Thronreden

03. März 1949

Thronrede, Fürst Franz Josef II.

Aufklappen und Zuklappen

Thronrede anlässlich der Eröffnung des Landtages am 3. März 1949

Meine Herren Abgeordneten! Gemäss Artikel 54 der Landesverfassung eröffne ich hiemit den Landtag und möchte die Gelegenheit der Eröffnung benutzen, um zu Ihnen, meine Herren Abgeordneten, einige Worte zu sprechen.

Der Abschluss einer Periode und der Beginn eines neuen Zeitabschnittes sowohl im Leben des Ein-zelmenschen als auch im Leben, das heisst im Tätigkeitsbereich einer Organisation, wie des Landtags, der das Volk vertritt und das wirtschaftliche und politische Leben desselben widerspiegelt, sollten Anlass sein, sich Rechenschaft zu geben über die vergangene Zeit, um daraus Schlüsse zu ziehen für die beginnende neue Periode. So sollten wir auch betrachten die Tätigkeit und das Wirken der Landtage und das politische Leben des Volkes während der letzten Legislaturperioden und uns überlegen, was wir aus diesem Rückblick vor allem lernen und welche Leitgedanken wir für die Tätigkeit in der Zukunft herauslesen können.

Ich glaube, wir alle werden bei einer solchen Überlegung erkennen müssen, die Einigkeit im Volke, im Landtag und bei den Behörden in diesen vergangenen Zeiten war von grosser Bedeutung und soll uns auch für die Zukunft das Ideal bleiben, das wir erhalten und ausbauen müssen. Nur durch diese Einigkeit und den Frieden im Innern des Landes, wie er im Landtag und bei den Behörden durch die Koalition zum Ausdruck kam, war es dem Volk von Liechtenstein ermöglicht, die grossen und nahen Gefahren der Jahre seit 1938 zu überwinden und hat es sogar befähigt, auch in diesen schweren Jahren für das Wohl des Landes und seiner Bürger weiter zu arbeiten. Seien wir uns auch klar, dass der Segen des Himmels sowohl auf dem Einzelnen als auch auf dem ganzen Volke ruht, wenn es friedfertig und einträchtig an der Arbeit ist. Die grösste Gefahr für ein Land, auch wenn es noch so klein ist, kommt nicht von aussen, sondern von innen her, wenn sich die Bürger feindlich gegenüberstehen. Deshalb, meine Herren Abgeordneten, möchte ich Sie bitten, auch in der jetzt beginnenden Legislaturperiode durch die weitere Zusammenarbeit im Rahmen der Koalition nicht nur selbst in Einigkeit segensreich zu arbeiten, sondern auch dem ganzen Volk damit ein Beispiel zu geben. Ich hoffe zuversichtlich, dass wir, wenn wir alle ein einiges Volk bleiben, auch die noch kommenden schwierigen Zeiten mit Gottes Schutz wohlbehalten überdauern werden.

Diese Einigkeit im Landtag und in den Behörden in der vergangenen Legislaturperiode hat dazu geführt, dass einige grosse Arbeiten projektiert und begonnen wurden, deren Durchführung und Vollendung die Aufgabe von Ihnen, meine Herren Abgeordneten, sein wird. Das Bauunternehmen des Saminawerkes ist von diesen die grösste Arbeit. Jedermann im Lande weiss, von welch lebenswichtiger Bedeutung es für das Land ist, seinen eigenen Strom erzeugen zu können, nachdem die Wirtschaftsentwicklung im Lande eine steigende Industrialisierung in Liechtenstein herbeiführt. Dieses grosse Werk soll in der kommenden Legislaturperiode seinen Abschluss finden. Als zweitgrösste Arbeit wurde projektiert und begonnen die Automatisierung unseres Telefonnetzes. Auch dieses Bauvorhaben ist im Hinblick auf unser bescheidenes Budget ein grosses Beginnen, aber von grosser Wichtigkeit für die Entwicklung des immer intensiver werdenden Wirtschaftslebens des Landes. Ich möchte auch dieses Bauunternehmen Ihrem Interesse und Ihrer Aufmerksamkeit anempfehlen. Ausserdem wurden projektiert und zum Teil schon mit dem Bau von einigen Strassen begonnen, die wichtige Verbindungen im Unterlande darstellen. Ich glaube, es freut nicht nur mich, sondern auch alle anderen Bürger im Lande, dass mit dem Bau einiger Strassenprojekte schon begonnen wurde oder die Vorarbeiten schon so weit abgeschlossen sind, dass der Bau in Angriff genommen werden kann. Die Modernisierung des Strassennetzes im Unterlande, so wie sie jetzt schon im Oberland besteht, ist von grosser wirtschaftlicher Bedeutung, da sie die Gemeinden des Unterlandes enger zusammenschliesst.

Ich möchte Sie, meine Herren Abgeordneten, bitten, diese drei grossen Arbeitsprogramme, Samina-Werk, Automatisierung unseres Telefonnetzes und das Strassenprojekt im Unterland, geplant und begonnen in der vergangenen Legislaturperiode, zu einem guten Abschluss zu bringen.

Ausser auf diese Arbeiten, die Sie vom vergangenen Landtag übernehmen, möchte ich Ihr Interesse auf eine für unsere Wirtschaft wichtige Frage lenken. Der Bau des Binnenkanals und des anschliessenden Entwässerungsnetzes sowie die dadurch mögliche Melioration der Rheinebene, war das grösste Bauvorhaben, das das Land je durchgeführt hat. Damit diese gewaltige Investition weiterhin für die Wirtschaft unseres Landes produktiv bleibt, ist es notwendig, dass die Landwirtschaft in der Rheinebene mit Fleiss, Interesse und Verständnis gepflegt und weiter entwickelt wird. Nun ist leider an vielen Stellen der Rheinebene das Gegenteil zu konstatieren, indem man anstatt fruchtbaren Feldern, Gemüsepflanzungen oder Wiesen mehr oder weniger unbebauten Boden erblickt. Dieser Zustand ist unerfreulich und erregt weiterhin Kritik. Ich ersehe auch darin eine der Aufgaben des Landtages und der Behörden, diesem bedauerlichen Rückgang der landwirtschaftlichen Tätigkeit wieder abzuhelfen.

Ich möchte anlässlich der Eröffnung der neuen Legislaturperiode Sie, meine Herren Abgeordneten, darauf hinweisen, dass wir in diesem Jahr zurückblicken auf ein Vierteljahrhundert gedeihlicher Zusammenarbeit mit der benachbarten Eidgenossenschaft. Diese Zusammenarbeit hat für unser Land die glücklichsten Folgen gezeitigt und ist einer der Grundpfeiler unserer Wirtschaftsordnung geworden. In den abgelaufenen, auch in politischer Hinsicht besonders kritischen und gefahrvollen Jahren war die so enge Zusammenarbeit und Freundschaft mit der Schweiz für unser kleines Land eine grosse Stütze und Hilfe. Diese innige und verständnisvolle Verbindung, für die wir der uns so eng befreundeten Schweiz immer dankbar sein werden, weiter zu pflegen und zu vertiefen, soll eine Ihrer ersten Pflichten sein.

Ich bitte Sie, meine Herren Abgeordneten, mit Ernst, Pflichtgefühl und Gottvertrauen an Ihre Arbeit zu gehen. Das Vertrauen auf die Gnade und den Beistand des Allmächtigen und die treue Pflichterfüllung der Heimat gegenüber, soll Sie bei Ihrer Arbeit leiten und begleiten; dann wird auch Gottes Segen auf Ihrer Tätigkeit ruhen, ohne welchen alle Mühe und Arbeit vergeblich wäre. Beginnen Sie mit diesen Vorsätzen im Herzen die neue Legislaturperiode, auf dass Ihre Arbeit zum Gedeihen des Landes und zum Wohl des Volkes von Liechtenstein beitrage. Mit diesem Wunsch erkläre ich hiemit den neuen Landtag für eröffnet.