Freihandelsabkommen zwischen Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland (Nr. 77/2021)
Landtagspräsident Albert Frick
Wir kommen zu Traktandum 22: Freihandelsabkommen zwischen Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland.Der Bericht und Antrag trägt die Nr. 77/2021 und steht zur Diskussion.Abg. Bettina Petzold-Mähr
Besten Dank, Herr Präsident. Ich möchte mich als Erstes beim zuständigen Ministerium und dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten recht herzlich bedanken für die geleistete Arbeit im Zusammenhang mit diesem Freihandelsabkommen. Es ist meines Erachtens eine sehr gute Leistung, ein Freihandelsabkommen in dieser Grössenordnung mit vier involvierten Ländern in lediglich neun Monaten zu verhandeln und abzuschliessen. Das hier vorliegende Abkommen besteht aus 17 Kapiteln, wobei nicht alle Teile auf Liechtenstein anwendbar sind. Zum Beispiel der Warenverkehr ist nicht auf Liechtenstein anwendbar, da wir mit dem Zollvertrag hier an die Schweiz gebunden sind. Dieser Bereich ist im Zusatzabkommen zum Handelsabkommen zwischen der Schweiz und UK geregelt. Natürlich muss man sich im Klaren sein, dass dieses Freihandelsabkommen die alte Zusammenarbeit nicht zu 100% ersetzen kann. Aber das Amt für Auswärtige Angelegenheiten hat in den Verhandlungen sehr viel Wert darauf gelegt, das Bestmögliche für Liechtenstein zu verhandeln. So konnte zum Beispiel im Kapitel «Dienstleistungen und Investitionstätigkeiten» ein wichtiger Punkt für die Handelsbeziehung zwischen Liechtenstein und UK eingebracht werden. So besteht hier nun für die liechtensteinischen Dienstleistungserbringer in 30 Sektoren für Angestellte beziehungsweise in 16 Sektoren als Selbstständige die Möglichkeit, sich für sechs Monate und nicht nur für drei Monate in UK aufzuhalten. Dies ist für Teilbereiche in unserer Wirtschaft sehr wichtig.Aber es gibt auch Verschlechterungen in der Zusammenarbeit. Hierzu gehört ganz klar der freie Dienstleistungsverkehr bei den Finanzdienstleistungen. Hier ist neu geregelt, dass UK als Drittland zu behandeln ist und dort wird die Zusammenarbeit auf jeden Fall erschwert. Meines Erachtens kann aber zusammenfassend gesagt werden, dass mit diesem Freihandelsabkommen eine solide Grundlage für eine weitere gute und enge Zusammenarbeit mit UK geschaffen wurde und aus diesem Grund werde ich diesem Freihandelsabkommen sehr gerne zustimmen. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Georg Kaufmann
Danke für das Wort, Herr Präsident. Auch ich danke dem Ministerium für Äusseres, dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten und der Liechtensteiner Botschaft für die Ausarbeitung dieses Freihandelsab-kommens. Es wurde notwendig, weil UK, das United Kingdom, mit dem EU-Austritt zu einem Drittstaat wurde. Puh, habe ich gesagt, das Abkommen hat es wirklich in sich, wie ich bei der Bearbeitung feststellen konnte. Nachdem es aber auf EWR-Seite zusammen mit Norwegen und Island verhandelt wurde, hoffe und erwarte ich schon, dass die Interessen der EWR-Seite gut ins Vertragswerk eingeflossen sind. Es ist das umfassendste Freihandelsabkommen, das Liechtenstein bisher abgeschlossen hat. Und, wie gesagt, das Hauptziel des Abkommens soll sein: Gleicher Zugang für liechtensteinische Unternehmen in den britischen Markt wie für Unternehmen aus der EU. Inhaltlich und im Aufbau orientiert sich das Abkommen am Abkommen zwischen der EU und UK. Es hat 15 Kapitel. Neben dem Abkommenstext gibt es diverse Anhänge, die aber nur zum Teil auf Liechtenstein zur Anwendung kommen. Von mir ein paar wichtige Aussagen zu einzelnen Kapiteln und dazu auch Fragen, die ich der Regierungsrätin gerne stellen möchte:Im Kapitel 1 wird hervorgehoben, dass das Schweizer Handelsabkommen und der Zollvertrag mit der Schweiz gegenüber diesem Freihandelsabkommen Vorrang haben. Dann, Kapitel 2 «Warenverkehr», ist nicht auf Liechtenstein anwendbar, da das ja bereits mit dem Handelsabkommen Schweiz/UK und über den Zollvertrag abgedeckt ist. Auch in anderen Kapiteln gibt es aufgrund des Zollvertrags bei gewissen Artikeln Einschränkungen für Liechtenstein. Dann im Kapitel 3 geht es um Dienstleitungen und Investitionen. Da habe ich gelesen, dass vom Abkommen nur britische Staatsbürger und Staatsbürger der EFTA-Staaten erfasst werden, nicht aber Personen mit Niederlassung in diesen Staaten. Hier frage ich die Regierung: Was hat das für praktische Konsequenzen in der Umsetzung? Ebenfalls werden Vorbehaltsmöglichkeiten definiert und Liechtenstein hat, wie gesagt, schon bei einigen Artikeln Gebrauch davon gemacht. Es werden dann sehr viele Spezialfälle und Ausnahmen in Bezug auf Wohnsitznahme geregelt. Dies ist eine sehr komplexe Angelegenheit und in diversen betroffenen Staaten wird das ganz unterschiedlich geregelt. Allein die Lektüre dieses Kapitels hat mir gezeigt, wie komplex dieses Freihandelsabkommen wirklich ist. In Kapitel 8 geht es um Wettbewerbspolitik. Die Vertragsparteien bekräftigen die Bedeutung des unbeschränkten Handels und lehnen wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken ab. Die Vertragsparteien treffen dazu Massnahmen, die sie für angemessen halten. Es heisst dann, es können keine Sanktionsmassnahmen ergriffen werden. Auch hier wieder die Frage: Ist das dann ein zahnloser Tiger, wenn es keine Sanktionsmassnahmen gibt? In Kapitel 10 geht es um KMUs. KMUs sollen Informationen über das Freihandelsabkommen online zur Verfügung gestellt bekommen. In Liechtenstein wird das gemäss den Unterlagen wahrscheinlich das Amt für Volkswirtschaft übernehmen. Dann geht es in Kapitel 11 um die Zusammenarbeit, die Förderung des Dialogs. Dafür soll eine Kontaktstelle geschaffen werden, die beim Amt für Auswärtige Angelegenheiten, in der Abteilung Wirtschaft und Entwicklung eingerichtet werden soll. Etwas intensiver habe ich mich mit dem Kapitel 12 beschäftigt. Da geht es um Anerkennung von Berufsqualifikationen. Ziel ist es, eine transparente und einheitliche Regelung für die Anerkennung von Berufsqualifikationen durch die Vertragsparteien zu schaffen. Nun, UK hat berufliche Qualifikationen, die ausserhalb Liechtensteins erworben wurden, mit diesem Vertrag nicht anerkannt. Dies bedauere ich, widerspricht es meines Erachtens dem Mobilitäts- und Studienverhalten der jungen Menschen in Europa. Ich möchte Ihnen ein kurzes Beispiel dazu bringen - so, wie ich das verstehe: Ein junger Liechtensteiner absolviert erfolgreich die Polymechanikerlehre, nehmen wir an bei der Hilti AG in Schaan, und erhält das Liechtensteiner Fähigkeitszeugnis FZ. Sein Liechtensteiner Kollege absolviert parallel dazu die Polymechanikerlehre bei einem Betrieb in Buchs und schliesst mit dem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis EFZ ab. Aus Liechtensteiner Sicht sind die beiden Fähigkeitszeugnisse gleichwertig anerkannt. Aus Sicht des United Kingdom sind diese beiden Fähigkeitszeugnisse jedoch nicht gleichwertig. Oder sehe ich das falsch, Frau Regierungsrätin? Und wie steht es mit allen beruflichen Weiterbildungen wie Berufsprüfungen, Höhere Fachprüfungen oder Höhere Fachschulen, die vor allem in der Schweiz erworben wurden und bei uns anerkannt sind? Kann zum Beispiel eine Liechtensteiner Pflegefachfrau mit einer HF-Ausbildung von Sargans Probleme bekommen, in Grossbritannien eine Arbeitsstelle anzutreten? Hier danke ich der Aussenministerin für einige Ausführungen zu diesem Thema.Im Kapitel 13 geht es um Handel und nachhaltige Entwicklung. Die Vertragsparteien verpflichten sich, den internationalen Handel und die internationalen Investitionen so zu fördern, dass sie zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Sie bekräftigen den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, sozialer Entwicklung und Umweltschutz. Sie sichern die Transparenz und Information der Öffentlichkeit. Das Thema Frauenförderung wird angesprochen. Ein entsprechender Unterausschuss soll auch im Amt für Auswärtige Angelegenheiten dafür verantwortlich sein.Dieses ganze Kapitel 13 tönt zwar gut, aber dem gegenüber steht im Artikel 1.1 der Punkt 2e, in dem Folgendes steht: Ein Ziel dieses Abkommens ist «das Leben oder die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen zu schützen, wobei der Handel gefördert und gewährleistet wird, dass die gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen der Vertragsparteien keine unnötigen Handelshemmnisse schaffen.» Übersetzt heisst das für mich: Handel geht vor Menschen-, Tier- und Pflanzenschutz. Und Sanktionsmassnahmen gibt es hier auch keine. Dann Kapitel 15, da geht es um institutionelle Bestimmungen. Es gibt einen gemeinsamen Ausschuss aus Vertretern aller Vertragsparteien, der trifft sich einmal pro Jahr. Und die wichtigste Aufgabe ist, Beschlüsse über mögliche Änderungen der Anhänge des Abkommens zu fassen. Dieser Ausschuss soll auch prüfen, ob das Abkommen angepasst werden soll an mögliche Weiterentwicklungen im Verhältnis EU-United Kingdom. An drei weiteren Unterausschüssen nimmt Liechtenstein nicht teil. Die Beschlussfassung in allen Gremien beruht auf dem Konsensprinzip. In Kapitel 16 wird ein Streitbeilegungsmechanismus beschrieben. Der soll Abschreckungsfunktion haben und einen wirksamen Mechanismus zur Durchsetzung der Verpflichtungen und zur Beilegung von Streitigkeiten darstellen. Ich bin gespannt, wie er dann in der Praxis funktionieren wird. In Kapitel 17 dann die Schlussbestimmungen. Hier heisst es, das Abkommen kann in Kraft treten, sobald es United Kingdom und ein EWR-Staat ratifiziert haben. Bisher, und jetzt spreche ich von Stand Ende September 2021, hat es noch kein Staat ratifiziert. Klar, entscheidend wird die Ratifikation durch das United Kingdom selbst sein. Hier stelle ich folgende Fragen: - Ist die Regierung informiert, wann das United Kingdom dieses Abkommen ratifiziert?
- Wie weit sind Island und Norwegen bei diesem Abkommen fortgeschritten?
- Haben deren Parlamente bereits zugestimmt?
- Ist das Inkrafttreten des Abkommens aufgrund dieser Situation per 1. Januar 2022 realistisch?
Abschliessend möchte ich festhalten: Ich werde dem Abkommen zustimmen, obwohl ich gerade zum Thema Ökologie und Wirtschaft mir mehr erwartet hätte. Zudem finde ich es persönlich traurig, dass ganz Europa wegen dem Brexit nun derart viel Arbeit hat. Solche nationalen Alleingänge führen unter anderem auch dazu, dass die Aufwendungen in der Verwaltung und damit die Personalaufwendungen zunehmen. Besten Dank. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Manfred Kaufmann
Besten Dank für das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete. Einleitend möchte ich mich bei der Aussenministerin, Dominique Hasler, sowie bei der Verhandlungsdelegation für das vorliegende Abkommen, bei der Liechtensteinischen Mission in Genf und beim Amt für Auswärtige Angelegenheiten recht herzlich bedanken.Obwohl die Verhandlungen aufgrund der Coronapandemie ausschliesslich virtuell geführt wurden, konnte das Abkommen in lediglich neun Monaten abgeschlossen werden. Das Abkommen mit UK ist das umfassendste Freihandelsabkommen, welches Liechtenstein bisher abgeschlossen hat. Das EWR-Abkommen kann dadurch jedoch nicht ersetzt werden. Am 8. Juli 2021, also ziemlich genau fünf Jahre nach der Volksabstimmung im Vereinigten Königreich über den Austritt aus der EU, welcher uns allen als Brexit bekannt ist, wurde das vorliegende Freihandelsabkommen zwischen Island, Liechtenstein, Norwegen und dem Vereinigten Königreich durch die Aussenministerin Dominique Hasler unterzeichnet. Das Abkommen verhindert eine Diskriminierung liechtensteinischer Unternehmen gegenüber Unternehmen aus der EU und bietet ihnen einen bevorzugten Marktzugang gegenüber Ländern, die kein Freihandelsabkommen mit UK haben. Mit der Zustimmung im Landtag kann sichergestellt werden, dass die liechtensteinischen Wirtschaftsakteure wie geplant ab dem 1. Januar 2022 vom Abkommen profitieren können.Das Abkommen verhindert auch nicht das zukünftige Ansiedeln von UK-Unternehmen in Liechtenstein. Dies ist weiterhin möglich, weil das Unternehmen dann den nationalen Gesetzesbestimmungen unterworfen ist. Diese UK-Unternehmen werden folglich wie Unternehmen anderer Drittstaaten behandelt. Inhaltlich ist das Abkommen gleichwertig mit dem Abkommen zwischen der EU und UK. Auch die EU hat mit UK ein reines Freihandelsabkommen abgeschlossen. Eine engere Integration mit der EU, wie eine weitere Teilnahme am Binnenmarkt oder eine Zollunion, wurde von britischer Seite ausgeschlossen. Damit wird das Vereinigte Königreich wie ein Drittstaat behandelt. Der Warenverkehr wird weiterhin ausschliesslich über das Zusatzabkommen zum Handelsabkommen zwischen der Schweiz und UK, das bereits am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, geregelt. Das wird auch im vorliegenden Abkommen entsprechend berücksichtigt. Was wir uns bei der Abstimmung zu diesem Abkommen bewusst sein müssen, ist, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder eine Zustimmung oder eine Ablehnung und damit kein Abkommen - was für die liechtensteinischen Unternehmen fatal wäre. Ich werde dem Freihandelsabkommen meine Zustimmung erteilen. Besten Dank. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Patrick Risch
Besten Dank für das Wort. Mein Kollege, der Abg. Georg Kaufmann, hat auch schon meine wichtigste Frage gestellt betreffend Art. 1 Abs. 2 Bst. e. Dort werden ja quasi die wirtschaftlichen Beziehungen über die pflanzenschutzrechtlichen und gesundheitspolizeilichen Massnahmen der Vertragsparteien gestellt. Ich würde gerne Klarheit haben: Angenommen die Briten möchten ein Produkt auf den Markt bringen, welches gegen unsere pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen oder umweltschutzrechtlichen oder gesundheitspolizeilichen Massnahmen verstösst oder gegen sonst irgendwelche Rechte, die bei uns Mensch und Arbeit schützen - also die Arbeitnehmenden: Hätten wir dann eine Chance, dieses Produkt, diese Dienstleistung abzulehnen, weil sie gegen unsere Gesetzgebung verstösst?Und dann komme ich gleich zum Schiedsgericht, ganz am Schluss: Wie ist das zu verstehen? Werden dann Schiedsrichter bestellt von beiden Parteien? Wenn die dann gegen Liechtenstein entscheiden und gegen unsere Gesetzgebung, hätten wir, das Volk, dann eine Chance, gerichtlich vorzugehen oder würde das schlussendlich einfach heissen: Das Abkommen ist dann ausser Kraft gesetzt? Wie läuft das praktisch ab? Wegen der Dringlichkeit noch: Es ist doch ein enormer Papierberg, der auf uns zugekommen ist - knappe vier Wochen vor der Landtagssitzung, mit der Jubiläumssitzung dazwischen. Und jetzt die Dringlichkeit auf den 1. Januar finde ich schon ein sehr sportliches Timing. Ich habe der Frau Regierungsrätin schon geschrieben, ich hatte keine Zeit mehr, um alle Seite zu lesen und schon gar nicht zu verstehen. Deswegen ist ein gewissen Unbehagen bei mir da, so einem Abkommen jetzt quasi blind zuzustimmen, weil fast keine Chance da war, mit Wirtschaftsvertretern in dieser Zeit zu sprechen und es auch kritisch zu hinterfragen. Besten Dank. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Manfred Kaufmann
Besten Dank für das Wort, Herr Präsident. Ich möchte noch erwähnen: Es wurde ja das Angebot gemacht, dass wir mit den Vertretern vom Amt für Auswärtige Angelegenheiten sprechen können und Fragen stellen können. Wir, von der VU-Fraktion, haben dieses Angebot genutzt und die Fragen konnten uns kompetent beantwortet werden. Dies einfach noch als Hinweis vielleicht für die Zukunft. Ich denke, dieses Angebot wurde Ihnen auch gemacht. Besten Dank. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Abg. Patrick Risch
Besten Dank. Besten Dank für die Ausführungen, Herr Abg. Kaufmann. Klar, ja, aber wenn ich ein Auto kaufe, über dessen Qualität ich mir nicht sicher bin, dann frage ich nicht den Verkäufer, sondern den Vorbesitzer allenfalls - oder jemanden, der kritisch dem Auto gegenübersteht. In diesem Fall jemanden, der vielleicht in den Vertrag eine kritische Sichtweise einbringen möchte. Danke. Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank.Regierungsrätin Dominique Hasler
Herr Präsident, geschätzte Frauen und Herren Landtagsabgeordnete. Mit der Behandlung des Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Liechtenstein kann der insgesamt mehr als fünf Jahre andauernde Brexit-Prozess nun endlich erfolgreich abgeschlossen werden. Begonnen hat dieser Prozess mit dem Referendum am 23. Juni 2016. Der erste Austritt eines EU-Mitglieds stellte nicht nur die EU selbst, sondern auch die EWR/EFTA-Staaten und somit auch unser Land Liechtenstein vor grosse Herausforderungen. Es waren nicht nur rechtlich völlig neue Fragen zu beantworten, der Prozess erforderte mit seinen immer neuen Wendungen auch sehr viel Flexibilität, Pragmatismus und Einsatz. Er stellte gerade Liechtenstein, das über deutlich weniger Ressourcen als UK, Norwegen und Island verfügt, vor eine besondere Herausforderung. In der ersten Phase dieses Prozesses galt es sicherzustellen, dass unsere Staatsangehörigen, die schon vor dem EU-Austritt in UK gelebt haben, ihre Rechte im gleichen Umfang behalten wie EU-Bürgerinnen und -Bürger. Das wird durch das Austrittsabkommen vollumfänglich gewährleistet. Der Warenverkehr wird, wie es der Abg. Georg Kaufmann bereits ausgeführt hat, bereits seit dem 1. Januar 2021 über das Zusatzabkommen zum Handelsabkommen zwischen der Schweiz und UK nahtlos weitergeführt. Mit diesem hier vorliegenden Freihandelsabkommen konnten wir aber nun erreichen, dass unsere Unternehmen auch in weiteren Handelsbeziehungen mit UK keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen aus der EU haben. Die Verhandlungen wurden von der Mission in Genf und dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten in enger Abstimmung mit weiteren Amtsstellen und regelmässigem Austausch mit betroffenen Verbänden geführt. Trotz erschwerten Bedingungen aufgrund der Coronapandemie - das ganze Abkommen wurde ausschliesslich virtuell verhandelt - konnte die Verhandlung dennoch in einem Rekordtempo abgeschlossen werden. Freihandelsverhandlungen dauern in der Regel mehrere Jahre, das Abkommen mit UK wurde in zehn Monaten verhandelt. Gleichzeitig handelt es sich, wie auch die vorhergehenden Voten bereits erwähnt haben, um das weitreichendste und komplexeste Freihandelsabkommen, das Liechtenstein bisher abgeschlossen hat. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dieses Abkommen Dienstleistungen und Investitionstätigkeiten, welche einen wesentlichen Bestandteil unserer Handelsbeziehungen mit UK ausmachen, sichert. Das Abkommen bietet eine hervorragende Grundlage, um unsere engen Beziehungen zu UK fortzusetzen und auch weiter auszubauen. Ich möchte nun auf die Fragen des Abg. Georg Kaufmann und des Abg. Patrick Risch eingehen. Ich beginne mit der Frage, wie man die Konsequenzen beschreiben kann in der praktischen Umsetzung in Bezug auf Dienstleistungen und Investitionen auf der Basis dieses neuen Abkommens. Es kann festgehalten werden, dass niedergelassene Personen zur Dienstleistungserbringung in UK sich nicht auf das Abkommen berufen müssen. Ihnen steht aber der Zugang zum britischen Arbeitsmarkt über das punktebasierte Einwanderungssystem offen. Auch das Abkommen EU-UK ist im Dienstleistungsbereich auf Staatsangehörige beschränkt. Die Bestimmungen betreffend Investitionen können von diesen Personen genutzt werden, wenn sie Investitionen über eine juristische Person in Liechtenstein tätigen.Dann hat der Abg. Georg Kaufmann das wichtige Thema - und hier spreche ich auch in meiner Rolle als Bildungsministerin - der Anerkennung von Berufsqualifikationen ausgeführt. Die Beschränkungen auf Abschlüsse aus Norwegen, Island, Liechtenstein und UK bedeutet nicht, dass Abschlüsse aus Drittstaaten, welche Personen aus Liechtenstein für die Erbringung einer Dienstleistung in UK unter dem Abkommen vorlegen, nicht anerkannt werden können. Nur ist die diesbezügliche Ausgangslage dieselbe wie ohne ein Abkommen. Das ist so und das haben Sie auch so ausgeführt. Für die Anerkennung der liechtensteinischen Fähigkeitszeugnisse schaffen die Bestimmungen im Abkommen hingegen einen klaren Rechtsrahmen. Ein solcher fehlt im Abkommen zwischen UK und der EU. Dieses bietet in Bezug auf die Anerkennung von Berufsqualifikationen aus den EU-Staaten keine Grundlage für eine Präferenzbehandlung. Liechtensteinische Staatsangehörige mit Abschlüssen aus Drittstaaten sind also gegenüber EU-Bürger/-innen nicht benachteiligt. Mit der Schweiz ist UK in Gesprächen über mögliche Verhandlungen zu einem Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen. Aus diesem Grund war UK auch nicht bereit, durch eine indirekte Anerkennung von Schweizer Abschlüssen, das heisst durch die Anerkennung der liechtensteinischen Anerkennung solcher Abschlüsse, vorzugreifen. Den künftigen Verhandlungen mit der Schweiz wäre damit vorgegriffen worden. Ein solches Abkommen wird voraussichtlich auch für Personen aus Liechtenstein mit Schweizer Berufsqualifikationen die Ausgangslage verbessern. Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und UK haben noch nicht begonnen. Wir haben aber beim Besuch des britischen Handelsministers erneut auf die Problematik hingewiesen. Wir haben das in mehreren Gesprächen auch vorweg immer wieder platziert und unser Anliegen deponiert. Das Vereinte Königreich ist über unser Anliegen also weitumfassend informiert. Auch, dass wir an einer Lösung zusammen mit der Schweiz, wo wir integriert werden können, höchstes Interesse haben.Dann haben Sie Fragen gestellt zum ganzen Bereich der Nachhaltigkeit in diesem Abkommen. Hierzu möchte ich Folgendes festhalten: Die gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen, auf die sich diese Bestimmungen, die Sie genannt haben, Herr Abg. Georg Kaufmann, in Art. 1 Abs. 2 Bst. e beziehen, werden im Kapitel über den Warenverkehr geregelt. Dieses Kapitel ist auf Liechtenstein aber nicht anwendbar. Im Verhältnis zu UK gilt für Liechtenstein in diesem Bereich das Handelsabkommen zwischen der Schweiz und UK. Das Handelsabkommen für die Regelung zu den gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen, die auch schon vor dem Brexit galten, gelten weiter - das ist wichtig. Art. 13.4 im Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung hält in diesem Zusammenhang fest, dass die Vertragsparteien den Handel nicht durch eine Lockerung oder Herabsetzung des Schutzniveaus fördern, das durch ihr jeweiliges Umweltschutzgesetz gewährleistet ist. In Bezug auf die öffentliche Gesundheit verweist der fünfte Absatz in der Präambel auf das gemeinsame Ziel der Vertragsparteien, den Schutz der Gesundheit auf hohem Niveau zu gewährleisten. In Kapitel 14 werden die Ausnahmen zu den Bestimmungen des Abkommens definiert. Art. 14.1 Abs. 3 Bst. a stellt klar, dass Umweltschutzmassnahmen, die für den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen erforderlich sind, zu den Massnahmen gehören, auf die das Abkommen nicht anwendbar ist. Dann haben Sie eine weitere Frage gestellt betreffend das Schiedsgericht und die Handhabung der damit verbundenen Prozesse. Hier ist es wichtig, um Missverständnisse zu vermeiden, darauf hinzuweisen, dass das Abkommen keine Bestimmungen über den Investitionsschutz oder eine damit verbundene Streitschlichtung zwischen Investoren und dem betreffenden Staat in der Form eines Schiedsgerichtes enthält. In Kapitel 16 über die Streitbeteiligung zwischen den Vertragsparteien im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung des Abkommens, ist die Möglichkeit vorgesehen, ein Streitschlichtungspanel einzusetzen, wenn alle vorgelagerten Schlichtungsmechanismen in der Form von Konsultationen oder Vermittlungsdiensten, Mediationen, nicht erfolgreich waren. Die Verhandlungen des Panels sind grundsätzlich öffentlich, sofern beide Streitparteien nichts anderes vereinbaren oder das Streitschlichtungspanel beschliesst, die Verhandlung während der Erörterung vertraulicher Informationen nicht öffentlich abzuhalten. Falls das Panel die Nichtbeachtung von Abkommensbestimmungen durch die eine Vertragspartei feststellt, dann kann es der anderen Vertragspartei erlauben, bestimmte Konzessionen, die sie der ersten Vertrags-partei unter dem Abkommen zugestanden hat, auszusetzen. Die Aussetzung dieser Zugeständnisse gilt so lange, bis die erste Vertragspartei die Massnahme, die das Panel als mit dem Abkommen unvereinbar erachtet, aufgehoben hat oder die beiden Vertragsparteien die Streitfrage anders gelöst haben. Die EFTA verfügt aktuell über 29 Freihandelsabkommen mit 40 Ländern und Territorien. Bisher ist es unter all diesen Abkommen noch nie zu einem Schiedsverfahren gekommen. Dann möchte ich zum Schluss noch auf die Frage des Abg. Georg Kaufmann eingehen, wie es sich verhält mit den Schlussbestimmungen und der damit verbundenen Inkraftsetzung dieses Abkommens. Ich kann Sie informieren, dass Norwegen das Abkommen in der Zwischenzeit ratifiziert hat. UK ist ab dem 1. Dezember 2021 bereit für die teilweise vorläufige Anwendung und in Island muss nach den Wahlen im September die Bildung der Regierung abgewartet werden. Das Abkommen soll aber gemäss heutigem Informationsstand im Dezember oder Januar vom Parlament behandelt werden. Zwischen UK und Liechtenstein kann das Abkommen mit Ausnahme der Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen und natürlich unter Vorbehalt der Zustimmung von Ihnen, des Hohen Landtages, und dem Ablauf der Referendumsfrist ab 1. Januar 2022 angewendet werden. Dann möchte ich zum Schluss noch auf das Votum des Abg. Patrick Risch betreffend das umfassende Freihandelsabkommen und die damit verbundene Vorbereitungszeit eingehen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen unter Hochdruck daran gearbeitet haben, dass wir Ihnen dieses Handelsabkommen heute, im November-Landtag, vorlegen können. Da ist Tag und Nacht daran gearbeitet worden, weil es uns wichtig war, dass wir die Inkraftsetzung per 1. Januar gewährleisten können. Das ist für unsere Wirtschaft wichtig, es ist auch für einen guten, strukturierten Übergang wichtig und wir haben bei all den Erarbeitungen die Frist eingehalten. Es ist uns bewusst, dass es ein komplexes Abkommen ist, und haben deshalb unter Einhaltung dieser Frist, als wir das Abkommen eingereicht haben, aufgrund der Tatsache eben dieser Komplexität auch angeboten, dass wir jederzeit zur Verfügung stehen für Fragen und weitere Ausführungen. Sie haben dann gesagt, Sie möchten das nicht von denen, die das Auto eh bewerben, vorgeführt haben. Ich glaube, dass man hier sagen darf, dass wir auch im Bericht und Antrag ganz klar sagen, welches die kritischen Punkte dieses Handelsabkommens sind. Das ist niemals mehr die gleich gute Voraussetzung wie es vorher war. Das kann man mit einem Freihandelsabkommen gar nicht erreichen. Ich glaube, das zeigt auch den hohen Wert unseres freien Marktzuganges im Rahmen des EWR - einmal mehr. Wir sagen sehr wohl, wo wir nicht erreicht haben, was wir wollten. Aber ich glaube, wir sagen auch, dass wir im Konglomerat, zusammen mit Norwegen, Island und UK, in einem Verhandlungsverbund das bestmögliche Ergebnis erreicht haben. Und ich kann Ihnen auch versichern: Wir haben uns für dieses bestmögliche Ergebnis mit sehr viel Energie und auch mit sehr vielen kritischen und insistierenden Meinungen eingesetzt. Ich hoffe sehr, dass wir unsere Beziehungen zu UK auf der Basis dieses Freihandelsabkommens jetzt in eine neue Zukunft führen können.Landtagspräsident Albert Frick
Vielen Dank. Wir wenden uns dem Antrag der Regierung zu. Der Antrag lautet: «der Hohe Landtag wolle ... dem Freihandelsabkommen zwischen Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland die Zustimmung erteilen.» Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, möge bitte die Stimme abgeben. Abstimmung: Zustimmung mit 25 Stimmen
Landtagspräsident Albert Frick
Dem Antrag wurde mit 25 Stimmen einhellig zugestimmt und wir haben Traktandum 22 erledigt. -ooOoo-