Frage vom 10. April 2024
Das Land Liechtenstein verantwortet in seinem Tätigkeitsbereich oder juristische Personen des öffentlichen Rechts verantworten in ihrem Tätigkeitsbereich immer wieder Bautätigkeiten, denen bei grösseren Projekten in der Regel ein Wettbewerb vorangeht. Die Entscheidung, welche der eingereichten Projekteingaben als Gewinnerin hervorgeht, wird meist oder immer von einer Jury gefällt. Dazu habe ich folgende Fragen:
- An welche Vorgaben seitens des Landes Liechtenstein ist die jeweilige Jury gebunden?
- Wer entscheidet, welche Personen oder Institutionen in der Jury Einsitz erhalten?
- Gab es in der Vergangenheit Personen oder Institutionen, die in mehreren Jurys Einsitz genommen haben?
- Falls ja, was waren die Gründe dafür?
- Wie werden die Jury-Mitglieder entlohnt?
Antwort vom 12. April 2024
Bevor auf die fünf Fragen eingegangen wird, kann einleitend folgendes festgehalten werden:
Das Land Liechtenstein ist gemäss dem Gesetz über das öffentliche Auftragswesen (ÖAWG) teilweise verpflichtet für ein staatliches Bauprojekt Planungswettbewerbe durchführen. In einem solchen Verfahren wird der Regierung von einem Preisgericht, also einer Jury, aufgrund einer vergleichenden Beurteilung mehrerer Projekte ein Projekt zur Umsetzung empfohlen. Für einen Planungswettbewerb hat der Auftraggeber, also die Regierung, dafür ein Wettbewerbsprogramm zu formulieren, in welchem Bestimmungen zur Durchführung und zur Aufgabenstellung, wie beispielsweise den Beurteilungskriterien, enthalten sind.
Zu Frage 1:
Planungswettbewerbe unterliegen den Bestimmungen für das Öffentliche Auftragswesen und können gemäss Art. 26 des Gesetzes über das Öffentliche Auftragswesen (ÖAWG) im offenen oder nicht offenen Verfahren, im Verhandlungsverfahren oder im wettbewerblichen Dialog durchgeführt werden. Für die Durchführung von Planungswettbewerben in den Bereichen Bauwesen und Raumplanung sind gemäss Art. 27 Abs. 1 der Verordnung über das Öffentliche Vergabewesen (ÖAWV) ausserdem die vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) aufgestellten Normen betreffend das Wettbewerbsverfahren verbindlich. Hierbei handelt es sich insbesondere um die SIA 142 Ordnung für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe.
Auch die Jury ist, als Teil eines Planungswettbewerbs, entsprechend an die Vorgaben des Gesetzes und der Verordnung über das öffentliche Auftragswesen und der Ordnung SIA 142 gebunden. Gemäss Art. 10 der Ordnung SIA 142 sind die Preisrichterinnen und Preisrichter zu Objektivität und zur Einhaltung der Ordnung, des Wettbewerbsprogramms sowie der Fragebeantwortung im Wettbewerbsverfahren verpflichtet.
Ergänzend ist festzuhalten, dass die Liechtensteinische Ingenieur- und Architektenvereinigung (lia) als Hilfestellung einen "Leitfaden Architekturwettbewerbe im Fürstentum Liechtenstein – Für öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber von Einrichtungen öffentlichen Rechts" erstellt hat.
Zu Frage 2:
Das Preisgericht setzt sich aus natürlichen Personen, den Fach- und Sachpreisrichterinnen und -richtern, zusammen, die von den Wettbewerbsteilnehmern unabhängig sind.
Fachpreisrichterinnen und Fachpreisrichter sind qualifizierte Fachleute aus den massgeblichen Fachgebieten, in denen der Wettbewerb ausgeschrieben wurde, also beispielsweise Architektur.
Sachpreisrichterinnen und Sachpreisrichter sind weitere vom Auftraggeber frei bestimmte Personen.
Das Preisgericht kann zur Begutachtung von Spezialfragen Experten beiziehen. Diese haben eine beratende Funktion.
Die Stabsstelle für staatliche Liegenschaften (SSL) arbeitet die Zusammensetzung der Mitglieder des Preisgerichtes, also der Jury, sowie das Wettbewerbsprogramm aus und macht einen Vorschlag zu Handen der Regierung. Die Regierung genehmigt sowohl das Preisgericht als auch das Wettbewerbsprogramm.
In der Vergangenheit wurden als Sachpreisrichterinnen oder Sachpreisrichter das Regierungsmitglied des Infrastrukturministeriums, das Regierungsmitglied des Nutzerministeriums sowie die Leitung des Nutzeramtes vorgeschlagen und von der Regierung so als Mitglieder des Preisgerichts genehmigt. Bei einem Preisgericht, beispielsweise für eine Schulbaute, wäre das Nutzerministerium das Bildungsministerium und das Nutzeramt das Schulamt.
Als Fachpreisrichterinnen oder Fachpreisrichter wurden in der Vergangenheit externe Fachexpertinnen und Fachexperten, wie privatwirtschaftlich tätige Architektinnen und Architekten, sowie die Leitung der Stabsstelle für staatliche Liegenschaften vorgeschlagen und von der Regierung auch als Mitglieder des Preisgerichts genehmigt. In der Praxis ist die Stabsstelle für staatliche Liegenschaften dabei jeweils auch auf den LIA-Vorstand zugegangen, damit die LIA einen Fachpreisrichter oder eine Fachpreisrichterin zu Handen der Regierung vorschlagen konnte.
Zu Frage 3:
In der Antwort zur Frage 2 wird die Zusammensetzung des Preisgerichts mit Fach- und Sachpreisrichterinnen und -richtern erläutert. Als Fachpreisrichterinnen und Fachpreisrichter wurden bei den letzten Planungswettbewerben nicht dieselben Personen eingesetzt. Weil die Sachpreisrichterinnen und Sachpreisrichter aufgrund deren Funktion als Regierungsmitglied bzw. Amtsleiterin oder Amtsleiter eingesetzt werden, können diese je nach Bauprojekt in mehreren Preisgerichten Einsitz haben.
Zu Frage 4:
Siehe Antwort zu Frage 3.
Zu Frage 5:
Die Honoraransätze für Mitglieder des Preisgerichts bei Planungswettbewerben sind in den "Empfehlungen zur Honorierung", welche die Grundlagen für die Honorierung von Architekten und Ingenieuren im Zusammenhang mit Tätigkeiten für das Land Liechtenstein festhalten, geregelt. Die aktuell gültigen "Empfehlungen zur Honorierung 2024" wurden von der Regierung genehmigt und auf der Webseite der Stabsstelle für staatliche Liegenschaften veröffentlicht. Der Halb-Tagessatz für Jurymitglieder bei Planungswettbewerben beträgt CHF 1'402 und der Tagessatz CHF 2'480, dies exkl. Spesen.