Thronreden

27. März 1974

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 27. März 1974

Die Liechtensteiner als Bürger eines kleinen Landes können sich glücklich schätzen, dass sie eine grosse Familie bilden. Meine Ansprache zur Landtagseröffnung fasse ich daher nicht im Sinne einer Parlamentseröffnungsrede auf, wie diese in grossen Staaten gebräuchlich ist. Es ist die Rede des Oberhauptes einer grossen Familie, welche weniger die laufende Politik berührt, als mir wichtig erscheinende und in die Zukunft weisende Fragen darlegt. Meine Rede richtet sich über den Landtag hinaus an das ganze liechtensteinische Volk Ich habe es seit Jahren so gehalten und sind meine Worte in diesem Sinne aufzufassen.

Wir sind hier in Liechtenstein davon überzeugt, dass der Staat die Volkswohlfahrt zu fördern hat, und in der Verfassung kommt auch ein entsprechender Passus vor. Wir müssen uns aber vor Augen halten, dass die inflationäre Entwicklung in den letzten Jahren diese Einstellung ad absurdum führen könnte. Die Volkswohlfahrt setzt voraus, dass jeder Bürger, welcher entsprechende Vorsorge leistet, im Verlaufe der Jahre sich ein wenn auch bescheidenes Vermögen erwirtschaften kann und damit ein selbständiger freier Bürger bleibt, ohne allzu sehr auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein. Die Inflation bedeutet aber, dass nach einer Reihe von Jahren das ersparte Geld dahin schwindet. Für Leute, die kein grosses Vermögen haben und nicht in Industriepapiere oder andere Werte ausweichen können, bleibt nur die Möglichkeit, sich ein eigenes Heim zu sichern. Die Voraussetzung dafür ist nicht nur eine entsprechend klug durchgeführte Subventionsregelung und Krediterleich-terung, sondern auch die Beschaffung des Baugrundes. Daher leuchtet es ein, dass die notwendigen Gelder zwecks Subventionierung für die öffentliche Hand vorhanden sein müssen.

Einzelpersonen oder juristische Personen mit entsprechendem Vermögen und Einkommen, welche grosses Bauland in der Bauzone besitzen, müssen diesbezüglich auf jeden Fall höher als bis jetzt besteuert werden. Auf diese Weise stehen dem Staat mehr Mittel zur Verfügung für die Finanzierung der Bauvorhaben und gleichzeitig kommt Bauland in den Kaufverkehr.

Wie ich schon in einer früheren Landtagsrede erwähnt habe, wird sich, auf längere Dauer gesehen, eine Lösung aufdrängen, in der das Land und die Gemeinden gemeinsam für die sozialen Formen des Eigentumswohnens Bauland erschliessen. Es gibt im Lande Gemeinden, die noch grosse Möglichkeiten in dieser Beziehung haben, während andere Gemeinden kaum mehr Bauland zur Verfügung stellen können.

Wenn ich vorhin von der Volkswohlfahrt sprach, so bedeutet das auch Sicherung der anderen sozialen Belange. Dies ist aber nur möglich, wenn man sich keiner Demagogie hingibt und die Kuh, die man melken will, nicht umbringt. Diese Kuh ist für uns in Liechtenstein die Industrie und das Gewerbe, das heisst in dürren Worten gesagt, die sozialen Abgaben müssen sich in einem gewissen vernünftigen Rahmen halten. Ich sehe keine Förderung der sozialen Belange unseres Landes in dem Versuch, ausländische Modelle der Mitbestimmung, die meist parteipolitisch motiviert sind, zu kopieren. Wir müssen im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei uns eigene Wege gehen.

Zu den sozialen Belangen zähle ich auch eine grössere Steuergerechtigkeit. In früheren Jahrzehnten, als noch fast jeder Liechtensteiner ein eigenes Haus mit vermietbaren Räumen hatte, konnte man verstehen, dass sich das Volk gegen die Einführung der Einkommensteuer stellte. Dieser Zustand hat sich geändert und die überwiegende Mehrheit der Liechtensteiner sind Arbeitnehmer, von denen viele kein Vermögen besitzen, das einen entsprechenden Ertrag abwirft, daherwäre es ein Nonsens, die Erwerbsteuer in der jetzigen Form beizubehalten. Es sollte daher möglichst bald eine richtige Einkommensteuer eingeführt werden.

Die Aufgaben, welche auf den Staat zukommen, beanspruchen grosse finanzielle Leistungen von Seiten des Landes. Da leider die Goldmacherei keine Lösung ergibt, so heisst dies, dass wir mit den Geldern, die dem Land und den Gemeinden zur Verfügung stehen, sparsam umgehen müssen. Hüten wir uns, in Bauvorhaben Monumente für die Zukunft zu errichten, aus welchen dann gewaltige Pyramiden werden, die mit ihrem Gewicht Land und Leute von Liechtenstein erdrücken. Das heisst, dass wir beim Bau von öffentlichen Gebäuden, wie zum Beispiel auch von Schulen, vom Standpunkt der Zweckmässigkeit ausgehen und uns nicht von lokaler Eitelkeit beeinflussen lassen. Der Strassenbau ist so zu führen, dass er einem wirklich vorhandenen Bedarf angepasst wird und nicht irgendwelchen Phantasien bezüglich möglicher Verkehrsentwicklungen entspringt. Zum Beispiel verlangt der jetzige grosszügige Ausbau der Strasse zwischen Schaan und Nendeln, dass sie sowohl in Schaan wie in Nendeln ihre verkehrsgerechte Weiterführung bekommt. Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn man eine sogenannte Umfahrungsstrasse ausführen würde, welche dann parallel zur Strasse Nendeln-Schaan läuft. Wir werden daher auch nicht den Durchzugsverkehr übernehmen, der die künftige autobahnmässig ausgebaute Arlbergstrasse benutzend, die Schweizer N 3 erreichen will. Dies würde nämlich eine ebenfalls autobahnmässig ausgebaute Strasse an Schaanwald, Nendeln, Mauren, Eschen vorbei bis Bendern bedeuten.

Für uns in Liechtenstein ist der Ausdruck Umweltschutz kein leeres Wort. Ich bin überzeugt, wenn wir hier im Lande den Forderungen des Umweltschutzes nachleben, die St. Galler als loyale Nachbarn den liechtensteinischen Wünschen bezüglich der direkt an der Grenze stehenden Destillationsanlage Folge leisten werden. Diesen Wünschen nach vermehrtem Schutz gegen die Luftverschmutzung könnte durch Investitionen entsprochen werden, die nicht allzu schwer fallen sollten, wenn man bedenkt, dass die Raffinerie Rheintal AG der Sprössling eines grossen Konzerns ist, über dessen gewaltige Finanzkapazität man in der letzten Zeit entsprechende Berichte bekam.

Bevor ich schliesse, möchte ich noch der Hoffnung Ausdruck geben, dass keine zu grosse Zeitspanne verstreicht, bis die Frauen Liechtensteins die gleichen politischen Rechte wie die Männer erlangen. Die liechtensteinischen Männer möchte ich daran erinnern, dass es Liechtensteinerinnen waren, welche in einer kritischen Zeit, es war 1940, eine Unterschriftenaktion durchführten. Es war dies eine bedeutende politische Tat, welche den moralischen Mut der Bürger stärkte und dem Ausland kundtat, dass das liechtensteinische Volk seine Selbständigkeit weiterhin in Verbundenheit mit der Schweiz wahren wollte.

Ich möchte nun noch Ihnen, meine Herren Abgeordneten, für die diesjährige Sessionsperiode des Landtages Gottes Segen und Beistand wünschen und erkläre hiemit den Landtag für eröffnet.