Interpellation zur Entwicklung des Ausländeranteils, den Einbürgerungsbedingungen und dem Einbürgerungsverhalten der Abgeordneten Herbert Elkuch, Erich Hasler und Thomas Rehak vom 29. Januar 2018
Landtagspräsident Albert Frick
Sehr geehrte Frauen und Herren Landtagsabgeordnete. Wir fahren mit unseren Beratungen fort. Wir kommen zu Traktandum 7: Interpellation zur Entwicklung des Ausländeranteils, den Einbürgerungsbedingungen und dem Einbürgerungsverhalten, Interpellation der Abgeordneten Herbert Elkuch, Erich Hasler und Thomas Rehak vom 29. Januar 2018. Abg. Herbert Elkuch
Besten Dank für das Wort. Diese Interpellation stellt Fragen zur Entwicklung des Ausländeranteils, den Einbürgerungsbedingungen und dem Einbürgerungsverhalten. In der Landtagssitzung vom 6. Mai 2015 wurde vom Landtag eine Motion überwiesen, mit der die Regierung aufgefordert wurde, einen Gesetzesvorschlag zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung vorzulegen. Bis zum 2. Juli 1984 war die doppelte Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung bereits erlaubt gewesen. Die Regierung hat nun angekündigt, dass sie einen entsprechenden Gesetzesvorschlag im ersten Halbjahr 2018 dem Landtag vorlegen möchte. Die Interpellanten möchten, wenn möglich, noch bevor diese Vorlage in den Landtag kommt, in Erfahrung bringen, wie sich das Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft auf den Ausländeranteil ausgewirkt hat, das heisst, ob der Ausländeranteil sich dadurch eher erhöht oder erniedrigt hat. Ursprünglich ist man davon ausgegangen, dass die liechtensteinische Staatsbürgerschaft sehr gefragt ist und sich die meisten im Land niedergelassenen Ausländer werden einbürgern lassen, sobald sie die Möglichkeit dazu haben. Diese Vorstellung ist nicht eingetreten. In dieser Hinsicht interessiert, ob den verschiedenen im Land vertretenen Nationalitäten der Verzicht auf die angestammte Staatsbürgerschaft gleich leicht fällt oder nicht. In der Einbürgerungsstatistik fällt beispielsweise auf, dass sich infolge längerfristigen Wohnsitzes seit dem Jahr 2000 fast gleich viele Personen türkischer Nationalität, konkret 394 Personen, haben einbürgern lassen wie Österreicher (419 Personen) und Schweizer (543 Personen). Welche Nationalitäten machen eher von ihrem Recht Gebrauch und beantragen kurz nach der gesetzlichen Wartefrist die liechtensteinische Staatsbürgerschaft, welche nicht und was sind die Gründe für die Unterschiede. Auch möchten die Interpellanten, dass die Grenzen der bisherigen Gesetzgebung aufgezeigt werden: Welche Länder erkennen einen Verzicht auf die Staatsbürgerschaft gar nicht an und bei welchen Ländern ist ein Verzicht auf die bisherige Staatsbürgerschaft nicht definitiv respektive ist überwindbar? In anderen Worten: Bei welchen Nationalitäten greift die liechtensteinische Gesetzgebung gar nicht respektive kann, wenn jemand will, leicht umgangen werden.
Mit den Fragen möchten die Interpellanten auch mehr darüber erfahren, wie die erleichterte Einbürgerung bisher gehandhabt wurde, wie viele Ablehnungen es aus welchen Gründen gab. Die Schweiz hat auf den 1. Januar 2018 die Aufnahmebedingungen zur Erlangung der schweizerischen Staatsbürgerschaft neu geregelt und in gewissen Belangen verschärft. Im Vergleich scheinen die liechtensteinischen Aufnahmekriterien etwas weniger stark und klar zu sein. Hier stellt sich die Frage, ob eine Überarbeitung der liechtensteinischen Aufnahmekriterien angezeigt wäre. Würden sich die meisten Alteingesessenen auf einmal einbürgern lassen, würde der statistische ausgewiesene Ausländeranteil wohl merklich zurückgehen. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich daraus für Liechtenstein innen- wie auch aussenpolitisch?
Die Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft würde sicherlich viele Alteingesessene motivieren, die liechtensteinische Staatsbürgerschaft anzunehmen, um dann am politischen Leben teilnehmen zu können. Für die Interpellanten stellt sich bei allfälligen Änderungen bezüglich der doppelten Staatsbürgerschaft die Frage, ob der Zustand wie vor 1984 wiederhergestellt werden soll, ein Modell möglich wäre, wie es die Bundesrepublik Deutschland hat, oder ob die Regierung sich weitere Modelle vorstellen kann. Aus den oben angegebenen Gründen ersuchen die Interpellanten die Regierung um die Beantwortung der folgenden Fragen:- Aus welchen Gründen wurde die Möglichkeit zur Beibehaltung der angestammten Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung im Jahre 1984 abgeschafft und was waren die Erwartungen?
- Wie viele Personen aufgeschlüsselt nach Nationalität und Jahr wurden seit der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung seit 1991 in Liechtenstein im ordentlichen Verfahren eingebürgert?
- Wie viele Personen aufgeschlüsselt nach Nationalität und Jahr wurden seit der Abschaffung der Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung in Liechtenstein im erleichterten Verfahren
- aufgrund von Paragraf 5 (infolge Heirat mit einem Liechtensteiner oder einer Liechtensteinerin) und
- Paragraf 5a (infolge längerem Aufenthalt (das ist möglich seit Juli 2000)) eingebürgert? Bei der Beantwortung dieser Frage soll die Rückbürgerung ehemaliger Liechtensteinerinnen und der Kinder liechtensteinischer Mütter separat ausgewiesen werden?
- Wie hoch ist der Anteil der seit 1987 im ordentlichen und erleichterten Verfahren eingebürgerten Personen an den jeweiligen per Ende 2016 im Lande wohnhaften Nationalitäten (das wäre dann der Quotient aus der Summe der eingebürgerten Personen durch Anzahl Ausländer der jeweiligen Nationalität per Ende 2016)?
- Wie erklärt sich, dass sich fast so viele Personen ursprünglich türkischer Nationalität haben einbürgern lassen wie Österreicher und Schweizer? Und ist die Zuwanderung aus der Türkei vergleichsweise hoch? Wenn ja, aus welchen Gründen? Welche Nationalitäten sind seit dem Jahr 2000 durch Familiennachzug überproportional zum durchschnittlichen Bevölkerungswachstum gewachsen?
- Wie hat sich der Anteil der Alteingesessenen (das sind Personen, die seit mehr als 30 Jahren in Liechtenstein wohnhaft sind) in absoluten Zahlen und aufgeschlüsselt nach Nationalitäten seit 1984 entwickelt? Ist diese proportional, unter- oder überproportional zur Bevölkerungszunahme?
- Wie hat sich die Zahl der Ausländer in Liechtenstein aufgeschlüsselt nach Nationalitäten seit 1984 entwickelt?
- Wie hat sich die Zahl der Mitglieder der verschiedenen Konfessionen seit 1984 entwickelt?
- Beantragen die verschiedenen Nationalitäten in den Fällen der erleichterten Einbürgerung die liechtensteinische Staatsbürgerschaft bereits kurz nach der gesetzlichen Wartefrist, viel später oder gar nie? Und sind es eher junge Leute, die von der erleichterten Einbürgerung Gebrauch machen oder auch ältere?
- Wie beurteilt die Regierung die Auswirkungen der Änderung des Bürgerrechtsgesetzes im Jahr 1984, das die doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr erlaubte? Welche positiven und negativen Entwicklungen wurden festgestellt?
- Aufgrund eines Urteils des Staatsgerichtshofs wurde im Jahr 1997 das fünfjährige Wohnsitzerfordernis in Liechtenstein und der Verzicht auf die bisherige Staatsbürgerschaft bei ausländischen Kindern einer liechtensteinischen Mutter aufgehoben. Wie vielen Personen wurde aufgrund dieser Gesetzesänderung seit 1997 das Landesbürgerrecht verliehen und wie viele von diesen Personen wohnen im In- und im Ausland?
- Welche Einbürgerungsarten dominieren gegenwärtig und in Zukunft (also da kann nur ein Trend angegeben werden)?
- Wie hoch ist der Anteil der liechtensteinischen Staatsbürger mit doppelter Staatsbürgerschaft gemäss der letzten Volkszählung?
- Wie hoch ist der Anteil der Ehen, die seit 2001 jährlich innerhalb von null bis vier, fünf bis neun, zehn bis 14, 15 bis 19, 20 bis 29 und nach 30 und mehr Ehejahren geschieden wurden?
- Gibt es statistische Unterschiede in den Scheidungsraten von Ehen, die unter Liechtensteinern, Liechtensteinern und Ausländern sowie zwischen Ausländern geschlossen werden? Gibt es signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Nationalitäten?
- Bei der erleichterten Einbürgerung können Ausländer in einem Extremfall (Einheirat) bereits nach fünf Jahren Aufenthalt und im anderen Extremfall erst nach 30 Jahren Aufenthalt in Liechtenstein die liechtensteinische Staatsbürgerschaft erlangen. Wie lässt sich begründen, dass eingeheiratete Ausländer bereits nach fünf Jahren Landesaufenthalt die liechtensteinische Staatsbürgerschaft erlangen können, währenddem andere Ausländer insgesamt 30 Jahre Landesaufenthalt vorweisen müssen, bevor sie eingebürgert werden können? Welche Argumente sprechen nach der Regierung für die Beibehaltung des Status quo und welche für eine Änderung der Wartefristen?
- Welche relevanten Länder dulden nach Kenntnis der Regierung keine Doppelstaatsbürgerschaften? Welche Länder erteilen auf Ansuchen eine Doppelstaatsbürgerschaft und in welchen Ländern bleibt die Staatsbürgerschaft unabhängig von einem allfälligen Verzicht trotzdem erhalten? Welche Auswirkungen kann die Annahme einer zweiten Staatsbürgerschaft im ursprünglichen Heimatstaat haben?
- Bei welchen Ländern kann die Regierung nach geltendem Recht ausschliessen, dass die Staatsbürgerschaft nach einem Verzicht wieder beantragt werden kann (betrachtet werden sollen nur Länder mit einer gewissen Relevanz)?
- Die Schweiz hat auf den 1. Januar die Bedingungen für den Erhalt des schweizerischen Bürgerrechts verschärft und in mehreren Belangen klargestellt. In welchen Punkten unterscheiden sich die schweizerischen Bedingungen von jenen des liechtensteinischen Bürgerrechts, insbesondere bei den strafrechtlichen Kriterien?
- Paragraf 4b Bürgerrechtsgesetz sieht vor, dass die Aufnahme ins Landesbürgerrecht nur erfolgen kann, wenn beispielsweise kein Strafverfahren anhängig ist, der Bewerber bejahend zum Land eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt und der Lebensunterhalt des Bewerbers hinreichend gesichert ist. Bezüglich der Nichtbeachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Respektierung der Werte der Verfassung, Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung ist die schweizerische Gesetzgebung klarer als die liechtensteinischen Regelungen. Sieht die Regierung aufgrund des Vergleichs mit den schweizerischen Aufnahmebedingungen Bedarf, die in Paragraf 4b Bürgergesetz angeführten Aufnahmebedingungen ebenfalls anzupassen oder zu präzisieren?
- Nachdem bei der Einbürgerung von Behörden geprüft wurde, ob der Lebensunterhalt des Bewerbers hinreichend gesichert ist, müsste man eigentlich davon ausgehen, dass die eingebürgerten Personen später bei den vom Staat unterstützten Personen (also mit Sozialhilfe, Wohnungsbeihilfe, Ergänzungsleistungen und so weiter) gar nicht oder unterproportional vertreten sind. Kann die Regierung
dazu Abklärungen machen und bestätigen, dass die oben geäusserte Vermutung sich statistisch erhärten lässt?
- Integration heisst, dass man den Lebensunterhalt selbst bestreiten kann und auch, dass man sich gesellschaftlich und kulturell integriert. Die Sprache spielt dabei eine besonders grosse Rolle. In den Kantonen Thurgau und Schwyz beispielsweise werden bei der Einbürgerung die mündlichen Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 verlangt. Wie stellt sich die Regierung zu einer Anhebung der Sprachkenntnisse bei Einbürgerung? Gemäss Volkszählung 2015 hat Deutsch als Hauptsprache innerhalb von fünf Jahren von 94,5% auf 91,5% abgenommen. Was will die Regierung unternehmen, um diesen Trend umzukehren?
- In wie vielen Fällen wurde die Einbürgerung auf Basis von Paragraf 4b Bürgergesetz seit dem Jahr 2000 verweigert? Was waren die Gründe?
- Kann jemandem das liechtensteinische Bürgerrecht auf Basis von Paragraf 17 in Verbindung mit Paragraf 20a und Paragraf 21 überhaupt aberkannt werden, denn wenn jemand auf seine frühere Staatsbürgerschaft verzichtet hat, kann er gemäss Paragraf 20 Abs. 1 nicht mehr ausgebürgert werden? Wenn - entgegen den Erwartungen - jemand in den letzten 20 Jahren ausgebürgert wurde, was waren die Gründe dafür?
- Wurden beispielsweise beim Zivilstandsamt oder anderen staatlichen Stellen schon Feststellungen oder Indizien für einen Missbrauch beim Erwerb der liechtensteinischen Staatsbürgerschaft festgestellt? Wenn ja, welche und reichen die vorhandenen Gesetze, um einzugreifen, oder fehlt allenfalls eine gesetzliche Grundlage?
- Gemäss Paragraf 16 Bürgergesetz können Regierung und Landesfürst einem Ausländer, der sich durch Förderung kultureller und wirtschaftlicher Interessen des Staates oder einer Gemeinde, insbesondere durch Hebung von Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten der Bevölkerung Verdienste erworben hat oder zur Vermehrung der Staats- und Gemeindeeinnahmen in besonderer Weise beiträgt, das Landesehrenbürgerrecht verliehen werden. Wie oft wurde in den letzten 20 Jahren von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht?
- Gemäss Paragraf 16 Bürgergesetz könnte also Personen, die zur Vermehrung der Staats- und Gemeindeeinnahmen in besonderer Weise beitragen, das Landesehrenbürgerrecht verliehen werden. Konkret könnte man sich vorstellen, dass Personen, die grössere Investitionen im Land tätigen, das Ehrenbürgerrecht verliehen werden könnte. Wie stellt sich die Regierung zu dieser Option?
- Wie hoch ist der Ausländeranteil derzeit und wie hoch wäre dieser, wenn sich alle Alteingesessenen, das heisst Personen, die schon mehr als 30 Jahre im Land sind, auf einmal einbürgern liessen?
- Könnte bei der Einbürgerung die Erlaubnis zur Führung einer zweiten Staatsbürgerschaft von einem bilateralen Vertrag abhängig gemacht werden, ähnlich der Gesetzeslage der Bundesrepublik Deutschland, welche die doppelte Staatsbürgerschaft nur bei Bürgern der EU und der Schweiz erlaubt? Könnte an die Erlaubnis auch das Kriterium der Reziprozität geknüpft werden?
- Welche potenziellen Vor- und Nachteile hätte ein tieferer ausgewiesener Ausländeranteil sowohl in aus innen- wie auch aussenpolitischer Sicht?
- Welche Nationalitäten haben in den letzten fünf Jahren vor allem um eine Aufenthaltsbewilligung in Liechtenstein angesucht?
- Welche Nationalitäten hatten die Personen, die in den letzten zehn Jahren eine Aufenthaltsbewilligung
- von der Regierung und
- via dem Auslosungsverfahren erhielten?
- Welche Nationalitäten würden sich nach Ansicht der Regierung basierend auf der Analyse der Aufenthaltsgesuche bei der Fremdenpolizei bei einer Öffnung der Zuwanderung vorrangig um eine Aufenthaltsbewilligung in Liechtenstein bemühen? Besten Dank.
Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wir werden auch diese Interpellation an die Regierung weiterreichen und damit haben wir auch Traktandum 7 erledigt. -ooOoo-