BERICHT ÜBER DIE JUSTIZPFLEGE FÜR DAS JAHR 1999 (NR. 35/2000)
Landtagspräsident Peter Wolff:
Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung: Bericht über die Justizpflege für das Jahr 1999. Der Bericht über die Justizpflege steht zur Diskussion.Abg. Alois Beck:
Ich möchte bei dieser Gelegenheit vielleicht ein paar grundsätzliche Gedanken hier vorbringen für eine Diskussion. Es ist vielleicht nicht ganz verwunderlich, dass man von den Bürgern in letzter Zeit vermehrt darauf angesprochen wird, wie es nun mit diesen Pendenzen bei unserem Gerichtswesen bestellt ist. Viele Leute erwarten, wenn schon so ein Bericht im Landtag behandelt wird, dass wir hier nicht nur debattieren, Pendenzen zur Kenntnis nehmen, sondern dass der Landtag entsprechende Handlungen setzt. So jedenfalls mein Eindruck bei den Leuten. Ich pflege dann jeweils Ausführungen zu machen bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz, dass diese unbedingt zu wahren ist und dass es natürlich nicht angeht, dass hier der Landtag irgendwie ungebührlich dreinredet. Es ist aber doch so, dass wir hier zwar alljährlich unsere Debatten führen und unsere Anregungen vielleicht nicht in gebührendem Masse dann aufgenommen werden. Deshalb möchte ich doch das nochmals grundsätzlich zur Sprache bringen. Es ist vielleicht auch ganz dienlich, wenn man vielleicht öffentlich mal die Dinge klarstellt, dass eben nicht der Landtag für solche Abhilfe zuständig ist. Wir können hier der Regierung unsere Mitteilungen machen, die sie dann wahrscheinlich an das Obergericht weiterleitet usw. Wir haben sicher, wenn wir diese Pendenzen anschauen, gewissen Handlungsbedarf. Wir als Abgeordnete können natürlich nicht aufgrund der Darlegungen irgendwelche Aussagen machen, beispielsweise wenn es hier heisst: So und so viele Fälle sind pendent. Wir kennen nicht den Umfang, wir kennen die Anzahl, wir kennen nicht die Qualität, wir wissen nicht, was da alles abgeklärt werden muss usw. usf. Ich glaube aber doch, dass es manchmal sinnvoll ist, wenn wir dieses Thema aufgreifen und hier die Sicht des Landtages darstellen. Wenn ich richtig gelesen habe ist es ja auch dann möglich, dass dann Akten wieder "aus dem Verstoss" geraten können auf wundersame Weise und nicht nur "in Verstoss". Wie gesagt: Ich möchte das hier als Grundsatzdebatte vielleicht anregen und der Regierung zumindest mit auf den Weg geben, hier gewisse Vorschläge zu erarbeiten. Es kann ja auch nicht einfach so abgetan werden, dass man sagt: Zur Aufarbeitung gewisser Pendenzen bestellen wir übergangsweise einfach Richter. Das wurde meines Wissens schon einmal gemacht, ohne dass hier dann die Situation wirklich verbessert wurde. Wie gesagt: Hier sind natürlich die Regierung und die entsprechenden Stellen gefordert, auch das Obergericht wahrscheinlich. Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident, Damen und Herren Kollegen. Der Bericht über die Justizpflege für das Jahr 1999 vom 29. März 2000 sowie der dazugehörige Kommentar vom 3. April dieses Jahres legt meines Erachtens Zeugnis dafür ab, dass die Justiz als Ganzes und als staatstragende Institution betrachtet, in unserem Land funktioniert. Insbesondere kann den oberen Instanzen, das heisst dem Obergericht und dem OGH hinsichtlich Produktivität ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Ich habe in der jüngsten Vergangenheit einen Fall erlebt, bei dem es um die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis von Organträgern einer liechtensteinischen Sitzgesellschaft ging, welches von der Antragstellung bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch den OGH sage und schreibe sieben Monate gedauert hat. Dies ist eine Leistung sämtlicher der drei damit befassten Instanzen, die auch im internationalen Kontext das Prädikat "ausgezeichnet" verdient. Nicht optimal läuft es in gewissen Abteilungen des Landgerichtes. Bei einem gemäss Bericht - ich zitiere "leicht erhöhten" Zitat Ende - neuen Anfall im Berichtsjahre, hat die Pendenzenanzahl beim Landgericht um 51 Fälle zugenommen. Angesichts der delikaten Situation, die durch die Vorfälle der letzten Tage eingetreten ist, möchte ich darauf verzichten, auf Details einzutreten. Allerdings scheint es mir in diesem Zusammenhang angebracht, die Leistung des damit befassten Untersuchungsrichters beim FL-Landgericht zu loben und seine Leistung herauszustreichen. Allerdings möchte ich es an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass ich in Erfahrung gebracht habe, dass das Arbeitsklima beim FL-Landgericht aufgrund verschiedenster Umstände nicht als eben optimal zu bezeichnen ist. Auch die Tatsache, dass ein junger Richter nach weniger als einem Jahr seinen Dienst quittiert und ich von andern Richtern weiss, dass sie sich zumindest mit dem Gedanken einer Kündigung auseinander setzen, belegen, dass beim Landgericht in verschiedenster Hinsicht Handlungsbedarf besteht. Nebenbei sei bemerkt, dass die Schlussbemerkungen von Oberrichter Max Bizozzero, dass die Aktenerledigung von "gut" bis "sehr gut" bis "ungenügend" schwankt, nicht eben dazu angetan ist, in Jubel auszubrechen. Die heute unter Traktandenpunkt 12 anstehende Ernennung von zwei ausländischen Interims-Landrichtern sollte nunmehr aber dazu führen, dass die vom Landgericht immer wieder reklamierten personellen Engpässe abgebaut und die Pendenzenzahl - insbesondere im Bereiche der älteren Pendenzen - auf ein vertretbares Mass reduziert werden können. In diesem Zusammenhang fehlt mir - offen gesprochen - eine klare Aussage des Landgerichtes, wie konkret diese Interims-Richter eingesetzt werden, damit die gewünschten Effekte auch tatsächlich eintreten. Insbesondere plädiere ich in diesem Zusammenhang dafür, dass auch Kapazitäten im Rechtshilfebereich über die Geschäftsverteilung zur Verfügung gestellt werden. Angesichts der gegebenen Situation ist dies eine zwingende Massnahme.Abschliessend verbleibt mir, all denjenigen richterlichen und nichtrichterlichen Mitarbeitern der Gerichte, die für ein positives Image der Justiz einen Beitrag geleistet haben, zu danken. Eine unabhängige und leistungsstarke Justiz wirkt durch ihre Tätigkeit demokratiestärkend, indem sie eben ihrer ureigensten Aufgabe entsprechend für Rechtssicherheit im Einzelfall sorgt und damit sicherstellt, dass demokratisch getroffene Mehrheitsentscheidungen des Parlamentes für alle gleichermassen gelten. So stärken sie die im Rahmen der Verfassung wahrgenommene Volkssouveränität. Wir haben die Pflicht, in anderem Zusammenhang als Volksvertreter darauf zu achten, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Landtagsvizepräsident Otmar Hasler:
Herr Präsident, meine Dame und Herren. Der Justizpflegebericht gibt alljährlich Rechenschaft über den Gang der Geschäfte an den Gerichten. Gemäss Art. 103 der Verfassung führt das Obergericht die Oberaufsicht über die Justizpflege, und das Obergericht übt die Disziplinargewalt über die richterlichen Beamten des Landgerichtes aus. Und so erhält der Landtag jedes Jahr wieder einen Rechenschaftsbericht, abgefasst vom Präsidenten des Obergerichtes.In den vergangenen Jahren wurde in diesem Justizbericht immer wieder Kritik an der Speditivität in verschiedenen Abteilungen im Landgericht geübt und es wurde auch auf beträchtliche Pendenzen hingewiesen. Das ist ernst zu nehmen, denn unsere Verfassung garantiert ja jedem Bürger eine ordentliche Verhandlung vor Gericht in angemessener Zeit. Und in Art. 27 der Verfassung heisst es: "Der Staat sorgt für ein rasches, das materielle Recht schützendes Prozess- und Vollstreckungsverfahren". Verschiedentlich wurde ja auch in den letzten Monaten von einem Vollzugsdefizit gesprochen. Ich möchte hier jedoch nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit in Liechtenstein ist verfassungsmässig sehr gut garantiert. Die Komplexität der anhängig gemachten Fälle hat beträchtlich zugenommen. Ich glaube auch, dass sich die Rechtsprechung insgesamt durchaus sehen lassen kann. Trotzdem, organisatorische und personelle Schwachpunkte müssen gezielt angegangen werden, damit hier Besserung eintritt. Die Bestellung von Aufarbeitungsrichtern allein kann es nicht sein. Wenn auch nun Pendenzen aufgearbeitet werden, so muss nun doch ganz genau angeschaut werden, wie in Zukunft der Anfall allzu grosser Pendenzen verhindert werden kann. Hier ist immer wieder die Rolle des Landtages gefragt. Der Landtag behandelt alljährlich diesen Rechenschaftsbericht und die Diskussion ist tatsächlich, wer solche Massnahmen in Gang setzen kann. Ich meine, dass hier das Obergericht natürlich sehr gefordert ist, denn ihm steht ja die Oberaufsicht über die Justizpflege zu. Abschliessend noch eine andere Frage: Der Landtag behandelt den Justizbericht öffentlich. Wie ich erfahren habe - das war mir eigentlich gar nie richtig bewusst - wird dieser Bericht jedoch nicht an die Öffentlichkeit abgegeben. Auch hierüber möchte ich doch die Diskussion anregen, warum dieser Bericht nicht an die Öffentlichkeit abgegeben wird, wenn er schon öffentlich verhandelt wird im Landtag.Abg. Alois Beck:
Ist es nicht so, gerade anschliessend an den Landtags-Vizepräsidenten, dass früher, glaube ich, sogar diese Berichte öffentlich abgegeben wurden. Hier kann die Regierung sicher Stellung beziehen. Vielleicht, wenn das eingehend zu wenig ausführlich war: Grundsätzlich funktionieren unsere Gerichte, unsere Justiz gut. Zwar vielleicht auch etwas ein Versäumnis unter anderem des Landtages, dass man bei früherer Gelegenheit das zu wenig herausgestrichen hat. Es ist zwangsläufig so, dass dann von der Öffentlichkeit - ich sage einmal - die Mängel oder Pendenzen oder was man dann immer behandelt hat, zur Kenntnis genommen wurden. Es wurde jedesmal gesagt: Grundsätzlich funktioniert die Justiz gut. Ich glaube auch, dass es jetzt an der Zeit und unsere Pflicht ist, solche Dinge ausgewogen darzustellen, dass, wie der Landtagsvizepräsident gesagt hat, nicht das man Kind mit dem Bade ausschüttet, sondern eben eine sachliche Diskussion in Gang setzt und eben auch die Leistungen unserer Justiz einmal gebührend darlegt, gerade in Anbetracht der nicht übermässigen Ressourcen. Landtagspräsident Peter Wolff:
Ich glaube, meine Damen und Herren, dass der Abg. Alois Beck völlig Recht hat, wenn er darauf hinweist, dass es unbefriedigend ist, dass wir Jahr für Jahr einen Justizpflegebericht vorgelegt bekom-men und diesen zur Kenntnis nehmen, dabei auch gewisse Defizite meist einiger weniger Abteilungen des Landgerichtes zur Kenntnis nehmen, ohne dass wir oder andere Amtsstellen dagegen etwas Markantes unternehmen oder auch nur unternehmen können. Ich glaube, es ist teilweise ein Mangel der Gesetzgebung, die Ausführungsgesetzgebung zu der vom Herrn Landtagsvizepräsidenten zitierten Verfassungsbestimmung ist eher dürftig. Das Einzige, was etwas Fleisch am Knochen ergibt, ist eigentlich § 22 des Gerichtsorganisationsgesetzes. Dort heisst es einerseits in Abs. 1, dass das Obergericht jährlich diesen Justizpflegebericht an die Regierung zuhanden des Landtages abzugeben hat. Und in Abs. 2 heisst es dann, dass das Obergericht zu diesem Zweck von den ihm unterstehenden Gerichten Berichte einzuverlangen, ihre Geschäftsführung zu überwachen, die Gerichte und gerichtlichen Organe zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten und wahrgenommene Gebrechen jeder Art abzustellen hat. An diesem letzten Halbsatz krankt es - meiner Meinung nach - ein wenig, das Abstellen wahrgenommener Gebrechen scheint nicht - um es etwas salopp auszudrücken - eine der Lieblingsbeschäftigungen des Obergerichtes zu sein. Das fällt insbesondere auf bei den alljährlich im Kommentar des Obergerichtspräsidenten zum Bericht wieder aufscheinenden Problemen mit der Abteilung 8 des Landgerichtes. Dort wird immer wieder erwähnt - wir haben das in den vergangenen Jahren mehrfach lesen müssen -, dass der Obergerichtspräsident mit Schreiben vom soundsovielten und soundsovielten diese Gerichtsabteilung auf unzumutbare Zustände aufmerksam gemacht hat, dass darauf entweder gar nicht oder nicht in genügender Weise reagiert wurde. Weiter ist diesen Berichten des Obergerichtspräsidenten nichts zu entnehmen, sodass man daraus den Schluss ziehen muss, dass er auf diese Art der Erledigung seiner eigenen Vorstösse auch nicht weiter reagiert hat. Ähnlich ist es beim diesjährigen Kommentar zum Justizpflegebericht. Dort heisst es auf S. 10 unter Aufzeigung einer unverständlichen Fehlleistung bei Abfassung des Berichtes der Abteilung 8, dass die Abteilung 8 bereits im vergangenen Jahr auf diese Fehlleistung hingewiesen worden sei. Es wird auf ein Schreiben an die Regierung vom 18. Mai 1999 verwiesen, und das Obergericht führt dann weiter aus: "Es kann nicht angehen, dass eine Abteilung ein Geschäftsregister in der Weise führt, dass Geschäftsfälle, die der Staatsanwaltschaft zur Antragstellung zugeleitet werden, im Geschäftsregister als erledigt abgehakt werden und dass es bei diesem Abhaken bleibt, wenn die Staatsanwaltschaft die Geschäftsfälle zur Vornahme weiterer Untersuchungshandlungen dem Untersuchungsrichter zurück leitet". Das ist eine durchaus zutreffende Meinung, glaube ich, die der Obergerichtspräsident hier ausdrückt. Was mir fehlt ist aber, dass er es eigentlich wäre oder das Obergericht es wäre gemäss der zuvor von mir zitierten Gesetzesstelle, deren Recht und Pflicht es wäre, diese wahrgenommenen Gebrechen, wie es im Gesetz heisst, abzustellen, nicht nur zu schreiben, sondern abzustellen. Und das ist eben etwas mehr als nur einen Brief zu schreiben und dann darauf zu warten, ob der Adressat dieses Briefes auch von sich aus entsprechend reagiert. Dort krankt es meiner Meinung nach ein wenig. Oft hat man den Eindruck, dass die Gerichte generell hierzu mehr und vielleicht auch klarere gesetzliche Grundlagen wünschen. Es ist hin und wieder von einem Richterdienstgesetz die Rede, dessen Nichtvorhandensein man als einen Mangel empfindet. Das mag sein, ich kann das von meiner Warte aus nicht abschliessend beurteilen, dass man dort noch weitere konkretere Bestimmungen diesbezüglich aufnimmt. Meiner Meinung nach ist es aber doch wohl so, dass auch ohne Existenz eines Richterdienstgesetzes und ohne Existenz eigener Disziplinar- und sonstiger Vorschriften betreffend die Massregelung nicht ausreichend tätig werdender Richter das geltende Recht über Beamte dann eben zur Anwendung kommen muss. Denn es kann ja wohl nicht sein, dass Richter diesbezüglich in einer Art rechtsfreiem Raum existieren und tätig sind.Diese allgemeinen Bemerkungen führen mich zu dem bereits angesprochenen konkreten Fall der mehrfach erwähnten und alljährlich in diesen Justizpflegeberichten prominent aufscheinenden Abteilung 8 des Landgerichtes, wobei es sich durchwegs um Strafsachen oder Rechtshilfesachen in Strafsachen handelt, dies aber nur deshalb, weil diese Abteilung schon seit - meiner Erinnerung nach - mehr als zehn Jahren keine Zivilsachen mehr führt bzw. keine neuen Zivilsachen mehr zugeteilt erhält. Wir haben am vergangenen Samstag in einer nicht-öffentlichen Sitzung den Fall einer Immunitätsaufhebung behandeln müssen. Aus dem Antragsschreiben des Landgerichtes, das wir zu diesem Zweck am Freitag zugestellt bekommen haben, ergibt sich, dass es sich um den Akt 8 Vr 17/91 des Landgerichtes handelt. Zunächst schon mehr als auffällig, zumindest für den dieser Aktenzeichen Kundigen, dass es sich um einen neun Jahre alten Akt handelt. Auch der Abg. Gabriel Marxer hat in seinem Votum zu Recht auf diesen Umstand hingewiesen. Und wenn wir das mit dem Justizpflegebericht vergleichen, nicht nur mit dem diesjährigen, sondern auch mit den Justizpflegeberichten der vergangenen Jahre, dann stellen wir fest, dass dieser Akt 8 Vr 17/91 bei den älteren Pendenzen der Abteilung 8 seit Jahren, nicht erst dieses Jahr, mit der kurzen und lakonischen Bemerkung, der Akt sei noch nicht erledigt, weil noch eine abschliessende BEV - sprich Beschuldigteneinvernahme - ausständig sei. Ich kann daraus nur den Schluss ziehen - irgendwie hoffe ich, dass ich mich irre - aber ich kann beim besten Willen daraus nur den Schluss ziehen, dass vom eigentlich zuständigen Richter seit diesen 4 bis 5 Jahren, seitdem diese Bezeichnung jedes Jahr im Justizpflegebericht aufscheint, diese ausständige Einvernahme einfach nie gemacht wurde, kurz gesagt: Der Akt einfach liegen geblieben ist.Dieser Einzelfall scheint es mir deshalb wert zu sein, hier erwähnt zu werden, weil er einerseits symptomatisch ist für Probleme, für gewisse Probleme, die es bei unserem Landgericht gibt und die leider den Grossteil der sonst klaglos ablaufenden Geschäftserledigung bei unseren Gerichten generell überlagern, in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit überlagern, aber auch in der Bedeutung für unser Land. Meine Damen und Herren. Wir wissen heute, seit den Geschehnissen der letzten sechs Monate, angefangen von dem berühmt berüchtigten "Spiegel"-Bericht vom 8. November 1999, dass es eine Existenzfrage dieses Landes ist - ich glaube nicht, dass das ein übertriebener Ausdruck ist - eine Existenzfrage dieses Landes ist, ob unsere Gerichte funktionieren und ob das interessierte Ausland den Eindruck erhält, bei uns werden Strafsachen, sei es im Rechtshilfeweg, sei es eigene Strafabklärungen im Inland, mit der nötigen Brisanz behandelt, mit dem nötigen Interesse, mit der nötigen Speditivität erledigt. Und wir können es uns als Fürstentum Liechtenstein, das auch zukünftig gewillt ist, einen Finanzdienstleistungssektor mit internationaler Anerkennung aufrechtzuerhalten, wir können es uns schlicht und einfach nicht mehr leisten, diese Berichte über solche Missstände, wie sie hier bei dieser Abteilung offensichtlich seit X Jahren existieren, einfach jedes Jahr nur zur Kenntnis zu nehmen und die offenbar illusorische Hoffnung zu hegen, dass sich das schon bessern werde.Wir haben hier auf den Seiten 84 bis 86 des Justizpflegeberichtes nicht weniger als 103 oder 104 solcher älterer Pendenzen dieser einen Abteilung, ausschliesslich in Strafuntersuchungsfällen. Wir lesen hier reihenweise: Erhebungen noch ausständig, Erhebungen noch ausständig. Wenn Sie das mit früheren Justizpflegeberichten der letzten Jahre vergleichen und die Geschäftszahlen vergleichen, werden Sie feststellen, dass jedes Jahr dasselbe dort steht. Ich kann daraus wiederum nur den Schluss ziehen, dass nicht nur in dem einen Fall, der uns jetzt aus traurigem Anlass zur näheren Kenntnis gelangt ist, sondern auch in vielen, in vielen anderen Fällen gleichartige Versäumnisse dieser Abteilung existieren. Ich will nicht hoffen, dass dies bedeutet, dass uns noch weitere Ereignisse ähnlicher Art bevorstehen, wenn nämlich, wie es in diesem konkreten Fall der Fall war, aus gegebenem Anlass die Erledigung des Aktes kurzfristig einem anderen Richter übergeben wird, der dann offenbar plötzlich in der Lage ist, auf entsprechende Anträge der Staatsanwaltschaft zu reagieren und den Akt einer Erledigung zuzuführen. Was ich mit diesen Ausführungen sagen will, ist, dass wir das Land Liechtenstein, sei es das Obergericht, sei es die Regierung, sei es der Landtag - wobei wir mit Ausnahme von Gesetzgebungstätigkeiten relativ wenig beitragen können -, dass wir gehalten sind, nicht auf den nächstjährigen und auf den übernächstjährigen Bericht dieser Art zu warten, sondern wir müssen etwas unternehmen. Und zwar jetzt, nicht morgen und nicht übermorgen, sondern jetzt. Denn sonst wird das Ausland, das unsere Zustände nicht immer nur gutwillig und gutmeinend beobachtet, die Gelegenheit erhalten - ob das dann richtig ist oder nicht, spielt dann letztlich gar keine Rolle mehr - aber das Ausland wird dann die Gelegenheit erhalten unter Hinweis auf solche Vorgänge zu sagen: Bei euch geschieht nichts, bei euch wird verschleppt, wird nicht erledigt und daraus könne man dann - so das Ausland oder gewisse ausländische Medien - nur den Schluss ziehen, dass ihr das absichtlich macht, um dunkle Elemente zu schützen. Und diesem Eindruck kann gar nicht deutlich genug auf allen Ebenen entgegengetreten werden. Darum möchte ich von dieser Stelle aus den dringenden Appell richten, in erster Linie an das Fürstliche Obergericht, das nämlich heute schon das Instrument in der Hand hat mit § 22 Abs. 2 des Gerichtsorganisationsgesetzes, hier einzugreifen, nicht nur Briefe zu schreiben und im Justizpflegebericht zu klagen, dass den Briefen keine Taten folgen, sondern selbst Taten folgen zu lassen. Meiner Meinung nach lässt der Gesetzeswortlaut hier dem Obergericht einen sehr weiten Spielraum, wahrgenommene Gebrechen jeder Art abzustellen. Das ermöglicht sehr viel, ohne grosse Einschränkungen, auch daran zu denken - so unerfreulich das sein mag - auch daran zu denken, von Disziplinarmassnahmen im Sinne des Beamtenrechts Gebrauch zu machen. Die Regierung kann ich nur ersuchen, das entsprechend an das Obergericht weiterzuleiten und dem Landtag wieder Bericht zu erstatten, was hier geschieht, was seitens des Obergerichtes, allenfalls auf der Gesetzgebungsebene seitens der Regierung an Anträgen vorgesehen ist. Wir wissen ja, dass die Regierung diesbezüglich bereits wichtige Gesetzgebungsvorhaben in die Wege geleitet hat. Ich gebe Ihnen nur die Stich-worte Rechtshilfegesetz, Sorgfaltspflichtrecht und Geldwäschereibestimmungen des Strafgesetzbuches. Ob das jetzt für die Behebung solcher unerfreulicher Umstände wie die, von denen wir hier sprechen, ausreichend ist, kann ich jetzt nicht abschliessend beurteilen. Es wird wohl unerlässlich sein, hier auch an einschneidende personelle Massnahmen zu denken. Stv. Abg. Renate Wohlwend:
Herr Präsident, werte Kollegen. Herr Präsident, Sie haben jetzt sehr ausführlich über die Pendenzen generell und das Ansehen der Justiz gesprochen, einiges davon hätte ich auch sagen wollen, ich nehme jetzt davon Abstand. Mir scheint es tatsächlich sehr sehr wichtig. Die Forderung, die Sie sehr treffend formuliert haben und die auch von meinen Fraktionskollegen Alois Beck und Otmar Hasler angesprochen und gestellt worden ist, nämlich, jetzt etwas zu unternehmen und nicht weiter zuzuwarten, jetzt die Regierung zu ersuchen, dass sie das Obergericht schnellstens informiert und dann in der Folge auch indirekt von unserer Seite, über die Regierung das Obergericht aufzufordern, mehr zu tun als nur durch Briefwechsel zu mahnen. Ich glaube tatsächlich, in der jetzigen Zeit ist das sehr sehr nötig, dem Ansehen der Justiz einen besseren Anstrich zu geben als er in den letzten Monaten über die Landesgrenzen hinaus schien. Ich will nicht verabsäumen, denjenigen, die in der Justizpflege tätig sind und speditiv arbeiten und eben zu diesem Ansehen ihr Bestes beitragen, den Dank auszudrücken und denjenigen, denen es nicht so ganz gelingt, aus welchen Gründen immer, ihre Pendenzenberge zu bewältigen, zu bearbeiten, wiederum in Erinnerung rufen, dass sie doch auch ihren Beitrag leisten sollen und sich nicht, was die Person des Richters angeht, in dem Gefühl, ja einen Job auf Lebenszeit - leger ausgedrückt - zu haben, irgendwie auf diesem Argument von einem Justizbericht zum anderen, das heisst von einem Geschäftsjahr zum anderen, in der Arbeit dahinschlittert. Es ist wiederholt gesagt worden, dass die Fälle unterschiedlichen Umfang haben. Tatsächlich kann ein Fall bereits beim ersten Gerichtstermin vielleicht durch Vergleich erledigt werden, ein anderer Fall zieht unendlich viele Verhandlungstermine nach sich, es sind Expertengutachten einzuholen, Rechtshilfeersuchen anzustellen. Das ist von unserer Seite ins Ausland und da würde mich eine Frage interessieren bzw. die Beantwortung einer Frage: Wenn die Regierung so gut wäre, mir zu sagen, ob es durchschnittliche Erfahrungswerte gibt, mit welchem Zeitrahmen zu rechnen ist, dass Rechtshilfeersuchen im Ausland erledigt werden und wie die Erledigung in Evidenz gehalten wird? Bedarf es dann wieder jeweils, im Justizpflegebericht den Kommentar in einer Abteilung lesen zu können, einer Erinnerung an die Regierung nachzufragen, warum dieses Rechtshilfeersuchen nicht erledigt wird oder wird auch bei der Regierung selbst Antragstellung und Erledigung in Evidenz gehalten? Eine andere Frage, die ein bisschen ablenkt von der Brisanz der Richtertätigkeit, wäre die Frage, ob die Regierung zufällig ein Echo seitens Landgericht hat, wie das mit der EDV beim Landgericht jetzt funktioniert? Im November 1999 wurde ein vollamtlicher Informatiker angestellt und auch die Projektleitung EDV dem Kanzleileiter übertragen. Ich nehme an, dass es schon irgendwelche Erfolge oder Fortschritte dann in der Landgerichts-EDV gibt, die ja früher von einem der Richter bewerkstelligt worden ist.Abg. Paul Vogt:
Ich möchte an des Votum des Landtagspräsidenten anschliessen. Auch ich habe natürlich mit Erstaunen, um nicht zu sagen mit Entsetzen festgestellt, wie simpel die Begründungen auf den S. 84 ff. sind, wenn es hier einfach heisst: "Weitere Anträge Staatsanwaltschaft" oder massenweise "Weitere Erhebungen noch ausstehend". Ich denke, das sind keine Begründungen und damit kann man sich auch nicht zufrieden geben. Wenn man das einfach so zur Kenntnis nimmt, dann stellt man die Grundlagen des Rechtsstaats wirklich in Frage. Das eine Bemerkung zur Justizverwaltung, obwohl ich mich in der Regel eigentlich nicht so zu Angelegenheiten von Mitarbeitern der Landesverwaltung oder der Gerichte äussern möchte aufgrund meiner beruflichen Situation. Anlass für mein Votum war aber der Hinweis des Landtagspräsidenten, dass heute die disziplinarrechtlichen Grundlagen gegeben seien. Aus einem Gespräch mit dem Präsidenten des Obergerichts weiss ich, dass er anderer Meinung ist. Er hat mir gesagt, das Beamtenrecht sei aufgehoben worden und damit auch die disziplinarrechtlichen Grundlagen für die Landrichter. Für die Beamten der Landesverwaltung sei das teilweise wieder korrigiert worden, nicht aber für die Landrichter. Von da her meine Frage an die Regierung: Wie sieht das aus? Gibt es die notwendigen gesetzlichen Grundlagen, damit man disziplinarisch gegen Landrichter vorgehen kann?Die zweite Frage hängt damit zusammen. So weit ich informiert wurde, sollen diese Grundlagen durch das neue Gerichtsorganisationsgesetz wieder geschaffen werden. Ich weiss auch das nur aus Gesprächen. Es wurde mir gesagt, dass das Gerichtsorganisationsgesetz am Anfang mit grosser Energie vorangetrieben wurde und dann sei eine Phase gekommen, wo man das eher zurückgestellt habe in der Prioritätenliste und jetzt sei das wieder nach vorne gerückt in der Priorität. Wie sieht das aus mit dem Gerichtsorganisationsgesetz? Bis wann können wir mit einer Vorlage rechnen?Regierungschef Mario Frick:
Zuerst einmal, glaube ich, ist es wichtig festzuhalten, bei aller Kritik, die berechtigt und notwendig ist, dass das Gerichtswesen grundsätzlich funktioniert. Ich glaube, man sollte das, was von verschiedenen Abgeordneten auch schon gesagt wurde, nicht vergessen, dass zum Teil sehr gute Leistungen gebracht werden, dass es zum Teil sehr gut funktioniert, dass es sehr viel Licht hat. Aber es hat auch Schatten. Festzustellen ist vor allem, dass die Bandbreite der Leistungen zu gross ist. Es gibt Abteilungen, die sehr gut funktionieren und es gibt Abteilungen, die sehr schlecht, ungenügend funktionieren. Und da gilt es sicherlich, entsprechend anzusetzen. Man darf nicht vergessen, dass die Aufgabe, Landrichter in Liechtenstein zu sein, eine sehr anspruchsvolle ist. Warum? Man muss zuerst einmal das Liechtensteinische Recht kennen und muss dann auch mit der Tatsache umgehen können, dass sehr viele Sachverhalte internationalen Bezug haben. Das ist sehr einfach, ein so kleines Land wie Liechtenstein mit den intensiven Beziehungen ins Ausland, da ist es notwendig, dass jeder von den Landrichtern in der Lage sein muss, internationales Zivilprozessrecht, internationales Privatrecht, internationales Strafrecht ebenso zu beherrschen wie die einheimischen Gesetze. Was ist in den letzten Jahren passiert, nur schon die Jahre, die ich überblicken kann? Die Anzahl Richterstellen wurde in den letzten Jahren aufgestockt - auf mittlerweile zehn Stellen. Wir haben hier im Hohen Landtag ein Rechtspflegergesetz beantragt und es wurde genehmigt. Die beiden Rechtspfleger werden im September bzw. Oktober 2000 jetzt vollumfänglich operativ tätig sein können. Das heisst also, dass im gesetzgeberischen Bereich personell etwas passiert ist.Was das Gerichtsorganisationsgesetz anbelangt, da ist die Zusammenfassung des Abg. Paul Vogt weitgehend richtig. Wir haben zusammen mit verschiedenen Richtern eine Arbeitsgruppe gebildet. Ich war der Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe. Sie sehen also, wir haben diesem Gesetz hohe Bedeutung gegeben. Es war aber sehr sehr schwierig, Lösungen zu finden, die von allen als wirklich tauglich in Liechtenstein angesehen wurden. Es wurde dann eine Vernehmlassung durchgeführt, die in ihren Ergebnissen sehr dispers war. Die Rückäusserungen gingen in verschiedenste Richtungen. Das hat natürlich jetzt die Nachbearbeitung nicht gerade einfach gemacht. Ebenfalls nicht einfach gemacht hat es auch die Tatsache, dass die gleichen Leute, die dieses Thema behandeln, auch in verschiedenste andere Themen involviert sind und waren, Stichwort auch - man vergisst gerne, was alles gemacht worden ist - Personenverkehr, jetzt Sorgfaltspflicht etc. Wir haben mittlerweile - und das weiss ja der Hohe Landtag und der Hohe Landtag hat diesbezüglich ja auch seine Zustimmung erteilt - eine Inspektion des Landgerichtes und des Obergerichtes durch Externe vornehmen lassen können. Der entsprechende Bericht ist da. Dieser Bericht bestätigt erfreulicherweise einiges, was wir im Gerichtsorganisationsgesetz planen, gibt aber auch neue Hinweise, wo gewisse Tendenzen, die wir vorhatten, sogar noch verstärkt werden sollten. Der entsprechende Bericht soll auch in geeigneter Art und Weise dem Landtag zugehen. Ich möchte am Montag, wenn Landtagsbürositzung ist, gerne besprechen, wie das auf geeignete Art und Weise vonstatten gehen kann, nachdem dort auch die einzelnen Abteilungen und Personen dargestellt werden. Der Bericht ist sehr klar. Das kann ich schon in erster Analyse sagen und gibt auch sehr gute Handlungsvorschläge. Sie sehen also, es ist im Bereich Gesetze einiges gemacht, einiges vorbereitet worden, Anzahl Personen aufgestockt, Rechtspfleger werden im September/Oktober ihre Arbeit aufnehmen. Wir haben aber trotzdem einen sehr offenen Punkt. Und das ist der Bereich Aufsicht und Reaktion auf Beschwerden oder festgestellte Mängel. Man kann einiges mit Gesetzen und zusätzlichem Personal regeln, aber einiges geht in den Bereich Aufsicht und Vollzug. Die Regierung ist diesbezüglich schon seit einigen Jahren der Meinung, dass die bestehende Gesetzeslage ausreichend Grundlage geben würde im Bereich der gerichtlichen Aufsicht. Es ist aber richtig, dass diesbezüglich seitens des Obergerichts eine andere Interpretation da ist. Was ich nun aber gar nicht nachvollziehen kann, dass da irgendwo die gesetzliche Grundlage abhanden gekommen sein sollte. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass das Beamtengesetz aufgehoben wäre. Es müsste jetzt wirklich ein Versehen gewesen sein von einigen Leuten. Also diese Aussage scheint mir jetzt doch etwas gar kryptisch. Wenn die Anwendbarkeit des Beamtengesetzes auf Richter in Frage gestellt wird, dann darf ich auf eine Erkenntnis des Staatsgerichtshofes hinweisen, die schon einige Jahre alt ist, wo es um die Frage der Arbeitszeit von Landrichtern ging. Es ging dort um die Frage, wie die Arbeitszeit geregelt ist, wie sie kontrolliert wird etc. Dort hat der Staatsgerichtshof in unmissverständlicher Weise auf das Beamtengesetz Bezug genommen. Die Frage ist nur: Wie sicher fühlt sich die zuständige Instanz in dieser Rechtslage? Das muss man sicherlich ernst nehmen und das sollte eben auch im Zusammenhang mit dem Gerichtsorganisationsgesetz und einem begleitenden Gesetz zum Gerichtsorganisationsgesetz, nämlich einem Disziplinar- und Aufsichtsgesetz für Richter, klar gestellt werden. Ich möchte Sie nicht mit Details langweilen, aber wir kommen bei diesem Disziplinar- und Aufsichtsgesetz - wie es scheint - auch in gewisse Schwierigkeiten auch wieder mit der Unabhängigkeit des Gerichtes gemäss EMRK. Wir werden dort wahrscheinlich auch neue Lösungen suchen müssen. Also die Arbeit ist sehr sehr kompliziert. Wir haben aber jetzt mit dem Inspektionsbericht meines Erachtens ausreichend Input und auch Kontakte zu Experten, die diesen Input umsetzen können. Diesbezüglich muss einiges passieren. Ich werde gerne im nichtöffentlichen Landtag auch einen ersten Einblick in diese Rückmeldung von Herrn Dr. Colledani, der ja die Gerichtsinspektion vorgenommen hat, einbringen. Bitte um Verständnis, dass ich das jetzt nicht im öffentlichen Landtag machen kann. Diesbezüglich auch eine Teilantwort auf die Frage des Abg. Alois Beck: Zuerst einmal ist es sicherlich Sache des Landtages, was man öffentlich machen will oder nicht. Man kann sich sicherlich Gedanken machen, ob der Bericht selber öffentlich gemacht werden soll und kann. Das müsste man analysieren. Sicherlich abraten würde ich seitens der Regierung davon, den Kommentar zum Bericht über die Justizpflege öffentlich zu machen. Da geht es doch um sehr personenrelevante Geschichten. Da wird im Prinzip - ich vereinfache es - eine Kritik über einzelne Richter und Personen abgegeben. Ich glaube, das wäre kein guter Stil, dies öffentlich darzulegen. Die Folge wäre sicherlich die, dass die Berichte, diese Kommentare kryptischer, verschlüsselter würden, wenn bewusst wäre, dass das veröffentlicht wird. Beim eigentlichen Justizpflegebericht, muss ich sagen, da wäre ich jetzt seitens der Regierung offener. Aber die Entscheidung liegt beim Landtag.Die Frage zur Rechtshilfe in Strafsachen: Ich habe jetzt diesbezüglich eine gewisse Unsicherheit, Frau Abg. Wohlwend, wie Sie es gemeint haben. Sie haben gesagt "wie die Rechtshilfe im Ausland stattfindet". Habe ich das richtig verstanden? Ist das richtig gemeint gewesen, im Ausland? Stv. Abg. Renate Wohlwend:
Wenn ein liechtensteinischer Richter Rechtshilfe im Ausland beansprucht.Regierungschef Mario Frick:
Ich war nur nicht sicher, ob das ein Versprecher war. Die Erfahrungen, die mir mitgeteilt wurden - aber das ist jetzt wirklich aus den regelmässigen Richtergesprächen die wir haben, wir treffen uns regelmässig zu gemeinsamen Mittagessen, wo Informationen ausgetauscht werden - ist die Erfahrung die, dass auch vom Ausland her die Leistung von Rechtshilfe sehr unterschiedlich ist, und zwar nach Staaten unterschiedlich, aber auch dann nach Einzelfällen sehr unterschiedlich. Und es ist nicht so, dass diejenigen Staaten, die am lautesten "der da" schreien, dass es diejenigen sind, die ein Muster an Leistungsfähigkeit und Schnelligkeit darstellen würden. Nur diesbezüglich werden sich sicherlich andere Leute auch noch äussern. Was die Abwicklung der Rechtshilfe im Inland anbelangt, ist es sicherlich sehr erschwerend und verkomplizierend, dass Verwaltung und Justiz mit der Rechtshilfe betraut sind. Ich habe es schon öfters gesagt: Ich halte es für eine denkbar ungünstige Konstruktion, dass die Rechtsmittel auf Verwaltungsseite möglich sind und auf Justizseite. Das führt in Extremfällen zu neun Instanzen. Wenn man den Staatsgerichtshof noch einbezieht, sind es zwölf, aber das sind Extremfälle, das muss ich konzedieren. Ich glaube, dass es daher richtig ist und ich bin überzeugt, dass wir hier Unterstützung auch erhalten im Hohen Landtag, dass das gestrafft werden muss. Es geht ja um eine Beschleunigung der Rechtshilfe in Strafsachen, nicht um eine inhaltliche Abänderung. Es soll weiterhin sorgfältig gemacht werden. In der Verwaltung ist der Rechtsdienst zuständig. Dieser hat entsprechende Register und Pendenzenblöcke, sodass jederzeit klar ist, was auf Verwaltungsseite ist. Was nicht immer optimal funktioniert hat, ist die Koordination zwischen der Verwaltungs- und der Justizseite. Das ist auch ein Punkt der dafür spricht, eine klare Zuständigkeit zu schaffen. Was die EDV anbelangt: Das EDV-Projekt beim Landgericht läuft schon seit einigen Jahren. Es hat begonnen vor meiner Zeit, also 1991, 1992. Ich weiss, dass einiges schon umgesetzt werden konnte. Aber dass man insbesondere bei der Einlaufkontrolle, bei der Arbeitskontrolle - ich mache einmal diesen Begriff - also bei der Kontrolle, wo welcher Akt ist, welchen Verfahrensstand, dass es dort noch nicht in einer entsprechenden Art und Weise EDV-mässig unterstützt wäre. Aber das wäre ja einer der zentralen Wünsche.Damit, glaube ich, die Ergänzungen, welche von Seiten der Regierung angebracht werden können und müssen, angebracht zu haben. Ich möchte zum Abschluss ganz kurz das Votum des Abg. Alois Beck nochmals aufnehmen, der am Anfang gesagt hat, dass auch diese Kette - der Landtag nimmt den Justizbericht zur Kenntnis, gibt da und dort Kritik, die Regierung nimmt diese auf und gibt sie ans Obergericht weiter -, dass das nicht befriedigend ist, dass es da irgendwie an Umsetzung fehlt. Das Gerichtsorganisationsgesetz wird dort Abhilfe geben, nicht einfach weil ein neues Gesetz geschaffen werden kann, sondern weil dort Klarheit betreffend Zuständigkeit geschaffen werden wird. Insbesondere wird ein Vorschlag sein, dass auch der Landtag sich eine eigene Justizkommission zulegt, die dann in der Lage ist, diese Berichte und das was passiert detailliert zu beraten und auch beispielsweise dann den Präsidenten des Obergerichtes einzuladen, diesen zu interviewen, um dann viel geeigneter agieren zu können.Abg. Paul Vogt:
Herr Regierungschef. Ich stelle einfach mit einem gewissen Erstaunen fest, dass es unterschiedliche Meinungen gibt, ob für disziplinarische Massnahmen in Bezug auf Landrichter ausreichende gesetzliche Grundlagen vorhanden sind oder nicht. Es müsste doch möglich sein, sich über diese Frage mit dem Präsidenten des Obergerichts zu verständigen. Wenn es dann klar ist, wer zuständig ist und ob die gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind, muss man dann eben auch Massnahmen setzen. Ich bin vielleicht noch eine Erklärung schuldig betreffend die Aufhebung des Beamtenrechtes. Das ist etwas, was vor Ihrer Zeit passiert ist, Herr Regierungschef. Es war ja so, dass unter der Regierung Hans Brunhart beim Erlass des Besoldungsgesetzes irrtümlicherweise auch das Beamtengesetz aufgehoben wurde in den Schlussbestimmungen. Als man dann das festgestellt hat, hat man gesagt, das geht doch nicht, dass wir kein Beamtenrecht haben. Man hat sich dann darauf verständigt, dass man einige wenige Artikel des alten Beamtenrechts wieder eingeführt hat, weil man sich ja mit dem Fürsten nicht auf ein neues Beamtenrecht einigen konnte. Abg. Alois Beck:
Bezüglich dieser fehlenden oder ungenügenden gesetzlichen Grundlage würde ich doch vorschlagen, dass die Regierung baldmöglichst das Gespräch mit dem Obergericht sucht und dass dann der Handlungsbedarf daraus abgeleitet werden kann oder eben nicht. Ich bin natürlich etwas erstaunt, dass die Regierung sich hier überrascht zeigt, dass diese unterschiedlichen Haltungen da sind, ohne dass sie davon in dieser Form Kenntnis hat. Nochmals zum Bericht über die Justizpflege: Es ist mir natürlich auch klar, dass wir den Bericht oder die Berichte nicht in dieser Form abgeben können unter Umständen. Hier war eben meine Anregung, dass die Regierung zusammen mit den Justizbehörden prüft, was soll publik gemacht werden und was nicht. Selbstverständlich sollen hier personen- und datenschutzrechtliche Aspekte einfliessen und das müssen sie wohl auch. Aber mir geht es prinzipiell darum, dass in Zukunft in der Öffentlichkeit eine ausgewogenere und sachliche Diskussion überhaupt ermöglicht wird.Landtagsvizepräsident Otmar Hasler:
Herr Präsident. Ich möchte auch an Ihre Worte anschliessen. Es kann nicht sein, dass wir Jahr für Jahr den Bericht über die Justizpflege zur Kenntnis nehmen, Jahr für Jahr wieder aufgetischt bekommen, was nicht funktioniert und wo es die Schwächen gibt. Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Die Verfassung sagt ganz klar, dass das Obergericht die Aufsicht hat über die Justizpflege. Eine Aufsicht impliziert meiner Meinung nach auch, wenn man Schwächen feststellt, dass man Massnahmen ergreifen kann. Hier scheint die Rechtslage nicht von allen gleich interpretiert zu werden. Ich stelle deshalb den Antrag, dass der Landtag die Regierung beauftragt, diese Frage der rechtlichen Grundlage, was allfällige Massnahmen des Obergerichts betrifft, abzuklären und dem Landtag Bericht zu erstatten, damit der Landtag gegebenenfalls dann im gesetzgeberischen Bereich seiner Verpflichtung nachkommen kann. Regierungschef Mario Frick:
Der Bereich "Aufsicht" ist jetzt doch etwas intensiver diskutiert worden. Der Landtagspräsident hat darlegen können, wo in der Verfassung der Aufhänger drin ist und dass auch im bestehenden, geltenden Gerichtsorganisationsgesetz in § 22.2 - wenn ich es jetzt richtig im Kopf habe - die Grundlage drin ist. Zuständigkeit ist klar. Was jetzt von Seiten des Obergerichts gesagt wird - und das ist uns auch bekannt -, dass das Obergericht das Gefühl hat, es sei zu vage, sie wüssten nicht recht, was sie machen können. Fakt ist aber auch, dass zuletzt im Jahre 1995 eine Disziplinarentscheidung des Obergerichtes ergangen ist gegen einen Richter aufgrund eines Antrages der Regierung. Weil die Regierung einfach gesehen hat, da passiert nichts, dass aber diese Entscheidung - ich möchte es jetzt einmal so formulieren - sehr halbherzig war. Das ist doch das, was wir kritisiert haben. Wir haben damals schon besprochen, dass es eine Anpassung der rechtlichen Situation braucht. Zwischenzeitlich gab es dann auch ein Postulat, glaube ich, das von der Fortschrittlichen Bürgerpartei eingereicht wurde, nämlich betreffend die Schaffung eines neuen Gerichtsorganisationsgesetzes. Und in diesem drin ist geplant, diese aufsichtsrechtlichen Aspekte zu bereinigen. Wie ich gesagt habe, war die Idee, das Gerichtsorganisationsgesetz und begleitend ein Aufsichts- und Disziplinargesetz zu schaffen. Wahrscheinlich wird man das zusammenfassen müssen aufgrund dieser EMRK-Bedenken, die ich vorher genannt habe. Dieser Auftrag wird schon verfolgt. Vom Zeitplan her - um das vielleicht auch noch zu sagen - möchten wir heuer im Landtag dieses Gesetz auf jeden Fall vorlegen. Es ist in der vorderen Priorität, ganz klar, es hat einige Verzögerungen erfahren müssen. Dann um das auch klarzustellen: Der Regierung ist diese Diskrepanz der Ansicht zwischen Obergericht und Regierung durchaus bewusst, nur können wir nur mit einer Gesetzesänderung, mit einer grundsätzlichen Anpassung da so Klarheit schaffen, dass auch das Obergericht dann dem nachleben wird. Aber nochmals ganz klar: Die Regierung ist unabhängig von dieser Historie, die Sie da geschildert haben - das war eine kleine Geschichtsstunde der jüngeren Geschichte - ganz klar der Meinung, dass ausreichend Grundlage da ist für das Obergericht, entsprechend tätig zu werden oder die entsprechenden konkreten Anträge zu stellen. Landtagspräsident Peter Wolff:
Abschliessend möchte ich auch noch kurz zur Frage der Öffentlichkeit dieses Berichtes Stellung nehmen, die da angesprochen wurde. Öffentlichkeit - der Begriff bei solchen Berichten an den Landtag hat ja zwei Aspekte. Der eine Aspekt ist: Was können die Adressaten des Berichtes - sprich die Landtagsabgeordneten - mit solchen Berichten machen? Meiner Meinung nach steht dem nichts entgegen, alle Berichte, die man für eine öffentliche Landtagssitzung zur Behandlung dort erhält und die nicht ausdrücklich als "vertraulich" gekennzeichnet sind, auch Dritten gegenüber bekannt zu machen und abzugeben. Das gilt selbstverständlich auch für den Justizpflegebericht.Der zweite Aspekt der Öffentlichkeit ist, ob solche Berichte von vornherein an die Abonnenten zum Beispiel der Berichte und Anträge der Regierung an den Landtag abgegeben werden. Da scheint die bisherige Praxis - aber meines Wissens ohne Unterbruch - immer so gewesen zu sein, dass der Justizpflegebericht in diese Sammlung nicht miteinbezogen wurde. Ich meine spätestens ab der Behandlung eines solchen Berichtes im Landtag ist er auf jeden Fall öffentlich und jeder, der Interesse daran hat, kann ihn meiner Meinung nach auch beziehen. Ich wüsste nicht, warum nicht. Es gibt keinerlei Vorschrift oder Beschluss oder was auch immer, der das verhindern würde. Wie es sich genau in der Praxis verhält mit der Auswahl der Berichte, die von vornherein schon, wenn sie uns zugestellt werden, auch Dritten zugestellt werden, das weiss ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe zuerst geglaubt und habe dies am Sonntag in einem Radiogespräch auch so erwähnt, dass dies vom Landtagssekretariat veranlasst werde aufgrund langjähriger Praxis. Ich wurde vom Herrn Landtagssekretär darauf hingewiesen, dass dem nicht so sei, sondern dass dies von der Regierung veranlasst wird. Also, nehme ich an, dass dies, nachdem ich alles glaube, was der Herr Landtagssekretär sagt, auch richtig sein wird.Zum Abschluss möchte ich noch auf eine - im Vergleich zu den anderen Themen, die wir hier jetzt erörtert haben - Kleinigkeit hinweisen, die aber doch erwähnenswert erscheint. Im Widerspruch zur sonstigen, wie ich meine, richtigen Praxis bei der Abfassung dieser Justizpflegeberichte - und das hat, glaube ich, auch etwas mit der allfälligen öffentlichen Zugänglichmachung solcher Berichte zu tun - im Widerspruch, wie gesagt, zu dieser Praxis wird auf S. 15 des Berichtes, bei der Berichterstattung der Abteilung 2, über ältere Pendenzen, die von dieser Abteilung zu behandeln waren im Jahre 1999, werden die jeweiligen Namen der Prozessparteien erwähnt. Das halte ich für keine gute Idee, weil das Bedenken nähren könnte, ob man das wirklich öffentlich zugänglich machen soll. Es ist auch zur Information des Landtages über den Gang der Dinge in keiner Weise notwendig, dass wir wissen, wer die Prozessparteien solcher älterer Akten sind. Ich möchte daher die Regierung ersuchen, wiederum im Sinne einer Weiterleitung an das Obergericht, das abzustellen. Ich bin sicher, dass das auch nicht im Sinne des Obergerichtes ist, aber es wurde vermutlich bei der Versendung des Berichtes übersehen, dass dieser Richter hier - aus welchen Gründen auch immer - hier diese Namen angeführt hat.Im Übrigen möchte ich mich dem Antrag des Herrn Landtagsvizepräsidenten anschliessen, denn ungeachtet wie die heutige Rechtslage nun tatsächlich ist - ich glaube gerne, dass die Rechtsauffassung der Regierung richtig ist - aber wenn solche, nicht nur solche Divergenzen der Rechtsauffassung bestehen, sondern die Rechtsauffassung des Obergerichtes offensichtlich eine Art Hindernis darstellt, um von dort aus immer die passendsten Massnahmen zu ergreifen, dann wäre es schon interessant, wenn wir über den rechtlichen Hintergrund hier umfassend schriftlich informiert würden, damit sich der Landtag dann auch überlegen kann, ob er allenfalls auch von sich aus gesetzgeberische Massnahmen ins Auge fasst. Wird das Wort noch gewünscht? Wenn das nicht der Fall ist, dann stimmen wir ab über den Antrag des Landtagsvizepräsidenten Otmar Hasler. Er hat beantragt, der Landtag möge die Regierung beauftragen, die Frage der rechtlichen Grundlagen für Massnahmen des Obergerichtes im Rahmen der Aufsicht über die Justizpflege des Landes abzuklären und dem Landtag darüber Bericht zu erstatten. Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, möge die Hand erheben.Abstimmung: Einhellige Zustimmung
Landtagspräsident Peter Wolff:
Damit hat der Landtag den Justizpflegebericht für das Jahr 1999 zur Kenntnis genommen.-ooOoo-