ABÄNDERUNG DER VERFASSUNG (NR. 87/2001), 1. LESUNG [FORTSETZUNG]
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Meine Damen und Herren. Wir setzen die Beratungen fort mit Art. 99. Ich bitte, Art. 99 zu verlesen.Art. 99 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 99 steht zur Diskussion.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich habe zwei kurze Anmerkungen: Zunächst möchte ich nur der Ordnung halber nochmals darauf verweisen, was ich schon bei Art. 11 gesagt habe. Ich glaube, es wäre von der Systematik der Verfassung her passender, den kurzen Vermerk, der hier in Abs. 1 gemacht werden soll, sinngemäss im Art. 11 vorzunehmen, und die ausführliche Darstellung über die Richterbestellung, nachdem wir es hier mit dem Kapitel «Rechtspflege» zu tun haben, hier vorzunehmen.Die zweite Bemerkung betrifft den neu eingefügten Halbsatz «soweit die Verfassung nicht etwas anderes bestimmt» in Abs. 2: Die Regierung führt dazu auf Seite 39 unten aus, dass damit gemeint sei, dass ein Widerspruch zu dem in Art. 12 angeführten Begnadigungs- und Niederschlagungsrecht vermieden werden soll. Mir scheint das nicht logisch oder richtig zu sein von der Begründung her, denn das Begnadigungs- und Niederschlagungsrecht tangiert ja die Unabhängigkeit der Richter in keiner Weise. Ich fände es sogar verfehlt, wenn man hier einen ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Vorbehalt macht, dass die Unabhängigkeit der Richter durch die Möglichkeit einer Begnadigung oder Niederschlagung beeinträchtigt werden kann. Ich glaube, das sollte man zumindest noch einmal überprüfen. Das ist ja nicht eine, nehme ich einmal an, gewissermassen eine Conditio sine qua non von Seiten des Fürsten. Das war wohl eine erst relativ spät im Zeitpunkt hinzugekommene Idee, und ob die von der grundsätzlichen Überlegung ihrer Notwendigkeit her so richtig und notwendig ist, das kann man, glaube ich, in guten Treuen bezweifeln.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wir können weiterlesen.
Art. 102 Abs. 3 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 102 Abs. 3 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt.
Art. 104 Abs. 2 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 104 Abs. 2 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 105 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 105 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 106 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 106 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 107 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 107 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 108 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 108 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 111 Abs. 2 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 111 Abs. 2 steht zur Diskussion.
Abg. Paul Vogt:
Ich möchte mich dagegen aussprechen, dass hier die Worte «allgemein verbindliche» neu aufgenommen werden, weil damit die Möglichkeiten des Staatsgerichtshofes offenbar eliminiert werden sollen. Wir werden das dann im nächsten Artikel noch einmal eingehend besprechen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Dann können wir weiterlesen.
Art. 112 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Nach meiner Ansicht sollte hier in der Verfassungsvorlage Art. 112 «aufgehoben» eingefügt werden. Dann würde es heissen «Art. 112bis» und der jetzige «Art. 112bis» würde dann zu «Art. 112ter».
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich möchte zunächst zu dem zur Aufhebung vorgesehenen bisherigen Art. 112 Stellung nehmen: Meiner Meinung nach stellt die Regierungsvorlage einen erheblichen Angriff auf die Entscheidungsbefugnis des Staatsgerichtshofes als unabhängiges Verfassungsauslegungsorgan und Kompetenzstreitigkeits-Schlichtungsorgan dieses Landes dar. Auch wenn Sie, Herr Präsident, in der vorgestrigen Debatte - ich glaube nicht, dass ich mich hierbei irre - von einem Mauerblümchendasein dieser Bestimmung gesprochen haben, die es ohnehin nicht gross rechtfertige - das ist jetzt meine Interpretation, wie das als Wort zu verstehen sei - dieser Bestimmung eine Träne nachzuweinen, glaube ich nicht, dass es richtig ist, die Bedeutung und Wichtigkeit dieser Verfassungsauslegungs-Bestimmung, wie sie seit dem Jahre 1921 existiert, nur daran zu messen, ob es bereits einmal nötig war, den Staatsgerichtshof im Sinne dieser Bestimmung anzurufen. Es ist besonders bei einem dualen Staatssystem mit zwei Staatsorganen, zwei Teilen, die souveräne Gewalten ausüben, die sich die Staatsgewalt, wie es am Beginn der Verfassung heisst, teilen müssen, meiner Meinung nach besonders wichtig, dass man für den Fall einer Meinungsverschiedenheit, zumindest für den gravierenden Fall einer Meinungsverschiedenheit über Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung eben ein wirklich unabhängiges richterliches Organ hat, welches im Notfall angerufen werden kann zur Entscheidung über diese in Zweifel gezogenen Fragen. Es ist nicht überzeugend, mit welcher Begründung diese Bestimmung gestrichen werden soll. Auch sonst wird der Staatsgerichtshof in dieser Vorlage meiner Meinung nach äusserst stiefmütterlich behandelt. Ich erlaube mir kurz zurückzublenden auf die vorgesehene Aufhebung von Art. 106. Ich war da leider gerade nicht im Saal, weil ich zum Telefon gerufen wurde. Es ist in gar keiner Weise in der Regierungsvorlage begründet, warum die in Art. 106 verbriefte Unabhängigkeit der Mitglieder des Staatsgerichtshofes aufgehoben werden soll. Paradoxerweise schreibt die Regierung selbst auf Seite 28 des Berichtes sogar noch, dass durch diesen Art. 106 die richterliche Unabhängigkeit garantiert werde. Es heisst dort wörtlich: «Die Regierungsvorlage lässt die in den Artikeln 98 und 106 vorgesehene verfassungsrechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Richter unberührt». In Tat und Wahrheit schlägt die Regierung vor, diese Bestimmung aufzuheben, dies obwohl - und das wundert mich besonders - obwohl in den fürstlichen Verfassungsvorschlägen dies nicht vorgesehen war. Im grünen Buch ist der Art. 106 voll und unverändert mit dem Wortlaut drinnen: «Die Mitglieder des Staatsgerichtshofes stehen unter dem Schutze der richterlichen Unabhängigkeit». Die Regierung will das offenbar nicht. Warum, das sagt sie nicht. Aber zurück zum Art. 112: Der Art. 112 hat einen Pferdefuss, wenn man so will, und das war auch der Umstand, der S. D. den Landesfürsten offenbar bewogen hat, und zwar beginnend schon am 27. Oktober 1992, sich die Abschaffung dieses Artikels bzw. dieser Kompetenz des Staatsgerichtshofes auf seine Fahne zu schreiben. Der Pferdefuss ist, dass es dort heisst, wenn Regierung und Landtag sich nicht einigen, dann entscheidet der Staatsgerichtshof über Zweifel bei der Auslegung von Verfassungsbestimmungen. Im Staatsgerichtshofgesetz ist dies dahingehend ausgelegt, dass der Staatsgerichtshof nur dann im Sinne dieser Verfassungsbestimmung tätig werden kann, wenn ein Meinungsverschiedenheitsfall zwischen Regierung und Landtag vorliegt und diese beiden keine Einigung finden können. Es gibt, wie ich meine, gewichtige wissenschaftliche Meinungen, keineswegs nur von Herrn Dr. Herbert Wille, die meinen, dass mit dem Begriff «Regierung» hier der Landesfürst gemeint gewesen sei von den Verfassungsgebern des Jahres 1921. Ich glaube, wir müssen uns jetzt nicht darüber den Kopf zerbrechen, ob das richtig ist oder nicht. Jedenfalls ist das tatsächlich ein verbesserungswürdiger Passus in diesem Artikel. Das rechtfertigt aber keineswegs, den ganzen Artikel ersatzlos aufzuheben. Die Verfassungskommission hat ja hierzu einen Vorschlag gemacht, der, wie ich meine, Klarheit geschaffen hätte, nämlich, dass, wenn zwischen obersten Organen solche Meinungsverschiedenheiten entstehen, dann der Staatsgerichtshof zur Verfassungsauslegung in Form einer Entscheidung berechtigt ist.Ich möchte auch vorweg schon darauf hinweisen, auf das Argument, das vielleicht noch zu hören sein wird, dass hiermit quasi eine Art Richterstaat postuliert werde oder einem solchen der Boden bereitet werde: Das ist überhaupt nicht richtig, denn es ist natürlich nicht so, wie, glaube ich, aber ich bin mir nicht ganz sicher, Sie, Herr Präsident, vorgestern gesagt haben, dass dem Staatsgerichtshof damit die Möglichkeit zur Rechtsfortbildung gegeben werde, sondern selbstverständlich ist der Staatsgerichtshof aufgrund dieser Bestimmung nur berechtigt, den Wortlaut der bestehenden Verfassung mit den anerkannten wissenschaftlichen Auslegungsregeln zu interpretieren, soweit er interpretierbar ist. Soweit er dazu keine Handhabe bietet, kann der Staatsgerichtshof natürlich nicht im Sinne einer Rechtsfortbildung sinngemäss etwa sagen: Unserer Meinung nach müsste es so oder so laufen. Das kann der Verfassungsgesetzgeber und das ist auch der Unterschied zur so genannten authentischen Interpretation gemäss Art. 111 Abs. 2 der Verfassung. Dort sind Landtag und Fürst und allenfalls das Volk nämlich nicht an die wissenschaftlichen Interpretationsmethoden des vorhandenen Textes gebunden, sondern dort können und sollen sie gerade, wenn diese Interpretation allein nicht zum Ziel führt, ihren politischen Willen umsetzen können in Form einer neuen Erklärung, einer Fortschreibung allenfalls auch der bestehenden Verfassungsbestimmungen im Sinne einer authentischen Interpretation und der Verfassungsgesetzgeber kann dort sagen: Wir wollen, dass es so verstanden wird. Das kann der Staatsgerichtshof nach Art. 112 nicht, und das ist der Unterschied. Der Staatsgerichtshof kann nur zu interpretieren versuchen: Wie ist die Bestimmung aufgrund des Wortlautes und aufgrund der Absicht des historischen Gesetzgebers zu interpretieren? Aber er kann nicht sagen: Unserer Meinung nach müsste er so und so weiterentwickelt werden. Es ist daher nicht so, glaube ich, wie verschiedene Stimmen uns glauben machen wollen, dass dieser Art. 112 den gefährlichen Sprengstoff eines Richterstaates in sich trage. Dass dem nicht so ist, zeigt sich, glaube ich, auch handkehrum an dem von Ihnen, Herr Präsident, zitierten Mauerblümchendasein. Auch wenn das sein Gutes hat, dass diese Bestimmung in dieser Form noch nie angewandt werden musste, zeigt sich auch, dass sie keineswegs missbräuchlich angewandt werden kann. Kurz gesagt: Ich bin der Auffassung, der bestehende Art. 112 der Verfassung sollte saniert werden, saniert in dem Sinne, dass die Streitfrage, die so viel unschöne Vorwürfe verschiedenster Personen gegeneinander mit sich gebracht hat, wie der Begriff «Regierung» darin zu verstehen sei, beseitigt wird. Eine Möglichkeit, nicht die einzig denkbare Möglichkeit, aber eine Möglichkeit wäre die Formulierung, die die Verfassungskommission hierzu in Vorschlag gebracht hat. Dann noch zum Neuvorschlag des Art. 112: In diesem Art. 112 wird das wieder aufgenommen, was Seine Durchlaucht der Landesfürst erstmals bei der Landtagseröffnung 1993 in Form eines Art. 13ter - nämlich ein Misstrauensvotum gegen den jeweiligen Fürsten - in Vorschlag gebracht hat. Unabhängig davon, ob man so eine Vorschrift in der Verfassung will oder nicht, war die damalige Einordnung in die Verfassungsurkunde zweifellos die richtige und ist die jetzige Einordnung zweifellos die falsche. Denn Art. 112 steht unter den Bestimmungen «Über die Verfassungsgewähr und Schlussbestimmungen», und dort hat ein Misstrauensvotum gegen den Landesfürsten sicher nichts verloren. Art. 13ter hingegen wäre genau richtig, nämlich das Hauptstück «Über den Landesfürsten». Ich glaube daher, wenn eine solche Bestimmung beibehalten werden soll, dann sollte man sich ernsthaft überlegen, vor allem wo das Junktim mit der Monarchieabschaffungs-Initiative jetzt beendet wurde, das heisst die Monarchieabschaffungs-Initiative ist jetzt eine unabhängig von einem vorangehenden Misstrauensvotum mögliche Art der Verfassungsänderung, sollte man sich schon überlegen aus Gründen der Systematik, eine solche Bestimmung in das Hauptstück «Vom Landesfürsten» zu versetzen und es nicht hier bei den Bestimmungen über die Verfassungsgewähr zu belassen. Inhaltlich wurde in verschiedensten Voten, vor allem anlässlich der Eintretensdebatte von vorgestern, schon dazu Stellung genommen. Es muss an und für sich nicht mehr viel gesagt werden. Ich persönlich stehe nach wie vor auf dem Boden der einhelligen Landtagserklärung vom Juni 1993, wonach der Landtag in treuer Verbundenheit zur Monarchie steht und keinen Anlass sieht, ein solches Misstrauensvotum in die Verfassung einzubauen. Rein juristisch betrachtet, auch von der Praktikabilität her betrachtet und auch und nicht zuletzt von der quasi demokratischen Passiv-Legitimation, die sich Seine Durchlaucht der Landesfürst von einer solchen Bestimmung verspricht, möchte ich noch anmerken - als ceterum censeo gewissermassen -, dass von einer solchen indirekten Zustimmung des Volkes zum jeweiligen Fürsten wohl nur dann die Rede sein könnte, wenn eine solche Bestimmung dem Volk wirklich konstitutiv die Möglichkeit verschaffen würde, einen ihm nicht mehr genehmen Fürsten abzusetzen. Aber ihm nur die Möglichkeit zu verschaffen, wie hier in der Regierungsvorlage vorgesehen, an den Familienrat des Fürstlichen Hauses den submissesten Antrag zu stellen, man möge erwägen, ob der regierende Fürst nicht allenfalls abgesetzt werden sollte, das kann man nicht als die Einräumung einer demokratischen Legitimation bezeichnen. Ich halte es daher unter Betrachtung all dieser Überlegungen für am besten, eine solche Bestimmung nicht in die Verfassung aufzunehmen.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident, Damen und Herren Kollegen. Obwohl wir erst bei der Lesung von Art. 112 sind, werde ich im Folgenden auch bereits zu Art. 112bis Stellung nehmen. Diesmal tue ich es nicht aus Übereifer, sondern im vollen Bewusstsein. Der Herr Kollege Wolff hat gesagt, dass die frühere Junktimierung aufgegeben wurde, das ist korrekt. Nichtsdestotrotz ist das für mich ein «package», wenn Sie so wollen, das auch zusammen besprochen werden soll und von mir auch wird. Die Sache hat zwei Aspekte: Erstens die Streichung der bisherigen Kompetenz des Staatsgerichtshofes, in Zweifelsfällen die Verfassung für alle verbindlich auszulegen, und zweitens die Einführung einerseits dieses Misstrauensvotums gegen den einzelnen Fürsten, und als zweites die Monarchieabschaffung von Art. 112bis. Zuerst kurz zur Streichung des bisherigen Art. 112 in unserer Verfassung: Dass eine grosse Akzeptanz für die Auslegungskompetenz des Staatsgerichtshofes in der Bevölkerung besteht, das muss ich Ihnen offen gestehen, hat mich sehr erstaunt. Das hat die Umfrage ergeben, die das Demokratie-Sekretariat durchführen liess. Jede Verfassung - das ist die Frage - ist mehrdeutig und auslegungsbedürftig. Daher braucht man eine neutrale Auslegungsinstanz wie den Staatsgerichtshof, der in Streitfällen entscheidet. Sie werden es nicht glauben: Aber sage und schreibe 78,5% sagten, ich bin mit dieser Äusserung einverstanden, 9,9 % sind nicht einverstanden, und der Rest ist unentschieden oder weiss es nicht. Die Überschreibung dieses Art. 112 - des heutigen - durch den neuen Misstrauensantrag hat meines Erachtens System. Es ist die definitive Erledigung eines am Fall «Herbert Wille» aufgebrochenen Problems für den Landesfürsten. Er will nicht mehr in die liechtensteinische Rechtsordnung eingebunden sein. Wie lästig ihm diese latente Kontrolle durch den Staatsgerichtshof ist, zeigt sich gleich in einer dreifachen Absicherung seines Anliegens, nämlich niemand mehr über sich zu haben. Erstens wird der heutige Art. 112, der irgendwo mindestens aufgrund der Interpretation, die Herbert Wille und andere vornehmen, auch für den Fürsten relevant ist, zweitens - das hat der Kollege Vogt vor kurzem aufgeführt - werden die Worte «allgemein verbindlich» im bisherigen regulären Verfassungsänderungsverfahren gestrichen, damit jede authentische Interpretation der Verfassung immer auch vom fürstlichen Veto abhängt, und der dritte Aspekt der Absicherung ist die früher behandelte Neufassung des Art. 7 Abs. 2. Eine unabhängige Instanz zur raschen Beseitigung von Auslegungsstreit in Verfassungsfragen gehört zum Urbestand einer gut funktionierenden Verfassungsgerichtsbarkeit und ist in einem dualen Staatswesen wie dem unseren eine unabdingbare und systemimmanente Voraussetzung für das Funktionieren des Staates, ohne dass ständig Streit zwischen den Staatsorganen herrscht, der eben dann, wenn es diese Möglichkeit nicht mehr gäbe, nicht rasch und effizient beigelegt wird. Bei einem Wegfallen der Auslegungskompetenz des Staatsgerichtshofes herrscht - das sagt Gerard Batliner eindringlich - das Recht des Stärkeren. Dass der Fürst strukturell bedingt schon heute der Stärkere ist, liegt auf der Hand. Nach In-Kraft-Treten dieser Vorlage ist er nicht nur der Stärkere, er beherrscht aus rechtlichen und faktischen Gründen die anderen Staatsgewalten in fast absolutistischer Manier. Kurz und gut: Wer den heutigen Art. 112 unserer Verfassung scheut, scheut sich vor Kontrolle. Eine Monarchie aber ohne Kontrolle ist nicht mehr konstitutionell, das heisst an die Verfassung gebunden, sondern faktisch absolut.Ich komme zum 2. Hauptaspekt des Art. 112 und des Art. 112bis, nämlich einerseits der Misstrauensantrag gegen den einzelnen Fürsten und die finale Monarchieabschaffung. Weil vom Fürsten und anderen Befürwortern penetrant versucht wird, die beiden Möglichkeiten als Killerargument gegen alle Bedenken der Kritiker einzusetzen, und zwar in der Richtung, es sei ja bei aller Machtverschiebung, die durch die verschiedenen Vorschläge stattfinden soll, alles nicht so schlimm, da man letztendlich die Monarchie abschaffen könne, will ich Ihnen auch diesbezüglich die doch eindrücklichen Umfragezahlen der Umfrage des Demokratie-Sekretariates nicht vorenthalten. Auf die Frage: «Wenn das liechtensteinische Volk die Möglichkeit bekommt, die Monarchie per Volksabstimmung abzuschaffen, ist das eine deutliche Stärkung der Demokratie?» Dazu sagten: Eher einverstanden 35,6%, eher nicht einverstanden 58,6%, der Rest das Übliche. Das Volk scheint intuitiv zu spüren, dass ein theoretisch möglicher Overkill de facto eine Nichtkompetenz ist. Ich erinnere diesbezüglich an meine Bemerkungen im Eintretensvotum vor 2 Tagen. Zusammenfassend halte ich fest, dass die Intentionen der Vorlage, über die wir jetzt bereits fast 2 Tage reden, ganz klar in Richtung eines alles beherrschenden Monarchen gehen, der sich gleichsam durch zwei in der Praxis nicht spielende Instrumente, nämlich den Misstrauensantrag und die Abschaffung, für seine immense Machtfülle zu rechtfertigen sucht. Mit Verlaub und frei nach Wilhelm Busch: Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Zu den Inhalten: 1. der Misstrauensantrag: Der Misstrauensantrag gegen einzelne Monarchen ist unter Zugrundelegung demokratischer Ideen gelinde ausgedrückt eine Zumutung. Im Klartext: 1'500 Stimmberechtigte müssen sich outen und mit Unterschrift gegen den ersten Mann im Staat sich aussprechen. Der Landtag gibt eine Empfehlung ab und eine Volksabstimmung, das urdemokratischste Mittel, das es überhaupt gibt, ergibt ein Votum gegen den Fürsten. Wer nun erwartet hätte - und ich denke, fast jeder erwartet das -, dass damit die Sache erledigt wäre, sieht sich arg enttäuscht. Ein Volksentscheid als Antrag an einen Adelszirkel, der sich 6 Monate Zeit nehmen und völlig frei entscheiden kann. Mein einziger Kommentar: Hier wird die Demokratie ad absurdum geführt, man kann auch sagen: Sie wird verhöhnt. Zur Monarchieabschaffung noch kurz: Sie erweckt den Anschein des Neuen und Revolutionären. Sie ist eine zugegeben fundamentale Verfassungsänderung, aber gemäss den Vorschriften des Art. 111 Abs. 2 schon heute, das heisst seit 1921, möglich gewesen. Durch den neuen Art. 112bis wird aber der Landtag als Initiant ausgeschaltet und nur noch das Volk kann aktiv werden. Was dann folgt ist ein veritabler Orientierungslauf von fast dreijähriger Dauer mit derart vielen Posten, dass niemand je das Ziel erreichen wird. Die Details sind bei Batliner auf Seite 8 ff. nachlesbar. Mangels Praxisrelevanz erspare ich Ihnen eine Zitierung dieser Passagen. Meine Schlussfolgerung: Der Misstrauensantrag ist eine Zumutung, die Abschaffungsinitiative unnötig, da heute schon möglich. Wir brauchen beides nicht. Was die Regierung uns als neue Volkskompetenz schmackhaft machen will, dient der Bändigung und Lahmlegung der Demokratie.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Der bisherige Artikel 112 der geltenden Verfassung heisst: «Wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel entstehen und nicht durch Übereinkunft zwischen der Regierung und dem Landtag beseitigt werden können, so hat hierüber der Staatsgerichtshof zu entscheiden». Dieser Artikel soll ganz gestrichen werden. Das führt dazu, dass dem Staatsgerichtshof eine wichtige, wenn auch nicht ganz eindeutig definierte Kompetenz genommen werden soll, und zwar die Kompetenz zur Auslegung strittiger Verfassungsartikel. Wie ich bereits im Eintretensvotum sagte, kann die Wichtigkeit dieser Bestimmung neben zunehmend abweichenden Auslegungen der Verfassung auch darin gesehen werden, dass der Landesfürst 1995 dem damaligen Vorsitzenden der VBI, Herbert Wille, mitteilte, er werde ihn nicht wieder für ein öffentliches Amt ernennen, weil Herbert Wille diesen Artikel in einer Art auslegte, die der Auslegung des Fürsten nicht entsprach. Professor Rhinow schreibt unter anderem zum geltenden Art. 112 der Verfassung, ich zitiere: «Der Verfassungsgerichtshof wird zum obersten rechtlichen Integrations- und Stabilitätsfaktor im dualen System, wirkt verfassungsstörenden Eigenentwicklungen entgegen, beseitigt mögliche Blockaden und sichert so das verfassungsmässige Weiterfunktionieren des staatlichen Apparates. Dies führt zu einer Stärkung des demokratischen Elementes». Also, wohlgemerkt: Der bestehende Art. 112 führt zur Stärkung des demokratischen Elementes. So weit Professor Rhinow. Aus dem kann man eigentlich nur folgern, dass dieser Art. 112 eventuell - wie soll ich sagen - angepasst aber keinesfalls gestrichen werden sollte. Neu soll nun in diesem Art. 112 die Möglichkeit eines begründeten Misstrauensvotums des Volkes gegen den Fürsten geregelt werden. Auch davon sprach ich schon im Eintretensvotum, aber es erscheint mir so wichtig, dass ich noch mal darauf zurückkommen möchte. In begründeten Fällen soll das über eine Verfassungsinitiative möglich sein: 1'500 Stimmen müssen gesammelt werden, 1'500 Namen und Unterschriften von Bürgern für einen Misstrauensantrag gegen den Fürsten. Diese werden dann im Landtag vorgelegt, und anschliessend gibt es eine Volksabstimmung darüber. Hat sich die Mehrheit der Stimmbürger für dieses Misstrauensvotum ausgesprochen - dann genügt das nicht. Die Sache muss vom Volk abgegeben werden, muss weitergereicht werden an den Fürsten zur Behandlung nach Hausgesetz. Dort entscheidet die Gesamtheit der stimmberechtigten Familienmitglieder des Hauses Liechtenstein über dieses Misstrauensvotum des Volkes. Wohlgemerkt: Das entscheidende Gremium besteht aus stimmberechtigten Mitgliedern des Fürstenhauses, die uns nicht namentlich bekannt sind, die zum grössten Teil im Ausland leben respektive noch nie in Liechtenstein gelebt haben. Und sie entscheiden jetzt, ob die Mehrheit des liechtensteinischen Volkes mit dem Misstrauen Recht hat oder nicht. Nur zur Erinnerung: Sozusagen normale, also nicht dem Fürstenhaus angehörende Auslandsliechtensteiner haben keinerlei Stimm- und Wahlrecht. In diesem Zusammenhang ist mir die Regierung eine Antwort schuldig geblieben, und deswegen möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, und zwar im Regierungsbericht auf Seite 31 schreibt die Regierung, dass dadurch, also mit dieser Möglichkeit des Misstrauensvotums, «dadurch wird der Landesfürst mit seinen Kompetenzen und Befugnissen als Staatsoberhaupt einer in Demokratien für Staatsoberhäupter üblichen politischen Kontrolle unterstellt». Das klingt, wie ich schon sagte, in meinen Ohren wie glatter Hohn. Wo sonst auf der ganzen Welt entscheidet die Familie des Staatsoberhauptes über einen Misstrauensantrag eines Volkes? Die geringste Anforderung an ein Entscheidungsgremium in einer so wichtigen Sache wäre für mich eine klar definierte bekannte Zusammensetzung des Gremiums. Die Mitglieder müssten namentlich bekannt sein und meiner Meinung nach auch ihren Wohnsitz im Land haben. Oder, grundsätzlicher gesagt: Entweder muss es schlussendlich möglich sein, mit einer qualifizierten Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger - man kann da ruhig eine hohe Latte anlegen, eventuell Drei-Viertel-Mehrheit - muss es möglich sein, eine endgültige Entscheidung über dieses Misstrauensvotum zu treffen, wenn es wirklich ein Recht des Volkes auf ein Misstrauensvotum sein sollte, oder man muss den geplanten Artikel ganz wegfallen lassen, weil es einfach kein demokratisches Recht ist. Abg. Ivo Klein:
Danke schön. Ich möchte mich nur kurz zum alten Art. 112 betreffend Staatsgerichtshof äussern und die Voten meiner Vorredner unterstützen. Ich finde es auch richtig, wie bereits ausführlich dargestellt, und ich möchte die Argumente jetzt hier nicht wiederholen, dass unser Land weiterhin ein Verfassungsgericht besitzt. Dieses sollte allerdings auch nach meinem Dafürhalten keine rechtsetzende, sondern nur eine rechtsprechende Kompetenz haben. Danke.
Abg. Erich Sprenger:
Auch ich spreche mich ganz klar gegen eine Aufhebung des alten Artikels 112 aus. Ich bin der Meinung, dass es ein richterliches Gremium braucht, welches die Interpretation eventuell strittiger Bestimmungen in der Verfassung wahrnimmt. Nun noch zum neuen Art. 112: Bei der Einreichung eines Misstrauensantrages gegen den Landesfürsten geht es immer um die Person des Landesfürsten. Personalentscheide sollten aber nach meiner Meinung, wenn immer möglich, nichtöffentlich sein. Dies wird hier aber in diesem Artikel verunmöglicht, da es ja 1'500 Bürger braucht, die ihre Unterschriften auf Unterschriftsbögen setzen müssen und die obendrein noch von den Gemeinden beglaubigt sein müssen. Und weiter gehen ja diese Bürger, die diesen Misstrauensantrag einreichen, schlussendlich noch die Gefahr ein, dass eine Behandlung nach dem Hausgesetz erfolgt und diese Unterschriften somit nicht einmal akzeptiert werden. Auch ich bin der Meinung, dass dieser Artikel nicht unbedingt in die Verfassung gehören würde.
Abg. Markus Büchel:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Zum Artikel 112, zur Streichung des heutigen bestehenden Artikels: Wie die Regierung im Bericht und Antrag festhält, ist eine authentische Verfassungsinterpretation dem Verfassungsgesetzgeber vorbehalten. Sie ist gemäss Art. 111 Abs. 2 nur durch den Landtag bzw. durch das Volk gemeinsam mit dem Fürsten zulässig. Der Auslegung der Verfassung aus Anlass eines einzelnen Rechtsfalles durch den Staatsgerichtshof, sei es auf Antrag oder von Amtes wegen, kann letztlich aber eine vergleichbare Rechtswirkung zukommen. Während der Landtag mit qualifizierter Mehrheit entscheidet, erfolgt die Entscheidung des Staatsgerichtshofes mit einfachem Mehr. Angesichts des Umstandes, dass die Mitglieder des Staatsgerichtshofes kein unmittelbar demokratisches Mandat haben, liegt in dieser Zuständigkeit im Endeffekt eine Konkurrenz in der qualifizierten Befugnis des Verfassungsgesetzgebers zur authentischen Interpretation der Verfassung. Gegen die Streichung des bestehenden Artikels 112 habe ich aus zwei besonderen Gründen keine Bedenken, und zwar wurde zum einen schon mehrfach erwähnt, dass dieser Artikel praktisch nie zur Anwendung kam. Es wurde bemerkt, dass er ein Mauerblümchendasein führte, er wurde nie benutzt. Und zum anderen ist für mich klar: Wenn sich der Fürst und der Landtag über die Auslegung der Verfassung nicht einigen können, dann kann nicht ein Gericht entscheiden, da es bei solchen Auslegungen vor allem um politische Konflikte geht und nicht um gesetzliche Auslegungen. Meiner Meinung nach kann eben in diesem speziellen Fall nur das Volk entscheiden. Zum neuen Artikel 112: Hier wurde mehrfach erwähnt - es wird ja eine Verschwörungstheorie heraufbeschworen, die damit den Endzustand erreicht, dass dem Fürsten alle Macht zukommen soll. Es ist für mich konsequent, wenn hier im Rahmen des Gedankens der Selbstbestimmung eben dieser kritische Bereich wirklich schlussendlich, wenn kein Zusammenleben mehr gewünscht wird, wenn diese Staatsform nicht mehr gewünscht wird, dass dann die Möglichkeit besteht, diese Initiative zur Auflösung der Monarchie zu starten. Ich selbst hätte einen solchen Artikel selbstverständlich nie beantragt, weil für mich es nicht vorstellbar ist, dass die Liechtensteiner die Monarchie abschaffen wollen. Wenn aber, wie der Abg. Sprenger gesagt hat, er vehement gegen die Einführung des neuen Art. 112 ist, auf der anderen Seite aber auch erklärt, dass auch schon heute die Möglichkeit besteht, die Monarchie abzuschaffen, dann frage ich mich, warum man so vehement gegen diesen Vorschlag, der jetzt vorliegt, ist.Abg. Alois Beck:
Ich erachte Differenzbereinigungsverfahren als besonders wichtig, ich habe das bereits in der Eintretensdebatte ausgeführt. In unserer Verfassung finden sich immer wieder Bestimmungen, wonach bestimmte Entscheide im Einvernehmen der verschiedenen Entscheidungsträger zu treffen sind. Dieses Einvernehmen lässt sich jedoch nicht immer herstellen und für solche Fälle sollten Differenzbereinigungsverfahren eingerichtet werden, um Blockaden oder einseitige Machtdurchsetzung verhindern zu können. So findet sich im geltenden Art. 112 der Verfassung ein Differenzbereinigungsverfahren für den Fall, dass zwischen Landesfürst und Landtag über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel bestehen, wobei der Staatsgerichtshof zu entscheiden hat. Kommt es zu unterschiedlichen Auffassungen der Vertreter des monarchischen und des demokratischen Elementes über einzelne Verfassungsbestimmungen, so sollte es meiner Meinung nach eine unabhängige dritte Instanz geben, die allein aufgrund rechtlicher Erwägung entscheidet. So viel zum geltenden Artikel 112. Eine Bemerkung noch zum Art. 112bis - die Initiative auf Abschaffung der Monarchie: Der Abg. Peter Sprenger hat ausgeführt, dass hier ein Anschein von etwas Revolutionärem erweckt wird. Das stimmt zum einen und zum anderen gerade nicht. Ich möchte dies wie folgt begründen: Zum einen ist es sicher unüblich, dass in einer Verfassung, die als konstitutionelle Erbmonarchie ausgestattet ist, ein Verfahren zur Abschaffung derselben am Schluss des Textes vorgesehen ist. Andererseits wurde ausgeführt, dass gemäss geltender Verfassung es bereits möglich wäre, eine solche Abschaffung der Monarchie durchzuführen. Aber hier muss man natürlich schon den deutlichen Unterschied sehen, dass gemäss bestehender Verfassung ein solcher Entscheid nur mit Zustimmung des Landesfürsten gemacht werden könnte. Wenn dies nicht der Fall ist, bräuchte es wirklich einen revolutionären Akt, und das Revolutionäre am neuen Vorschlag ist, dass es einen solchen Akt eben nicht mehr braucht. Über das Verfahren, über das vorgesehene Prozedere, liesse sich natürlich trefflich streiten.Abg. Paul Vogt:
Auch ich spreche mich ganz klar gegen die Streichung des bisherigen Art. 112 aus. Die Verfassungsgerichtsbarkeit in einem dualen Staat ist eine Notwendigkeit, da sie bei Konflikten zwischen den obersten Staatsorganen einen Ausweg aus einem notgedrungenermassen schweren Konflikt ermöglicht. Dass dieser Artikel bis heute nicht zur Anwendung gelangte, macht ihn keineswegs überflüssig. Ich denke, das Bestehen dieses Artikels hat die Auswirkung, dass sie den Druck auf die obersten Staatsorgane erhöht, sich zu einigen, weil sonst jemand anderer Recht spricht. Die im bisherigen Art. 112 erwähnte Übereinkunft zwischen Regierung und Landtag meint eine authentische Interpretation gemäss Art. 111. Wenn eine solche authentische Interpretation aber nicht möglich ist, also wenn sich die beiden obersten Staatsorgane nicht einigen können, dann und nur dann kommt der bisherige Art. 112 zur Anwendung. In gewissem Umfang ist Auslegung der Verfassung immer eine Weiterentwicklung des Verfassungsrechts, darüber brauchen wir uns, glaube ich, nicht lange zu streiten. Der Staatsgerichtshof ist dabei aber immer an die Grenzen der Verfassung gebunden. Er kann nur in engen Grenzen politische Entscheidungen treffen. Das hängt aber mit dem Charakter des Verfassungsrechts zusammen, das, wie auch der Landesfürst immer wieder betont, politischen Charakter hat. Der Staatsgerichtshof hat sich bei der Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Verfassung immer grosse Zurückhaltung auferlegt. Man kann deshalb keineswegs von einem Richterstaat sprechen. Als Kronzeuge dafür möchte ich das Gutachten von Günther Winkler anführen, der dies bestätigt hat. Aber die grundsätzliche Problematik, dass Verfassungsgerichtsbarkeit Recht auslegt und damit die Verfassung auch weiterentwickelt, ist auch in anderen Staaten bekannt. Kaum jemand verlangt aber deshalb die Abschaffung der Verfassungsgerichtsbarkeit. Im Übrigen möchte ich auch darauf verweisen, dass die Notwendigkeit und Zweckmässigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit bei den Gutachtern nicht bestritten, sondern bestätigt wird. Zum neuen Art. 112, zum Misstrauensvotum: Grundsätzlich habe ich gar nichts dagegen, dass die Verfassung eine Möglichkeit schafft, den regierenden Monarchen aus dem Amt zu entheben. Schon vorgestern hat der Abg. Alois Beck die Frage aufgeworfen, was man denn macht, wenn ein Staatsorgan unfähig ist oder seinem Amt nicht nachkommen kann? Für mich stellt sich dann die Frage: Welches ist dann das richtige Vorgehen? Die vorgeschlagene Lösung ist nicht praktikabel und nicht gangbar: Das Ergebnis einer Volksabstimmung, in der dem Fürsten das Misstrauen ausgesprochen wird, hat keine rechtlichen Auswirkungen; dann kann man aber ebenso gut darauf verzichten. Man kann sich nun natürlich die Frage stellen, was passieren soll, wenn ein Monarch zur Ausübung seiner Rolle unfähig ist: Soll so etwas in der Verfassung geregelt werden, und was ist dann der richtige Weg? Wenn man das will, dann muss man für den Landtag die Kompetenz schaffen, dass er mit einem qualifizierten Mehr, zum Beispiel einer Drei-Viertel-Mehrheit, wie das bei Verfassungsänderungen üblich ist, die Unfähigkeit des Monarchen feststellt. Das ist ein gangbarer Weg, der auch in anderen europäischen Monarchien gewählt wurde. Wenn sich der Monarch ausserdem freiwillig - ich betone freiwillig, weil das ausser dem Fürsten niemand verlangt - einer demokratischen Kontrolle unterstellen will, muss er aber auch bereit sein, das Verdikt des Volkes zu akzeptieren. Alles andere ist ein Spiel mit dem Schein. Das Verfahren bekommt einen demokratischen Anschein, aber keinen demokratischen Gehalt, weil es keine rechtlichen Auswirkungen hat.
Abg. Peter Sprenger:
Der Herr Kollege Büchel hat eine Antwort verdient: Was heute schon gemäss Art. 111 Abs. 2 möglich ist, das muss doch nicht noch einmal eingeführt werden. Ich denke, das ist einigermassen plausibel. Herr Kollege Büchel: Im Unterschied zu Ihnen versuche ich über die Vorschläge des Fürsten zu reflektieren und erlaube mir, mich kritisch dazu zu äussern. Im Gegensatz dazu verteidigen Sie blind und vorbehaltlos die fürstlichen Ideen. Ich denke, wir machen es uns auch etwas einfach, wenn wir davon ausgehen, dass das Volk, wenn in diesem Lande Vorgänge, wie sie in Art. 112 und Art. 112bis aufgezeigt sind, wenn wir daran glauben, dass dann das Volk sich an diese highly sophisticated Spielregeln noch halten wird. Also, das ist etwas - ich erlaube mir zu sagen - wirklichkeitsfremd. Wenn die Emotionen einmal so weit hochgeschaukelt sind, dass solche Sachen - Volksabstimmung und Monarchieabschaffung - in diesem Land ein Thema sind, dann erlaube ich mir, hier ein Fragezeichen zu setzen, ob in dieser von niemand gewünschten und auch von niemandem herbeigeredeten Situation dann man sich noch an die hoffentlich nie Verfassungsinhalt werdenden Sachen und Spielregeln halten wird.
Abg. Rudolf Lampert:
Eine kurze Replik auf den Abg. Paul Vogt: Heute wird ein gewisser Prof. Winkler als Beweis herangezogen, um eine Theorie zu stärken. Gestern noch wurde derselbe Experte mit mehr als unschönen Worten gerügt und als praktisch unfähig bezeichnet. Es ist schon interessant, welches Gewicht plötzlich Expertenmeinungen bekommen, je nachdem, wie man sie braucht. Aber das als Nebensache. Das Differenzbereinigungsverfahren ist für mich auch wichtig. Wie der Name schon sagt, soll es ein Verfahren zur Bereinigung von Differenzen sein und nicht zur Auflösung - sprich Vernichtung - des einen Teils der Konfliktparteien benötigt werden. Die Monarchieabschaffung kann meines Erachtens nicht der Weg zur Bereinigung des Konfliktes sein. Ich persönlich benötige diesen Artikel sicher nicht. Wie bereits in der Eintretensdebatte ausgeführt, soll die Verfassung das Zusammenleben und den Fortbestand der Monarchie regeln und nicht das Trennende und die Auflösung dieser Institution vorantreiben. Wie gesagt: Ich selbst bin kein Freund dieses Artikels.
Abg. Johannes Kaiser:
Der Art. 112 der Verfassung vom Oktober 1921 fällt in der Regierungsvorlage weg. Obwohl dieser Artikel 80 Jahre lang nie gebraucht wurde, ist ein Wegfall eines Artikels sicherlich eine Änderung, die eine Wirkung beinhalten kann. Ich zitiere dazu den Verfassungsexperten Dr. Günter Winkler, wie dies auch der Abg. Vogt insofern getan hat, um die Bedenken eines möglichen Richterstaates zu relativieren. Dr. Winkler sagte als zentrale Aussage auch weiter, ich zitiere: «Die vorgeschlagene Aufhebung des Art. 112 entspricht dem Grundkonzept der geltenden Verfassung. Sie ist nicht nur systemkonform, sondern öffnet auch die Verantwortung für die Verfassung zu den aufgrund der Art. 2 und 111 demokratisch legitimierten Trägern der Verfassungsgewähr. Gegenüber dem Volk und dem Fürsten, aber auch den Abgeordneten im Landtag, kommt dem aufgrund von partei- und interessenspolitisch beeinflussbaren Entscheidungen des Landtages besetzten Staatsgerichtshof nur eine nachgeordnete und abgeleitete demokratische Legitimation zu. Mit gutem Grund hat man daher im Jahr 1921 dem Staatsgerichtshof die allgemeine Zuständigkeit zu einer generell abstrakt verbindlichen Auslegung der Verfassung vorenthalten. Zu einer authentischen Verfassungsgewähr sind in ihrem gewaltenteilenden Zusammenwirken ausschliesslich der Landtag, das Volk und der Fürst berufen». So weit Dr. Winkler. Der neue Art. 112 und Art. 112bis mit dem Schwerpunktthema «Abschaffung der Monarchie/Misstrauensvotum» ist für mich nicht zwingend - ich habe dies bereits schon in der Eintretensdebatte gesagt. Dies aus dem Grunde, da die Monarchie für unser Staatswesen, für unser Fürstentum Liechtenstein, die beste Form ist, davon bin ich überzeugt. Schlussendlich ist jedoch dieser Artikel nichts Schlechtes, da die Entscheidung über die Staatsform dem Volk in die Hände gegeben wird. Das Volk über die gewünschte Staatsform entscheiden lassen zu können, kann als Ausbau der demokratischen Rechte gewertet werden. Aber wie gesagt: Ich forciere diesen Artikel nicht unbedingt.
Abg. Adrian Hasler:
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren. Zuerst auch zum Votum des Abg. Paul Vogt: Der Verweis auf Günter Winkler löst bei mir doch eine gewisse Verwunderung aus. Das muss ich also auch von meiner Seite sagen. Dann zum Art. 112 selbst: Ich spreche mich grundsätzlich auch gegen eine Beseitigung dieses Artikels aus. Ohne diesen Art. 112 fehlt eine unabhängige an die Verfassung gebundene Instanz, welche Verfassungsdifferenzen verbindlich auflöst. Zum neuen Art. 112, dem Misstrauensantrag gegen den Fürsten, habe ich mich in der Eintretensdebatte schon geäussert. Es wurde heute auch schon ausführlich behandelt. Für mich heisst es im Klartext, dass das Volk in dieser Frage eben keine Entscheidungskompetenz hat. Und das ist für mich so nicht optimal.
Abg. Helmut Konrad:
Ich möchte nur ganz kurz etwas zum Abg. Peter Sprenger sagen, seine Replik auf den Abg. Markus Büchel, auf dessen Hinweis in Bezug auf die neue Möglichkeit, die der Art. 112 ermöglicht, eben den Misstrauensantrag oder die Monarchieabschaffung, und dass Sie dem dann entgegnen, dass das heute schon mit Art. 111 Abs. 2 möglich sei: Ich stimme mit Ihrer Antwort nicht überein. Ich denke, der Abg. Beck hat in seinem Votum das zum Ausdruck gebracht, dass der Art. 111 Abs. 2 nicht diese Möglichkeit der Legalabschaffung der Monarchie ermöglicht, wie das der Art. 112bis oder bei diesem Artikel der Fall ist. Ich bräuchte ihn auch nicht. Der Abg. Vogt hat gesagt, das ist eine Idee, das ist etwas, das der Landesfürst möchte, um quasi der Monarchie eine demokratische passive Legitimation zu geben. Von daher ist es eine Möglichkeit mit allen Einschränkungen. Und ich habe auch Mühe mit der Art und Weise, wie das dann im weiteren Ablauf geregelt ist. Ich sehe die Praktikabilität der Bestimmung von Art. 112 und Art. 112bis in dieser Form auch nicht. Aber ich denke - das kann man nicht wegdiskutieren - es ist eine Möglichkeit, auf legale Art und Weise ohne Verhinderungsmöglichkeit des Landesfürsten die Monarchie als Staatsform abzuschaffen. Noch einmal: Ich denke, das ist aufgrund von Art. 111 Abs. 2 nicht möglich.
Abg. Markus Büchel:
Herr Abg. Sprenger: Wenn Sie zwei Tage lang in dieser Debatte dem regierenden Fürsten Bösartigkeit und Böswilligkeit permanent in diesem Hause unterstellen und Szenarien heraufbeschwören, dann ist das Ihre Meinung, das steht Ihnen zu, jeder kann davon halten was er will. Wenn jemand sich aber erlaubt, eine andere Meinung zu haben, dann sagen Sie: Dieser jemand ist einfach bedingungslos für die Ansichten des Fürsten oder der Regierung. Ich stehe trotzdem zu meiner Meinung, mögen Sie davon halten, was Sie wollen.Abg. Paul Vogt:
Ich möchte nur noch einmal klarstellen, dass ich den Gutachter Prof. Günther Winkler, der ja bekanntlich im Auftrag des Fürsten schrieb und dessen Auffassung auch durchgehend rechtfertigte, nur deshalb erwähnte, weil Günther Winkler bestätigt, dass sich der Staatsgerichtshof sehr grosse politische Zurückhaltung auferlegt. Der Staatsgerichtshof wurde in der Vergangenheit nicht zum Gesetzgeber, und ich denke, er wird auch in Zukunft sehr zurückhaltend von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Also, das Argument, dass der Staatsgerichtshof sich als Gesetzgeber betätige, ist nicht haltbar.Ich möchte noch einen zusätzlichen Aspekt aufbringen, der mir wichtig ist, und zwar geht es darum, dass man die kombinierte Wirkung der verschiedenen Verfassungsänderungen vorhersieht. Wenn man hier diesen Art. 112 streicht, und damit einen Konfliktlösungsmechanismus aus der Verfassung herausnimmt, dann steigt die Gefahr, dass man Notrecht ausrufen muss, dass man zum Notrecht greift, um eine innenpolitische Krise zu bewältigen. Und ich denke, da sollten wir entgegenwirken.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn es vorerst keine Wortmeldungen mehr aus dem Plenum gibt, dann möchte ich noch kurz Stellung nehmen zu den Aussagen des Landtagsvizepräsidenten Peter Wolff zu meinen Ausführungen: In meinem Eintretensvotum von zwei Tagen betreffend «Mauerblümchendasein» und betreffend «rechtsfortbildende Kompetenz des Staatsgerichtshofes». Ich habe das Wort «Mauerblümchen» gebraucht, das trifft zu. Meine Aussage «Mauerblümchen» war sicher nicht bezogen auf Art. 112 despektierlich gemeint. Meine Aussage bezog sich auf die vergangenen 80 Jahre und lautete wie folgt, ich zitiere: «Art. 112 der Verfassung von 1921, der die Kompetenz des Staatsgerichtshofes enthält, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Verfassung auszulegen, ist bis zum heutigen Tag, also 80 Jahre lang, nie angerufen worden. Dieser Verfassungsartikel führte ein Mauerblümchendasein, bis er vor zirka 6 Jahren aufgrund eines von Dr. Herbert Wille gehaltenen wissenschaftlichen Vortrags plötzlich Aufmerksamkeit auf sich zog. Von diesem Zeitpunkt an war der Art. 112 der Verfassung Gegenstand von Gutachten und Beiträgen in der juristischen Literatur und schliesslich auch Thema der Verfassungsdiskussion zwischen dem Fürsten und dem Landtag». Dies zu meinen Ausführungen von vor zwei Tagen. Dann noch kurz meine Stellungnahme zu Ihrer Aussage betreffend mein Votum in Sachen «rechtsfortbildende Kompetenz des Staatsgerichtshofes». Ich habe in meinem Eintretensvotum Folgendes gesagt: «Gemäss Art. 111 Abs. 2 der Verfassung ist eine allgemeinverbindliche Verfassungsinterpretation dem Verfassungsgesetzgeber und somit dem Landtag bzw. dem Volk und dem Fürsten vorbehalten. Einer Entscheidung des Staatsgerichtshofes über die Auslegung der Verfassung gemäss Art. 112 kommt ebenfalls allgemein verbindliche Wirkung zu. Damit steht diese rechtsfortbildende Kompetenz des Staatsgerichtshofes im Konflikt mit der Zuständigkeit des Verfassungsgesetzgebers» usw.
Abg. Peter Sprenger:
Eine kurze Replik zum Kollegen Büchel: Sie haben mehr oder weniger gesagt, dass sich meine Voten in den letzten zwei Tagen ausschliesslich damit befasst hätten, unserem Staatsoberhaupt Böswilligkeit und Gott was alles noch zu unterstellen. Ich denke, das wird meinen Voten und meiner Tätigkeit in diesem Hohen Hause nicht ganz gerecht.
Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Es wurde in der Debatte sowohl Art. 112, das Aufheben des Art. 112, und Art. 112bis diskutiert. Ich finde das auch richtig und angemessen, weil diese Artikel ja zusammenhängen. Zum Art. 112bis: Durch die vorgeschlagene Neuerung des Art. 112bis soll klargestellt werden, dass sich die Staats- und Regierungsform der konstitutionellen Erbmonarchie und die Trägerschaft der Staatsgewalt durch den Fürsten auf eine Verfassung gründen, die letztlich vom Willen des Volkes getragen ist. Das sagt übrigens auch Prof. Rhinow, indem er dazu Stellung nimmt und schreibt, dass ihm der Verzicht des Fürsten auf sein Vetorecht im Bereich der Abschaffung der Erbmonarchie als demokratischer Fortschritt erscheint, weil er dadurch den Vorrang der Volkssouveränität ausdrücklich anerkenne. Natürlich ist dies ein Artikel, der nur in letzter Konsequenz spielt, und natürlich ist das nicht ein Artikel, der als Konfliktlösungsmechanismus gesehen werden kann. Denn wenn dieser Artikel angerufen wird, wenn dieses Verfahren in Gang gesetzt wird, dann geht es darum, die Staatsform zu wechseln, die Staatsform der Monarchie abzuschaffen. Sicher kann man sich darüber mit gutem Recht streiten, welches Verfahren hier dann gewählt werden müsste, ob das hier zu kompliziert, ob das hier zu lang ist. Aber im Grundsatz bedeutet es, dass hier das Sanktionserfordernis des Landesfürsten nicht mehr erforderlich ist. Und insoweit ist es natürlich nicht die gleiche Vorschrift, wie sie heute in Art. 111 Abs. 2 steht. Nach heutigem Recht Art. 111 Abs. 2 braucht es für eine Verfassungsänderung - welcher Art auch immer - die Gegenzeichnung, die Sanktion des Landesfürsten. Mit Recht wurde auch zu Art. 112, so wie er hier vorgeschlagen wird, gesagt, dass dieser Art. 112 demokratiepolitisch kein wesentlicher Fortschritt ist. Es handelt sich hier um einen Misstrauensantrag gegen den Landesfürsten, und dieser Misstrauensantrag wird dann zur Behandlung nach dem Hausgesetz dem Fürstenhaus mitgeteilt. Es ist also nachher das Fürstenhaus dafür zuständig, zu entscheiden, ob diesem Misstrauensantrag gefolgt werden soll und der Landesfürst dann dementsprechend seines Amtes auch enthoben werden soll. Also, es ist ganz klar, es ist hier nicht in dem Sinne ein demokratischer Fortschritt, weil ja die Volksabstimmung eigentlich nur als Antrag zu verstehen ist. Es soll hier einfach zwischen der Person des Monarchen und der Monarchie unterschieden werden und es soll hier quasi ein Angebot gemacht werden, dass dann über einen solchen Misstrauensantrag gemäss Hausgesetz entschieden wird. Was den Art. 112 heute, den Art. bezüglich Auslegungskompetenz des Staatsgerichtshofes betrifft, wenn Zweifel entstehen und nicht durch Übereinkunft zwischen der Regierung und dem Landtag beseitigt werden können, so ist hier zu sagen, dass genau dieser Artikel zu verschiedensten Auseinandersetzungen geführt hat, dass dieser Artikel nicht gleich interpretiert wird von der Seite des einen Trägers der Staatsgewalt, des Landesfürsten, wie von verschiedenen Gutachtern, wie von verschiedenen Wissenschaftlern, die hier ihren Nachweis führen, dass unter dem Begriff «Regierung» eben der Landesfürst zu verstehen ist. Und wenn hier nicht beide Verfassungsquellen, also auf der einen Seite der Landesfürst und auf der anderen Seite der Landtag, wenn hier nicht beide Verfassungsquellen diesen entscheidenden Artikel gleich interpretieren, so wird dieser Artikel auch nicht die Kraft entwickeln können, die er durchaus haben kann. Denn an und für sich ist es wünschenswert - und das habe ich eigentlich auch immer vertreten - es ist wünschenswert, wenn in einem dualen System ein Konfliktlösungsmechanismus, ein Streitbeilegungsverfahren gefunden wird. Aber dieser Artikel ist auch in der Vergangenheit sehr unterschiedlich interpretiert worden. Ich erinnere mich noch an die Lesung des Staatsgerichtshofgesetzes, wie das verabschiedet wurde. Es hatte damals auch der damalige Landtagspräsident doch seinen starken Zweifel daran, ob hier unter dem Begriff «Regierung» Landesfürst zu verstehen sei. Und so wurde dieser Artikel immer wieder unterschiedlich interpretiert. Der Landesfürst als Staatsoberhaupt, als eines der höchsten Staatsorgane, untersteht den Bestimmungen dieser Verfassung, und es ist für mich auch klar und selbstverständlich, dass seine Handlungen, die er als Staatsoberhaupt setzt und die zum Beispiel Personen, Bürgerinnen und Bürger betreffen, und zwar dermassen, dass sie sich in ihren verfassungsmässigen Rechten verletzt fühlen, dann muss hier der innerstaatliche Rechtsweg offen sein. Also, hier untersteht der Landesfürst als Staatsoberhaupt, als Staatsorgan, der Gerichtsbarkeit des Staatsgerichtshofes. Wenn wir hier über diese Regierungsvorlage beraten, dann muss das auch immer wieder gesagt werden: Das ist der Ausfluss der Gespräche, der Ausfluss der Verhandlungen mit dem Landesfürsten, und heute ist der Landtag, der Landtag als Vertreter des anderen Trägers der Staatsgewalt an der Reihe, und heute äussert sich der Landtag zu dieser Vorlage und dementsprechend muss nachher hier auch weiter daran gearbeitet werden. Die Regierung ist deshalb zur Überzeugung gelangt, dass erstens einmal mit dem Art. 112bis hier auch ein demokratischer Fortschritt erzielt wurde, ein Fortschritt dergestalt, dass letztlich das Volk darüber entscheidet, und zwar ohne Sanktionserfordernis des Fürsten, wenn es darum geht, die Staatsform zu wechseln. Dann bin ich noch der Abg. Frau Laternser eine Antwort schuldig: Diese Antwort habe ich das letzte Mal schon vergessen. Sie haben mich darauf angesprochen auf Seite 31 des Berichts und Antrags. Und hier steht Art. 112 und Art. 112bis Regierungsvorlage eröffnen dem Volk die Möglichkeit usw. Also, der Art. 112bis ist hier natürlich sehr wesentlich. Art. 112, das ist ein Antragsrecht und nicht mehr und nicht weniger. Der Landtagsvizepräsident hat dann auch noch nach Art. 106 gefragt, warum dass dieser Artikel aufgehoben wurde. In Art. 106 steht ausdrücklich: «Die Mitglieder des Staatsgerichtshofes stehen unter dem Schutze der richterlichen Unabhängigkeit». Dieser Artikel wurde nicht mehr als notwendig befunden, weil in Art. 99 Abs. 2 auch ausdrücklich steht, dass die Richter in der Ausübung ihres Richteramtes innerhalb der gesetzlichen Grenzen ihrer Wirksamkeit und im gerichtlichen Verfahren unabhängig sind. Da ist also eigentlich die Unabhängigkeit der Richter stipuliert, und darunter ist auch die Unabhängigkeit der Richter des Staatsgerichtshofes zu verstehen. Wenn wir auf den heutigen Art. 112 zurückkommen, grundsätzlich stellt sich in unserer Verfassung natürlich immer wieder die Frage, wenn oberste Staatsorgane einzelne Bestimmungen der Verfassung nicht gleich interpretieren, ob hier nicht der Zwang besteht, dass dieser Prozess, nämlich die Verfassung zu interpretieren und hier Einigung zu erzielen, ob dieser Prozess letztlich nicht ein politischer Prozess ist, der dann von diesen Organen auch geleistet werden muss.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Ich möchte einerseits nur darauf hinweisen, Herr Regierungschef, dass Art. 99 zum Kapitel «Über die Rechtspflege» gehört und damit nur die ordentlichen Gerichte betrifft und nicht die Richter am Staatsgerichtshof. Und andererseits, was Sie offenbar übersehen haben, dass Sie in Ihrer Vorlage genau diesen Satz aus Art. 99, den Sie da zitiert haben - Entschuldigung, das war jetzt falsch. Ich verweise auf das, was ich gesagt habe. Es ist ein Artikel, der zum Kapitel über die Rechtspflege und damit über die ordentlichen Gerichte gehört «D: Rechtspflege», während der Staatsgerichtshof ein eigenes Kapitel in der Verfassung darstellt und damit auch, wie ich meine, so wie bisher und wie auch - um es noch einmal zu sagen - wie auch im Rahmen sämtlicher fürstlicher Verfassungsänderungsvorschläge die Beibehaltung der eigenen Unabhängigkeitsbestimmung in Art. 106 gerechtfertigt ist.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Es wurde jetzt immer wieder die alte bestehende gültige Verfassung von Art. 112 in den Vordergrund gestellt. Ich habe es in meinem Eintretensvotum gesagt: Selbst wenn der Art. 112 der Verfassung in Geltung bliebe, wäre nach meiner Ansicht noch nichts gewonnen, weil wie jetzt diskutiert und wie auch der Regierungschef ausgeführt hat, weil die Bedeutung dieses Artikels im Einzelnen heftig umstritten ist. Und wie bereits erwähnt, steht nun im Zentrum der Auseinandersetzung die Bedeutung des Begriffs «Regierung». Während einige die Ansicht vertreten, «Regierung» nach Art. 112 der Verfassung schliesse den Landesfürsten mit ein, vertreten andere Autoren und Gutachter - und der Herr Regierungschef hat es ja gesagt, dass auch der frühere Landtagspräsident, ich weiss jetzt nicht, wer das war.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Karlheinz Ritter.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Karlheinz Ritter die Ansicht vertreten hat, die der Landesfürst selber in dem Fall vertritt. Und wenn man das jetzt subsumiert, dann kommt man doch zwangsläufig zum Schluss - und das scheint mir unabdingbar zu sein: Ohne Konsens in dieser Frage zwischen dem Fürsten und dem Landtag ist Art. 112 der Verfassung nach meiner Ansicht somit nicht operabel. Das habe ich schon in meinem Eintrittsvotum gesagt und das möchte ich hier in aller Deutlichkeit nochmals wiederholen.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Ich wollte nur zu Ihrem letzten Satz etwas sagen, Herr Präsident. Sie sagen, ohne Einigung über die Bedeutung des Wortes «Regierung» sei dieser Artikel nicht operabel. Das stimmt meiner Meinung nach schon nicht ganz. Erstens ist er dann operabel und war er immer operabel, wenn man einen Konfliktfall zwischen Regierung und Landtag heranzieht, zwischen der Kollegialregierung und dem Landtag als Anlassfall für die Anrufung des Staatsgerichtshofes zur Entscheidung über Zweifel bei der Auslegung von Verfassungsbestimmungen, und im Übrigen ist es letztlich natürlich nach der heute gültigen Verfassung Sache des Staatsgerichtshofes, wenn er angerufen würde in Anwendung von Art. 112 zu entscheiden, wie dieser Artikel auszulegen sei. Daher kann man nicht von vornherein sagen, er sei nicht operabel.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Aber im Kernproblem der Auseinandersetzungen und in der Deutung des Art. 112 ist und bleibt er dann schlussendlich halt eben nicht operabel. Ich gehe mit Ihnen einig, dass das nicht grundsätzlich für den Staatsgerichtshof allgemein gilt, aber in diesem Kernproblem ist er nicht operabel, weil kein Konsens zwischen dem Fürsten und dem Landtag beispielsweise in Art. 112 der Verfassung von 1921 besteht. Abg. Paul Vogt:
Ich stimme Ihrer Meinung nicht zu, Herr Landtagspräsident. Darüber wird der Staatsgerichtshof entscheiden, ob dieser Artikel anwendbar ist in einem Konfliktfall oder nicht. Ich denke, wir können hier die Entscheidung des Staatsgerichtshofes nicht vorwegnehmen. Wenn der Staatsgerichtshof entscheidet, dass dieser Artikel anwendbar ist, dann gilt er selbstverständlich auch für den Fürsten, weil dann die entsprechende Entscheidung allgemeinverbindlich ist.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Die Anfrage an den Staatsgerichtshof und die Antwort diesbezüglich scheint bekannt zu sein.Abg. Paul Vogt:
Die Antwort ist bekannt, Herr Landtagspräsident. Der Staatsgerichtshof ist nicht auf die Materie eingetreten, in der Sache hat er aber im Sinne von Herbert Wille entschieden oder Stellung bezogen. Ich kann nicht sagen entschieden. Ich möchte mich hier nicht weiter darüber äussern.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Aber es muss festgehalten werden, dass der Staatsgerichtshof auf diese Frage keinen Entscheid gefällt hat. Das möchte ich auch festhalten.
Abg. Peter Sprenger:
Und ich möchte festhalten, dass es ja nicht ausgeschlossen ist, dass der Landtag oder wer immer diese Frage dem Staatsgerichtshof noch einmal unterbreitet, und dass es dann durchaus möglich ist, dass es dann zu einer Entscheidung kommt. Also, so einfach dürfen wir es uns nicht machen.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Meiner Meinung nach ist das ein Missverständnis von Ihnen, Herr Präsident. Wir haben, der Landtag hat im Jahr 1996 den Staatsgerichtshof um die Erstattung eines Gutachtens ersucht, unter anderem zu dieser Frage, die hier von Ihnen angesprochen wird. Der Staatsgerichtshof hat gesagt, er fühle sich generell nicht befugt, Gutachten zu erstatten aus bestimmten Gründen, die dort in dem Beschluss drinnen stehen. Einen Anlassfall von Art. 112, der den Staatsgerichtshof dann gezwungen hätte, zu der hier behandelten Frage Stellung zu nehmen, hat es damals nicht gegeben. Daher kann sein damaliger Beschluss, mit dem das Gesuch des Landtages um Erstattung eines Gutachtens abgewiesen wurde, auch nicht als Beleg dafür herhalten, dass die Bestimmung als solche nicht operabel sei.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Ich möchte Ihnen noch mitteilen, dass der Abg. Elmar Kindle durch den stellvertretenden Abg. Christian Brunhart in der restlichen Debatte vertreten ist. Wenn es keine Wortmeldungen mehr gibt, dann können wir weiterlesen. Art. 112 bis wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 112bis steht zur Diskussion.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich komme mir ein wenig wie ein Spätberufener vor, nachdem ich jetzt erst zu Art. 112bis Stellung nehme. Aber ich habe es mir angewohnt, dann Stellung zu nehmen, wenn der betreffende Artikel auch verlesen wird. Der Rest des Hauses unter Einschluss der Regierung hat schon vorher zum Art. 112bis Stellung genommen. Der Art. 112bis mit der Möglichkeit einer Monarchieabschaffungs-Initiative wird von den Befürwortern des ganzen Pakets als einer der Hauptvorteile zur Stärkung des demokratischen Elements in diesem Land angeführt, da das Volk nunmehr die Möglichkeit erhalten soll, ohne Zustimmung des Fürsten die Staatsform als solche zu ändern. Ich glaube, dass dies aus im Wesentlichen zwei Gründen wenig geeignet ist, Euphorie hervorzurufen. Einerseits deshalb, weil dies eine Bestimmung ist, die eine Art Keim der Auflösung in sich birgt, nämlich nicht der Bestimmung selbst, sondern der Verfassung, der Monarchie, der Staatsform, wenn nicht des Staates als solcher, und zweitens deshalb, weil sie von der Gesetzgebungstechnik, vom Inhalt her, aus verschiedener Hinsicht äussert kompliziert, schwer verständlich und kaum praktikabel formuliert ist. Es ist eine Tendenz, die verschiedentlich bei diesem Verfassungsänderungsvorschlag und generell in den Diskussionen darüber immer vorkommt. In verschiedener Hinsicht wird das Heil in Bestimmungen gesucht, die einen totalen Bruch provozieren sollen, die darin die Lösung sehen wollen, dass man auseinander geht. Wenn man sich nicht einigen kann, dann muss geschieden sein, dann auseinander, man will nichts mehr voneinander wissen. Das ist eigentlich das Gegenteil von der Haupttendenz der bisherigen Verfassung, die immer dort, wo Entscheidungen fallen sollen, das Zusammenwirken - in gewisser Hinsicht vielleicht in schwierigen Fällen das Zusammenraufen - der wichtigen entscheidungsbefugten Staatsorgane postuliert. Anders dieser Entwurf, angefangen schon mit den Artikeln 1 und 4. Dort wird nicht von Solidarität und von unzerteilbarem und unveräusserlichem Ganzen gesprochen, nein, man spricht von Freiwilligkeit, man sagt den Gemeinden quasi mit dem Holzhammer: Wenn ihr wollt, dann könnt ihr jederzeit gehen, auf Wiedersehen, wir brauchen euch nicht mehr, wenn es euch nicht mehr interessiert - etwas überspitzt ausgedrückt, ich weiss. Und ähnlich ist es auch hier. Es wird geradezu suggeriert: Wer will, soll doch bitte Unterschriften sammeln, um eine Monarchieabschaffungs-Initiative einzureichen. Und leider, muss ich dazu sagen, ist es auch eine Tendenz Seiner Durchlaucht des Landesfürsten, bei jeder Diskussion - wir von der Verfassungskommission haben das nun wahrlich oft genug erlebt - bei jeder Diskussion über andere Bestimmungen, wo es um die Einräumung schwerwiegender Kompetenzen an das Staatsoberhaupt ging und eingewandt wurde, da müsse man sich doch vorsehen, da müsse man doch Kontrollmöglichkeiten einschalten, wurde oft und oft von Seiner Durchlaucht dem Landesfürsten argumentiert: Das mache doch nichts. Wenn ein Landesfürst einmal diese oder jene Kompetenz missbrauchen sollte oder man diese Gefahr sehen sollte, dann gebe es doch das Misstrauensvotum, dann gebe es doch die Monarchieabschaffungs-Initiative. Somit wieder die Tendenz: Totaler Bruch, totale Trennung, Monarchieabschaffung, das Unterste zuoberst kehren, nur weil man mit irgendeinem Vorgehen in irgendeiner Sache nicht einverstanden ist. Das kann es doch nicht sein, meine Damen und Herren Kollegen, meine Herren von der Regierung, das kann doch nicht der Sinn einer Verfassungsänderung, einer Verfassungsverbesserung sein, wie wir doch annehmen, dass alle wir das wollen, den Keim der Auflösung in diese Verfassung zu senden. Aus diesen Gründen, die mit etwas anderen Worten, aber ich glaube, mit derselben Geisteshaltung schon im Juni 1993 vom Landtag vertreten worden sind, halte ich es für eine äusserst unglückliche Idee, generell eine Monarchieabschaffungs-Initiative in die Verfassung einer Monarchie wie bei uns zu integrieren. Der zweite Punkt - nicht von dieser Bedeutung, aber doch bemerkenswert - ist die Art und Weise, wie diese angeblich so demokratie-stützende und demokratische Rechte verstärkende Initiativ-Möglichkeit ausgestaltet sein soll. Mir ist beim Studium dieser Bestimmung, die bemerkenswerter Weise seit dem Herbst 1993 völlig unverändert geblieben ist - vieles andere hat sich ja verändert in der Zwischenzeit - der lateinische Spruch, einer der wenigen, der mir aus dem Latein-Unterricht im Gymnasium in Erinnerung geblieben ist, eingefallen: difficile est satiram non scribere. Diese Monarchieabschaffungs-Initiative ist so eigenartig, so demokratiefeindlich - was die repräsentative Demokratie betrifft - ausgestaltet, dass man ohne bösartig zu sein, ohne etwas unterstellen zu wollen, auf die Idee kommen könnte, eigentlich sei sie absichtlich so formuliert, damit sie ja nie wirklich wahrgenommen und durchgeführt werden kann. Es fängt damit an, dass nicht etwa dem Landtag, dem primären Gesetzgebungsorgan, im Rahmen seiner üblichen Initiativrechte gemäss Art. 64 die Möglichkeit zukommen soll, eine solche Initiative zu lancieren, sondern nur dem Volk unter den Bedingungen der Verfassungsinitiative, das heisst mit mindestens 1'500 Unterschriften, die dann dem Namen und der Adresse nach bekannt sind und beglaubigt werden müssen. Es setzt sich damit fort, dass der Landtag, der unter Umständen überhaupt nicht diese Monarchieabschaffungs-Tendenzen aufweist, gezwungen werden soll - gezwungen wohlgemerkt, ob er will oder nicht gemäss diesem Wortlaut - wenn eine solche Initiative im Volk eine Mehrheit findet, eine republikanische Grundlage für eine neue Verfassung zu akzeptieren. Das ist ein einmaliger Vorgang, dass der Landtag, der doch auf freier Willensbildung beruht, der aus 25 Abgeordneten besteht, die ein freies Mandat haben, wie es an anderer Stelle der Verfassung heisst, die nach bestem Wissen und Gewissen das beschliessen sollen, was sie für richtig halten im Interesse des Landes und des Volkes, die sollen gezwungen werden bei Eintreffen dieser Voraussetzungen eine neue Verfassung auf republikanischer Grundlage auszuarbeiten. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was soll eigentlich passieren, wenn der dannzumalige Landtag sagt: Das wollen wir nicht, wir wollen überhaupt keine Republik. Was passiert dann? Dann ist die totale Blockade da, diese Bestimmung ist völlig inoperabel. Wenn nämlich der Landtag nicht mitspielt, kann man das gar nicht durchführen. Man sollte nicht Bestimmungen einführen - jetzt nur rein legislatorisch, von der Praktikabilität, von der Durchführbarkeit betrachtet - die schon von vornherein den Keim des Problems, den Keim der verfassungsrechtlichen Blockade in sich tragen. Das ist hier hundertprozentig der Fall. Dazu kommt als nächstes Paradoxon, dass zwar der Landtag, ob er will oder nicht, gezwungen werden soll, dann eine Verfassung auf republikanischer Grundlage auszuarbeiten und diese dann dem Volk zur allfälligen Zustimmung vorzulegen, dass aber der Landesfürst, der ja eigentlich über die in jenem Zeitpunkt bereits durchgeführte Abstimmung mit der Zielrichtung Abschaffung der Monarchie bereits total desavouiert ist, da ja das Volk in dem Zeitpunkt bereits entschieden hat, wir wollen keine Monarchie mehr, der Landesfürst soll im Gegensatz zum Landtag sehr wohl das Recht bekommen, jede Art von Verfassung, von neuer Verfassung, von bisheriger Verfassung, was auch immer, dem Volk bei der zweiten Abstimmung, die dann zu folgen hat, als Alternative vorzulegen. Das ist eine sachlich durch nichts zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen Landtag und Fürst anlässlich der hier vorzunehmenden zweiten Abstimmung. Als Tüpfchen auf dem «i» kommt dann der zweite Absatz, der so komplizierte und so verwirrende Vorschriften enthält, dass eine durchschnittliche Bevölkerung - und unsere Bevölkerung ist naturgemäss diesbezüglich genau so durchschnittlich wie jede andere Bevölkerung in einem westlich relativ hoch entwickelten demokratischen Staatswesen - bei dieser Art der Stimmgebung, der Stimmmöglichkeit, wie sie hier im Abs. 2 umschrieben wird, völlig durcheinander kommt und von diesem Abstimmungs-Tohuwabohu, das hier stattfinden müsste, wenn man sich anhand dieser Vorschriften orientiert, völlig den Glauben an die Rechtsstaatlichkeit und an die Sinnhaftigkeit einer solchen Demokratie verlieren müsste. Ich kann daher nur an Sie appellieren: Geben sie einem solchen Unsinn, legislatorischen Unsinn, der diese Bestimmung neben den grundsätzlichen Erwägungen, die ich am Anfang erwähnt habe, nicht Ihre Zustimmung. Es wäre meiner Meinung nach ein schwerer Fehler und sehr zum Nachteil, nicht nur der Verfassungsurkunde, die damit stark entwertet würde, sondern auch unseres Staates und nicht zuletzt unserer Monarchie. Abg. Paul Vogt:
Ich werde diesem Artikel sicher auch nie zustimmen, obwohl ich nichts grundsätzlich gegen eine Möglichkeit zur Abschaffung der Monarchie habe. Wenn man das will und wenn man das in der Verfassung verankert haben will, dann kann man das viel einfacher haben, dann kann man einfach die Notwendigkeit der Sanktion für diesen Fall aufheben. Meines Erachtens ist es aber auch heute schon möglich, die Monarchie aufgrund einer Initiative abzuschaffen. Wenn das Volk einer Monarchieabschaffung zustimmen sollte, dann wäre es faktisch so, dass sich die Monarchie sicher nicht halten kann. Es ist für mich undenkbar, dass sich das Volk gegen die Monarchie ausspricht und dann der Landesfürst trotzdem Staatsoberhaupt bleibt. Das ist einfach faktisch und politisch aus meiner Sicht nicht denkbar. Der Landtagsvizepräsident hat auch auf das nicht praktikable Verfahren hingewiesen, das brauche ich nicht mehr zu wiederholen. Was ich aber noch ausführen möchte, ist die Idee, die dahintersteckt, dass damit dem Grundsatz der Volkssouveränität in letzter Konsequenz zum Durchbruch verholfen werde. Ich möchte mich gegen diese Auffassung wenden. Solange das Sanktionsrecht in der heutigen Form in der Verfassung erhalten bleibt, kommt die Volkssouveränität nicht zur Verwirklichung. Dann braucht es immer das Zusammenwirken von Fürst und Landtag bzw. Volk. Das Volk hat dann immer nur beschränkt die Möglichkeit zu wählen. Es hat nur beschränkt die Möglichkeit, seine Gesetzgebung frei zu gestalten. Wenn der Fürst auf sein Sanktionsrecht verzichtet bzw. wenn er durch eine Volksabstimmung überstimmt werden kann, erst dann hat das Volk wirklich die Möglichkeit, aus der ganzen Breite von Möglichkeiten frei zu wählen, seine Gesetzgebung und seinen Willen so zu gestalten, wie es wirklich will.
Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Zuerst zu einer grundsätzlichen Ausführung des Landtagsvizepräsidenten, dass der Verfassungsentwurf so wie er hier vorliegt immer wieder letztlich auf das Trennende hinausgeht, auf Lösungen, die auf das Auseinandergehen hinauslaufen. Dazu einfach Folgendes: In Art. 1 steht: «Die Mitgliedschaft im Fürstentum Liechtenstein beruht auf Freiwilligkeit». Aber ebenfalls steht darin: «Das Fürstentum Liechtenstein soll den innerhalb seiner Grenzen lebenden Menschen dazu dienen, in Freiheit und Frieden miteinander zu leben». Also, es wird hier natürlich nicht nur das Trennende gesagt, sondern es wird hier auch das Verbindende formuliert. Aber es wird letztlich im Art. 1 ausgesagt, dass es eine Möglichkeit des Austritts gibt. Wenn wir Art. 112bis anschauen, dann ist es natürlich so, dass dieser Art. 112bis dann zur Wirkung kommt, wenn es tatsächlich im Staat eine schwere Krise gibt, denn vorher wird man ja nicht über die Abschaffung der Staatsform ernsthaft nachdenken bzw. über den Wechsel der Staatsform eine Initiative ergreifen. Was nachher den Vorgang betrifft wurde hier ausgeführt, das ist tatsächlich ein sehr langwieriger, ein sehr komplizierter Vorgang, auch unter Bedachtnahme, dass es sich hier um eine sehr existenzielle Frage handelt, das heisst, zuerst kommt es zu einer Initiative oder muss es zu einer Initiative des Volkes kommen. Wenn diese Initiative angenommen wird - so steht hier in der Verfassungsvorlage - habe der Landtag eine neue Verfassung auf republikanischer Grundlage auszuarbeiten, und wenn das Verfassungsrecht werden soll, dann ist der Landtag natürlich auch an diese Verfassung gebunden. Danach wird dem Fürsten das Recht zugesprochen, wenn eine solche Vorlage vorliegt, dass dann auch der andere Träger der Staatsgewalt seine Vorstellung noch einmal vorbringen kann, und dass dann darüber abzustimmen ist. Man muss dieses Verfahren sicher als sehr kompliziert darstellen. Es ist ein Verfahren, das ja auch über mehr als ein Jahr geht. Letztlich aber wird das Volk dann die Möglichkeit haben, über die Staatsform abzustimmen. Ich meine schon, dass auch der Abs. 2 durchaus verständlich ist, wenn man ihn hier liest. Es braucht dann zwei Abstimmungen, wenn es mehrere Vorschläge gibt, eine Abstimmung, wenn zwei Vorschläge dann in der abschliessenden Abstimmung vorliegen werden. Und da meine ich schon, dass das da klar geregelt ist. Wie gesagt: Das ganze Verfahren ist sehr kompliziert angelegt - das sei hier zugestanden. Abg. Ivo Klein:
Herr Regierungschef: Dürfte ich von Ihnen noch erfahren, wieso gegebenenfalls eine neue Verfassung auf eine republikanische Fassung beschränkt ist?
Regierungschef Otmar Hasler:
Das ergibt sich eigentlich daraus: Wenn man die Monarchie abschaffen will, dann wird es zwangsweise eine republikanische Grundlage sein.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Muss der Landesfürst dann genauso zwangsweise auch eine republikanische Fassung vorlegen?
Regierungschef Otmar Hasler:
So wie der Verfassungstext hier vorliegt: Nein. Dann muss man darüber mit ihm noch einmal in Verhandlung treten. Abg. Ivo Klein:
Aber ich würde hier schon sagen: Wir wissen ja nicht, wann das einmal der Fall sein wird, wie die Zeiten dann sind. Und eine solche Einschränkung in der Verfassung jetzt schon festzuschreiben? Also, hier würde ich das den beiden Trägern der Staatsgewalt offen lassen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn es keine weiteren Wortmeldungen mehr gibt, können wir weiterlesen.Art. 114 Abs. 3 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 114 Abs. 3 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
II. wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
II. steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
III. wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
III. steht zur Diskussion. Ich gehe davon aus, dass es heissen muss: «Dieses Verfassungsgesetz tritt am Tage der Kundmachung in Kraft». Ich möchte aber noch die Regierung fragen.
Regierungschef Otmar Hasler:
Richtig.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Zustimmung seitens der Regierung. Damit haben wir die 1. Lesung dieser Gesetzesvorlage behandelt. Gibt es weitere Wortmeldungen?
Abg. Helmut Konrad:
Ich habe eingangs der Diskussion über diesen Bericht und Antrag die Anregung gemacht, allenfalls eine Kommission einzusetzen. Die Eintretensdebatte und die Detailberatung im Rahmen der 1. Lesung des Berichts und Antrags haben mich eigentlich in dieser Ansicht bestärkt, dass es sinnvoll, ja eigentlich notwendig ist, dass der Landtag diese Kommission einsetzt. Ich möchte deshalb nach Art. 55 der Geschäftsordnung des Landtages Antrag stellen, eine Kommission zur Beratung dieses Verhandlungsgegenstandes einzusetzen. Ich habe eingangs der Debatte auch schon gesagt, in welche Richtung ich es sehe. Ich möchte das einfach nur noch ganz kurz wiederholen. Es sind verschiedene Anregungen gemacht worden, zum Beispiel auch ist immer wieder die Frage nach dem Verbleib bei der Verfassung von 1921 gestellt worden, und es ist auch verschiedentlich und sehr breit, meine ich, die Zielsetzung zum Ausdruck gekommen, dass man einen Bericht und Antrag für die 2. Lesung erarbeiten sollte oder eine Vorlage vorliegen haben sollte, die möglicherweise von beiden Trägern der Staatsgewalt eine grössere Zustimmung habe. Dazu braucht es den Fürsten. Ich denke aber, dass es auch sinnvoll und gut wäre, eine breitere und breite Zustimmung innerhalb des zweiten Souveräns, des zweiten Trägers der Staatsgewalt - in dem Moment vor einer Volksabstimmung ist es der Landtag - zu haben. Und um das mit dem Fürsten im Sinne dieser Debatte und bezogen auf einzelne Artikel, die vor allem diskutiert wurden, dass wir dieses Gespräch suchen und quasi für die 2. Lesung vorbereiten und hier versuchen, diese Konsenslösung zu finden. Ich denke, es ist notwendig auch parallel zur Regierung. Es ist dort, als ich die Idee geäussert habe, gesagt worden: Allenfalls dann, nach der Stellungnahme der Regierung zur 2. Lesung. Ich meine, es ist sinnvoll, das parallel zu machen. Die Regierung ist sicher gefordert, zu diesen vielen gestellten Fragen, zu den eingebrachten Anregungen usw. Stellung zu nehmen. Aber ich meine, dass das parallel dazu ist. Ich denke, es gibt trotzdem für die Kommission viele Gegenstände, die innerhalb der Kommission allenfalls vorberaten werden können, aber auch schon im Gespräch mit dem Landesfürsten. Deshalb möchte ich diesen Antrag auf die Einsetzung einer Kommission stellen. Es bietet sich die Möglichkeit, eine dreiköpfige oder eine fünfköpfige Kommission zu beantragen. Ich denke, es ist sinnvoll, eine Kommission mit 5 Mitgliedern zu bestellen.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident, Damen und Herren Kollegen. Ich möchte einen vom Herrn Kollegen Konrad differenten Antrag stellen, nämlich auf Bestellung einer Delegation, und zwar bestehend aus 7 Landtagsabgeordneten. Ich würde dafür plädieren, dass 4 Abgeordnete der Mehrheitspartei, 2 der VU und einer der FL darin enthalten sind. Ich begründe das wie folgt: Auch wenn das in der Geschäftsordnung des Landtages nicht vorgesehen ist, ist es in der Vergangenheit des Öfteren vorgekommen. Ich denke, dass eine solche Delegation mit 7 Leuten breiter personell abgestützt ist, flexibler wäre und allenfalls mehr erreichen könnte. Bevor ich aber weitermache, möchte ich die Gelegenheit benützen, noch 5 allgemeine Fragen, die sich im Laufe der Debatte für mich gestellt haben und die zu keinem Artikel so eigentlich richtig passen, an die Regierung zu stellen: Meine erste Frage geht dahin, dass immer wieder das Angstmacherargument hinsichtlich der Weiterverwendung des Namens «Liechtenstein» oder «Fürstentum Liechtenstein» in Diskussion steht. Ich möchte die Regierung fragen, was sie dazu für eine Meinung hat. Was hätte a) ein Wegzug des Fürsten aus dem Land und b) ein Total-sich-Zurückziehen als Staatsoberhaupt der Familie von und zu Liechtenstein für eine Auswirkung? Meine Meinung dazu ist: Es ist ein 300-jähriges Gewohnheitsrecht. Mit derselben Intention könnten die Nachfahren eines Amerigo Vespucci, der bekanntermassen Amerika den Namen gegeben hat oder die Nachfahren eines Simon Bolivar, der dem Land Bolivien den Namen gegeben hat, heute den jeweiligen Staatspräsidenten schreiben: Ja, wir wohnen jetzt da nicht mehr im entsprechenden Land und ihr dürft euch einmal darüber unterhalten oder darüber nachdenken, was ihr in Zukunft für einen Namen führen wollt. Zweitens habe ich eine Frage betreffend die Meinung der Regierung: Was passiert, wenn in einer sich offenbar abzeichnenden Volksabstimmung die Abänderungsvorschläge, wie sie in der Vorlage enthalten sind, abgelehnt werden? Drittens: Der Herr Regierungschef und auch der Herr Landtagspräsident haben eine Staatskrise beschworen. Ich möchte Sie fragen: Wie gross ist Ihrer Ansicht nach diese angebliche Krise in der wir stecken? Und wie gross könnte sich diese Krise noch auswachsen? Viertens: Was sind die möglichen Szenarien für den Fall, dass der Fürst tatsächlich aus dem Land wegzieht? Was ist, wenn sich die ganze Familie Liechtenstein verweigert? Welche Möglichkeiten hat unser Land dann?Fünftens: Es hat sich praktisch ausschliesslich der Regierungschef zur Vorlage geäussert. Ich erlaube mir die Frage: Haben auch die anderen Regierungsmitglieder eine Meinung zu den Auswirkungen der Vorlage auf die Verteilung der Machtbefugnisse zwischen den Staatsorganen? Sind die anderen Mitglieder der Regierung bereit, diese ihre Meinung hier und heute zu äussern und kundzutun?
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich sehe mich veranlasst aufgrund der Ausführungen des Abg. Konrad zu den Aufgaben der von ihm angeregten Kommission auch noch kurz mich zu Wort zu melden. Unabhängig davon ob Kommission oder Delegation scheint mir das Wichtigste daran zu sein, dass vor Aufnahme eines Gespräches mit dem Fürsten die Fragen geklärt werden, die während dieser mehr als 20 Stunden heute und vorgestern jetzt aufgeworfen wurden, an die Regierung adressiert wurden, und wobei der Herr Regierungschef jeweils zugesichert hat, dass die Regierung das abklären werde. Es schiene mir völlig kontraproduktiv, wenn jetzt parallel zu den Arbeiten der Regierung zwecks Abklärung dieser Fragen eine Kommission oder Delegation bereits ein Gespräch mit dem Fürsten führen würde. Man würde dort mit leeren Händen stehen, ohne mit entsprechenden Argumenten gewappnet zu sein, warum allenfalls gewisse Bestimmungen nicht so, sondern anders formuliert werden sollten. Es wäre dann eine reine Alibiübung und das Scheitern eines solchen Gesprächs wäre von vornherein vorprogrammiert. Ich möchte daher daran appellieren, dass ganz gleich, welche Form dieser Gruppe beschlossen wird, diese Gruppe ohne weiteres intern Sitzungen abhalten kann, sich beraten kann, so weit das im jetzigen Zeitpunkt für notwendig und für zweckmässig angesehen wird, aber ein Gespräch mit S. D. dem Landesfürsten erst dann aufgenommen werden soll, wenn die nötigen Abklärungen, die die Regierung zu treffen zugesichert hat, getroffen wurden und dem Landtag oder allenfalls nur dieser Kommission oder Delegation darüber Bericht erstattet wurde.
Abg. Helmut Konrad:
Ich denke, es ist unabhängig davon möglich, dass die Kommission dann innerhalb einer 1. Sitzung das weitere Vorgehen diskutiert und sich vielleicht selbst auch dann ein Szenario zurechtlegt. Ich denke, es ist notwendig, heute diese Kommission zu beschliessen und parallel dazu - das habe ich zum Ausdruck gebracht - ist die Regierung gefordert, diese gestellten Fragen zu prüfen. Aber ich denke trotzdem unabhängig davon, ich habe das in meiner Begründung auch aufgeführt, dass es sinnvoll ist, dass die Kommission heute bestellt wird und dass sie ihre Arbeit in Angriff nimmt innerhalb der Kommission zur Vorbereitung dieser Gespräche im Sinne dessen, was wir heute gesagt haben oder was heute diskutiert wurde in diesen - Sie haben gesagt - 20 Stunden. Und zur Anregung des Abg. Peter Sprenger: Ich habe auch von einer Kommission im Sinne einer Delegation gesprochen, um einfach klarzustellen, dass ich diese Kommission nicht in diesem Sinne sehe, wie wir sie einmal, ich glaube, 1996 eingesetzt haben vom Landtag aus, und damit irgendwo den Eindruck erwecken möchte, dass das wieder eine vier- bis fünfjährige Zeit werden könnte, in der diese Kommission mit dem Fürsten dann das Gespräch aufnimmt und allenfalls nach einem gangbaren Weg sucht. Ich sehe das wirklich als eine Kommission, die vorbereitend bis zur 2. Lesung diese Gespräche führt im Sinne dessen, was ich aufgeführt habe: Klärung der Fragen, auch der Fragen nach dem Moratorium, nach dem Verbleib bei der Verfassung von 1921. Warum eine Kommission? Ich denke, aufgrund der Geschäftsordnung ist dieser Weg vorgeschrieben. «Delegation» ist nirgends aufgeführt. Ich denke auch, wenn wir eine offizielle im Sinne der Geschäftsordnung basierende Kommission einsetzen, dass das von vornherein auch ein stärkeres Instrument ist als wenn wir so eine informelle Delegation, die in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen ist, bestimmen. Der einzige Vorteil wäre der, den Sie genannt haben: Man könnte dann 7 Mitglieder in diese Delegation delegieren, was nach Geschäftsordnung in einer Kommission nicht möglich ist. Aber ich denke, der Formalität halber gewichte ich es stärker im Sinne der Geschäftsordnung des Landtags, eine fünfköpfige Kommission zu benennen. Abg. Paul Vogt:
Für mich ist eigentlich die Frage entscheidend, ob es auf Seiten des Fürsten Verhandlungsspielraum gibt oder nicht, ob er tatsächlich bereit ist, über verschiedene Varianten von Lösungsmöglichkeiten zu diskutieren oder ob er das nach wie vor so sieht, wie er das wiederholt gesagt hat, dass man natürlich immer wieder reden könne, dass die Sache aber eigentlich im Prinzip entschieden sei. Bis jetzt war es ja so, dass es eine wichtige taktische Überlegung war, dass niemand sagen wollte: Ja, auf unserer Seite ist keine Gesprächsbereitschaft mehr vorhanden, wegen uns soll es nicht scheitern, wir sind immer wieder bereit, das Gespräch aufzunehmen. Aber ich denke, jetzt sind wir auch an einem Punkt, wo man fragen muss: Sind substanzielle Gespräche möglich oder nicht? Wenn keine substanziellen Gespräche möglich sind, macht eine Kommission auch keinen Sinn. Ich habe eine weitere Idee, die ich hier einmal vorbringen möchte: Art. 66 Abs. 3 der Verfassung sieht die Möglichkeit vor, dass einzelne Grundsätze eines zu erlassenen Gesetzes einer Volksabstimmung zugeführt werden können. Ich würde es nun als Möglichkeit sehen, dass man wichtige grundlegende Änderungen vorab dem Volk vorlegen könnte, ohne dass dafür ausformulierte Bestimmungen vorgelegt werden. Ich denke insbesondere an den bisherigen Art. 112, das Thema «Verfassungsgerichtsbarkeit», dass man dazu die Meinung des Volkes einholt. Wollen die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner eine Verfassungsgerichtsbarkeit im heutigen Sinn beibehalten oder nicht?
Abg. Helmut Konrad:
Die Frage nach den Signalen vom Schloss hat, glaube ich, der Landtagsvizepräsident auch schon am Donnerstag gestellt. Ich bin nicht der Auffassung, dass man jetzt aufgrund einer Aussage in der Zeitung im Rahmen eines Interviews oder so jetzt von uns aus schliessen soll, dass keine Bereitschaft besteht. Ich denke, dass wir als Institution Landtag diesen Weg mit Bestimmtheit suchen müssen, dass wir diese Möglichkeit einer Suche nach einer tragfähigeren Lösung, als es offensichtlich diese Vorlage ist, dass wir diese Chance nützen müssen. Das wird ja Gegenstand des Gesprächs auch sein. Das wäre von mir aus auch ein Punkt, den man in einem Gespräch mit dem Landesfürsten klären könnte, bevor wir die abgeschlossene und ausgefertigte Stellungnahme der Regierung zu dieser 1. Lesung bekommen. Aber ich denke, das soll eine offizielle Kommission machen und nicht irgendwo aufgrund von schon geäusserten Aussagen oder aufgrund einer allfälligen vorherigen Anfrage - ist überhaupt noch eine Gesprächsbasis vorhanden? - und dann allenfalls eine Kommission einzusetzen. Da schiene mir, dass wir uns dann selbst vom Selbstverständnis als Institution her zu wenig ernst nehmen.
Abg. Peter Sprenger:
Ich ziehe meinen Antrag aus zwei Gründen zurück, nämlich eine Delegation mit 7 Personen zu nominieren. Erstens: Die Ziele können weitestgehend auch mit einer Kommission erreicht werden. Zweitens: Ich bin der Ansicht, dass wenigstens in dieser Frage gegenüber dem Landesfürsten Einigkeit des Landtages signalisiert werden kann. Ich denke, nur ein «geschlossener» Landtag kann auch wirklich etwas erreichen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Dann stimmen wir über den Antrag des Abg. Helmut Konrad ab: Wer laut § 52 der Geschäftsordnung einverstanden ist, eine vorberatende Kommission zu wählen, und laut § 55 der Geschäftsordnung für diese Kommission fünf Mitgliedern zu bestellen, möge bitte die Hand erheben. Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 24 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Somit ist dem Antrag Folge geleistet. Wir kommen nun zur Wahl der Kommissionsmitglieder. Ich bitte hier um Vorschläge. Abg. Alois Beck:
Namens unserer Fraktion schlage ich die Abgeordneten Klaus Wanger, Helmut Konrad und Markus Büchel in diese Kommission vor. Gemäss Geschäftsordnung amtet ja der Landtagspräsident dann als Vorsitzender.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Gibt es weitere Vorschläge?
Abg. Peter Sprenger:
Die gibt es, Herr Präsident. Unsererseits schlagen wir zur Wahl in diese Kommission vor den Abgeordneten und Landtagsvizepräsidenten Peter Wolff und die Abg. Ingrid Hassler.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Gibt es weitere Vorschläge? Wenn es keine weiteren Vorschläge gibt, dann sind fünf Abgeordnete vorgeschlagen. Ich wiederhole: Es wurde vorgeschlagen der Landtagsvizepräsident Peter Wolff, die Abgeordneten Helmut Konrad und Markus Büchel, die Abg. Ingrid Hassler - Entschuldigen Sie, dass ich Sie als Frau am Schluss genannt habe - und meine Wenigkeit. Wünscht jemand Einzelabstimmung der vorgeschlagenen Kommissionsmitglieder? Das scheint nicht der Fall zu sein. Wer mit den vorgeschlagenen Kommissionsmitgliedern einverstanden ist, dass diese Abgeordneten laut § 52 eine vorberatende Kommission bilden, möge bitte die Hand erheben.Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 20 Stimmen
Abg. Ivo Klein:
Ich glaube, wir müssen noch einmal zählen. Die 20 Stimmen können nicht richtig sein, weil wir haben 5 Enthaltungen, und ich habe nicht alle Hände hochgehen sehen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich nochmals für diese Kommission auszusprechen.Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 19 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Bei 25 Anwesenden wurde diese Kommission mit 19 Stimmen bei Stimmenthaltung der Gewählten bestimmt bzw. gewählt. Gibt es weitere Wortmeldungen?
Abg. Peter Sprenger:
Ich habe noch 5 vorweihnachtliche Fragen gestellt, die ihrer Beantwortung harren.
Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Zu diesen vorweihnachtlichen Fragen: Nun, die Fragen hängen eigentlich zusammen, wenn ich die hier anschaue. Erste Frage: Da haben Sie, Herr Abg. Sprenger, davon gesprochen, wie das mit dem Angstmacherargument sei, dass, wenn das Staatsoberhaupt nicht mehr in Liechtenstein sei, dass hier auch der Name Liechtenstein nicht mehr geführt werden könne. Dann auch die vierte Frage, ob sich die Regierung Gedanken gemacht hat über mögliche Szenarien, wenn der Fürst aus dem Land wegzieht. Ich muss Ihnen einfach sagen: Wir haben uns mit der Verfassung beschäftigt, mit der Verfassungsreform und nicht mit möglichen zukünftigen Szenarien. Also, darauf kann ich Ihnen im Namen der Regierung keine Antwort geben. Auch bezüglich des Namens Liechtenstein haben wir uns nicht auseinander gesetzt. Wir können das gerne abklären, wenn das gewünscht wird. Dann haben Sie eine zweite Frage gestellt: Was passiert, wenn in einer Volksabstimmung die Vorschläge abgelehnt werden? Ich meine, die Staatsorgane sind weiterhin an die Verfassung gebunden. Was dann in der Realität passiert, können wir ebenfalls nicht voraussehen. Sie haben in einer dritten Frage formuliert, was ich darunter verstanden habe, wenn ich hier von einer drohenden Staatskrise rede: Wenn Sie richtig zugehört haben, dann habe ich in meinem Eintretensvotum davon gesprochen, dass, wenn die obersten Staatsorgane die Verfassung nicht mehr gleich interpretieren, dass dann der Staat in eine Krise rutscht. Und zur letzten Frage: Es ist selbstverständlich, dass ich als Regierungschef diese Vorlage im Parlament vertreten habe. Die Regierung hat diese Vorlage beschlossen und ich habe sie hier als Ressortinhaber des Ressorts Präsidium im Parlament im Namen der Regierung vertreten. Regierungsrat Ernst Walch:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Ein paar ergänzende Worte, auch auf die Frage des Abg. Peter Sprenger: Liechtenstein ist ein besonderes Land und das reflektiert sich auch in der Verfassung. Wir haben sicherlich eine besondere Verfassung, nicht vergleichbar mit Verfassungen europäischer Provenienz oder anderer; überall gibt es doch recht interessante und grosse Unterschiede.Die Verfassung, wie sie besteht, wie sie sich über die Jahrzehnte entwickelt hat, ist unser Selbstverständnis. Dieses Grundgesetz wurde von den Fürsten gegeben. Wir haben als Volk gar gehuldigt und dieses Grundgesetz hat uns sicherlich zu materiellem Wohlstand verholfen, war sicherlich eine wesentliche Grundlage, dass sich unser Land materiell so entwickelt hat, wie es sich entwickelt hat. Unsere Verfassung garantiert Grundfreiheiten, und unsere Verfassung hat über lange Zeit politische Stabilität garantiert. Vielleicht war unser System auch manchmal zu stabil. Es hat sich vieles über die Jahre aufgestaut und insbesondere entspricht der Verfassungstext in dieser und jener Beziehung nicht mehr der gelebten Verfassungsrealität. Es gab jahrelange Bemühungen, wohl Streit und Verunglimpfungen, aber auch redliches Bemühen um Verbesserungen und Kompromisse, aber auch um Einbringen eigener verschiedener Ideologien. Erstmals durch diese Regierung wurde ein Verfahren gefunden, um die Verfassungsdiskussion in geordneten rechtsstaatlichen und demokratischen Bahnen durchzuführen. Es ist dies ein grosser Schritt zur Klärung dieser Probleme. Zwei, drei Worte auch zum Inhalt: Der Bericht und Antrag ist ein Vorschlag der Regierung. Er ist nicht ein Vorschlag des Fürsten, er ist nicht ein Vorschlag des Forums Liechtenstein, der oder einzelner Parteien oder einzelner Personen. Zur inhaltlichen Erarbeitung der Vorlage, die sich in einigen Punkten von dem oder den Vorschlägen des Fürsten unterscheidet, wie er sie der Bevölkerung zugestellt hat, haben einige Personen mitgewirkt. Diesen Personen war etwas gemeinsam. In dieser Zeit, in diesem Jahr, gab es ein ehrliches Bemühen der Beteiligten um ein Weiterbringen der Diskussion. Es bestand eine positive Grundhaltung und man versuchte, nicht «nur» abzulehnen, sondern Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Dafür ist sicherlich all denen, die sich dafür eingesetzt haben, Dank auszusprechen. Nachdem ich diesbezüglich einiges selbst miterlebt habe, bin ich der Meinung, dass von der Regierung inhaltlich das Mögliche getan wurde. Ich stehe zum Bericht und Antrag in Form und Inhalt wie er jetzt ist. Ich denke, es ist die grosse Aufgabe des Landtages und der Landtag hat eine Kommission bestellt, zu sehen und zu prüfen: Wie weit kann der Landtag Änderungen, wie sie besprochen wurden, erwirken, aushandeln oder eben nicht? Danke schön.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Regierungsrat Walch: Ihre Worte haben sich wie das Wort zum Sonntag angehört. Am Samstagabend zu einer üblichen Zeit geht das jeweils über den Äther. Aber lassen wir das. Ich möchte die Gelegenheit, weil ich am Wort bin, wahrnehmen und für die rege Teilnahme an der Debatte danken. Ich möchte auch denen danken, die nicht meiner Meinung waren und sind. Besonders gefreut hat mich, dass alle 25 Abgeordneten sich in der Eintretensdebatte zu Wort gemeldet haben. Dies zeugt von Verantwortungsbewusstsein unseres Parlaments. Die Voten gingen von vorbehaltloser Zustimmung zur Vorlage durch den Landtagspräsidenten und einige wenige FBP-Abgeordnete über Skepsis und Zweifel bis zur vollständigen Ablehnung durch die meisten VU-Parlamentarier und den Abg. Paul Vogt. Wo ich stehe dürfte klar geworden sein. Am anderen Ende des Spektrums kämpfen einige andere Personen für die Umsetzung des fürstlichen Machtausbaues. Was sie dazu bewegt, kann ich nicht verstehen. Ich will aber, weil ich an das Gute im Menschen grundsätzlich glaube, davon ausgehen, dass auch sie das Beste wollen. Dieser Weg ist aus meiner Optik falsch. Er würde uns, sofern die Vorlage zum Verfassungsinhalt würde, was ich aus tiefstem Herzen nicht hoffe und auch nicht glaube, dass das so kommt, einen Staat bringen, in dem das Wohlverhalten gegenüber dem Fürsten zum entscheidenden Kriterium würde. Ein aufmüpfiger Jurist würde niemals Richter. Ein selbstständig denkender Regierungschef hätte postwendend ein Schreiben auf dem Tisch, in dem ihm mitgeteilt würde, dass er das Vertrauen des Fürsten verloren habe. Ein kritischer Landtag wäre permanent von fürstlicher Auflösung bedroht. Ein beengendes Gefühl der Unfreiheit allerorten. Kann ich mir es erlauben, eine Meinung zu einem Artikel der Verfassung zu äussern, die nicht mit der Ansicht des Fürsten korrespondiert? Ich möchte nicht in einem solchen Staat leben. Es wäre beklemmend, unfrei und unwürdig. Eine Gesellschaft, in der Unterwürfigkeit, Obrigkeitsglauben und Duckmäusertum zum Mass aller Dinge wird. Ein grosser Teil der Voten - auch der FBP-Abgeordneten - hat mir die Hoffnung, dass dieses Szenario niemals Realität wird, zurückgegeben. Wir werden anlässlich der 2. Lesung und der Schlussabstimmung nicht an unseren Worten, sondern an unseren Taten, insbesondere an unserem Abstimmungsverhalten gemessen werden. Der Fairness halber künde ich bereits heute an, dass ich daran denke, einen Antrag auf Abstimmung durch Namensaufruf gemäss Art. 47 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zu stellen und hoffe gerne, dass sich ein zweiter Abgeordneter findet, der dann mit mir stimmt. Ich will damit niemand drangsalieren. Aber ich denke, es gehört sich für Abgeordnete, in einer Schicksalsfrage - und meine Damen und Herren Kollegen, um eine solche handelt es sich, wenn wir um eine wesentliche Verschiebung der Machtbefugnisse in unserer Verfassung debattieren - mit dem Namen zu dieser Meinung zu stehen. Ich danke Ihnen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Herr Abg. Peter Sprenger: Reibungsflächen sind im Leben oft auch Berührungspunkte. Ich hoffe, dass dies auch in dieser schwierigen Angelegenheit Geltung erhält. Nun gebe ich das Wort noch dem Herrn Regierungschef.
Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Ich möchte es auch nicht unterlassen, dem Landtag für diese Debatte zu danken. Es war eine grosse Ernsthaftigkeit in dieser Debatte, es sind unterschiedliche Gesichtspunkte zu Tage getreten. Was ich nicht stehen lassen möchte, dass das die einzige Sicht der Vorlage der Regierung ist, die Sie, Herr Abg. Sprenger, hier so gezeichnet haben. Die Regierung hat alle ihre Bemühungen daran gesetzt, damit wir einen Weg in die Zukunft finden, einen Weg, der diese Staatsform, diese einmalige Staatsform, die wir haben, auch für die Zukunft zu bewahren hilft. Wir müssen ernsthaft daran arbeiten, das ist klar. Aber ich meine, dass unser volles Bemühen dieser Zielsetzung gelten soll.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. -ooOoo-