Jahresbericht 2016 der Delegation für die EWR/EFTA-Parlamentarierkomitees
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 16: Jahresbericht 2016 der Delegation für die EWR/EFTA-Parlamentarierkomitees. Der Bericht steht zur Diskussion.Abg. Elfried Hasler
Ja, danke für das Wort. Geschätzte Abgeordnete. Die liechtensteinische Delegation nahm im 2016 an sieben Arbeitstreffen der drei EWR/EFTA-Parlamentarierkomitees teil. Der vorliegende Bericht gibt Ihnen einen summarischen Überblick über die behandelten Themen. Ein Schwerpunktthema der EWR/EFTA-Parlamentarierkomitees bildet der globale Freihandel. Im Berichtsjahr feierte Liechtenstein seine 25-jährige EFTA-Mitgliedschaft. Ein umfassendes Netz an Freihandelsabkommen ist für eine stark exportorientierte Wirtschaft, wie der liechtensteinischen, von geradezu existenzieller Bedeutung. Im Rahmen der EFTA verfügt Liechtenstein heute über 27 Freihandelsabkommen mit 38 Partnerstaaten. Gerade in Zeiten, in denen, nicht zuletzt ausgehend von den USA, eine Tendenz zu verstärktem Protektionismus festzustellen ist, kommt Liechtensteins EFTA-Mitgliedschaft und dem Abschluss weiterer Freihandelsabkommen eine besondere Bedeutung zu. Das zweite Schwerpunktthema der EWR/EFTA-Parlamentarierkomitees bildet die Entwicklung und das Funktionieren des EWR-Abkommens. Insgesamt funktioniert das EWR-Abkommen gut, wenn auch insbesondere verfassungsmässige Restriktionen einzelner Mitgliedsländer das Abkommen beziehungsweise die Umsetzung des EWR immer wieder vor Herausforderungen stellen. Wie etwa im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der Implementierung der europäischen Finanzaufsichtsbehörden. Mit dem Austritt Grossbritanniens aus der EU tritt das Land automatisch auch aus dem EWR aus. Auch die EWR-Staaten werden daher ihr Verhältnis zu Grossbritannien neu regeln müssen. Ein enger Dialog zwischen den EWR- beziehungsweise EFTA-Staaten und der Europäischen Union ist daher in den kommenden zwei Jahren der Brexit-Verhandlungen von besonderer Bedeutung. Die EWR/EFTA-Parlamentarierkomitees bilden gerade für einen Kleinstaat wie Liechtenstein mit beschränkten aussenpolitischen Ressourcen eine interessante und effiziente Plattform für den gegenseitigen Austausch und die Beziehungspflege sowohl innerhalb der EWR- beziehungsweise EFTA-Staaten als auch mit Freihandelsabkommensstaaten. Der fortlaufende Dialog trägt zum besseren gegenseitigen Verständnis bei und unterstützt Verhandlungen im Bereich des Freihandels. Die personelle Besetzung der liechtensteinischen Delegation ist im Vergleich zu den anderen Delegationen der EFTA-Staaten deutlich kleiner und besteht zudem nicht aus Berufspolitikern. Überdies kann sie nicht im gleichen Umfang auf unterstützende Ressourcen zurückgreifen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass unsere Delegation auch mit diesen beschränkten Ressourcen für unser Land einen beachteten und positiven Beitrag leistet. Ich bedanke mich bei meinem Delegationskollegen Harry Quaderer und der Delegationssekretärin Sandra Gerber-Leuenberger für die stets sehr gute Zusammenarbeit. Mein Dank gilt auch dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten, der Stabsstelle EWR, dem EFTA-Sekretariat sowie den stv. Delegationsmitgliedern. Im Namen der Delegation bitte ich den Hohen Landtag, den Jahresbericht 2016 der Delegation für die EWR/EFTA-Parlamentarierkomitees zur Kenntnis zu nehmen. Ich und mein Delegationskollege stehen Ihnen für allfällige Fragen gerne zur Verfügung.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Harry Quaderer
Danke, Herr Landtagspräsident. Ich möchte es nicht unterlassen, dem Delegationsleiter Elfried Hasler für seine geleistete Arbeit und seine kompetente Führung der Delegation zu danken und natürlich auch der Delegationssekretärin Sandra Gerber-Leuenberger, die uns stets tatkräftig unterstützt, und natürlich auch dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten, der Stabsstelle EWR und dem EFTA-Sekretariat, welches für die Delegation sehr wertvolle Arbeit leistet. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Thomas Lageder
Besten Dank für das Wort, Herr Präsident. Ich möchte mich an dieser Stelle bei der EWR/EFTA-Delegation für die geleistete Arbeit bedanken und lediglich einige Fragen stellen. Auf der Seite 3 wird ausgeführt, dass das gemeinsame EWR- und EU-Parlamentarierkomitee, das sogenannte JPC, Joint Parliamentary Committee, bestehend sowohl aus Mitgliedern der nationalen Parlamente der EWR/EFTA-Staaten wie auch aus einer Delegation des Europäischen Parlamentes, zwar nicht direkt in das EU-Beschlussfassungsverfahren involviert sei, aber in der Vorphase am EU-Rechtsetzungsprozess mitwirken könne. Im Allgemeinen wird dies als «decision shaping» bezeichnet. Wie muss ich mir das konkret vorstellen? Wie beeinflusst die EWR/EFTA-Delegation das Gesetzgebungsverfahren zum Vorteil von Liechtenstein? Und könnten Sie mir ein konkretes Beispiel aufzeigen, wie das in der Vergangenheit bereits vonstattengegangen ist? Das wäre sehr interessant. Dies scheint mir ein ganz wichtiger Anknüpfungspunkt zu sein, denn wenn eine EU-Gesetzesvorlage einmal im Landtag zur Übernahme ansteht, kann wenig bis gar nichts mehr an einer Vorlage verändert werden, ohne ein Vertragsverletzungsverfahren zu riskieren.Dann noch eine Frage, die ich bereits im Rahmen der APK-Sitzung in Vorbereitung auf dieses Traktandum gestellt habe. Sie haben das vielleicht im Protokoll gesehen. Auf der Seite 21 heisst es, dass Norwegen und Island angekündigt haben, die Klimaziele im Verbund mit der EU erreichen zu wollen. Es hiess auch, dass Liechtenstein hingegen dies derzeit nicht vorhabe, in erster Linie, weil dies den administrativen Aufwand Liechtensteins stark erhöhen würde. Liechtenstein plädiere in Bezug auf diese einschlägige EU-Rechtsakte für eine Ausnahme vom Gültigkeitsbereich. Könnten Sie mir dazu bitte Ausführungen machen, wie das zu verstehen ist? Bedeutet dies eine Abkehr Liechtensteins von den Klimazielen? Schliesslich wird auf der Seite 9 wiederum der sogenannte Backlog, also der Umfang des Rückstandes bei der Umsetzung von EWR-relevanten Rechtsakten, angesprochen. Die EU als auch die EWR/EFTA-Staaten seien sich einig, dass weiterer Handlungsbedarf zu dessen Reduzierung vorhanden sei. Teilt die EWR/EFTA-Delegation die Meinung, dass der Backlog gesenkt und die Umsetzungsquote erhöht werden muss? Wie wichtig schätzen Sie einen möglichst einheitlichen Rechtsrahmen der EWR/EFTA-Staaten in Bezug auf das Funktionieren der Märkte und Handelsbeziehungen für Liechtenstein ein? Kann sich Liechtenstein innerhalb des EWR und der EFTA Gesetzeslücken überhaupt leisten und wie wird das innerhalb der Gremien, in denen Sie Einsitz haben, gesehen? Für die Beantwortung meiner Fragen bedanke ich mich schon im Voraus ganz herzlich. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Elfried Hasler
Ja, danke für das Wort. Gerne beantworte ich Ihre Fragen. Die erste Frage, hier ging es um das sogenannte «decision shaping». Inwieweit kann eben ein Parlamentarierkomitee Einfluss nehmen auf die Erarbeitung von Richtlinien innerhalb der Europäischen Union? Da muss man sicher auch realistische Erwartungen haben. Passieren tut das ganz konkret im Rahmen von Resolutionen. Also an diesen Treffen zusammen mit EU-Parlamentariern werden auch künftige Gesetzesprojekte vorgestellt und präsentiert, und dort gibt dann das Komitee in Form einer Resolution eine Opinion ab. Man muss aber eben auch realistisch sein: Man darf hier nicht allzu viel hier erwarten. Vom Prozess her ist es dann so, dass diese Resolutionen auch an die Kommission gehen, allerdings gibt es da keinerlei offizielles Feedback oder was auch immer, inwieweit es dann wirklich aufgenommen oder umgesetzt wird oder nicht. Dann der zweite Punkt, wo es um dieses «effort sharing» geht. Da ist es so, im Rahmen der Erreichung der EU-Klimaziele gibt es zwei Instrumente, einmal den Emissionshandel und einmal eben diese sogenannte «Effort Sharing Decision». Und der Emotionshandel das ist Teil des EWR, und da machen wir ja auch mit. Hingegen diese «Effort Sharing Decision» ist nicht EWR-relevant - so weit ist auch nicht geplant grundsätzlich, das ins EWR-Abkommen zu übernehmen. Hier geht es darum, dass eine gewisse Flexibilität in der Umsetzung der Klimaziele über Landesgrenzen innerhalb der EU oder über Branchen hinweg erreicht werden kann. Aus diesem Grund wird diese «Effort Sharing Decision»-Regelung auch von Umweltverbänden stark kritisiert, weil es eben möglich ist, sich von Klimazielen freizukaufen. Und wenn man jetzt böse ist: Das Interesse, das Island und Norwegen eben haben, dass sie hier mitmachen könnten, liegt natürlich darin, vielleicht bei Erreichung der Klimaziele etwas flexibler zu sein und das vielleicht auch mit Geld regeln zu können. Oder beispielsweise mit einfacheren Massnahmen, indem sie zum Beispiel Aufforstungsprojekte finanzieren, die sie ohnehin finanzieren würden, und sich das anrechnen lassen können im Rahmen dieser «Effort Sharing Decision». Aber wie gesagt, an sich ist dieses Paket nicht EWR-relevant, aber diese zwei Länder sind jetzt eben interessiert daran, hier mitzumachen. Grundsätzlich ginge das über zwei Wege: Der erste Weg wäre, wenn diese «Effort Sharing Decision» ins EWR-Abkommen übernommen würde. Daran hat Liechtenstein jetzt kein besonderes Interesse, einmal weil offensichtlich die Notwendigkeit für diese Flexibilisierung nicht gesehen wird, aber auch weil unsere Klimaziele im engen Verbund mit der Schweiz erreicht werden. Und eben die Motive dieser beiden Länder sind offensichtlich. Da bliebe noch die andere Möglichkeit, vielleicht noch zurück: Wenn man es ins EWR-Abkommen übernehmen würde, dann war die bisherige Politik Liechtensteins so, dass man gesagt hätte, dann wollen wir aber eine Ausnahme, dass es für uns nicht anwendbar ist. Das hat man in anderen Fällen auch schon so gemacht. Also das wäre eine Möglichkeit, und die andere Möglichkeit wäre, dass Island und Norwegen einfach bilateral sich hier der EU anschliessen, ohne über den EWR zu gehen. Und wie das letztendlich passieren wird, das ist noch offen.Dann noch zum Thema Backlog: Hier ist zu unterscheiden, das sind eben diese Rechtsakten, die in der EU schon verabschiedet wurden, aber noch nicht ins EWR-Abkommen übernommen wurden. Das ist hier ein Dauerthema. Das ist praktisch an jeder Sitzung ein prominentes Thema, dass die EWR-Länder hier gedrängt werden, stärker und schneller zu übernehmen. Sehr oft hat es eben Verfassungsgründe, dass wir hier eben nicht so schnell sind auf EWR-Seite. Und ich glaube, das prominenteste Beispiel waren im letzten Jahr auch die ganzen Finanzaufsichtsbehörden, wo es verfassungsmässige Bedenken gab. Und das führt ja dann auch dazu, dass es einen sogenannten Backlog gibt, einen Stau gibt, an Richtlinien, die noch nicht ins EWR-Abkommen übernommen worden sind. Grundsätzlich, denke ich, ist es klar, wenn man A sagt, also Mitglied des EWR ist, dann sind diese Richtlinien auch zu übernehmen. Aber die EWR-Länder sind in einer etwas anderen Situation als die EU-Länder, und dadurch wird es immer einen gewissen Backlog geben. Ich glaube, man arbeitet seriös daran, diesen auch zu reduzieren. Und wie gesagt, ein grosser Teil des Backlog zum Beispiel ist nach wie vor noch auf diese Finanzdienstleistungsaufsicht zurückzuführen. Was dann der andere Teil ist: Wenn etwas einmal übernommen worden ist, eben dieser Backlog quasi abgebaut ist und eine Richtlinie ins EWR-Abkommen übernommen worden ist, dann ist die zweite Grösse, die da regelmässig diskutiert wird, das sogenannte «transposition deficit», wo man dann eben schaut: Wie haben jetzt die drei EWR-Länder die jeweiligen Richtlinien auch schon in ihr nationales Recht übernommen? Und hier, muss ich sagen, ist teilweise auch eine etwas nicht zutreffende Perzeption im Land vorhanden. Man hat sehr oft das Gefühl, dass wir hier Musterknabe sind, dass wir hier mehr und schneller übernehmen als andere Länder - also dem ist natürlich nicht so. Da gibt es Länder - auch innerhalb der EU, aber auch im EWR -, die deutlich weniger stark übernehmen als wir. Hier, glaube ich, bestehen wie gesagt manchmal falsche Vorstellungen. Man darf das vielleicht nicht ganz eins zu eins vergleichen, aber das wird ja alles überwacht: Wer übernimmt diese Richtlinien wie schnell unter den EU- und EWR-Staaten? Aber hier liegen wir im letzten Drittel von allen EWR- und EU-Staaten. Also es ist nicht so, wie es sehr oft gehört wird, dass wir hier die Musterknaben sind und schneller und womöglich auch noch strenger übernehmen als andere. Also schneller einmal nicht und strenger ja auch nicht - respektive das haben wir hier drin in der Hand: Machen wir Minimalumsetzungen oder eben nicht? Aber ich glaube, da wird regelmässig sehr stark darauf geschaut, das hier auch eine Minimalumsetzung stattfindet. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Harry Quaderer
Danke, Herr Landtagspräsident. Besten Dank an den Abg. Elfried Hasler, welcher eigentlich diese Fragen sehr umfassend beantwortet hat. Persönlich möchte ich zu einem Punkt Stellung beziehen, da ich schon mehrere Jahre Delegationsmitglied bei der EWR/EFTA-Delegation bin. Zum ersten Punkt, dem sogenannten «decision shaping» oder eine Entscheidungsfindung zu beeinflussen, ein Versuch, beim Gesetzgebungsprozess der EU Einfluss zu nehmen, eine Wunschliste anzubringen: Da kommt man sich vor wie das kleine Kind, das den Wunschzettel unter den Christbaum legt, und schlussendlich bekommt man dann aber nicht das, was man gerne hätte. Da müssen wir schon sehr realistisch sein. Bei diesen Resolutionen, die in meinen Augen eigentlich ziemlich klar vorgebracht werden, bei welchen aber eher sehr wenige europäische MEPs anwesend sind. Ich glaube, es sind zwischen 30 und 40 MEPs, die dieser EWR-EU-JPC angehören, und ist es immer interessant, wenn man in Brüssel ist, dass dann bei diesen Resolutionen eigentlich nur eine Handvoll anwesend ist. Das zeigt ein bisschen auch das Interesse seitens der EU. Aber nichtsdestotrotz - die EWR-Staaten bemühen sich, ihre Punkte vorzubringen und auf einen Nenner zu bringen. Danke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Keine weiteren Wortmeldungen? Damit haben wir den Bericht der EWR/EFTA-Delegation zur Kenntnis genommen. -ooOoo-