Interpellation zur neuen Besteuerungspraxis (DBA-Quellenbesteuerung) für Spitalangestellte und BZB-Lehrkräfte im Kanton St. Gallen mit Inkraftsetzung ab dem 1. Januar 2018 der Abgeordneten Susanne Eberle-Strub, Herbert Elkuch, Johannes Hasler, Johannes Kaiser, Gunilla Marxer-Kranz, Daniel Oehry, Thomas Rehak und Daniel Seger vom 2. Oktober 2017
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 5: Interpellation zur neuen Besteuerungspraxis (DBA-Quellenbesteuerung) für Spitalangestellte und BZB-Lehrkräfte im Kanton St. Gallen mit Inkraftsetzung ab dem 1. Januar 2018. Interpellation der Abgeordneten Susanne Eberle-Strub, Herbert Elkuch, Johannes Hasler, Johannes Kaiser, Gunilla Marxer-Kranz, Daniel Oehry, Thomas Rehak und Daniel Seger vom 2. Oktober 2017.
Wird seitens der Interpellanten das Wort gewünscht? Abg. Herbert Elkuch
Guten Morgen, besten Dank für das Wort. Die unterzeichneten Abgeordneten reichen eine Interpellation ein und fordern die Regierung auf, Auskunft zu den Möglichkeiten hinsichtlich einer Änderung bei der ab 1.1.2018 gültigen Besteuerungspraxis für Angestellte des Kantonsspitals St. Gallen, der Spitäler Rorschach, Grabs und Walenstadt sowie des Berufs- und Weiterbildungszentrums in Buchs mit Wohnsitz in Liechtenstein zu geben.Die Begründung: Die Schweiz und Liechtenstein haben im April 2017 eine Verständigungsvereinbarung betreffend öffentlich-rechtliche Institutionen mit einer gemeinsamer Beteiligung nach Art. 19 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens abgeschlossen. Diese Vereinbarung bringt am 1. Januar 2018 einen Wechsel beim Besteuerungsrecht für Vergütungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Anstellungsverhältnis bei gewissen Institutionen. Je nach Status - alleinstehend, Doppelverdiener, mit Kinder und so weiter - resultiert ein Einkommensverlust von 12 bis 20%. Rund 100 Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein sind von der in Kraft tretenden Änderung ab dem 1.1.2018 betroffen. Die Regierung wird daher eingeladen, dem Landtag zu folgende Fragen Auskunft zu erteilen: Frage 1: - Weshalb beteiligt sich das Fürstentum Liechtenstein eigentlich nicht mehr an der Spitalregion Rheintal sowie am Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs?
- Wer wollte diese Zieländerung in dieser Form: die Schweiz oder das Fürstentum Liechtenstein?
- Wie viel «spart» Liechtenstein mit dieser «Nicht-mehr-Beteiligung» an der Spitalregion Rheintal sowie beim Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs?
Frage 2: Eine medizinische Ausbildung und die Ausübung von Berufen in Bereichen der Humanmedizin in grenznahen Institutionen werden durch die Einführung der Quellensteuer unattraktiver. Es geht dabei um medizinische Berufe, die nach Abschluss der Ausbildung vorwiegend nur in schweizerischen, öffentlich-rechtlichen Institutionen ausgeübt werden können. Mit dieser neuen Quellenbesteuerung erwachsen Nachteile, da im späteren Berufsleben mit wesentlich höheren Steuerabgaben zu rechnen ist. Somit besteht die Gefahr, dass der bereits vorhandene Mangel an einheimischem Fachpersonal sich in einigen Jahren oder Jahrzehnten auf verschiedenen Spezialgebieten der Gesundheitsversorgung nochmals vergrössert. Dazu die Fragen: - Wie viel Lernende im betroffenen Gesundheitsbereich, welche nach Abschluss der Ausbildung voraussichtlich der schweizerischen Quellensteuer unterliegen, sind zurzeit in Ausbildung?
- Welche Auswirkungen hat dieses neue Recht der Besteuerung bezüglich geringerer Attraktivität für bestimmte Gesundheitsberufe für später? Dann - wenn in Liechtenstein Personal dieser Berufe infolge Ausbau der medizinischen Grundversorgung der liechtensteinischen Bevölkerung benötigt werden?
- Wie will die Regierung dieser Gefahr von fehlendem einheimischem Fachpersonal, welches nicht im Inland ausgebildet werden kann, entgegenwirken?
- In welchem Spital soll zukünftig die Ausbildung von Personal aus Liechtenstein in verschiedenen Spezialgebieten wie Onkologie, Intensivmedizin, Säuglingspflege und so weiter stattfinden? Diese fachspezifischen, aber höchst notwendigen Ausbildungsbereiche werden bekanntlich derzeit im Liechtensteinischen Landesspital nicht angeboten.
Frage 3: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Spitälern des Kantons St. Gallen und die Lehrkräfte am Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs haben ihre Stelle im guten Glauben angenommen, ausschliesslich in Liechtenstein steuerpflichtig zu sein. Dazu die Fragen: - In welcher Verantwortung sieht sich diesbezüglich die Regierung?
- 2015 urteilte der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall eines Amtsleiters, der eine andere Funktion innerhalb der Landesverwaltung annahm, dass er nicht in einer anderen Lohnklasse zugeordnet werden dürfe. Der Verwaltungsgerichtshof begründete dies mit der Besitzstandswahrung, welche der betroffenen Person zuerkannt wurde. Weshalb gilt eine solche Besitzstandswahrung nicht in der Schweiz und weshalb können sich die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Spitälern des Kantons St. Gallen und beim Berufsbildungszentrum in Buchs nicht auf eine solche Besitzstandswahrung berufen?
- Was könnte die Regierung für die Mitarbeiter an den Spitälern des Kantons St. Gallen und die Lehrkräfte im Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs unternehmen, um den hiesigen Zustand bezüglich Steuerabgaben auch in Zukunft zu erhalten?
Frage 4: Wie beurteilt die Regierung ihre Verantwortung in Bezug auf Familienpolitik? - Jede dritte Geburt im Spital Grabs erfolgte im 2016 durch eine Frau aus dem Fürstentum Liechtenstein. Von total 836 Geburten im Spital Grabs im Jahr 2016 stammten 246 Geburten von Müttern aus Liechtenstein. Das ist genau genommen jede 3,4. Geburt von einer Frau aus Liechtenstein, die ihr Kind im Spital Grabs zur Welt bringt. Ist es sinnvoll, wenn in Liechtenstein keine Geburtenabteilung zur Verfügung steht und demzufolge Liechtenstein die Verantwortung der Schweiz - nämlich der Spitallandschaft des Kantons St. Gallen - überlässt?
- Wie ist die Meinung der Regierung bezüglich einer erneuten Integration der Geburtenstation in das Liechtensteinische Landesspital? Wenn diese Zielsetzung der politische Wille wäre, stellt sich die Frage, ob es eine zwingende Auflage beziehungsweise Forderung ist, das Zürcher Modell zur An-
wendung zu bringen? In welcher Höhe würden sich die finanziellen Verluste bei der Annahme, dass zwei Drittel der Kinder im Liechtensteinischen Landesspital geboren würden, bewegen? Beziehungsweise wie hoch ist der approximative Betrag, der durch Steuergelder investiert werden müsste?
- Wäre eine Mitträgerschaft die richtige Zielsetzung beziehungsweise Lösungsform? Und wie könnte diese aus Sicht der Regierung aussehen?
- In welcher Institution in Liechtenstein sollen zukünftig die Hebammen ausgebildet werden? Das Liechtensteinische Landesspital bietet keine Geburtshilfe mehr an. Sehr viele der Geburten in der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland erfolgt durch eine Frau aus Liechtenstein.
- Wie viel Kinder wurden 2017 noch in Liechtenstein geboren, zum Beispiel bei Hausgeburten?
Frage 5: Die finanzielle Abgeltung für Leistungen der Vertragsspitäler in der Schweiz an Patienten aus Liechtenstein wird in der Regel zu 45% von der Krankenkasse und zu 55% vom Staat Liechtenstein abgegolten. - Sind damit die von schweizerischen öffentlich-rechtlichen Spitälern erbrachten Leistungen für liechtensteinische Patienten vollumfänglich abgedeckt?
- Wenn nicht, wer übernimmt die Restkosten und in welcher Grössenordnung bewegen sich diese?
- Welche Leistungen für liechtensteinische Patienten sind für die öffentlichen Spitäler in der Schweiz gewinnbringend und welche verlustbringend?
- Wie sieht die Gesamtbilanz für alle Leistungen aus?
Frage 6: Ab dem 1. Januar 2018 wird die Quellenbesteuerung der kompletten zweite Säule durch den Kanton St. Gallen für rund 100 liechtensteinische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die bei den Arbeitgebern Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland, Kantonsspital St. Gallen sowie Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs beschäftigt sind, eingeführt. - Wie hoch ist die Quellensteuer auf eine Pensionskassenrente von monatlich CHF 2'000 einer Hebamme aus Liechtenstein, die aufgrund der Verlagerung der Geburtenstation «zwangsläufig» in der Schweiz arbeiten muss?
- Wie hoch ist die Quellensteuer für schweizerische Arbeitnehmer in liechtensteinisch öffentlich-rechtlichen Institutionen auf eine Rente von CHF 2'000?
- Wird die Regierung auf der Basis dieser zahlreichen Aspekte, die diese Interpellation beleuchtet, Nachverhandlungen betreffend die «neue» Besteuerungspraxis, die ab dem 1.1.2018 in Kraft tritt, angehen? Nachverhandlungen, welche die Angestellten mit Wohnsitz in Liechtenstein und Arbeitsanstellung in den sogenannten Institutionen im Kanton St. Gallen nicht dermassen «schlechter» stellt?
Frage 7: Um das Vorliegen einer gemeinsamen Beteiligung zu begründen, muss gemäss Art. 19 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens eine zwischenstaatliche Vereinbarung bestehen, mit einem finanziellen Engagement substanzieller Art. Gelder aus Stiftungen werden wahrscheinlich per se nicht offensichtlich als ein finanzielles Engagement in diesen zwischenstaatlichen Vereinbarungen genannt, stellen aber nichtsdestotrotz eine Beteiligung an Investitionen und/oder Defiziten dar. Dazu die Fragen: - Fliessen Gelder aus liechtensteinischen Stiftungen in die Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland und das Kantonsspital St. Gallen oder das Berufs- und Weiterbildungszentrum in Buchs?
- Wenn ja, um welche Summe handelt es sich dabei und weshalb wird dies nicht als adäquater «Finanzfluss» von finanziellen Mitteln an den Kanton St. Gallen sowie dessen öffentlich-rechtlichen Institutionen anerkannt und als solche eingestuft?
Frage 8: Zum Geldfluss: Im Jahre 2016 bezahlte der Staat CHF 17,83 Mio. an schweizerische Spitäler. Die Krankenkassen leisteten 2016 insgesamt CHF 40,91 Mio. an Spitäler und Psychiatriedienste in der Schweiz. Es darf angenommen werden, dass diese Zahlungen fast ausschliesslich für Liechtensteiner Patienten waren. Dieser Umstand führt dazu, dass ein Teil unserer Gesundheitsfachleute in der Schweiz liechtensteinische Patienten behandeln müssen und als Grenzgänger der dortigen Steuergesetzgebung mit höheren Steuern als hierzulande ausgeliefert sind. Derweil wird in unserem Land zurzeit eine Spitalinfrastruktur mit freien Kapazitäten mit Steuergeld aufrechterhalten. Dazu die Frage:Wie hoch war der Geldfluss umgekehrt beziehungsweise wie viel bezahlte die Schweiz und wie viel die zuständigen Krankenkassen in der Schweiz in demselben Zeitraum an die Spitalinstitutionen in Liechtenstein?Frage 9: In öffentlich-rechtlichen Institutionen werden liechtensteinische Grenzgänger in der Schweiz gegenüber den schweizerischen Grenzgängern in Liechtenstein steuerlich ungleich behandelt. Wurde diese Problematik in den Verhandlungen mit der Schweiz diskutiert und mit welcher Begründung und Argumenten pochten die schweizerischen Verhandlungspartner auf diese ungleiche Besteuerung?
Frage 10: Arbeitnehmer in öffentlich-rechtlichen Institutionen zahlen jeweils im Staat des Arbeitgebers Steuern. - Wie sah die Steuerbilanz aus? Wie hoch ist der Steuerbetrag insgesamt, der im Jahr 2015 in der Schweiz blieb? Wie hoch war im Jahr 2015 jener, der in Liechtenstein blieb?
- Wie sieht die gesamte Bilanz voraussichtlich im Jahre 2018 aus, also dann, wenn dieses neue Steuergesetz in Kraft ist?
- Wie sieht die Bilanz voraussichtlich im Jahr 2018 «heruntergebrochen» aus? Übertragen auf den Durchschnitt eines einzelnen Arbeitnehmers über alle Berufsgruppen hinweg?
Frage 11: Im Jahr 2016 bezahlte Liechtenstein CHF 4,17 Mio. Arbeitslosenentschädigungen an Grenzgänger.- Wie ist dies bei öffentlich Bediensteten? Bezahlt hier auch der jeweilige Arbeitgeberstaat Arbeitslosenentschädigung an den anderen Staat und gelten beiderseits die gleichen Bedingungen und Kriterien für die Entschädigungszahlungen?
- Gelten die gleichen Regeln wie bei den «anderen» Grenzgängern? Wenn nicht die gleichen Regeln gelten, wo unterscheiden sich diese?
- Wie viel Arbeitslosenentschädigung fliesst in die Schweiz?
Frage 12: Liechtenstein beteiligt sich - oder ist Mitinhaber/Mitträger - an verschiedenen im Kanton St. Gallen liegenden Institutionen, wie zum Beispiel Kinderspital St. Gallen, Interstaatliche Hochschule für Technik, NTB Buchs, RhySearch Forschungsinstitut Buchs, oder Interstaatliche Maturitätsschule für Erwachsene in St. Gallen und Sargans. - Gibt es noch weitere schweizerische Institutionen, an denen sich Liechtenstein beteiligt?
- Wie hoch sind die finanziellen Beiträge, mit welchen Liechtenstein diese schweizerischen Institutionen unterstützt?
Frage 13, das ist die letzte: Schon im Jahr 1995 hatte Liechtenstein vergeblich versucht, die Schweiz für eine Quellensteuer für Grenzgänger zu gewinnen. - Wie ist es zu erklären, dass die Liechtensteiner Grenzgänger, die in öffentlich-rechtlichen Institutionen arbeiten, gezwungen sind, diese Steuer zu zahlen?
- Weshalb werden Grenzgänger aus Liechtenstein, welche in der Schweiz in öffentlich-rechtlichen Betrieben arbeiten, in der Schweiz höher besteuert als Grenzgänger aus der Schweiz, die in öffentlich-rechtlichen Betrieben in Liechtenstein arbeiten?
- Wird die Regierung mit dem Kanton St. Gallen betreffend dieses ungleiche Besteuerungsrecht noch einmal in Nachverhandlungen treten?
- Welche Massnahmen und Gesetzesänderungen wären notwendig, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Wohnsitz in der Schweiz, jedoch mit einer Arbeitsanstellung beim Land Liechtenstein oder bei einem öffentlich-rechtlichen Betrieb in Liechtenstein auf ein höheres Steuerniveau einzustufen, um gleich lange Spiesse herzustellen? Besten Dank.
Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wir werden die Interpellation an die Regierung weiterleiten und damit haben wir Traktandum 5 erledigt. Wir machen jetzt 20 Minuten Pause. Die Sitzung ist unterbrochen (von 10:30 bis 10:50 Uhr).
-ooOoo-