BERICHT DER VERFASSUNGSKOMMISSION III SOWIE STELLUNGNAHME DER REGIERUNG ZU DEN ANLÄSSLICH DER 1. LESUNG DER REGIERUNGSVORLAGE BETREFFEND DIE ABÄNDERUNG DER VERFASSUNG AUFGEWORFENEN FRAGEN (NR. 135/2002) - STELLUNGNAHME DER KOMMISSIONSMITGLIEDER (KOMMISSIONSMINDERHEIT: INGRID HASSLER-GERNER UND PETER WOLFF) ZUM BERICHT DER VERFASSUNGSKOMMISSION III [FORTSETZUNG]
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Meine Damen und Herren Abgeordnete. Wir setzen unsere Beratungen fort. Wir befinden uns immer noch immer bei Traktandum 2: Zu Wort gemeldet hat sich der Abg. Wendelin Lampert.
Abg. Wendelin Lampert:
Danke, Herr Präsident. Ich möchte mich zum Votum des Landtagsvizepräsidenten Wolff äussern: Ich möchte mich natürlich entschuldigen, dass ich es gewagt habe, hier als einfacher Bürger in Europa solchen hoch spezialisierten Gremien meine persönliche Meinung entgegenzubringen. Doch das erlaube ich mir als gewählter Abgeordneter von diesem Staat. Das müssen Sie mir verzeihen. Ich möchte einfach noch zwei Anmerkungen machen, wiederum zu der schönen belgischen Verfassung, zum Beispiel apropos Abtreibungsgesetz: Wenn wir natürlich solche Klimmzüge machen könnten im Lande Liechtenstein, dann ist es kein Problem, dann können wir auch das Sanktionsrecht unseres Landesfürsten ohne Probleme umschiffen. Da muss ich ehrlich gesagt zugestehen: So kann man natürlich alles auf eine positive Seite bringen.Das Zweite, der Landtagsvizepräsident hat mich einfach nicht überzeugt. Und ich muss ihm halt einfach schon die Frage stellen: Wieso wurde der König von Belgien für drei Tage als regierungsunfähig erklärt, wenn es so wäre, wie er sagt, es sei so, sprich, es würde auch ohne diese Unfähigkeitserklärung gehen? Es tut mir leid, aber ich kann weder hier der Kommission folgen noch dem Landtagsvizepräsidenten. Und ich stelle ernsthaft diese Frage an den Landtagsvizepräsidenten: Wäre es möglich, in Belgien ein Gesetz in Kraft zu setzen, ohne die Sanktion und ohne die Verkündigung durch den König?
Abg. Adrian Hasler:
Vielen Dank. Ich möchte nochmals auf das Votum eingehen des Abg. Paul Vogt: Ich habe keine Probleme damit, wenn die Venedig-Kommission unsere heutige Verfassung prüft und zu einem kritischen Urteil kommt, oder wenn sie den Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses prüft und zu einem kritischen Urteil kommt. Das ist für mich nicht der Punkt. Für mich ist der zentrale Punkt derjenige, dass hier in der Zusammenfassung vorne die Veränderungen aufgeführt werden, dass es sich quasi um die Befugnisse des Fürsten handelt, die beträchtlich gestärkt werden, und dann im Konjunktiv gewisse neue Befugnisse quasi aufgeführt werden, die bereits heute in unserem Verfassungsrecht vorgesehen sind. Mir geht es genau um diesen Punkt. Also, wenn ich schon von einer Basis ausgehe, dann erwarte ich auch, dass diese Basis eben korrekt überprüft wird. Und ich muss hier aufgrund dieser Ausführungen auch annehmen, dass die Venedig-Kommission unsere geltende Verfassung eben in diesen Punkten nicht kennt. Das ist meine Schlussfolgerung. Und ich hätte doch gerne von Ihnen jetzt eine konkrete Antwort resp. auch vom Herrn Abg. Peter Sprenger, ob nun das Sanktionsrecht bei Gesetzen- und Verfassungsänderungen bei uns heute schon vorgesehen ist oder nicht, und ob der Fürst ein Notverordnungsrecht hat oder nicht. Wenn Sie das bejahen, dann müssen Sie selbst zugeben, dass dann hier eben qualitative Mängel vorhanden sind.
Abg. Jürgen Zech:
Herr Abg. Peter Sprenger. Sie haben in Ihrem Votum zu diesem Thema «Bericht Venedig-Kommission» erwähnt, dass Sie verstehen können, ich zitiere: «dass Sie Mühe haben, dass dieser Bericht der Kommission jetzt herausgekommen ist». Und mit «Sie», das interpretiere ich so, meinen Sie uns, meinen Sie mich als Befürworter der Fürsteninitiative. Ich meine, genau das Gegenteil ist der Fall. Meinem Gefühl nach kommt dieser Bericht genau zur richtigen Zeit. Ich denke, er wird vielen Leuten in diesem Lande die Augen öffnen, wenn sie Details kennen, die zu diesem Bericht geführt haben, wenn sie genau wissen, wie das Vorgehen war, das eben zu diesem Bericht geführt hat. Zu Ihrem Votum, Herr Abg. Vogt, zum selben Thema: Ich frage mich, wie Sie zu diesen Details kommen. Woher wissen Sie diese Details? Woher haben Sie dieses Insiderwissen, wie in dieser Venedig-Kommission Entscheidungen gefällt werden, wie es zu diesen Entscheidungen kommt? Und dann haben Sie noch erwähnt, dass die Venedig-Kommission in Europa die Rechtsgleichheit anstrebt. Diesen Gedanken von Ihnen kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie für sich die Meinung in Anspruch nehmen, dass Liechtenstein dieser Rechtsgleichheit in Europa angehören soll oder - ich möchte sagen - angehören kann. Es gibt kein vergleichbar kleines Land wie Liechtenstein, das eine ähnliche gelebte Verfassung hat, wie Liechtenstein. Ich gehe mit Ihnen in dieser Hinsicht überhaupt nicht konform, dass wir uns dieser Rechtsgleichheit unter allen Umständen anpassen sollen.
Abg. Peter Sprenger:
Ich wollte eigentlich nichts mehr sagen. Aber wenn ich so direkt angesprochen bin, komme ich noch mal zurück. Auf jedes Detail einzugehen macht meines Erachtens keinen Sinn. Aber ganz offen gesprochen, ich würde mich weniger an Konjunktiven und andern Haaren in der Suppe stören, sondern würde die zentrale Schlussfolgerung dieses Berichtes, und dieses Gutachten stammt in Gottesnamen nicht von irgendeinem Stammtisch- oder «Dampfplauderi»-runde, sondern von einer ernst zu nehmenden Expertengruppe. Die zentrale Schlussfolgerung, ich zitiere aus der verdankenswerterweise uns gelieferten deutschen Übersetzung in der Ziff. 41: «Ein solcher Rückschritt könnte zur Isolation Liechtensteins innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft führen und könnte die liechtensteinische Mitgliedschaft im Europarat problematisch machen». Ich würde dies nicht auf eine allzu leichte Schulter nehmen. Und wenn wir schon bei den Formalien sind, und das waren einige meiner Vorredner, möchte ich einfach auch dagegenhalten, ich kenne die Details, wie es dazu gekommen ist, nicht. Aber etwas habe ich in den Zeitungen gelesen. Offenbar lag eine Einladung an unsere Regierung vor. Und auch, wenn es sehr kurzfristig war, die zeitliche Problematik ist uns allen bekannt, hätte ich es doch als angezeigt erachtet, dieser Einladung Folge zu leisten, um eben heute nicht dann herzukommen und zu sagen: «Ja, man hat uns nicht angehört». Wenn einem die Gelegenheit auch kurzfristig geboten wird, ist es eigentlich ein Gebot der Fairness und des Anstandes, dass man auch hingeht.
Abg. Paul Vogt:
Ich wurde direkt angesprochen, deshalb repliziere ich, zunächst zur Frage des Abg. Zech, wie ich zu meinen Informationen komme: Die Antwort ist sehr einfach, ich habe mich informiert, ich habe nachgefragt. Das kann jeder Abgeordnete hier in diesem Haus ebenfalls und Sie werden die Antworten bekommen. Es ist egal, ob Sie bei Dr. Gerhard Batliner nachfragen oder bei andern, Sie bekommen die Information. Und die Regierung hat diese Information auch.Dann zur Frage des Abg. Adrian Hasler, der hier immer wieder fragt, wie es denn mit unserer heutigen Verfassung steht: Die Venedig-Kommission hat klar eine andere philosophische Grundlage. Die Venedig-Kommission stellt fest, wir haben in Europa eine Entwicklung hin zur Demokratie, hin zum Rechtsstaat. Wir haben eine gemeinsame Werteordnung aufgebaut. Die wollen wir weiterentwickeln. Europa entwickelt sich immer mehr in Richtung einer Wertegemeinschaft. Es ist die Rede vom gemeinsamen Erbe der konstitutionellen Monarchien. Diese konstitutionellen Monarchien sind aber nicht mehr Monarchien, wie sie im 19. Jahrhundert existierten, sondern die Monarchen haben kein persönliches Ermessen mehr. Sie können nicht aufgrund dessen intervenieren, was sie persönlich für gut oder schlecht halten, sondern sie müssen ihre Interventionen sachlich begründen. Es geht nicht um eine persönliche Haltung. Es heisst auch, diese Wertegemeinschaft, dass man jeden politischen Entscheid letztlich auf den Willen des Volkes zurückführen können muss. Und da ein Wort an den Abg. Helmut Konrad. Man kann nicht die direkte Demokratie und die repräsentative Demokratie gegeneinander ausspielen. Repräsentative Demokratie und direkte Demokratie sind gleichwertig. Das ist eine wichtige Aussage, die sich in allen wichtigen Dokumenten der OSZE oder des Europarats oder auch der Europäischen Union durchgesetzt hat. Vorherrschaft des Rechts oder Rechtsstaatlichkeit bedeutet auch, dass jeder Akt des Monarchen der Gegenzeichnung bedarf. Und dieses Prinzip ist in der liechtensteinischen Verfassung nicht konsequent verwirklicht. Ich weiss nicht, ob diese Ausführungen genügen. Es ist alles ein bisschen aus dem Stegreif gekommen, aber ich hoffe, dass ich einige wichtige Punkte aufzeigen konnte.
Abg. Adrian Hasler:
Vielen Dank für die Ausführungen, Herr Abg. Vogt. Für mich ist schon klar, was Sie damit ausdrücken wollen. Es geht in eine Weiterentwicklung der bestehenden Verfassung. Das ist aber ein ganz anderes Thema. Ich habe einfach Mühe damit, wenn hier ein Vergleich gemacht wird zwischen der bestehenden Verfassung von 1921 und dem Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses und dann solche Aussagen auftauchen. Und es hat eben auch mit der Schlussfolgerung zu tun, die der Abg. Peter Sprenger eben erwähnt hat. Denn wenn diese Verschlechterungen eben nicht in dem Masse vorhanden sind, weil eben die Basis der bestehenden Verfassung nicht exakt geprüft wurde, dann würde das für mich ja konkret bedeuten, dass die 21-er Verfassung schlussendlich ein Auslaufmodell ist. Und dann muss man aber auch zu diesem Punkt stehen.
Abg. Paul Vogt:
Ich denke, es kommt auch aus dem Bericht der Venedig-Kommission klar hervor, dass man die Verfassung von 1921 nicht als Auslaufmodell bezeichnen muss, sondern die Verfassung von 1921 ist offen für unterschiedliche Entwicklungen, für Interpretationen. Man kann die Verfassung von 1921 sehr wohl zeitgemäss interpretieren. Diese Formulierungen sind offen. Sie lassen es zu, dass man das Ganze aus einer demokratischen Perspektive anschaut. Aber selbstverständlich haben Sie Recht, wenn Sie sagen, man hat die Verfassungspraxis in anderen europäischen Monarchien verglichen mit dem, was der Gehalt der Vorschläge des Fürsten ist. Und dann stellt die Venedig-Kommission einfach fest, diese Verfassungsvorschläge des Fürsten, die zielen zu wenig weit. Der Landtagspräsident Klaus Wanger hat immer wieder, nicht am heutigen Tag, aber bei andern Gelegenheiten argumentiert: «Ja, sehen Sie doch bitte, dass es eine Fortentwicklung ist vom Stand 1921». Das mag rein formal gesehen durchaus zutreffen, bei einzelnen Bestimmungen, nicht bei allen, aber bei einzelnen Bestimmungen mag das zutreffen. Aber wenn man heutzutage über die Modernisierung, über die Anpassung, die Weiterentwicklung einer Verfassung diskutiert, dann muss man sich eben an den Standards des Europarats messen lassen.
Abg. Jürgen Zech:
Herr Abg. Vogt. Ich komme noch einmal zurück auf meine Ausführungen. Ich habe keine direkte Frage an Sie gestellt betreffend die Rechtsgleichheit. Sie haben ausgeführt, dass die Venedig-Kommission die Rechtsgleichheit in Europa anstrebt. Nun, die konkrete Frage an Sie: Gehen Sie mit dieser Einschätzung, mit diesem Ziel der Venedig-Kommission einig? Sind Sie auch dafür, dass in Europa diese Rechtsgleichheit hergestellt wird?
Abg. Paul Vogt:
Ich denke, dass der Begriff «Rechtsgleichheit» falsch ist in diesem Zusammenhang. Die Rechtsgleichheit im Sinne des Staatsrechts, die ist bei uns, wenn man einmal von der hervorragenden Stellung des Monarchen absieht, verwirklicht. Es geht um eine andere philosophische Grundlage. Es geht darum, dass man ein gemeinsames europäisches Erbe hat und das ist etwas anderes in meinen Augen.
Regierungsrat Ernst Walch:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Ich hatte eigentlich angenommen, dass diese Thematik Venedig-Kommission unter dem nächsten Punkt diskutiert wird, weil sie dahin gehört. Offensichtlich wird jetzt darüber diskutiert. Deswegen erlaube ich mir, ein paar Punkte dazu zu sagen, weil sie ja direkt auch das Äussere betreffen: Zunächst wurde im Landtag immer wieder Form und Inhalt angesprochen. Ich gestatte mir zunächst ein paar Ausführungen zur Form und dann zum Inhalt. Ich versuche es, an diesen beiden Punkten aufzuhängen, die Bemerkung, die ich machen möchte: Die Regierung wurde in der Tat eingeladen, einen Repräsentanten zur Venedig-Kommission auf die Sitzung am 13. Dezember zu schicken. Dieser Antrag oder diese Mitteilung kam ein paar Tage, etwa eine Woche vor der tatsächlichen Verhandlung an die Regierung. Die zuständigen Regierungsmitglieder haben am Wochenende die entsprechende Antwort darauf zusammengezimmert, zusammengeschrieben, also 5 Tage vor der tatsächlichen Verhandlung. Dass in dieser kurzen Zeit eine inhaltlich fundierte, insbesondere umfassende Stellungnahme bzw. Vorbereitung nicht möglich war, ist offensichtlich. Das ist der Punkt eins. Der Punkt zwei zur Form ist der: Der Abg. Paul Vogt hatte einmal in der heutigen Debatte gesagt, man solle doch sagen, welche Unterlagen die Venedig-Kommission nicht hatte. Die Venedig-Kommission hatte die wesentlichen Unterlagen, aber erst nachdem die Regierung ergänzende Unterlagen mit dem Schreiben am Wochenende eine Woche vor der Sitzung geschickt hatte. Deswegen hatte die Venedig-Kommission alle Unterlagen. Tatsache ist aber, dass die drei Berichte der Berichterstatter, des dänischen, des belgischen und des holländischen schon vorher geschrieben worden waren, bevor sie die zusätzlichen Unterlagen der Regierung hatten. Und wenn man diese drei Berichte kennt, und die kennt man, und dann die Zusammenfassung, den Gesamtbericht kennt, dann weiss man, dass sich der nicht mehr geändert hat in Bezug auf die drei Stellungnahmen. Der Gesamtbericht ist lediglich eine Zusammenfassung dieser drei Stellungnahmen der genannten Personen. Weiter ist zur Form zu sagen, dass, nachdem die Regierung den Antrag gestellt hatte, offensichtlich verschiedene Aspekte in diesen Stellungnahmen nicht berücksichtigt waren und deswegen eben ersucht wurde, dass auch die Regierung eine Stellungnahme einbringen könne, das Büro der Venedig-Kommission einen vorläufigen Bericht entworfen und den der Gesamtkommission vorgelegt hat. Der vorläufige Bericht hätte ausgesagt, dass im Wesentlichen die Venedig-Kommission diese Thematik bearbeitet hat und dass gewisse Vorarbeiten stattgefunden haben, aber dass gewisse Detailarbeiten und vertiefte Abklärungen stattfinden sollen. Das war der Vorschlag des Büros der Venedig-Kommission auf den 13. Dezember, nachdem die Regierung dargelegt hat, welche Unterlagen noch beigebracht werden, dass im Detail weiter abgeklärt werden solle und dass man auch die andere Seite, nämlich die Regierung, die hier in der Verantwortung ist, hören möge. Die Venedig-Kommission hat dann ohne wesentliche Diskussion in der Sache gesagt: Nein, das tun wir nicht, wir beschliessen die Zusammenfassung des Berichtes bestehend aus diesen drei Gutachten. Das hat die Venedig-Kommission beschlossen. Und das auf den Antrag, und das ist meines Erachtens als politischer zu werten, nachdem ein Mitglied der Venedig-Kommission im Plenum gesagt hatte, es könne nicht angehen, dass man einen westlichen Staat anders behandele als einen östlichen. Jetzt habe man einen westlichen Staat und auf den müsse genauso geantwortet werden, wie auf östliche Staaten. Es war also letztlich das Argument, in meiner Würdigung ein politisches, welches zu diesem Ergebnis geführt hat. Das ist sehr schade, die Formen wurden nicht gewahrt. Es hätte selbstverständlich die Venedig-Kommission auch unter der Annahme, dass im März irgendwann diese Abstimmung über die Verfassungsinitiative stattfindet, hätte die Venedig-Kommission auch einen Sonderberichterstatter, eine zusätzliche Stellungnahme einholen können, sie hätte sich wieder treffen können. Normalerweise treffen sie sich 4, 5 mal im Jahr im Abstand mehrerer Monate, das ist richtig. Aber auch sie hätten die Möglichkeit gehabt. Jetzt ist diese Chance vergeben. Und deswegen ist es formell schon fragwürdig, dieses Vorgehen, insbesondere mit dem Ergebnis, wie es ja von verschiedenen Abgeordneten auch gewichtet wird.Jetzt zum Inhalt einige Punkte: Das Gutachten - die drei Berichterstatter hatten noch von Observationen, von Stellungnahmen gesprochen - im englischen Text heisst es heute Gutachten. Ich erkenne das als etwas Gewichtigeres als lediglich Stellungnahmen. Das Gutachten kommt zu einem Schluss, den der Abg. Peter Sprenger teilweise zitiert hat. Er hat nämlich gesagt, man solle sich der «conclusion», also der Schlussfolgerungen bewusst sein. Und er hat zitiert aus der Übersetzung, welche nicht ganz wörtlich ist, aber ich meine, eine gute Übersetzung ist: «Ein solcher Rückschritt könnte zur Isolation Liechtensteins innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft führen und könnte die liechtensteinische Mitgliedschaft im Europarat problematisch machen». Was er nicht zitiert hat, ist der allerletzte Satz dieses Gutachtens, der direkt anschliesst an das, was der Abg. Peter Sprenger zitiert hatte. Dort heisst es nämlich im Originaltext: «Even if there is no generally accepted standard of democracy, not even in Europe, both the Council of Europe and the European Union do not allow the Acquis European to be diminished». In der deutschen Übersetzung hier heisst es: «Auch wenn es keine allgemein akzeptierte Norm der Demokratie gibt, auch nicht in Europa, (wörtlich müsste es heissen «nicht einmal in Europa») erlauben weder der Europarat noch die Europäische Union, dass der Acquis European vermindert wird». Und das ist das Thema und eigentlich die Problematik an diesem Gutachten der Venedig-Kommission. Was haben diese Gutachter gemacht? Sie haben die Verfassungswirklichkeit, die ich nicht bestreite, ich kenne sie nicht, aber ich akzeptiere wie sie in diesem Gutachten beschrieben ist, auch so sein möge, die Verfassungswirklichkeit, nicht der Text, sondern die Verfassungswirklichkeit der im Gutachten genannten Verfassungen -, konstitutionelle Monarchien, nämlich Schweden, Grossbritannien, Belgien, Dänemark - ich muss sie schnell suchen - jedenfalls der nordischen Staaten und England - in diesem Gutachten jene Verfassungswirklichkeit beschrieben. Wie gesagt: Auch wenn der Text anders sein mag, akzeptierte Verfassungswirklichkeit sei das. Diese Erkenntnisse vergleicht die Venedig-Kommission mit der Initiative des Fürsten, ohne Bezug zu nehmen auf die bestehende Verfassung und die Verfassungswirklichkeit in unserem Lande. Somit wird dieses Gutachten letztlich eine ideologische Auseinandersetzung. Wenn ich ideologisch der Meinung bin, dass die Verfassungswirklichkeit in den genannten Staaten, so wie sie im Gutachten genannt sind, die richtige sei, die richtige sei, die vorherrschende sei, die europäische sei, dann komme ich natürlich zum Schluss, dass die Vorschläge des Fürsten denen nicht entsprechen und daher ein Minus seien. Wenn die Gutachter von den europäischen Verfassungen sprechen, haben sie die südländischen Monarchien nicht miteinbezogen, zumindest nicht im Gutachten und auch die liechtensteinische Verfassung ist eine europäische Verfassung, die hätte auch miteinbezogen werden müssen. Und da sind einfach Lücken. Es wurde nicht diskutiert. Und an dieser Sache hinkt das Gutachten, das so genannte Gutachten. Was noch dazukommt ist: Es wird im Gutachten behauptet, nicht bewiesen - ich kann es auch anders formulieren - einfach angenommen, dass die europäischen Standards akzeptiert seien. Die Parlamentarische Versammlung und das Ministerkomitee haben über diese Themen noch nie ausführlich diskutiert. Das kann aufgrund dieses Falles vielleicht geschehen. Aber den europäischen Standard, einen allgemeinen akzeptierten, wie die heutigen Demokratien in den nordischen Staaten sich präsentieren, dass das der europäische Standard sei, das wurde vom Europarat noch nicht festgehalten. Das mag eine Lehrmeinung sei. Das mag eine vorherrschende Meinung in bestimmten Staaten sein, aber was hier suggeriert wird, ist, dass das der Standard in ganz Europa sei. Das wurde in diesem Gutachten nicht ausgeführt und auch nicht dargelegt. Es wurde ausschliesslich behauptet.Die Diskussion also, die Festlegung des Standards ist nicht nachvollzogen. Es ist offensichtlich, dass in den verschiedenen Verträgen, die die Mitgliedstaaten einschliesslich Liechtenstein geschlossen haben, dass diese Standards nirgends definiert sind. Das gibt das Gutachten auch zu bzw. stellt es ja selbst fest im letzten Satz, in dem es sagt: «Auch wenn es keine allgemein akzeptierte Norm der Demokratie gibt, auch nicht einmal in Europa, geht man von einem Acquis aus». Aber zu dem ist kein Staat besonders verpflichtet. Es ist eine Lehrmeinung, es ist eine Rechtsmeinung. Die kann man haben. Aber das ist nicht das, woran Liechtenstein rechtlich als Mitglied gebunden ist, auch kein anderer Staat. Das wäre zuerst zu diskutieren und dann bekommt das Gutachten oder das ganze Prozedere jenes Gewicht, das es möglicherweise haben sollte. Danke.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank.
Abg. Paul Vogt:
Herr Regierungsrat Walch. Sie haben das Ganze ziemlich verkürzt wiedergegeben. Sie haben insbesondere Kapitel 3 und 4 der Stellungnahme unterschlagen, wo sich die Gutachter ausführlich mit diesen Themen beschäftigen: Gibt es einen allgemeinen Standard oder nicht? Es wird darauf hingewiesen, dass sich die EMRK hauptsächlich mit Individualrechten befasst, dass die Individualrechte nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den Fragen der Demokratie stehen, dass sich aber sehr wohl allgemeine Anforderungen und Standards daraus ableiten lassen. Natürlich ist das Ganze irgendwo im Bereich der Rechtsphilosophie, es ist soft law, aber es gibt diese allgemeinen Standards. Selbstverständlich haben wir keine einheitlichen europäischen Verfassungen, an denen kann man es nicht messen. Und ich bin froh, dass es keine einheitlichen europäischen Verfassungen gibt. Ich bin stolz darauf, dass es in Europa eine kulturelle und politische Vielfalt gibt. Aber diese allgemeinen Standards, die Sie in Abrede stellen, die haben sich sehr wohl, wenn auch in informeller Art, entwickelt. Zum formellen Aspekt, den Sie erwähnt haben: Sie haben immer noch nicht erklärt, wieso die Regierung darauf verzichtet hat, einen Teilnehmer nach Venedig zu schicken. Es wäre der Regierung sehr wohl möglich gewesen, innerhalb einer Woche zu den Entwürfen Stellung zu nehmen. Die Regierung hat sich jahrelang, die heutige Regierung zwei Jahre lang, mit der Problematik befasst. Und ich denke, es wäre der Regierung möglich gewesen, in Wochenfrist dazu ein Papier zu entwerfen. Es wäre aber insbesondere möglich gewesen, einen Teilnehmer dahin zu entsenden, der dann auch den liechtensteinischen Standpunkt resp. den Standpunkt der Regierung vertreten hätte.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich wollte zu diesem Thema eigentlich erst zu Trakt. 3 Stellung nehmen, wie auch der Herr Regierungsrat Walch, aber zu dem Traktandum scheinen wir ja kaum noch zu kommen. Und ich möchte doch, damit das nicht untergeht, und weil es hier vom Thema her dazupasst, nur ganz kurz ein paar Sätze zu diesem Bericht, zu diesem Gutachten dieser Venedig-Kommission auch im Anschluss an die Ausführung des Herrn Regierungsrates Walch sagen, so weit man das als Normaljurist liechtensteinischer Provenienz nach mehrmaligem Durchlesen dieses Schriftstückes zwischen vorgestern und heute tun kann.Ich bin auch der Meinung, dass dieser Bericht kein Beleg dafür sein kann, dass Liechtenstein, sei es durch die gegenwärtige Verfassung oder durch die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen, irgendwelche staatsvertraglichen Verpflichtungen verletzt, sich somit völkerrechtlich gesehen rechtswidrig verhalten würde. Es ist auch richtig, dass in diesem Bericht in einer teils von der Tatsachengrundlage her nicht ganz richtigen Art und Weise Kritiken angebracht werden, die genau so auch auf bereits bestehendes Verfassungsrecht und bestehende Verfassungspraxis angewandt werden könnten. Aber das wirklich Interessante und für mich Wertvolle an diesem Bericht, und was kaum von irgendjemand sonst erwähnt wird, ist doch, dass diese Gutachter, diese 42 Verfassungsrechtler dieser Kommission ganz eindeutig - und da kommt es dann auf Details und auf Schwergewichtungen nicht mehr so an, kommt auch nicht so drauf an, ob das eine oder andere Detail allenfalls unrichtig erfasst wurde - ganz klar zur Schlussfolgerung kommen, dass durchaus im Vergleich mit unserer gültigen Verfassung heute die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen ein Rückschritt für die Demokratie wären und eine Verstärkung der monarchischen Rechte, der monarchischen Stellung in unserem Land. Das ist ja an und für sich selbstverständlich, meine ich, ergibt sich aus der jetzt vorliegenden Initiative ganz klar, nur wird immer wieder behauptet in unserem Land von den verschiedensten Personen, das sei ganz und gar nicht so, im Gegenteil, der Monarch würde die Rechte abgeben und die Demokratie würde im Gegenteil gestärkt. Man muss da ein Gesamtbild haben. Und die Venedig-Kommission hat durchaus dieses Gesamtbild. Bei aller Kritik, die sie an einzelnen Bestimmungen übt, schreibt sie ja zum Schluss in ihren Schlussfolgerungen in Punkt 39, woraus sich auch ergibt, dass sie die gegenwärtige Verfassung durchaus studiert hat, dass diese schon dem Monarchen eine starke Stellung verleiht, stärker als in der Praxis anderer europäischer Monarchien, aber das müsse kein Hindernis sein usw. und die Verfassung sei daher kein Hindernis beim Beitritt Liechtensteins zum Europarat gewesen. Und dann kommen die entscheidenden Sätze in Punkt 40, nämlich dass der gegenwärtige Vorschlag des Fürstenhauses hingegen einen entscheidenden Wandel, verglichen mit der gegenwärtigen Verfassung, darstellen würde, nämlich dass er nicht nur eine Entwicklung der Verfassungspraxis in Liechtenstein in die Richtung, wie das in anderen europäischen Ländern der Fall ist, verhindern würde, sondern sogar einen schwer wiegenden Rückschritt darstellen würde. Ob man das jetzt als schwer wiegend oder als weniger schwer wiegenden Rückschritt darstellt, das sei jedem selbst überlassen. Aber eines wird man meiner Meinung nach, wenn man das nur halbwegs ernst nimmt, was diese 42 Experten hier zu Papier gebracht haben, nicht mehr sagen können, nämlich dass es falsch sei, dass die Monarchie gesamthaft betrachtet mit diesem Verfassungsänderungsvorschlag gestärkt werde, sondern dass im Gegenteil der Monarch auf Rechte nur verzichte und ausschliesslich demokratische Rechte gestärkt würden. Diese Frage scheint mir hier doch von relativ unverdächtigen, weil auch am Ausgang dieser Abstimmung und dieser Diskussion hier in keiner Weise interessierten und auch nicht von den unmittelbar betroffenen Parteien beauftragten Gutachtern klar zu sein. Bisher hat man immer gesagt: Ja, die Gutachter, die die Regierung beauftragt hat über Wunsch der früheren Verfassungskommission, ja, wer weiss, die haben natürlich nur das gesagt, was die damalige Regierung hören wollte. Andere haben gesagt: Ja, die Gutachter, die der Fürst beauftragt hat, die haben natürlich nur das gesagt, was der Fürst hören wollte. Hier erfolgte der Auftrag vom Europarat, von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates bzw. vom Büro der Parlamentarischen Versammlung. Und ich glaube nicht, dass irgendjemand ernsthaft behaupten kann, dass das Büro der Parlamentarischen Versammlung des Europarates hier Parteistellung habe in unserer Verfassungsdiskussion und daher von der Venedig-Kommission unbedingt eine gutachterliche Äusserung in einer ganz bestimmten Richtung hören habe wollen. Deshalb glaube ich, wird man diese Schlussfolgerung dieses Berichtes, diese Tendenz in diesem Gutachten, die wird man wohl oder übel nicht wegwischen können.
Abg. Paul Vogt:
Ich möchte noch kurz zwei Bemerkungen nachschieben. Die Erste: Die Verfassungspraxis von England wurde nicht untersucht. Das einfach zur Präzisierung, sondern es ging im Wesentlichen um die nordischen Staaten Holland, Belgien, Dänemark. In einem Paragraph wird auch die Verfassung von Norwegen verglichen. Die südeuropäischen monarchischen Verfassungen, also konkret Spanien, die musste nicht verglichen werden, weil das eine moderne Verfassung ist.Dann war das wichtige Argument des Vertreters von Albanien, den Sie nicht mit der Herkunft bezeichnet haben, aber es ging um den Vertreter von Albanien, der hat eben vehement damit argumentiert, dass es keine doppelten Standards in Europa geben dürfe. Wenn man die osteuropäischen Verfassungen an den europäischen Standards messe, also insbesondere an den Demokratieerfordernissen und an der Rechtsstaatlichkeit, dann müsse es auch für die alten westeuropäischen Staaten Gültigkeit haben. Man müsse diese an den gleichen Standards messen und es dürfe hier eben keine doppelten Standards geben.
Abg. Adrian Hasler:
Danke, Herr Landtagsvizepräsident. Ich nehme an, dass ich aus Ihrem Votum wirklich herauslesen kann, dass Sie meinen bisherigen Voten dann doch teilweise Recht geben, dass hier gewisse Fakten nicht richtig wiedergegeben worden sind. Sie gehen anschliessend auf die Schlussfolgerungen des Berichtes ein, der ja wiederum genau den Vergleich macht zwischen der bestehenden Verfassung und dem Verfassungsvorschlag. Und da sind wir eben genau beim Punkt, den ich vorhin schon angesprochen habe. Das ist eben genau mein Punkt: Wenn man die Schlussfolgerungen in Beziehung setzt zu den Punkten vorne in der Ziffer 4, dann kommt man doch genau zur Schlussfolgerung, dass diese Schlussfolgerungen der Venedig-Kommission so nicht korrekt sein können. Also, diesen markanten Rückschritt kann ich dann einfach nicht mehr sehen. Sonst verstehe ich hier etwas nicht ganz. Ich meine, wenn vorne Punkte aufgeführt sind und dann wird vorne eine Verschlechterung angezeigt zur heutigen Verfassung und da werden Rechte aufgeführt, die heute bereits geltendes Recht sind, da kann man doch nicht von dieser Schlussfolgerung annehmen, dass die dann wirklich so zum Tragen kommt. Ich habe da grundsätzlich also eine andere Meinung.
Abg. Markus Büchel:
Ich möchte, was der Abg. Adrian Hasler gesagt hat, ebenfalls unterstützen. Ich möchte nochmals auf das zurückkommen, was ich eingangs erwähnt habe: Die Hauptkritikpunkte und die schweren Kritiken, die hier angebracht wurden und massgebend waren, sind das Sanktionsrecht des Fürsten, Immunität des Fürsten, Notrechtsbefugnisse des Fürsten. Und die wurden sehr stark kritisiert, obwohl sich dort und genau dort eben nichts oder praktisch fast nichts geändert hat, nur Einschränkungen stattgefunden haben, wie Einschränkung des Notrechtes usw. Also kann die Basis zur Beurteilung oder zur Schlussfolgerung, die dort gezogen wurde, nicht an diesen Hauptkritikpunkten liegen. Da müssen noch andere Punkte vorhanden sein, um zu diesem Schluss zu kommen. Und darum glaube ich eben, dass die Basis, von der diese Gutachter ausgegangen sind, dass diese Basis einfach nicht die bestehende Verfassung war.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Die Venedig-Kommission, eine hochrangig mit Verfassungsexperten besetzte Kommission hat erhebliche Bedenken im Hinblick auf die demokratische Gewichtigkeit der fürstlichen Verfassungsvorschläge angemeldet. Das muss uns zu denken geben, nicht nur wegen der möglichen negativen Wirkung Europas gegenüber Liechtenstein, also ich meine, wegen möglichen weiteren aussenpolitischen Schwierigkeiten Liechtensteins, von denen wir ja nun wahrlich genug hatten. Aber ganz abgesehen davon müssen uns die Schlussfolgerungen der Venedig-Kommission doch auch nachdenklich machen, ob der vorgesehene Weg richtig ist. Und ich sehe das im Kontext von einer ganzen Reihe von Gutachten. Insgesamt sieht es doch so aus: Es gab schon in den vergangenen Jahren, in den letzten Jahren erhebliche Bedenken namhafter Gutachten, natürlich an den damaligen Vorlagen des Fürstenhauses, die sich aber in den Kernpunkten nicht wesentlich geändert haben. Namhafte Gutachter wie Prof. Rhinow, Frohwein, Breitenmoser meldeten ihre Bedenken an. Die wurden damals abgewertet mit Aussagen wie Einseitigkeit, Voreingenommenheit, von der Regierung beauftragt usw. Wir haben heute in unseren Unterlagen vorliegen erhebliche Bedenken von unseren hohen Gerichtsorganen im Land, von der VBI und vom Staatsgerichtshof. Nach Aussagen des Landtagspräsidenten beispielsweise sind auch die nicht so schwer zu werten. Wir haben Memoranden von Gutachtern wie von Alt-Regierungschef Gerard Batliner, von Andreas Klee und Herbert Wille. Auch diese Bedenken sind angeblich nicht schwer zu gewichten. Und jetzt kommen als Letztes noch die Bedenken der Venedig-Kommission - vorläufig Letztes, vielleicht kommen auch noch mehr - aber im Moment kommt jetzt noch die Venedig-Kommission dazu, hochrangige Verfassungsexperten aus den europäischen Nachbarländern. Und auch das soll relativiert werden. Aber es muss uns doch nachdenklich machen, diese Häufung von Bedenken von verschiedensten Seiten, von verschiedensten Gutachtern in den letzten 2, 3 Jahren, das muss uns stutzig machen, ob die Verfechter der fürstlichen Vorlage wirklich auf dem rechten Weg sind. Ich muss Sie einfach fragen: Halten Sie es für nahe liegend, dass sich so verschiedene Experten einfach alle irren? Danke.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Nur kurz zur Richtigstellung, Herr Präsident. Es stimmt nicht oder ist allenfalls ein Missverständnis, wenn die Abgeordneten Hasler und Büchel glauben, dass die Schlussfolgerungen dieses Gutachtens der Venedig-Kommission ausschliesslich auf unserer bestehenden Verfassung beruhen. Man lese den Abschnitt V von den Seiten 7 bis 11 vor allem. Da werden Sie sehen, dass Punkt für Punkt die wesentlichen Inhalte der Fürsteninitiative behandelt werden, teilweise auch ausdrücklich verglichen werden mit den bisher bestehenden Bestimmungen. Was dort fehlerhaft ist, auch meiner Meinung nach, ist, dass teilweise zu wenig beachtet wird, dass gewisse Teile dieser kritisierten Bestimmungen schon heute bestehen, teilweise mit anderen Wortlauten aber mit ähnlicher Bedeutung, mit ähnlicher Auswirkung. Auch die immer wieder ausgesprochene Vermutung, die Venedig-Kommission habe ja nur einen Vorschlag des Fürstenhauses aus dem Jahr 1999, das wurde nicht heute gesagt, aber an anderer Stelle in den Medien, vorliegen gehabt, stimmt nicht. Sie können das Papier, das die Venedig-Kommission begutachtet hat, vom Internet herunterladen als Dokument CDL (2002) 145 auf der Webseite der Venedig-Kommission und dort werden Sie den Text beider Initiativen finden. Also, die Leute haben durchaus die Initiative beurteilt, aber wie gesagt, teilweise nicht oder zu wenig berücksichtigt, dass Teile, das trifft aber nicht auf alles zu, sondern nur auf Teile der Beanstandungen, schon heute mit teilweise etwas anders formulierten Verfassungstexten Bestandteil unserer Verfassungswirklichkeit sind. Das ändert aber nichts daran, dass zum Beispiel die kritisierten neuen Rechte des Fürsten bei der Regierungsentlassung, alleinigen Bestellung einer Übergangsregierung durchaus vorgeschlagenes neues Recht sind. Das ändert nichts daran, dass die kritisierte ersatzlose Abschaffung des Art. 112 und damit der Interpretationskompetenz des Staatsgerichtshofes keine Kritik an der bestehenden Verfassung ist, sondern durchaus an der Initiative. Und das ändert auch nichts daran, dass die Kritik an Art. 96 der neuen vorgeschlagenen Initiative betreffend den Einfluss des Fürsten bei der Bestellung von Richtern auch nichts mit der bestehenden Verfassung zu tun hat, sondern durchaus mit der Initiative. Und das beste Beispiel ist die kurze aber treffende Anmerkung in diesem Schreiben zum Notverordnungsrecht. Die Venedig-Kommission schreibt dort, ich zitiere: «Die Regelung betreffend Notsituationen in der gegenwärtigen Verfassung, welche lautet: In dringenden Fällen wird er das nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren, ist viel zu unpräzise. In einem Text aus dem Jahre 1921 ist dies nicht erstaunlich. Wenn jedoch eine Revision der Verfassung vorgenommen wird und insbesondere hinsichtlich dieses Artikels, müssen die Bedingungen für eine Notsituation klar definiert werden». Das ist genau die Kritik, die auch hier im Landtag von verschiedenen Abgeordneten bereits vorgebracht wurde. Im Lichte solcher Ausführungen kann man doch nicht sagen: Die reden nur über die gegenwärtige Verfassung und wissen gar nicht, was in der Initiative drinsteht. Wenn man den Satz, den ich zuletzt zitiert habe, weiterliest, dann kommt ein Fehler. Weil es im Text nicht aufscheint, nämlich das Gegenzeichnungsrecht, glauben die offenbar, dass die Notverordnungen auch nach der Initiative nicht von einem Regierungsmitglied gegengezeichnet werden müssen. Das ist nach den Ausführungen des Herrn Regierungschefs und nach den Erläuterungen des Fürsten noch bei seinem Vorschlag vom 2. August diesen Jahres sehr wohl der Fall, wiewohl - auch das sei einmal erwähnt - S. D. der Landesfürst vor einiger Zeit noch selbst die Ansicht vertreten hat, das müsse nicht sein. Aber ich gehe jetzt davon aus, dass man davon vertrauensvoll ausgehen kann, dass das zukünftig unbestritten sein soll. Meiner Meinung nach ist das ein gutes Beispiel - deshalb, diese Bemerkungen zu Art. 10 der Initiative - weil zwar in diesem einen Punkt ein Fehler drinnen ist, aber die grundsätzliche Kritik an der Tendenz der neuen Vorschläge nichtsdestotrotz stimmt und deshalb stimmen halt auch die Schlussfolgerungen, die sich durchaus auf die Initiative und auf nichts anderes beziehen.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Regierungsrat Walch. Sie haben moniert, dass die Venedig-Kommission nicht vollständig dokumentiert gewesen sei. Sie haben es dann aber tunlichst unterlassen, uns ins Bild zu setzen, was an Mehrinformationen die Regierung mit ihrem Schreiben geliefert hat. Würden Sie uns da bitte schlau machen?
Abg. Jürgen Zech:
Ich möchte noch kurz auf das Votum der Abg. Laternser zurückkommen: Sie kommen jetzt wieder zum Punkt und fangen an, Gutachten mit Gutachten zu vergleichen. Zu den von Ihnen erwähnten Gutachten gibt es Gegengutachten. Ich frage mich, auf welchem Weg Sie sich konkret befinden. Ich kann von mir sagen, ich habe einen Weg gefunden, den ich mit gutem Gewissen gehen kann. Aber ich frage mich: Auf welchem Weg befinden Sie sich?
Regierungsrat Ernst Walch:
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren. Ich hatte gesagt, dass die Gutachter in Bezug auf die nordischen Verfassungen Vergleiche angestellt hätten und habe genannt Schweden und andere. Schweden ist nicht drin. Aber um das Wort von Paul Vogt aufzugreifen, es ist dezidiert drin Dänemark unter Punkt 13, Norwegen unter Punkt 14, United Kingdom, also Grossbritannien unter 15, und zwar ist das der längste Absatz, im Gegensatz zu Ihrem Glauben, Herr Abg. Paul Vogt, dass über England nichts geschrieben wurde. Es ist der längste Absatz von denen. Dann kommt noch 16 Niederlande und 17 Belgien. Wenn, halten wir uns genau daran. Der englische Text ist ja autoritativ, nicht irgendein anderer. Das zu diesem Punkt, nur um es klarzustellen.Die Ausführungen des Landtagsvizepräsidenten Wolff haben es eigentlich deutlich gemacht. Der grosse Unterschied, mit welchem wir hier zu kämpfen haben ist der, dass die Venedig-Kommission nur als Gremium dieses so genannte Gutachten abgenommen hat, jedenfalls die drei Gutachter sind von einem Standard einer Demokratie ausgegangen, die heute angenommene Verfassungswirklichkeit in den besagten Ländern ist. Das ist aber nicht ein gesamteuropäischer Standard, wie ich es vorhin schon gesagt habe, sondern betrifft diese Staaten. Insofern ist es richtig, dass ein Demokratiedefizit bestehe in der Fürsteninitiative. Das heisst aber nicht, dass die Proponenten, also die Befürworter der Fürsteninitiative nicht Recht hätten. Sie haben auch Recht, denn sie sagen, im Vergleich zur heutigen bestehenden liechtensteinischen Verfassung, nicht der von Dänemark und Norwegen und Grossbritannien und Niederlande und Belgien, sondern in Bezug auf die liechtensteinische Verfassung ist es ein demokratischer Fortschritt, insbesondere in Bezug auf direktdemokratische Rechte. Dass übrigens die Gutachter, die direktdemokratischen Rechte nicht gleich stark werten wie die repräsentativ-demokratischen, das ergibt sich auch aus dem Gutachten, allerdings nur indirekt. Verständlich, denn die kommen aus grösseren Staaten. Entweder kennen sie die liechtensteinische Verfassungswirklichkeit nicht oder sie verschweigen sie hier. Ich werde mich freuen, als Vertreter der Regierung in der Parlamentarischen Versammlung, falls ein solches Traktandum aufgenommen werden wird, diese Position zu vertreten. Wir brauchen heute nicht dieses Gutachten auseinander zu nehmen und sagen: Was ist richtig und was ist falsch? Dazu hatten wir alle nicht die Zeit. Wir kennen das nur seit zwei Tagen. Aber gerade wiederum das Beispiel von Peter Wolff über den Punkt 10 zeigt ja, wie unvollständig und wie ungenau es ist. Gerade der Punkt 10 in Bezug auf das Notverordnungsrecht zeigt übrigens, dass die Vorschläge der drei Gutachter, die hier Eingang gefunden haben, von der früheren Fassung ausgegangen sind, gar nicht die Unterlagen in Betracht gezogen haben, welche die neuesten sind. Das ist geradezu der Beweis dafür. Und das ist das Unsaubere an der Sache. Aber über die einzelnen Punkte werde ich mich freuen, diese einen nach dem andern darzulegen und teilweise zu bestätigen und teilweise auseinander zu nehmen. Der Abg. Peter Sprenger hat gesagt, ich hätte zwar angeführt, dass noch Unterlagen geschickt wurden, aber nicht welche: Das kann ich Ihnen selbstverständlich nachliefern. Das Schreiben der Regierung hat als Beilagen das Gegengutachten von Prof. Matscher und das von Günther Winkler, von welchem wir ausgegangen sind, dass das die Venedig-Kommission hat. Was sie aber nicht hatte, war der Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Abänderung der Verfassung Nr. 87/2001, der Verfassungsvorschlag selbst für das Fürstentum Liechtenstein vom 2. August 2002 und insbesondere nicht der Bericht und Antrag an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Vorprüfung der angemeldeten Volksinitiative zur Abänderung der Landesverfassung Nr. 88/2002. Diese Unterlagen haben wir beigegeben, es sind öffentliche. Und die waren zur Ergänzung unseres Erachtens, das heisst, des Erachtens der Regierung notwendig.Noch ein Wort zur Behauptung oder zur Wertung der Abg. Dorothee Laternser. Sie moniert, dass dieses ganze Verfahren und die Ergebnisse davon mögliche schwer wiegende aussenpolitische Wirkungen haben können. Das kann in der Tat so sein. Wer hat denn das Feuer angezündet? Nicht die Parlamentarische Versammlung im Europarat. Nicht der Ministerrat des Europarates. Nicht der Generalsekretär. Nicht das Büro der Parlamentarischen Versammlung, sondern Liechtensteiner. Das heisst also, wir und man hat ein Recht dazu, nutzen das Forum Europarat, um diese Frage zu klären. Aber wenn wir dann erschrecken und sagen: Ja, das hat ja möglicherweise aussenpolitische Konsequenzen, dann müssen wir mit denen auch leben. Und diese Konsequenzen, die kann es geben. Wir habe es ja schon gehört. Ich hätte es in der Tat nicht gewagt, aus einer internen Sitzung einen bestimmten Vertreter zu nennen, wie der Abg. Paul Vogt das gemacht hat, aber es sind ja in der Tat politische Überlegungen da. Und jetzt kommen wir zu des Pudels Kern dieser Sache. Und das kann man völlig emotionslos sehen. Das hat nichts zu tun mit richtig oder falsch, mit gut oder böse. Das geht lediglich darum, dass eine Ideologie, nämlich die der Gutachter - übernommen von der Gesamt-Venedig-Kommission - einer repräsentativ-monarchischen Verfassung mit dem klaren Überhang und mit der klaren Priorität der Demokratie - sei das nun repräsentativ- oder direktdemokratisch -, dieser Ideologie gibt man den Vorzug gegenüber unserer derzeit noch bestehenden Verfassungswirklichkeit, wo wir diesen Überhang direktdemokratischer oder repräsentativ-demokratischer Einrichtungen gegenüber dem Fürstenhaus nicht haben. Das heisst, es kommt also auf das heraus: Wollen wir in Liechtenstein oder müssen wir allenfalls in Liechtenstein in die Richtung gehen, die die Venedig-Kommission hier propagiert, nämlich in das Primat des demokratischen Elementes oder eine Weiterentwicklung, wie wir das heutige System haben? Das ist genau des Pudels Kern, und auf das kommt es heraus, und nichts anderes. Das ist die Thematik. Und das ist letztlich auch die Thematik in unserer Verfassungsdiskussion. Danke.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Herr Regierungsrat Walch. Sie sprechen mich direkt an im Hinblick darauf, dass liechtensteinische Bürger an den Europarat herangetreten sind wegen Bedenken im Hinblick auf die fürstliche Initiative, dass demokratische Rechte dabei geschwächt würden. Sie haben Recht, Sie sprechen mich an. Ich habe diese Initiative mitunterschrieben, weil ich diese Bedenken habe. Aber der nächste Schluss, den Sie gezogen haben, der ist ja, na also, ich weiss nicht, vielleicht sagen wir schwach. Eventuelle aussenpolitische Schwierigkeiten Liechtensteins ergeben sich doch nicht deshalb, weil besorgte Bürger anfragen, wie das aus Sicht von Europarechtlern gesehen wird, sondern die ergeben sich daraus, dass die eventuell Verfassungswirklichkeit werdende fürstliche Initiative diese Rechte schwächen könnte. Man kann doch nicht annehmen, wenn wir schweigen, wenn wir in Strassburg nichts davon erzählen, erfährt keiner was. Also, so geht es ja nicht. Die Schwierigkeiten bekommen wir dann, wenn diese Verfassung bei uns Wirklichkeit wird und dann eventuell aus Sicht der Demokraten bedenklich ist. Dann kommen die Schwierigkeiten, nicht deshalb, weil man dort gefragt hat.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Das ist wirklich in gewisser Weise des Pudels Kern, Herr Regierungsrat. Ihre Definition betreffend dieses Gutachten der Venedig-Kommission hat insofern etwas für sich, wenn sie mir auch etwas überspitzt erscheint, als es gut möglich ist, dass diese Gutachter zumindest, ich würde einmal sagen, im Unterbewusstsein ihre eigenen Vorstellungen und die vorherrschenden Vorstellungen in ihren Heimatländern über den Charakter einer monarchischen Staatsform hier stark haben einfliessen lassen bei der Beurteilung, die sie hier vorgenommen haben. Das ist der eine Teil, den kann man durchaus vertreten. Aber der Halbsatz, den Sie am Schluss angehängt haben, dass das auch das Thema unserer Verfassungsdiskussion sei, nämlich ob man eine - sinngemäss ist es darauf herausgekommen - ob man eine repräsentative Monarchie will, wie sie dort üblich ist oder ob man unsere Art von Monarchie will, das ist natürlich nicht richtig. Denn in der Verfassungsdiskussion geht es nicht darum, ob man eine repräsentative Monarchie will, wenn das auch von verschiedenen Leuten immer wieder versucht wird, der Bevölkerung einzubläuen, sondern es geht darum, ob man die bestehende Verfassung unverändert erhalten will oder ob man die Veränderungen will, die in den beiden verschiedenen Initiativen vorgeschlagen werden. Darum geht es in unserer Verfassungsdiskussion.
Abg. Peter Sprenger:
Ein Detail, Herr Regierungsrat Walch. Ihre Ausführungen über diese zusätzlich gelieferten Informationen suggerieren, dass Diverses nicht geliefert wurde von Seiten der Briefschreiber. Ich bin selber einer und kann Ihnen sagen, die Gutachten Matscher und Winkler wurden bereits unserem Schreiben beigelegt. Also, das ist definitiv kein Mehr an Informationen, einfach um der Wahrheit die Ehre zu geben. Dann haben Sie gesagt, zusätzlich hätten Sie die Initiative des Fürsten vom 2.8. dieses Jahres geliefert. Kollege Wolff hat dargetan, dass dies längst bei der Venedig-Kommission war und auch jederzeit vom Internet heruntergeladen hätte werden können. Bleibt letztlich an zusätzlicher Information der Bericht und Antrag betreffend Staatsvertragskompatibilität. Das sind sicher wichtige Dokumente. Aber, ob diese den entscheidenden Einfluss hatten, da wage ich mal ein kleines Fragezeichen zu setzen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Bevor ich das Wort dem Abg. Paul Vogt und dem Regierungsrat Ernst Walch gebe, hätte ich noch eine ganz konkrete Frage an den Landtagsvizepräsidenten. In seinem Votum hat er unter anderem sich stark gemacht für die Aussagen in der Venedig-Kommission, auch bezüglich des Richtervorschlagswesens. Und auf Seite 10 können Sie nachlesen, dass dort folgender Satz steht: «Daher würde der vorgeschlagene Art. 96 nicht ausreichen, die Garantien sicherzustellen, welche in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegt sind». Und nun möchte ich Sie fragen, Herr Landtagsvizepräsident: Ich zitiere drei Experten, die Sie und andere Gegner dieses Verfassungsänderungsvorschlags immer wieder hochjubeln, es sind dies die Experten Rhinow, Frohwein und Funk. Und nun lese ich Ihnen mal vor, was Prof. Rhinow zu dieser Aussage gesagt hat: «Die Vorschläge zur Auswahl und Bestätigung der Richter, sind mit der EMRK und der Uno Pakt II vereinbar». Und jetzt hören Sie gut zu: «Art. 6 EMRK lässt eine Richterbestellung durch den Fürsten ebenso zu, wie ein vom Landtag beherrschtes Auswahl- und Ernennungsverfahren». Frohwein: «Die in Art. 11 getroffene Regelung, wonach entweder der Landtag auf Vorschlag des Landesfürsten oder das Volk auf Vorschlag des Landesfürsten Richter wählen, ist völkerrechtlich nicht zu beanstanden». Funk: «Das im Verfassungsvorschlag vorgesehene Verfahren zur Bestellung der Richter ist grundsätzlich geeignet, die Unabhängigkeit in personaler Hinsicht in Bezug auf die Richterschaft zu gewährleisten». Und nun frage ich Sie, Herr Landtagsvizepräsident: Wie können Sie sich heute für diesen Passus in der Venedig-Kommission so stark machen, wenn gleichzeitig drei aus Ihrer Sicht namhafte Professoren genau das Gegenteil behaupten?
Abg. Paul Vogt:
Ich wollte noch einen letzten Satz zum Votum des Abg. Peter Sprenger sagen: Auch der Bericht über die Völkerrechtskonformität war bei den Gutachtern der Venedig-Kommission.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Ich nehme gerne Stellung zu Ihren Ausführungen, Herr Präsident. Ich hab mich überhaupt nicht stark gemacht für diese Aussage im Bericht der Venedig-Kommission. Ich habe nur darauf hingewiesen, im Gegensatz zu den Ausführungen der Abg. Hasler und Büchel, dass die Venedig-Kommission sich durchaus mit den Vorschlägen in der Fürsteninitiative befasst und diese kritisch hinterfragt. Sie haben vollkommen Recht, ich habe auch selbst, nicht nur die von Ihnen zitierten Gutachter, sondern ich selbst habe in der Landtagssitzung vom Oktober die Völkerrechtskonformität der Initiativinhalte durchaus bejaht und daher auch für die Zulässigkeit der Initiative gestimmt. Ich habe nie die Ansicht vertreten, vertrete diese auch heute nicht, dass der Art. 96 der Initiative dem Art. 6 EMRK widerspricht. Ich habe auch nie gesagt, dass jede Rechtsmeinung, die diese Kommission vertritt, meiner Meinung nach 100%ig richtig ist, daher ist Ihr Vorwurf wahrscheinlich auf einem Missverständnis beruhend.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Es ist kein Vorwurf, sondern nur eine Feststellung. Und ich glaube, man kann dann im Protokoll nachlesen, dass Sie ganz dezidiert das Richtervorschlagsverfahren aus der Venedig-Kommission zum Gegenstand Ihrer Ausführungen gemacht haben. Und das war der Grund, warum ich aufzeigen wollte, dass dieses Papier der Venedig-Kommission einfach so pauschal nicht stehen bleiben kann. Ich akzeptiere, Herr Landtagsvizepräsident, und schätze Sie auch diesbezüglich, Sie haben eine klare Meinung vertreten als es darum ging, die europarechtliche Frage zu klären. Was mich nur gestört hat oder besser gesagt - was mich dazu bewogen hat - einmal zu relativieren, was in diesem Venedig-Kommissionsbericht steht. Das wollte ich aus diesem Grund nur festhalten.
Regierungsrat Ernst Walch:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Zwei Bemerkungen noch, einmal zu den ergänzenden Unterlagen: Es ist halt so, dass die Venedig-Kommission die Unterlagen hatte, aber erst mit dem Datum, als wir sie geschickt haben. Was im Internet steht, muss nicht bedeuten, dass das die Kommission hat oder wissen muss. Es ist halt so, jedenfalls haben die drei Stellungnahmen beruht auf den früheren Vorlagen und nicht auf der neuen. Das zum einen Punkt.Und natürlich, das hat ja das gemeinsame zusammengefügte Gutachten gezeigt, natürlich hatten diese neuen Unterlagen, Herr Abg. Sprenger, auch keinen Einfluss mehr. Das ist leider die Ironie des Schicksals. Sie hatten in der Tat keinen Einfluss mehr. Die Meinungen waren gemacht. Noch zu der Abg. Dorothee Laternser: Jeder hat das Recht, irgendetwas anhängig zu machen, aber was wir nicht mehr im Griff haben, wenn wir etwas anhängig machen, sind die Konsequenzen. Was wir auch sehen, wir haben nicht im Griff die Art und Weise, wie ein Thema behandelt und abgeführt wird. Und was wir auch nicht im Griff haben, ist, für welche Zwecke so eine Anfrage gebraucht wird oder allenfalls missbraucht wird, je nach Sicht der Dinge. Wer immer einen Antrag stellt, mag ein bestimmtes Ziel oder eine bestimmte Richtung vor Augen haben. Das heisst aber nicht, dass so eine Anfrage nur zu diesem Zweck und für dieses Ziel abgeklärt wird, sondern es kann zu ganz anderen Überlegungen gebraucht werden. Konkret, wenn diese Anfrage von liechtensteinischen Bürgerinnen und Bürgern gestellt wurde, um eine Klärung durch die Parlamentarische Versammlung oder deren Institutionen, Beratungsausschüsse und dergleichen herbeizuführen, dann heisst das noch lange nicht, dass dies damit geschieht oder ausschliesslicher Zweck ist. Es kann in der Parlamentarischen Versammlung, und das steht im Moment zu befürchten, für ganz andere Zwecke gebraucht werden, nämlich um konkret eine demokratiepolitische Debatte vom Zaune zu reissen, ob und inwieweit eine Monarchie in Europa Zukunft haben soll oder nicht. Und deswegen hatte ich auch gesagt, dass es letztlich, wenn ich von des Pudels Kern gesprochen hatte, es eigentlich auf die Frage sich reduziert: Was für ein, wenn überhaupt, monarchisches System wollen wir oder je nachdem, dürfen oder können wir uns leisten, in einem Gesamtkonzert Europas?
Abg. Paul Vogt:
Ich weiss nicht, woher Sie Ihre Informationen haben, über welche Unterlagen die Venedig-Kommission respektive die Gutachter der Venedig-Kommission verfügten, aber Sie sind schlicht falsch informiert.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Herr Regierungsrat Walch. Die Konsequenzen hätten wir nicht zu fürchten, wenn die Verfassungsinitiative eindeutig den demokratischen Standards entsprechen würde. Und Sie haben eben den Satz gewählt, wenn ich es richtig zitiere, ich kann mich nicht für jedes Wort verbürgen, man wisse nicht, in welcher Form das eventuell in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates weiterbehandelt werde, eventuell werde es für ganz andere Zwecke gebraucht. So sagten Sie sinngemäss. Da stellen Sie ja, falls Sie das wirklich so gemeint haben, dem Europarat oder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates eine recht zweifelhafte Begutachtung aus. Und mich würde dazu die Meinung unserer Vertreterin im Europarat, der Abg. Wohlwend interessieren. Danke.
Regierungsrat Ernst Walch:
Sie erlauben mir, Herr Präsident, meine Damen und Herren, eine direkte Erwiderung an die Aussagen von Frau Dorothee Laternser. Natürlich gehe ich davon aus, dass die Parlamentarische Versammlung nicht nur das Thema «Liechtenstein» behandelt. Die Parlamentarische Versammlung ist ein politisches Gremium. Und es gibt dort Parteien, die vertreten sind, von links bis rechts. Und es werden die verschiedenen Ideologien diskutiert werden. Natürlich wird es so sein. Es ist ja blauäugig, wenn Sie meinen, es würde lediglich Liechtenstein und diese enge Frage der liechtensteinischen Verfassungsveränderung zur heutigen Zeit mit dem so genannten europäischen Standard verglichen werden, der ja nicht einmal definiert ist. Davon müssen wir doch ausgehen. Das ist doch legitim. Dafür ist die Parlamentarische Versammlung da.
Abg. Renate Wohlwend:
Um die Frage von Dorothee Laternser zu beantworten: Ich hab den Herrn Regierungsrat so verstanden, als würde eben, wenn die Frage «Liechtenstein» in der Parlamentarischen Versammlung debattiert würde, die Grundsatzfrage der - sagen wir mal - Existenzberechtigung von monarchischen Mitgliedstaaten diskutiert werden und damit durch die Liechtenstein-Frage die Thematik erweitert bzw. auf einen anderen Punkt gebracht.
Abg. Peter Sprenger:
Ich möchte mich auch noch gegen eine Tendenz verwahren, Herr Regierungsrat Walch. Sie machen indirekt diesen Briefschreibern einen Vorwurf und reden von Feuer anzünden, man habe das nicht mehr unter Kontrolle; es könnte auch zu anderen Zwecken missbraucht werden. Schauen Sie, wenn Sie, die Regierung, meine ich jetzt konkret, und die Landtagsmehrheit der FBP, sich nicht dermassen einseitig auf die Seite des Fürsten geschlagen hätten, hätten wir vielleicht diesen Brief und diesen Antrag an den Europarat nicht einbringen müssen. Aber sehen Sie doch einmal ein, Sie haben Leute hier im Land hilflos gelassen, die sich in ihrer Verzweiflung, ich sage das ganz bewusst, nicht mehr anders zu helfen wussten, als sich eben nach Europa zu begeben und dort zu schauen, ob ihre - ich meine - berechtigten Anliegen auch irgendwo Gehör finden. Wenn man beim Europarat mitmacht, kann man nicht nur die Rechte wahrnehmen, sondern hat auch gewisse Pflichten. Und die Fürstenvorlage, das bringt halt in Gottes Namen dieses Venedig-Kommission-Gutachten klar zum Ausdruck, hat gewisse Defizite.
Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Mir sind auch noch einige Fragen gestellt worden. Aber ich kann vielleicht gerade hinten mit der Venedig-Kommission beginnen, denn indirekt steht ja auch der Vorwurf im Raum, die Regierung hätte nicht reagiert, die Regierung hätte sich vertreten lassen können, Stellung dazu nehmen. Da muss einfach einmal klar und deutlich gesagt werden, auch wenn wir eine Regierung eines kleinen Landes sind, so bestehen wir auch auf bestimmten Umgangsformen. Und wir bestehen auch darauf, dass eine Regierung eines kleinen Landes ernst genommen wird. Wir haben das in ganz anderen Bereichen erlebt, wie kleine Länder, wenn es darauf ankommt, nicht immer die gleichen Rechte haben. Aber jetzt hier zur Venedig-Kommission: Selbstverständlich ist es eine beratende Kommission des Europarates, die von hochrangigen Verfassungsexperten besetzt ist. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Daran haben auch wir keinen Zweifel. Selbstverständlich sind solche Stellungnahmen ernst zu nehmen. Auch das soll einmal klar und eindeutig gesagt werden. Aber eines müssen Sie natürlich schon wissen, wir haben uns immer wieder kundig gemacht: Wo steht das Verfahren? Wir sind nie direkt angeschrieben worden. Wir haben über unseren Botschafter immer wieder nachgefragt. Und den Entwurf dieser zusammenfassenden Stellungnahme haben wir am 9. oder 10. Dezember erhalten. Und wenn dann gesagt wird, es wäre ein Gebot der Fairness und des Anstandes, dass wir da hingefahren wären, um dort uns zu vertreten, dann kann ich das auch genau umgekehrt sagen, dass es ein Gebot der Fairness und des Anstandes einer Regierung ist, dass sie sich sorgfältig vorbereitet, um vor einem solchen Gremium dann entsprechend vorbereitet aufzutreten. Und das haben wir auch geschrieben. Wir haben Mängel im Bericht festgestellt, die wir ganz klar der Kommission mitgeteilt haben. Wir haben auch geschrieben, dass wir Stellung nehmen als Regierung des Fürstentums Liechtenstein und deshalb um Verschiebung des Traktandums gebeten haben. Und wenn man dann einer Regierung einfach vorwirft, sie wäre untätig geblieben oder sie hätte sich da nicht einmal vertreten lassen, dann ist das auch nur die halbe Wahrheit. Das einfach zum Umgang.Selbstverständlich stellt sich diese Frage in Europa: Welches sind die Standards der Demokratie? Hier ist der Kommissionsbericht ja sehr offen und auch sehr klar, dass er auch feststellt, dass es einen solchen allgemein verbindlichen Standard nicht gibt. Wir haben einfach in dieser Stellungnahme festgestellt, dass die Verfassungspraxis in Liechtenstein und das bestehende Verfassungsrecht unserer Meinung nach nicht in allen Punkten richtig abgebildet wird. Und das wollen wir aber auch dementsprechend untersuchen und dementsprechend fundiert Stellung nehmen. Genau das wollten wir tun. Und da waren wir auch der Überzeugung, das ist im Interesse des Landes. Und es geht nicht darum, diesen Verfassungsrechtlern, die ja hoch angesehen sind, dass wir denen ihre Expertise absprechen, oder dass wir in irgendeiner Weise an deren Ruf Zweifel haben. Aber es geht auch darum, dass entsprechende Stellungnahmen gemacht werden, und dass wir auf Mängel, die unserer Ansicht nach bestehen, auch hinweisen, damit hier ein ausgewogenes Bild entstehen kann. Wir werden das auch tun, wenn nicht zuhanden der Venedig-Kommission, dann eben zuhanden des Büros oder wo auch immer weiter über die liechtensteinische Verfassungsfrage gesprochen wird. Dann gab es noch einige weitere Nachfragen zum Bericht der Regierung bzw. zur Stellungnahme der Regierung zu den anlässlich der 1. Lesung der Regierungsvorlage aufgeworfenen Fragen. Zu den Fragen des Landtagsvizepräsidenten: Die Hausgesetzesthematik ist eine sehr schwierige Thematik, gerade für einen Nichtjuristen ist das natürlich eine Thematik, in die man sich sehr lange einlesen muss, um hier auch zurechtzukommen. Die Regierung hat klar festgehalten, dass sie unterscheidet Art. 3 der geltenden Verfassung, der ja die erbliche Thronfolge, Volljährigkeit und Vormundschaft regelt und hier auf die Hausgesetze verweist. In Art. 3 geht es um die Bestimmungen in den Hausgesetzen, die allgemein verbindliche Wirkung haben. Und wenn die Bestimmungen durch das Fürstenhaus einseitig angepasst werden, dann haben sich zwar die Hausgesetze geändert, aber die allgemeine Verbindlichkeit kann erst erreicht werden, wenn der andere Träger der Staatsgewalt, und hier in Vertretung des Volkes der Landtag seine ausdrückliche Zustimmung gibt. Daraufhin haben wir untersucht: Wo hat es hier Änderungen gegeben? Änderungen hat es im Bereich der Vormundschaft gegeben mit diesem Hinweis. Und deshalb sind wir der Ansicht, dass hier eine nachträgliche Zustimmung des Landtages notwendig ist. Im Übrigen stellen gemäss der Rechtsauffassung der Regierung die Hausgesetze autonomes Satzungsrecht des Familienverbandes dar und gelten nur für die Mitglieder des Fürstenhauses. Also, hier handelt es sich nicht um Akte der staatlichen Gesetzgebung. Und in diesem Bereich gilt auch, dass diese Bestimmungen eben so lange wirksam sein können, als sich die einzelnen Mitglieder des Hauses diesen Regeln auch freiwillig unterwerfen bzw. freiwillig dem Hause Liechtenstein angehören. Dann gab es verschiedene andere Fragen. Die Frau Laternser hat noch einmal nach der Rechtsansicht der Regierung gefragt, wie sie zum Zusatzprotokoll Art. 3 zur Menschenrechtskonvention steht bzw. wie sie die Initiative im Spannungsverhältnis zu diesen Bestimmungen sieht: Wir haben darüber schon am 24. Oktober 2002 anlässlich der Vorprüfung zur Abänderung der Landesverfassung gesprochen. Ich habe damals schon ausgeführt, dass die Regierung hier die Ansicht der Regierung aus dem Jahr 1995 teilt, damals als Liechtenstein dem ersten Zusatzprotokoll beigetreten ist. Ich habe dann auch aus diesem Bericht zitiert, weil die Regierung nach wie vor diese Rechtsauffassung hat. Ich habe damals ausgeführt: Art. 3 verlangt freie und geheime Wahlen unter den Bedingungen, welche die freie Äusserung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Organe gewährleistet. Ein Vetorecht gegenüber Beschlüssen einer gesetzgebenden frei gewählten Versammlung könnte im Widerspruch mit diesen Artikeln stehen. Hier ist allerdings festzuhalten, dass bei der Aufnahme in den Europarat die demokratische und rechtsstaatlichte Verfassung Liechtensteins überprüft wurde und es daher auch bekannt war, dass Liechtenstein eine Erbmonarchie auf parlamentarisch-demokratischer Grundlage ist und somit einen zweiteiligen Souverän, nämlich Fürst und Volk hat. Die Praxis zeigt, dass die beiden Überwachungsorgane der EMRK - Gerichtshof und Kommission - den Art. 3 des Zusatzprotokolls immer sehr vorsichtig interpretiert haben. Beide unterstreichen, dass der Ausdruck «gesetzgebende Organe» mit Rücksicht auf die Verfassungsstruktur des betreffenden Staates interpretiert werden müsse. Ferner betonte die Kommission in ihrer Entscheidung vom 30. Mai 75 über die Zulässigkeit der Gesuche Nr. 6745 und 46, dass die Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und ganz besonders die der konstitutionellen Monarchien bei der Interpretation von Art. 3 berücksichtigt werden müssen. Das die Ausführungen, die ich damals bei der Vorprüfung zu dieser Frage gemacht habe.Dann wurde ich vom Abg. Vogt angesprochen, dass ich von einem tragfähigen Kompromiss spreche, dass hier doch wenig - ich weiss nicht, ich möchte da nicht falsch zitieren, aber ich habe es so verstanden - wenig Emotionen oder Leidenschaft oder was, Begeisterung, dahinter stehe. Ich möchte nach wie vor sagen, es handelt sich hier um einen Kompromiss. Ich bin der Überzeugung, dass nach der Landtagsdebatte vom 20./22. Dezember 2001 hier noch einmal eine wesentliche Bewegung stattgefunden hat, dass hier noch einmal Konsensbereitschaft gezeigt wurde, und dass man zu einer Lösung gekommen ist, die insgesamt das Machtgleichgewicht von 1921 nicht verändert. Das kann man selbstverständlich so oder so werten. Ich bin überzeugt davon, dass das eine tragfähig Lösung ist und dass man mit dieser Lösung auf jeden Fall eine Grundlage legen kann für die weitere Zukunft des Landes. Sie haben das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden angesprochen: Da war mir immer wichtig, dass wenn es ein solches Antragsrecht gibt, dass letztendlich der Gesetzgeber, das heisst, die Mehrheit im Land mit einem solchen Austritt einverstanden sein muss, sei das, dass ein entsprechendes Gesetz oder ein entsprechender Staatsvertrag beschlossen wird. Und deshalb meine ich, ist auch der Hinweis auf die nationalsozialistische Zeit hier nicht zielführend. Es steht einer Gemeinde nicht allein frei, sondern es braucht den entsprechenden Akt des Gesetzgebers, damit es so weit kommt. Man kann immer darüber unterschiedlicher Ansicht sein, ob das für einen so kleinen Staat überhaupt eine sinnvolle Bestimmung in der Verfassung ist. Ich meine aber, in grossen Staaten, wenn wir die Tragik erlebt haben, wie Staaten zerbrochen sind, unter welcher Gewalt sie zerbrochen sind, ist es durchaus sinnvoll, dass man Regelungen vorsieht, rechtsstaatliche Regelungen, wie ein solches Verfahren abläuft.Zur Immunitätsregelung in Art. 7 Abs. 2: Die ist für mich klar. Es handelt sich um eine Regelung, die die Person des Landesfürsten und seines Stellvertreters umfasst. Und für mich ist klar, dass Person und Funktion hier unterschieden werden. Dann bin ich auch überzeugt, dass das Notverordnungsrecht so wie es in der Initiative formuliert ist, ein Fortschritt zur Verfassung von 1921 ein klarer Fortschritt ist. Ob er weit genug geht, das ist immer eine Wertungsfrage. Und da gestehe ich auch jedem zu, das so oder so zu werten. Die Abg. Ingrid Hassler hat mich gefragt bezüglich des Rückzuges der Regierungsvorlage: Der Rückzug der Regierungsvorlage ist geschehen, nachdem dieser Kompromiss zustande gekommen ist, nachdem diese Regelung in der Überzeugung der Regierung die bessere ist als die Regierungsvorlage. Und nachdem hier ein Weg aufgezeichnet wird, wie beide, sowohl die Mehrheit der Landtagskommission wie der Landesfürst, wie die Regierung, einen Weg sehen, wie die Verfassungsänderung geschehen kann. Das ist der wesentliche Grund gewesen, das habe ich auch immer erklärt, weshalb es zum Rückzug der Regierungsvorlage gekommen ist.Dann wurde die Frage gestellt bezüglich der regierungslosen Zeit: Ja, ich bin überzeugt, dass der Art. 80, so wie er formuliert ist, genau deswegen diese Übergangsregierung vorsieht, damit es zu keiner regierungslosen Zeit kommt, damit hier garantiert ist, dass jeweils eine Regierung im Amt ist, und zwar eine Regierung, die ihre Aufgaben gemäss Art. 78 wahrnimmt. Aber auch diese Lösung zwingt letztendlich wieder zum Zusammenwirken der Organe, denn eine Regierung, die nicht das Vertrauen des Parlaments hat - und sie ist dem Parlament gegenüber verantwortlich, das steht in Art. 78, deshalb der Hinweis - eine Regierung, die dem Parlament auch verantwortlich ist und die nicht die Unterstützung des Parlaments hat, die wird auch nicht handlungsfähig sein. Also, es muss zu einer Lösung kommen.
Abg. Paul Vogt:
Ich möchte nur zwei Bemerkungen machen: Die eine ist das Datum, das Sie genannt haben, also 9./10. Dezember. Das kann meines Erachtens nicht stimmen. Der Regierungsrat Walch hat vorhin erwähnt, dass die Regierung ihre Stellungnahme über das Wochenende ausgearbeitet hat. Das wäre dann 7./8. Dezember gewesen. 9./10. Dezember war Montag/Dienstag. Also, das ist nur ein kleiner Irrtum, der Ihnen angesichts Ihrer Arbeitsüberlastung sicher passieren konnte. Aber, es soll zeigen, dass ich zugehört habe.Dann eine Bemerkung zum Selbstbestimmungsrecht: Das Merkwürdige an diesem Selbstbestimmungsrecht, so wie es jetzt in der Verfassung ist oder aufgenommen werden soll, besteht ja eben darin, dass es kein Selbstbestimmungsrecht ist. Selbstbestimmungsrecht würde eben bedeuten, dass man den Anspruch «Austritt entgegen den Willen der Mehrheit» durchsetzen kann. Und das ist nicht mehr vorhanden. In dem Sinn habe ich schon vorher gesagt, ist es eine Abschwächung der Position des Fürsten.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Regierungschef. Sie haben die Frage nicht beantwortet, wann der Landtag mit der von Ihnen erwähnten in Ausarbeitung befindlichen Vorlage zur Anpassung von Art. 23 des Staatsgerichtshofgesetzes rechnen kann.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Regierungschef. Sie haben zur regierungslosen Zeit im Wesentlichen ausgeführt, dass Sie nicht der Ansicht sind, dass es sie geben kann. Auf meine Argumente sind Sie mit keinem Wort eingetreten. Ich nehme einfach zur Kenntnis, dass Sie meine Argumente offenbar nicht entkräften können.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Herr Regierungschef, ich danke für Ihre Ausführungen. Mir fehlt nur noch die Antwort auf eine Frage, und zwar im Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses vom 2. August 2002, so wie er abgedruckt ist in den Beilagen 4 bis 6 der Verfassungskommission, steht auf Seite 4 eine Erklärung des Landesfürsten. Und da heisst der letzte Satz: «Ist kein Regierungsmitglied zur Ausübung des Amtes befugt, dann kann der Landesfürst in dringenden Fällen das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren». Das lässt für mich den Schluss zu, dass der Landesfürst annimmt, dass eine Zeit ohne Regierung möglich sein könnte. Und da wollte ich um Ihre Meinung dazu bitten. Danke.
Regierungschef Otmar Hasler:
Um gerade auf die letzte Frage zu antworten, Frau Abg. Laternser: Es gibt natürlich immer extreme Möglichkeiten. Es gibt immer die Möglichkeit, dass es keine Regierung mehr gibt. Es kann sein, dass irgendein Kriegsfall oder Unglücksfall Ursache dafür ist, dass keine Regierung mehr vorhanden ist. Und dann werden sowieso die notwendigen Massnahmen ergriffen werden müssen, also, wenn sie rein physisch nicht mehr vorhanden ist. Das ist möglich. Wir haben leider solche Fälle auch schon in Friedenszeiten erlebt, dass solche Unglücksfälle oder auch Verbrechen passiert sind. Möglichkeiten gibt es also immer, wenn man in diesen Extremen denkt, wo es keine Regierung mehr gibt. Aber gemäss der Überzeugung, die ich bezogen auf Art. 80 habe, kann es unter normalen Umständen, also wenn tatsächlich nicht ein Unglücksfall passiert, keine regierungslose Zeit mehr geben. Wenn ich hier nicht auf Sie geantwortet habe, Herr Abg. Sprenger, dann habe ich das nicht richtig mitbekommen. Ich meinte, Sie hätten an den Landtagspräsidenten die Frage gestellt und er ist dann wieder auf diese Frage eingegangen. Im Art. 80 wird doch festgehalten: «Für die Zeit bis zum Antritt der neuen Regierung bestellt der Landesfürst unter Anwendung der Bestimmung gemäss Art. 79 Abs. 1 und 4 eine Übergangsregierung zur interimistischen Besorgung der gesamten Landesverwaltung». Art. 78 Abs. 1: Der Sinn dieser Bestimmung ist doch klar, dass es keine regierungslose Zeit gibt. Diese Übergangsregierung soll ja tatsächlich nur so lange im Amt sein, bis dann wieder eine ordentliche Regierung bestellt ist. Auch der Begriff «Übergangsregierung» sagt doch, dass unmittelbar daran wieder an die Bildung einer ordentlichen Regierung gegangen werden muss. Jetzt ist immer die Frage: Wie detailliert müssen die Regelungen hier in einer Verfassung niedergeschrieben sein? Die Intention dahinter ist eine ganz klare: Es darf keine regierungslose Übergangszeit geben. Die Diskussion haben wir ja damals im Landtag geführt und deshalb ist es zu dieser Lösung gekommen. Und das ist der Zweck dieser Bestimmung. Dann auf die Frage des Landtagsvizepräsidenten: Ich habe Ihnen gesagt, dass ich der Überzeugung bin, dass dieser lückenlose Grundrechtsschutz gewährleistet werden muss und ich auch der Überzeugung bin, auch zur Rechtssicherheit, dass das Staatsgerichtshofgesetz dementsprechend angepasst werden soll. Wir gehen hier ein Problem nach dem andern an. Da sind einmal erste Vorarbeiten passiert und ich kann Ihnen einfach sagen, dass wir diese Problematik sehr wohl erkannt haben, auch wenn das Gutachten, das wir eingeholt haben, hier nicht unbedingt eine solche Regelung verlangen wird. Und ich kann Ihnen jetzt nicht auf den Monat genau sagen, wann wir das vorlegen. Aber es ist die Absicht der Regierung, hier eine entsprechende Regelung dem Landtag vorzulegen.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Regierungschef. Ich versuche es ein letztes Mal. Es gibt einfach zwei Fragezeichen beim Art. 80 Abs. 1. und die wollen oder können Sie mir nicht beantworten. Mit der Erklärung «das Vertrauen ist verloren», ist die Regierung im Augenblick weg. Und dann ist einfach unklar oder unsauber textiert oder formuliert, dann muss der Fürst irgendwann eine Übergangsregierung einsetzen. Sie sagen immer: Die Intention ist .... Aber das hätte man so einfach haben können, indem man einfach die alte Regierung im Amt liesse, bis die Übergangsregierung vom Fürsten bestellt ist. Das ist der Punkt 1. Und der Punkt 2 ist: Am Ende der Lebenszeit - ich sage es jetzt zum 25. Mal, wenn die Vertrauensabstimmung im Landtag verloren ist, dann ist einfach auch wieder ein riesiges Fragezeichen, dann kann es noch viel länger dauern. Ich denke, wir können die Diskussion einstellen. Da führt kein Weg daran vorbei, dass Sie da vom Text her schlicht ein Problem haben, das nicht lösbar ist für Sie.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Herr Regierungschef. Ich habe in dieser Angelegenheit kein Problem. Aber jetzt glaube ich, dass der Abg. Peter Sprenger ein Problem hat. Wir haben uns mindestens eine Dreiviertelstunde über diese Thematik unterhalten.
Regierungschef Otmar Hasler:
Die Regelung in Art. 80 heisst: «Für die Zeit bis zum Antritt der neuen Regierung bestellt der Landesfürst» usw. «eine Übergangsregierung». Das besagt doch klar, dass hier eine lückenlose Bestellung ist und das ist auch die Intention, das ist auch die Intention dieser Bestimmung. Und von daher ist es ganz klar, das ist auch der Sinn der Übergangsregierung. Sie interpretieren das anders. Für mich ist das eine ganz klare Regelung. Es wird auch nicht so sein, dass der Landesfürst einfach willkürlich irgendwie über Radio oder weiss Gott nicht wie verkündet: Er habe jetzt kein Vertrauen mehr. Ich meine, der Landesfürst als Staatsoberhaupt handelt gemäss Art. 7 Abs. 1 der Verfassung und dementsprechend wird es hier, wenn es tatsächlich zu einer derartigen Krise kommt, dass es zu einer Regierungsentlassung kommen muss, dann werden auch dementsprechend die Vorbereitungen getroffen. Ich meine, das liegt auch im Staatsinteresse. Und es ist davon auszugehen, dass die Staatsorgane auch im Staatsinteresse handeln. Aber noch einmal: Es geht bei dieser Bestimmung doch darum, dass lückenlos eine Übergangsregierung bestimmt wird, eine Übergangsregierung, die auch dem Landtag gegenüber verantwortlich ist. Und vor allem ist doch das Ziel der Bestimmung, dass es wieder umgehend zur Ernennung einer vom Landtag vorgeschlagenen Regierung kommt. Im Normalfall müsste das ja ohne Übergangsregierung passieren, indem man vorher miteinander ins Gespräch kommt.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Landtagspräsident. Ich muss mich gegen die von Ihnen mindestens von mir als herablassend empfundene Bemerkung wehren. Sie tun so, als ob der kleine dumme Sprenger einfach nicht verstehen will. Ich sage Ihnen einfach: Der Text, so wie er vorliegt, ist genügend unklar. Dort gibt es Spielraum. Sie und der Herr Regierungschef reden hier permanent von guter Absicht, von Intention. Ich möchte in Gottes Namen eine Verfassung haben, die möglichst klar ist. Mir ist als Jurist durchaus bekannt, dass man nicht alle Fälle abdecken kann. Aber wenn es so offensichtlich ist, dass ein Fall eintreten kann, und dann schaut man, dass man darum herumkommt, diesen zu regeln, dann habe ich ein Problem.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Herr Abg. Sprenger. Ich schätze Sie nicht gering, aber wir verstehen uns schlicht und einfach in diesem Punkt nicht. Lassen wir doch das so stehen. Es sind zwei Meinungen. Ich wollte mit meinem Votum nur sagen, dass wir uns 45 Minuten oder eine Stunde über diese Problematik unterhalten haben. Aber es macht, glaube ich, keinen Sinn, das alles jetzt noch einmal aufzurollen.
Regierungsrat Ernst Walch:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch kurz auf eine Aussage des Abg. Paul Vogt zurückkommen. Ich kann und will nicht stehen lassen, was er Falsches gesagt hat. Er hat gesagt, unsere Ausführungen würden sich widersprechen, nämlich die von mir und die des Regierungschefs, weil wir von verschiedenen Daten gesprochen hätten. Die widersprechen sich nicht, Herr Abg. Vogt. Ich habe von den drei Einzelstellungnahmen der genannten Berichterstatter aus Belgien, Dänemark und der Niederlande gesprochen. Die haben wir eine Woche vor der Venedig-Kommissionssitzung am 13. Dezember erhalten und über das Wochenende bearbeitet. Und wovon der Regierungschef gesprochen hat war der Entwurf der Stellungnahme, nämlich der Gesamtstellungnahme aufgrund der Kommentare der besagten drei Herren. Dieser Entwurf, übrigens datiert vom 9. Dezember, den haben wir am 10. erhalten, das war während der Regierungssitzung. Am Dienstag haben wir ja wie bekannt jeweils Regierungssitzung. Und nur noch ergänzend dazu: Man stelle sich vor, dass man einen solchen Entwurf drei Tage vor der Sitzung erhält und dann umfassend darauf antworten können soll und jemanden schicken soll. So war es und damit ist kein Widerspruch gegeben, sondern aufgeklärt, wann wir welche Unterlagen erhalten haben.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr gibt, möchte ich jetzt die Sitzung unterbrechen. Ich würde Ihnen vorschlagen, nachdem wir heute Abend doch relativ früh die Sitzung beenden, dass wir uns morgen bereist um 8 Uhr anstelle von 9 Uhr treffen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Gibt es dagegen Einwände? Das ist nicht der Fall. Dann wünsche ich Ihnen allen eine gute Nacht.DIE SITZUNG WIRD UM 22:25 UHR GESCHOSSEN.
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