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Ansprache des Land­tags­prä­si­denten Albert Frick anläss­lich des Staatsfeiertages 2018

15. August 2018

Es gilt das gesprochene Wort.

Durchlauchter Landesfürst
Durchlauchte Landesfürstin
Durchlauchter Erbprinz
Königliche Hoheit
Durchlauchten
Geschätzte Mitglieder von Regierung und Landtag
Exzellenzen
Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner
Liebe Gäste

Es ist wieder Fürstenfest. Wie immer, wenn sich der Hochsommer zu Ende neigt und sich der Himmel in einem besonders intensiven Blau zu zeigen beginnt. So wie das Blau in den Landesflaggen, die auch heute wieder zu Tausenden unsere Häuser und Strassen schmücken. Die zur Verfügung gestellten Plätze für das Zusammensein im Rosengarten waren wiederum im Nu vergeben. Das zeigt die Beliebtheit des Fürstenfestes und die Verbundenheit der Bevölkerung mit unserer Heimat.

Vorab möchte ich Ihnen, Durchlauchter Erbprinz, für Ihre wegweisenden Worte danken. Ich habe nun schon einige Jahre die Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, und darf dankbar feststellen, dass Sie bei der Wahrnehmung der fürstlichen Hoheitsrechte stets das eine Ziel verfolgen, vorausschauend Gutes für das Land zu bewirken. Sie durften diesen Sommer gleich zwei Mal feiern. Zum einen Ihren 50. Geburtstag und zum anderen zusammen mit Ihrer Königlichen Hoheit, Erbprinzessin Sophie, das Fest der Silberhochzeit. Im Namen der liechtensteinischen Bevölkerung darf ich Ihnen dazu von Herzen gratulieren. Ich danke Ihnen beiden für Ihren grossen Einsatz für Land und Leute und für Ihre hochgeschätzte Verbundenheit mit den Menschen im Lande.

In welchem Ausmass Ihre Worte wegweisend sein können, Durchlauchter Erbprinz, haben uns die vergangenen Jahre gezeigt. Ihre deutliche Aufforderung, unsere Sozialwerke zu reformieren, blieb nicht ungehört und hat uns gegenüber anderen Staaten in eine vorteilhaftere Lage gebracht. Erst kürzlich wurde in einem Nachbarstaat die Befürchtung geäussert, dass, wenn nicht schnell etwas passiere, die Renten nicht mehr zum Leben reichen werden und grosse Teile der Bevölkerung von Ergänzungsleistungen abhängig sein werden. Auch wenn in dieser Einschätzung etwas Schwarzmalerei mitspielen mag, dürfen wir uns doch glücklich schätzen, dass wir bezüglich der Sicherung der Sozialwerke einen guten Schritt weiter sind. Und so wird es auch in Zukunft ratsam sein, vorausschauend und abseits von eingefahrenen Gleisen Denkanstösse zu vermitteln.

 

Meine Damen und Herren,

Nach Jahren des Sparens zeigt sich unser Staatshaushalt wieder im Gleichgewicht und einträgliche Entwicklungen der Finanzmärkte erlauben es uns gar, unser Staatsvermögen beträchtlich zu erhöhen. Das mag auf den ersten Blick euphorisch stimmen und könnte zu Leichtsinn verführen. Eine vertiefte Analyse unserer Finanzlage lohnt sich aber. Wir leben in einer Zeit der absoluten Hochkonjunktur, der Weltwirtschaftsmotor läuft auf Höchsttouren und wir dürfen von Vollbeschäftigung reden.

Wenn zu solchen Zeiten, die wirtschaftlich eigentlich nicht mehr besser sein können, die Betriebsrechnung des Staates gerade ein knappes Plus von 11 Millionen Franken ausweist, d.h. ein Plus von weniger als 1 ½ Prozent, so lässt es sich unschwer erahnen, wie diese Rechnung zu Zeiten einer zukünftigen Wirtschaftskrise aussehen wird. Wirtschaftskrisen gehorchen zuverlässig einem ungeschriebenen Gesetz: Sie kommen immer wieder und sie sind in aller Regel von Verlusten auf den Finanzmärkten begleitet. Es ist daher ratsam, sich mit dem Szenario Krisenzeit auseinanderzusetzen und nach Jahren des Sparens allenfalls auch einmal einen Blick auf die Einnahmenseite des Staates zu werfen.

Mit gleich vielen Arbeitsplätzen wie Einwohnern hat unser Land in kurzer Zeit eine einzigartige wirtschaftliche Expansion erlebt. Knapp 10‘000 zusätzliche Arbeitsplätze in nur 15 Jahren sprechen eine deutliche Sprache für die jüngste Entwicklung des Wirtschaftsstandorts. Die Wirtschaft boomt wie nie zuvor. Was bedeutet diese Expansion für Land und Leute? Hat der Staat eine entsprechend ausgeweitete Handlungsfähigkeit erlangt? Sind Löhne und Sozialleistungen entsprechend gestiegen? In welchem Ausmass ist der Wirtschaftsboom für untere Einkommensschichten und für den Mittelstand spürbar?

Wenn wir auch noch in Betracht ziehen, dass unser Land keine Ausgaben für die Landesverteidigung tätigen muss. Eine Ausgabenposition, die die meisten anderen Staatsbudgets in hohem Ausmass belastet. Und wenn wir in Betracht ziehen, dass unser Infrastrukturbudget in sehr viel geringerem Ausmass oder gar nicht durch Schienennetze, Autobahnen, Flugplätze, Tunnels, Metros und anderes belastet wird. Um dies an einem Beispiel festzumachen: Alleine mit den für das NEAT-Projekt am Gotthard angefallenen Kosten könnte unser Land bis ins Jahr 2046 sämtliche seiner Ausgaben bestreiten.

Wenn man das alles in Betracht zieht, so müssten bei uns gerade zu Zeiten eines Wirtschaftswunders genügend Mittel vorhanden sein, um Sozialwesen, Alterspflege, Gesundheitswesen, Kultur- und Sportförderung und anderes auf hohem Niveau sicherstellen zu können. Und es muss möglich sein, die das Bildungswesen destabilisierenden finanziellen Reduktionen zu korrigieren.

 

Meine Damen und Herren,

Diese Sichtweisen mögen zum Nachdenken anregen. Lassen Sie mich an dieser Stelle aber betonen, dass wir in Liechtenstein einen ausserordentlich hohen Lebensstandard geniessen und wir es als Privileg erachten dürfen, in diesem Land zu leben.

Als einer der kleinsten Staaten in der internationalen Gemeinschaft ist unser Einfluss auf das Weltgeschehen gering. Handelskriege, Demokratieverluste, Brexit, Migrationsströme und vieles mehr sind durch uns nicht beeinflussbar. Aber wir müssen in der Lage sein, darauf zu reagieren. Dazu müssen wir fähig bleiben, dafür müssen wir immer bereit sein. Und um das zu können, müssen wir unsere Qualitäten, die ich gerne immer wieder erwähne, erhalten und fördern. Wir brauchen ein herausragendes Bildungswesen, bestausgebildete Einwohnerinnen und Einwohner. Wir müssen unserer fleissigen, bildungswilligen Bevölkerung lohnende Perspektiven erhalten. Und: Wir brauchen ein stabiles und verlässliches Staatswesen.

Um all das sicherzustellen, ist die Bündelung unserer Kräfte gefragt. Stärke muss im Lande selbst gedeihen. Unsere Stärke liegt nicht im Gegeneinander, sie liegt im Miteinander. Wir dürfen die Gemeinsamkeit im Denken und Handeln nicht vernachlässigen. Politische Stärke ergibt sich letztlich aus gemeinsam erarbeiteten visionären Handlungen. Unser Staatsfeiertag ist besonders geeignet, dieses Miteinander in Erinnerung zu rufen und zu beleben und damit unser Schicksal und dasjenige unserer Nachkommen in gute Bahnen zu lenken.

 

Liebe Liechtensteinerinnen, liebe Liechtensteiner,

Beim Ringen um gute Lösungen dürfen wir auch auf unsere Herkunft vertrauen. Eine Herkunft, die unsere Gene mit einer besonderen Gabe ausstattet, die Gabe der Bauernschläue. Erinnern Sie sich an die Sage vom Teufelsloch?

Der Belzebub anerbot sich vor vielen Jahren, für einen Unterländer Bauern die Mäh- und Heuarbeit zu erledigen und verlangte als Lohn dessen Seele, wenn die Arbeit vor dem Ave-Maria-Läuten fertig würde. Der schlaue Bauer ging auf den Handel ein, rannte zum Kirchhügel und bat den Pfarrer von Bendern, die Glocke ausnahmsweise eine Stunde früher zu läuten. Und so erklang die liebliche Glocke just zu dem Zeitpunkt, als der Belzebub sich anschickte, das letzte Fuder zu beladen. In seiner Wut schleuderte der vom Bauern Überlistete den Wiesbaum über den Rhein in die gegenüberliegende Felswand. Und durch das dort entstandene riesige Loch im Felsen fällt auch heute noch gelegentlich ein wärmender Sonnenstrahl auf Bendern.

Ja, meine Damen und Herren, diese Bauernschläue wollen wir einsetzen, auf dass auch für uns die Sonne scheinen möge. Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen Staatsfeiertag. Mögen wir uns freudvoll auf den Festplätzen zu guten Gesprächen begegnen und möge der heutige Festtag mit Glücksgefühlen ausklingen, die uns in den Alltag begleiten.

Ich bedanke mich beim Fürstenhaus für die Einladung zum anschliessenden Beisammensein im Rosengarten. Auch bedanke ich mich bei allen Beteiligten für die Gestaltung und für die musikalische Begleitung dieses Staatsaktes. Wir befinden uns im Jahre 299 des Fürstentums Liechtenstein. 161 Tage trennen uns vom 23. Januar 2019, dem Tag, an dem wir den 300. Geburtstag unseres Staatswesens feierlich begehen wollen. Geniessen wir den heutigen Festtag auch in Vorfreude auf dieses wunderbare Jubiläum. Ich bedanke mich für Ihr zahlreiches Erscheinen und wünsche Ihnen allen Gottes Segen.