Postulatsbeantwortung betreffend die Überprüfung von Rechtsvorschriften mit Verfallsdatum und anderen zielführenden Systematiken zum Zwecke des Bürokratieabbaus (Nr. 124/2016)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 5: Postulatsbeantwortung betreffend die Überprüfung von Rechtsvorschriften mit Verfallsdatum und anderen zielführenden Systematiken zum Zwecke des Bürokratieabbaus. Die Postulatsbeantwortung trägt die Nr. 124/2016 und steht zur Diskussion. Landtagsvizepräsidentin Violanda Lanter-Koller
Danke, Herr Präsident. Ich bedanke mich bei der Regierung für die umfassende Beantwortung unseres Postulates vom 19. Februar 2016. Der Idee, eine automatische Ausserkraftsetzung von bestehenden Rechtsnormen sowie eine zeitlich befristete Geltungsdauer für neu zu schaffende Gesetze und Verordnungen einzuführen, wird zwar eine klare Absage erteilt. Dem zweiten Teil des Postulats, nämlich auch andere Systematiken, die zu einer Entbürokratisierung führen, zu prüfen, wird hingegen nachgekommen und im positiven Sinne beantwortet. In einem ersten Schritt werden in der Postulatsbeantwortung Begriffe erklärt. So ist insbesondere zu unterscheiden zwischen «Bürokratie» als der Wahrnehmung von Verwaltungstätigkeiten und der «Bürokratisierung» als der übertriebenen Hierarchisierung, sei es auf der Aufgabenebene, der Regulierungsebene oder der Organisationsebene. Bürokratieabbau als Reformkonzept bedeutet vor allem Abbau von staatlichen Aufgaben, Vorschriften und Personal, während mit Entbürokratisierung oft «Massnahmen zur besseren Rechtsetzung» gemeint sind. Mit dem Begriff Deregulierung schliesslich ist die Liberalisierung der Märkte umfasst. Durch den Abbau von Regeln sollen Innovationen und Investitionen gefördert sowie Arbeitsplätze geschaffen werden. In einem zweiten Schritt erklärt die Regierung das Funktionieren der «sunset legislation». Charakteristisch ist dabei, dass Vorschriften mit Verfallsdatum zeitlich befristet werden, gleichzeitig aber aufgrund dieser Drohung Evaluationen stattfinden, ob dies tatsächlich geschehen soll. Daher diene die Befristung nicht der Entbürokratisierung und Deregulierung, sondern stelle ein Instrument dar zur regelmässigen Überprüfung und Bewertung der Effektivität und Effizienz staatlicher Aufgaben. Nachdem wir unter dem vorherigen Traktandenpunkt ein anderes Instrument mit derselben Zielsetzung kennengelernt haben, kann die Schlussfolgerung der Regierung bei der Postulatsbeantwortung bereits hier vorweggenommen werden. Sie setzt auf die Leistungsanalyse, die bei konsequenter Anwendung dieselbe Wirkung haben kann wie die richtig verstandene «sunset legislation». Für mich als Postulantin ist nicht so wichtig, wie das Kind heisst, sondern dass das Ziel einer schlanken und zweckmässigen Gesetzgebung erreicht wird. Nachdem ich mich zur Leistungsanalyse bereits positiv geäussert habe und das Postulat die Regierung ausdrücklich eingeladen hat, auch andere Systematiken zu prüfen, die zu einer Entbürokratisierung führen, bin ich mit der Regierung durchaus einig. Die Leistungsanalyse als Instrument zur Schaffung von mehr Transparenz über die staatlichen Leistungen, zum Aufzeigen von Potenzial zum Leistungsverzicht und zur Anpassung des Leistungsniveaus sowie zur Optimierung von Prozessen wird etabliert. Bezugnehmend auf die Leistungsanalyse wird auf Seite 43 der Postulatsbeantwortung ausgeführt: «Die Massnahmen zielen darauf ab, die Gesetze als eine der wichtigsten Einflussgrössen auf den Verwaltungsaufwand zu überprüfen und die staatlichen Leistungen einem Monitoring zu unterziehen, damit Fehlentwicklungen umfassend und frühzeitig erkannt werden können.» Besonders gefällt mir der Ansatz, dass künftig die Regierung den Folgeaufwand von neuen Gesetzen evaluiert und in Berichten und Anträgen an den Landtag jeweils auch die betroffene Kernaufgabe beschreibt und die daraus resultierenden Leistungen zuordnet.Inhaltlich geht die Postulatsbeantwortung detailliert auf die verschiedenen Aspekte der «sunset legislation» ein und berichtet über die Erfahrungen, die in den USA, Australien und Deutschland gemacht worden sind. Da die Methodik für unterschiedliche Zwecke eingesetzt wird, sind auch die Erfahrungen unterschiedlich. In den USA und Australien hatte die Befristung von Rechtsvorschriften in erster Linie das Ziel, dem Gesetzgeber die regelmässige Kontrolle über die Verwaltungsbehörden und die Regulierungen zu ermöglichen. Bürokratieabbau und Deregulierung standen nicht im Vordergrund. Im Gegenteil führten die umfassenden Evaluationen zu einem massiven Aufwand, weshalb viele US-Staaten das System der Verfallsautomatik aufgegeben haben. In Deutschland konnten hingegen Bundesländer erhebliche Erfolge in der Rechtsbereinigung erzielen. Es handelte sich aber um untergeordnete, interne Verwaltungsvorschriften, die von der Verwaltung oder der Regierung selber aufgehoben werden konnten. In Liechtenstein sieht die Regierung hier kein Potenzial, nachdem von 1'000 innerstaatlichen Erlassen über zwei Drittel der Umsetzung von Staatsvertragsrecht, insbesondere von EWR-Recht, dienen und nicht verfallen dürfen. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit sei die Verfallsautomatik nicht zu empfehlen.Dennoch macht es Sinn, im Einzelfall den Einsatz von Befristungs- und Evaluationsklauseln zu prüfen. So geschehen bei der Reform des AHVG, wonach die Regierung alle fünf Jahre eine versicherungstechnische Überprüfung des Versicherungsvermögens vornehmen muss, um frühzeitig auf negative Entwicklungen reagieren zu können. Zusammengefasst bin ich mit der Postulatsbeantwortung und den aufgezeigten Stossrichtungen der Regierung für einen schlanken Staat einverstanden und spreche mich für die Abschreibung des Postulats aus. Danke. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Abg. Wolfgang Marxer
Danke, Herr Präsident. Manchmal hat eine Postulatsbeantwortung nicht den Inhalt, den man sich vielleicht erwartet hat. Und dennoch, ich bin und war froh um dieses Postulat beziehungsweise um dessen Beantwortung - weniger wegen des Teils «Rechtsvorschriften mit Verfallsdatum», sondern wegen der Erklärungen rund um die Begriffe Bürokratie und Bürokratisierung auf Seite 15 und wegen des nur bedingten Zusammenhangs zwischen Rechtsetzung und Bürokratie beziehungsweise Bürokratieabbau. Und dementsprechend bedeuten Rechtsvorschriften mit Verfallsdatum eben nicht automatisch weniger Bürokratie - fast schon im Gegenteil. Und dies sei gemäss den Ausführungen aus Seite 19 nicht einmal das primäre Ziel, sondern es gehe um die Pflicht der periodischen Evaluation. Die Regierung zeigt auf Seite 33 folgende alternative Konzepte oder Regulierungsregelungen auf, stellt dann allerdings ab Seite 40 die im Traktandum zuvor behandelte Leistungsanalyse etwas gar in den Fokus. Als Instrument auf der Aufgabenebene, wenn es zum Beispiel um den Abbau oder das Outsourcing geht, als Instrument auf der Regulierungsebene - betreffend GAVs, betreffend Regelung im Baubereich als Beispiele - oder auch als Instrument auf der Organisationsebene, wenn es zum Beispiel um die Synchronisation des Einwohnerregisters zwischen Land und Gemeinden geht. Grosses Gewicht soll auch das Monitoring der staatlichen Leistungen als Beitrag zum Bürokratieabbau erhalten. Einmal, indem die Leistungslandkarte fortlaufend erneuert wird und, wie von meiner Vorrednerin ausführlich ausgeführt, künftig bei Gesetzesänderungen bei den Auswirkungen ein noch breiterer Ansatz gewählt wird, der dann heisst: Auswirkungen auf Verwaltungstätigkeit und Ressourceneinsatz. Als Gedanke sicher nicht schlecht, wenn ich ihn auch als etwas gar optimistisch bezüglich tatsächlicher Folgen für den Bürokratieabbau erachte. Denn wie schon in Traktandum 4 erwähnt: Nichts erspart uns - Regierung und Landtag -, irgendwann Entscheide zu fällen, sei es zu einem Leistungsabbau oder einem Outsourcing, sei es zu mehr oder weniger Zentralisierung und so weiter. Nur dies wird letztlich Effizienz und Effektivität erhöhen. Aber nochmals: Insgesamt die erwartete Postulatsbeantwortung, wofür auch ich mich bei der Regierung ganz herzlich bedanke.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Abg. Alois Beck
Besten Dank. Ich bin auch für die Abschreibung dieses Postulates. Wenn wir uns daran erinnern, war es eine relativ knappe Mehrheit im Landtag, die sich damals für Überweisung ausgesprochen hat, nämlich gerade 13 Stimmen. Es hat sich eigentlich damals schon gezeigt, dass eine flächendeckende Befristung von Gesetzen sich nicht als sinnvoll erweisen würde. Das haben auch internationale Erfahrungen gezeigt, und die Regierung hat sehr gut hier dargelegt, wie sich das auswirken würde. Nichtsdestotrotz ist es so, dass im Einzelfall eine solche Befristung durchaus Sinn machen kann. Ich denke hier beispielsweise an Gesetze, die als Basis von Subventionen dienen, dass diese nicht ewig weitergeführt werden, sondern dass sie in regelmässigen Abständen überprüft werden. Also solche Dinge erachte ich als durchaus sinnvoll - aber das ist jetzt schon möglich. Und es ist auch nicht nötig, dass man hier separate gesetzliche Grundlagen oder Änderungen macht. Also im Anlassfall durchaus sinnvoll, aber sicher nicht - wie von den Postulanten gewünscht oder im Postulat so umschrieben - flächendeckend. Die Gründe wurden aufgezeigt, es geht hier eigentlich um einen Bürokratieaufbau letztendlich, mit mehr Arbeit, mit mehr Kontrolle, mit mehr Ressourcen verbunden. Gerade im Lichte des Bürokratieabbaus, der hier von den Postulanten ins Zentrum gerückt wurde, würde das eigentlich genau ins Gegenteil verkehrt. Die Regierung hat das sehr gut aufgezeigt - und ich bin damit einverstanden -, hat andererseits auch als Alternative die Leistungsanalyse als Grundlage, die ausbaufähig ist, hier herangezogen, und das erachte ich auch als sinnvoll. Wie ich schon beim letzten Traktandum gesagt habe: Ich kann mir auch vorstellen im Sinne des Bürokratieabbaus, dass man hier Gesetze und Verordnungen mit hohen Bürokratiekosten oder mit den grössten Kostenblöcken ins Visier nimmt und eben schaut, was das für Auswirkungen auf die Verwaltung, auf die Bürgerinnen und Bürger und auf die Unternehmen hat, und dass man hier versucht, dieses so anzugehen.Der Abg. Wolfgang Marxer ist jetzt bewusst nicht auf die Seite 12 eingegangen, nehme ich an. Hier heisst es - und das wurde ja diskutiert -, «dass aufgrund des Geschäftsverkehrsgesetzes auch Aufgabe des Landtags sei, via Geschäftsprüfungskommission die Zweckmässigkeit, Rechtmässigkeit, Zielkonformität, Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit des Vollzugs von Gesetzen durch Regierung und Verwaltung zu überprüfen ...» Und wie es richtig heisst, das war eigentlich der ausschlaggebende Grund, so mutmasst auch die Regierung, warum dieses Postulat damals dennoch an die Regierung überwiesen wurde. Aber wir finden hier keine weiteren Ausführungen der Regierung. Ich kann die Regierung verstehen, dass sie hier nicht viel dazu sagt. Erstens ist das nicht Gegenstand des Postulates, wie es im Postulatsauftrag beschrieben wurde. Zweitens ist das sicher ein Terrain, das, ich vermute, auch mit Bürokratieaufbau verbunden ist, oder das ist zumindest nicht auszuschliessen. Aber hier diese Frage, die eigentlich der Grund war für die Überweisung des Postulates, die wurde hier nicht behandelt und wurde jetzt hier auch nicht thematisiert. Und wie gesagt, die anderen Ergebnisse, die hier die Regierung richtigerweise ausführt, wurden eigentlich schon bei der Überweisung des Postulates ganz klar beschrieben, und es hat sich dort abgezeichnet, dass der eigentliche Auftrag so hier sicher nicht zielführend wäre. Das wollte ich noch dazu sagen. Vielen Dank. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wünscht die Regierung noch das Wort? Das ist nicht der Fall. Somit können wir abstimmen. Wer mit dem Antrag der Regierung, das Postulat vom 19. Februar 2016 abzuschreiben, einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben. Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Der Landtag hat das Postulat betreffend die Überprüfung von Rechtsvorschriften mit Verfallsdatum und anderen zielführenden Systematiken zum Zwecke des Bürokratieabbaus mit 25 Stimmen einhellig abgeschrieben. Gleichzeitig haben wir Traktandum 5 erledigt. -ooOoo-