte sind heute genauso erstrebenswert und nützlich wie damals. Und so wird es auch in Zukunft sein.

Durchlauchten, liebe Landsleute, liebe Gäste

Ohne zu zögern wage ich eine Prognose: Den Staatsfeiertag wird es auch in 25 Jahren noch geben. Für die meisten Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner ist dies ein Tag der Freude, der Verbundenheit und der Glücksgefühle. Heute wollen wir uns uneingeschränkt unserer schönen Heimat erfreuen. Danach wollen wir damit fortfahren, verantwortungsbewusst die Zukunft unseres Landes zu gestalten. Eine Zukunft, in der persönliche Entfaltung, Gerechtigkeit, Lebensqualität und Lebensfreude ihren Platz haben.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Festtag und Gottes Segen.

15. August 2014

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Ansprache des Landtagspräsidenten Albert Frick anlässlich des Staatsfeiertages 2014

Es gilt das gesprochene Wort.

Durchlauchter Landesfürst 
Durchlauchte Landesfürstin
Durchlauchter Erbprinz
Königliche Hoheit
Durchlauchten
Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag
Exzellenzen 
Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner
Liebe Gäste


„Metanand a Land“. Der Slogan des diesjährigen Staatsfeiertages gefällt mir. Er drückt das aus, was ich oft in Erinnerung rufe. Das Erfolgsmodell Liechtenstein fusst auf dem Willen der Einwohnerinnen und Einwohner, unseren Staat als gemeinsame Aufgabe, als gemeinsames Anliegen zu verstehen. Und es fusst auf der fruchtbaren Zusammenarbeit der beiden Souveräne, dem Fürstenhaus und dem Volk. Mit diesem Verständnis von „Metanand a Land“ wollen wir heute gemeinsam und ausgiebig feiern.

Auch wenn unser Land auf dem Papier angeblich etwas kleiner wird. Durch den Entscheid, die Landesvermessung auf ein GPS-gestütztes System umzustellen, soll sich unsere Landesfläche um 0.1 Hektaren verringern, obschon sich an der wirklichen Fläche nichts ändert. In einer Pressemitteilung hiess es dazu, dass die neue Vermessungsmethode auch Folgen für das Verhältnis zum Nachbarland Schweiz habe. Die Distanz zwischen Vaduz und Bern vergrössere sich. Auf den ersten Blick eine eher beunruhigende Nachricht. Ich war daher dankbar, vor 1 ½ Monaten den Präsidenten des Schweizerischen Nationalrates in Liechtenstein als Gast empfangen zu dürfen. Wir stellten gemeinsam fest, dass die zunehmende Entfernung lediglich einen halben Meter beträgt, rein rechnerischer Natur ist und keinerlei politischen Zusammenhang hat. Ganz im Gegenteil: 90 Jahre nach Inkrafttreten des Zollvertrages wurden die freundschaftlichen Beziehungen gegenseitig aufs Herzlichste bestätigt und bekräftigt. Bei der Besichtigung des Originalvertrages im Landesarchiv berührte uns der Wortlaut der Präambel zum Zollvertrag ganz besonders. Er lautet:

„Vom Wunsche beseelt, die zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein bestehenden freundschaftlichen Beziehungen fester und inniger zu gestalten, …“

Diese von aufrichtiger Herzlichkeit geprägte Wortwahl ist auch heute noch Leitlinie für das Zusammengehen mit unserem wichtigsten Partner. Der Zollvertrag mit der Schweiz bildete die Grundlage für die gute wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Auch wenn zu Vertragsbeginn zumindest ein Berufszweig keineswegs glücklich über die neue Ausrichtung war, nämlich das nicht ganz so ehrenwerte Schmugglergewerbe, dessen Dienste überflüssig wurden.

Mit dem Zollvertrag habe ich ein Jubiläum angesprochen. Die Entstehung und die Entwicklung unseres Landes bringen es mit sich, dass immer wieder Gedenktage anstehen.

Am heutigen Nationalfeiertag dürfen wir zwei Jubiläen aus dem Fürstenhause besondere Beachtung schenken: Im Jahre 1989, vor 25 Jahren also, haben Sie, Durchlauchter Landesfürst, die Aufgabe als Staatsoberhaupt übernommen, nachdem Sie zuvor schon während fünf Jahren in Stellvertretung Ihres Vaters die Hoheitsrechte ausgeübt hatten. Es wäre am heutigen Tage verfrüht, Ihre Regierungszeit umfassend zu würdigen. Gestatten Sie mir aber, Ihre herausragenden Impulse auf dem Gebiete der Aussenpolitik zu erwähnen, die 1990 zum UNO Beitritt und 1995 zum Beitritt in den EWR führten. Diese Meilensteine in der Geschichte Liechtensteins, die die Souveränität unseres Landes nachhaltig stärkten, werden immer mit Ihrem Namen verbunden sein. Es mag Zufall sein, dass der Beginn Ihrer Regierungszeit fast auf den Tag genau mit dem Fall der Berliner Mauer zusammenfiel. Aber es mag auch Symbol sein. Die damalige weltpolitische Veränderung war vom Fürstenhaus bereits zu einem Zeitpunkt vorausgesagt worden, als noch kaum jemand ein solches Ereignis für möglich hielt. Weitsicht und langfristiges Denken waren es denn auch, die Ihre Regierungszeit in besonderer Weise prägten.

Vor genau 10 Jahren haben Sie Seine Durchlaucht Erbprinz Alois mit der Ausübung der Hoheitsrechte des Fürsten betraut. S.D. der Erbprinz nimmt die Hoheitsrechte seither mit dem ihm eigenen Charme und mit grossem Verantwortungsbewusstsein wahr. Im Lande herrscht längst die Gewissheit, dass das Fürstenhaus auch weiterhin Herausragendes für das gute Gedeihen unseres Landes leisten wird. Ich darf heute, auch im Namen des liechtensteinischen Volkes, die Verdienste des Fürstenhauses um unsere Heimat aufs Herzlichste verdanken.

Wenn ich einen Blick nach vorne werfe, so zeichnet sich ein Jubiläum ab, das die Verbindung von Land und Fürstenhaus in einzigartiger Weise abbilden wird. In fünf Jahren werden wir 300 Jahre Fürstentum Liechtenstein feiern können. Dem Kauf der Herrschaft Schellenberg im Jahre 1699 und dem Kauf der Grafschaft Vaduz im Jahre 1712 folgte 1719 die Erhebung der beiden Gebiete zum Reichsfürstentum Liechtenstein. Nachdem Unterländer und Oberländer ihre 300 Jahre schon ausgiebig gefeiert haben, bietet sich der Slogan „Metanand a Land“ geradezu an, auch den Beginn unserer gemeinsamen Geschichte als Fürstentum Liechtenstein gebührend zu feiern und schon bald die Vorbereitungen für würdige Festlichkeiten an die Hand zu nehmen.

Wenn wir Liechtensteiner stolz sind auf unser Land, so sind wir auch stolz auf jene Mitbürgerinnen und Mitbürger, die unserem Land in besonderer Weise zur Ehre gereichten. So möchte ich am heutigen Nationalfeiertag auch an den Komponisten Josef Gabriel Rheinberger erinnern, der vor 175 Jahren geboren wurde. Schon mit sieben Jahren spielte der junge Rheinberger in Vaduz die Orgel und improvisierte wie ein Grosser. Nach der Ausbildung am Münchner Konservatorium gehörte er zu den erfolgreichsten Komponisten seiner Zeit. Als Kompositionslehrer wurde er zu einer Kapazität von internationalem Rang. 
Zahlreiche Auszeichnungen und die Verleihung des Ehrendoktorates der Universität München spiegeln den Erfolg dieses grossen Sohnes unserer Heimat.

Ein Gedenktermin der wenig erfreulichen Art ist derzeit in den Medien allgegenwärtig. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges vor genau 100 Jahren. Unser Land war nicht direkt in die kriegerischen Auseinandersetzungen eingebunden, war aber von den Auswirkungen in hohem Masse betroffen. Der totale Zusammenbruch der in unserem Land gültigen österreichischen Krone kostete unserem Lande geschätzte 25 Millionen Schweizerfranken. Das war das gesamte Staatsvermögen. Die Industriebetriebe, damals alle baumwollverarbeitend, mussten während des Krieges schliessen. Die Arbeit wurde immer knapper, die Lebensmittelversorgung bereitete grösste Schwierigkeiten, die Bevölkerung litt Hunger.

Wer kann sich 100 Jahre später noch vorstellen, dass in diesem Land Hungersnot herrschte? Man kann es sich weder vorstellen, noch kann man es jemals wieder wollen. Das Blatt hat sich auf die Wohlstandsseite gewendet. Glücklichere Umstände sowie eine kluge Politik sorgten dafür. Die Politik war sich bewusst, wie wichtig die Förderung von persönlicher Eigentumsbildung ist. Sie schuf Anreize, im Leben etwas erreichen zu können. Und die fleissige, lern- und arbeitswillige Bevölkerung wusste die Voraussetzungen über Jahrzehnte hinweg bestens zu nutzen. Ich meine, dass die Politik auch heute zu Selbstverantwortung ermutigen und Eigentumsbildung fördern muss, damit uns ein breiter Mittelstand erhalten bleibt. Das ist der beste Garant für sozialen Frieden.

Liebe Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner

Nicht nur am heutigen Nationalfeiertag, sondern weit darüber hinaus sind wir „Metanand a Land“. Wir alle sind Liechtenstein. Wir alle wollen Sorge zu unserem Staatswesen tragen. Das Zusammenwirken der Generationen ist dabei besonders wichtig. Weil es Teil unseres Menschseins ist, erst dieser und später jener Generation anzugehören. Weil wir zusammen ein Ganzes bilden. Die Solidargemeinschaft der Generationen auszuhöhlen, wäre fatal.

Es gäbe noch vieles zu erwähnen, was das Metanand ausmacht. Lassen Sie mich eines hervorheben. Die kleinste Zelle, die Familie. 
Nichts ist vergleichbar mit der Kraft, die in diesem Ort des Wohlbefindens und der Geborgenheit entsteht. Die Familien sind tragender Pfeiler unserer Gesellschaft und verdienen unsere Unterstützung. Starke Familien stärken den Staat.

Liebe Festgemeinde

Besinnen wir uns am heutigen Staatsfeiertag auf die Kraft unserer Gemeinschaft. Gönnen wir uns Zuversicht. Gönnen wir uns Mut. Freuen wir uns über all das, was unseren Zusammenhalt und unsere Lebensfreude stärkt.

Ich wünsche Ihnen ein herrliches Fest und Gottes Segen.

15. August 2013

Landtagspräsident Albert Frick

Aufklappen und Zuklappen

Rede des Landtagspräsidenten Albert Frick zum Staatsfeiertag 2013

Durchlauchter Landesfürst

Durchlauchte Landesfürstin

Durchlauchter Erbprinz

Königliche Hoheit

Durchlauchten

Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag

Exzellenzen

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner

Liebe Gäste 

Der Liechtensteinische Staatsfeiertag am 15. August gehört zu uns wie der Rhein, der Föhn oder die Dreischwestern. Am heutigen Tag feiern wir all das, was uns verbindet, was unsere Identität ausmacht. Wir feiern unsere Heimat, wir feiern unsere Verbundenheit mit dem Fürstenhaus, wir feiern Liechtenstein. 

Warum gerade am 15. August? 

Ein Schüler hat einst vermutet, der Riese von Guflina habe am 15. August den Drachen erlegt. Und ein anderer wollte wissen, der starke Jörg habe an diesem Tag den schweren Stein gegen St. Luzisteig geschleppt. Das war’s wohl kaum. Auch keines der für unser Land bedeutenden historischen Ereignisse liefert die Vorgabe für das Datum des Staatsfeiertages. 

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner. Wir tun gut daran, uns den wahren Grund, warum wir gerade am 15. August feiern, immer wieder in Erinnerung zu rufen. Er hat tiefe Symbolkraft für unser Staatswesen. Fürst Franz Josef der II. hat im Jahre 1938 als erster Fürst ständigen Wohnsitz im Lande genommen. Damals, in der bedrohlichen Zeit unmittelbar vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges hing das Überleben unseres Staates an sehr dünnem Faden. Die Präsenz des Fürsten war ein Signal von herausragender Bedeutung. Grosse Teile der Bevölkerung wurden in ihrem Glauben an unser Staatswesen und in ihrem Bekenntnis zur Heimat gestärkt. Man kann von der Geburt einer Willensnation Liechtenstein sprechen. 

Was lag näher, um diese Bewegung, diese innere Kraft sichtbar zu machen, als die Begründung eines Staatsfeiertages. Und was lag näher, als diesen Staatsfeiertag am Geburtstag des Fürsten, am 16. August, abzuhalten.

Pragmatisch und arbeitsam, wie man hierzulande ist, fand man die Lösung, den Staatsfeiertag einen Tag vor dem Geburtstag des Fürsten, am arbeitsfreien Feiertag Maria Himmelfahrt zu begehen. Am 15. August 1940 wurde der Staatsfeiertag zum ersten Mal gefeiert. Er wurde zum Sinnbild des Zusammenhaltes und zum Ausdruck der unverrückbaren Einheit zwischen Volk und Fürstenhaus. 

Rasch entwickelte sich das Fest am 15. August zu einer liebgewordenen Tradition, an der niemand mehr etwas ändern wollte. Nach dem Ableben von Fürst Franz Josef II. wurde im Jahre 1990 auf Gesetzesebene festgelegt, dass der Staatsfeiertag auf Dauer am 15. August gefeiert wird. So, wie das Datum nicht mehr geändert werden sollte, so haben sich auch andere Traditionen bis heute gehalten. Die Höhenfeuer, die Krone auf Tuass, der Fackelzug am Fürstensteig, die Festivitäten im Vaduzer Städtle und natürlich das spätabendliche Feuerwerk. Der Staatsfeiertag ist identitätsstiftend wie kaum etwas anderes. 

Mit dem jährlichen Staatsakt wird seine tiefere Sinnhaftigkeit zusätzlich unterstrichen. Entstanden in unruhigen, ja existenzbedrohenden Zeiten, kann uns der Staatsfeiertag auch heute darin bestärken, dass wir die anstehenden Aufgaben bewältigen können und dass es uns gelingen wird, unser Staatsschiff auf Kurs zu bringen und in eine gute Zukunft zu steuern. 

Eines ist dabei von grosser Bedeutung. Es geht um unser aller Staat. Wieder einmal ist uns Gelegenheit gegeben, ein Bekenntnis zu Staat und Heimat abzugeben, auch wenn dies mit Einschränkungen verbunden sein mag. Die zuständigen Personen in der Staatsführung haben Aufgaben zu bewältigen, bei denen keine Lorbeeren zu holen sind. Leicht könnte sich Resignation breit machen, leicht könnten statt nachhaltiger Lösungen kurzfristige Teilerfolge angestrebt werden. Dies würde unser Land nicht weiter bringen. Wir müssen unser Haus nachhaltig in Ordnung bringen und dazu braucht es die Unterstützung und das Verständnis des Volkes. Der Staatsfeiertag kann wiederum Anlass sein, Vertrauen in unser Staatswesen und Solidarität mit den Verantwortlichen zu zeigen. 

Liebe Festgemeinde 

Noch geniesst unser Land im Urteil der internationalen Gemeinschaft ein Höchstmass an Vertrauen in Bezug auf seine Stabilität und in Bezug auf gute Staatsführung. Dies ist für eine prosperierende Zukunft des Landes von äusserster Wichtigkeit. Unser Land, das vom Vertrauen in seine Dienstleistungen und vom Export seiner Produkte lebt, muss sich diese gute Ausgangslage erhalten. 

Denken wir an die Schieflage der Pensionskassa des Staatspersonals. Was für ein unglaubwürdiges Bild eines Staatswesens würden wir abgeben, wenn der Staat gegenüber seinen eigenen Angestellten in massiver Weise wortbrüchig würde. 

Oder sprechen wir vom defizitären Staatshaushalt. Ein weiterhin ungebremster Abbau der Reserven und ein Weg hin zu Verschuldung würde das Rating unseres Landes, das heisst die Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit, sehr schnell nach unten ziehen. Dies würde eine Negativspirale auslösen, deren Folgen nicht abzusehen sind. 

Es ist die grosse Herausforderung dieser Tage, dass wir unsere Aufgaben auf glaubwürdige und vertrauensbildende Weise lösen. Und wir können das, ohne dass die Lebensqualität in erheblicher Weise eingeschränkt werden muss. 

Wenn die steuerliche Belastung juristischer Personen zum Teil sehr gering ist,wenn fast die Hälfte aller natürlichen Personen eine jährliche Steuerbelastung unter 1000 Franken hat und ein Drittel der Steuerpflichtigen gar keine Steuern zu entrichten hat,wenn unsere Sozialleistungen diejenigen unserer als reich geltenden Nachbarstaaten sehr deutlich übertreffen,wenn die Beitragsleistungen des Staates in gewissen Bereichen überbordet haben, so haben wir Sanierungspotenzial, das wir ausnützen dürfen. 

Bei allen Bemühungen müssen wir aber darauf achten, dass die Solidarität mit wirklich bedürftigen Menschen nicht einbricht. Und wir müssen darauf achten, dass wir unsere Bevölkerung nicht ihrer grössten Stärke berauben, nämlich ihres Fleisses. 

Es ist eine Errungenschaft unserer fleissigen Bevölkerung, dass viele Leute im Lande in relativem Wohlstand leben können. Ich sehe, dass wir zunehmend Gefahr laufen, diese Errungenschaft aufs Spiel zu setzen. Wenn die Tendenz anhält, alles und jedes einkommensabhängig zu machen, werden wir die Menschen im Lande einer ganz entscheidenden Motivation berauben. Es darf nicht sein, dass ein Mehrverdienst in dem Masse höhere Abgaben und in dem Masse Wegfall von Beitragsleistungen nach sich zieht, dass vom Mehrverdienst kaum etwas übrig bleibt. Die Menschen im Lande wollen strebsam sein, sie wollen in Aus- und Weiterbildung investieren, sie wollen vorankommen und sie wollen im Leben etwas leisten. Und das soll sich weiterhin lohnen. 

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner 

Wir stehen vor Aufgaben, die wir lösen müssen uns lösen können. Lassen wir uns nicht von Pessimismus leiten. Geben wir jenen Kräften, die Unzufriedenheit säen, kein Gewicht. Unser nationales Selbstgefühl und unsere soliden Werte sind Erfolgsgaranten. Ich denke an die fleissige, strebsame Bevölkerung. Ich denke an unseren Bildungswillen. Ich denke an unsere Innovationskraft. Ich denke an Charakterstärke, Liebe zur Heimat und Verbundenheit mit dem Fürstenhaus. 

Lassen wir am heutigen Staatsfeiertag einen gesunden Optimismus in uns wachsen. Nehmen wir diesen Tag zum Zeichen des Aufbruchs.  Als Willensnation können wir immer wieder Grosses vollbringen. 

Liebe Festgemeinde

Ich wünsche Ihnen Gottes Segen und ein wunderschönes «Förschtafäscht».