ABÄNDERUNG DER VERFASSUNG (NR. 87/2001), 1. LESUNG [FORTSETZUNG]
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Guten Morgen, meine Damen und Herren. Wir setzen unsere Beratungen fort. Wir behandeln am zweiten Tag der Sondersitzung die Abänderung der Verfassung in 1. Lesung. Am Donnerstag haben wir in 1. Lesung zuletzt Art. 4 behandelt und kommen nun zu Art. 7. Ich bitte, Art. 7 zu verlesen.Art. 7 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 7 steht zur Diskussion.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Einen schönen guten Morgen. Die Regierung schreibt auf Seite 16 des Berichtes und Antrages zu Art. 7 Abs. 2, dass die nunmehr vorgesehene Korrektur dieser Bestimmung keine materielle Neuerung, sondern letztlich nur eine systemgerechte Bereinigung darstelle. Das wundert mich denn doch sehr. Es ist nämlich nicht so, wie es auf Seite 33 des Regierungsberichtes ebenfalls zur Kommentierung dieser geänderten Bestimmung heisst, dass die sprachliche Anpassung den heute üblichen Bestimmungen in Monarchien und Republiken entspreche, und es ist auch keineswegs so, dass mit dieser Neuformulierung lediglich die sprachlich etwas veraltet anmutende bisherige Formulierung, dass der Landesfürst geheiligt und unverletzlich sei, umformuliert wird, sondern es wird hier still und heimlich - wie mir scheint - versucht, eine wesentliche Neuregelung einzuführen, nämlich dass keinerlei Gericht in diesem Land, also auch nicht der Staatsgerichtshof, irgendetwas zu sagen hat, irgendetwas zu beurteilen hat, das mit S. D. dem Landesfürsten und wie es hier in der Regierungsvorlage vorgesehen ist auch mit seinem allfälligen Stellvertreter zu tun hat. Das ist eine wesentliche Erweiterung gegenüber bisher, keineswegs nur eine sprachliche Umformulierung, denn es war immer völlig unbestritten auf allen Seiten, dass die bisherige Formulierung «geheiligt und unverletzlich» klar zu bedeuten und wie man jetzt sagen muss nur zu bedeuten hatte, dass der Landesfürst als Staatsoberhaupt politisch und strafrechtlich nicht verantwortlich ist. Das ist normal, das ist auch in anderen Staaten, seien es Monarchien oder Republiken üblich, wobei es auch da Unterschiede gibt. Dass ein Staatsoberhaupt politisch unverantwortlich ist, das trifft eher auf Monarchien zu. Dagegen ist aber gar nichts einzuwenden. Ich spreche mich in gar keiner Weise gegen eine Abschwächung dieser bisherigen rechtlichen Immunität in politischer und strafrechtlicher Hinsicht unseres Staatsoberhauptes aus, aber ich spreche mich sehr wohl gegen die Erweiterung aus, wie sie jetzt in der Regierungsvorlage vorgesehen ist, wonach der Landesfürst und sein allfälliger Stellvertreter keinerlei Gerichtsbarkeit ohne jede Unterscheidung unterstehe.Das würde bedeuten, dass, um nur ein Beispiel anzuführen, der Staatsgerichtshof auch nicht mehr berechtigt wäre, zum Beispiel im Rahmen einer Wahl- oder Abstimmungsbeschwerde allenfalls für unzulässig empfundene oder für zu einseitig empfundene Interventionen des Staatsoberhauptes vor dem Abstimmungstermin auch nur zu rügen, wie dies in einem Urteil des Staatsgerichtshofes nach der ersten EWR-Abstimmung vom 13. Dezember 1992 geschehen war. Es ist nicht einzusehen, um das gerade noch anzuschliessen, warum dies nicht möglich sein soll. Es wurde in der Eintretensdebatte mehrfach von verschiedenen Votanten und sehr zutreffend darauf verwiesen, dass das Staatsoberhaupt bei all seiner herausragenden Stellung, die es in unserer Verfassung hat und auch haben soll, selbstverständlich an die Verfassung gebunden sei, selbstverständlich seine Kompetenzen im Rahmen der Verfassung ausübt und auszuüben hat. Warum soll dann unser Verfassungsgericht, das ja unter anderem dafür da ist, um nicht verfassungsgemässes Handeln oder Unterlassen zu untersuchen und allenfalls auch zu rügen, warum soll das dann solche Vorgangsweisen nicht beurteilen dürfen?Es kommt aber noch ein Aspekt dazu, der - nota bene - in der Regierungsvorlage überhaupt nicht erwähnt, geschweige denn berücksichtigt wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 28. Oktober 1999 in einem Urteil über die Beschwerde von Herrn Dr. Herbert Wille das Land Liechtenstein verurteilt wegen Verletzung von durch die Menschenrechtskonvention garantierten Rechten und hat in diesem Urteil ganz klar ausgesprochen, dass in Liechtenstein entgegen den Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention keine Rechtsmittelmöglichkeit, keine Beschwerdemöglichkeit gegen allenfalls verfassungsmässig gewährleistete Rechte einschränkende Entscheidungen des Staatsoberhauptes möglich sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Liechtenstein sinngemäss in diesem Urteil aufgefordert, hier Abhilfe zu schaffen und eine solche Rechtsmittelmöglichkeit einzurichten. Aufgefordert auf diese Art und Weise ist in erster Linie die Regierung, nämlich zu prüfen, wie dem Abhilfe geschaffen werden könnte und eine entsprechende Rechtsänderung, so eine solche für nötig gehalten wird, dem Gesetzgeber - sprich dem Landtag - vorzuschlagen. Diesbezüglich ist bisher nichts geschehen, zumindest nach aussen hin und gegenüber dem Landtag. Ich möchte die Regierung daher fragen: Was wurde in dieser Hinsicht bisher unternommen und was, nachdem ja sicherlich noch nichts Abschliessendes unternommen wurde, was ist weiterhin vorgesehen? Ich möchte auch darauf hinweisen, dass nach der gültigen Verfassung, die auch durch diese Vorlage in diesem Punkt ja nicht geändert werden soll, nämlich gemäss Art. 104 der Verfassung, der Staatsgerichtshof grundsätzlich generell zuständig ist für die Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässig gewährleisteter Rechte. Das ist nicht eingeschränkt auf Verletzung solcher Rechte durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden. Es ist darunter auch die allfällige Verletzung verfassungsmässig gewährleisteter Rechte durch S. D. den Landesfürsten inbegriffen. Das Staatsgerichtshofgesetz als Ausführungsgesetz zu dieser Verfassungsbestimmung erwähnt diese Möglichkeit allerdings nicht. Man wird daher, meine ich, ja wohl dort ansetzen müssen und das Staatsgerichtshofgesetz entsprechend ergänzen müssen. Wie gesagt: Ich möchte von der Regierung gerne Auskunft zum Stand der Dinge in dieser Sache.Und abschliessend, was sich an und für sich aus dem Vorgesagten schon ergibt: Wenn man unsere Verpflichtungen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention beachtet und wenn man daher entsprechend dem erwähnten Urteil vorgeht, dann ist es natürlich unvereinbar damit, hier in dieser Bestimmung plötzlich neu zu schreiben «untersteht nicht der Gerichtsbarkeit», nämlich in dieser umfassenden, sämtliche Arten von Gerichtsbarkeit einschliessenden Form. Weiter möchte ich die Regierung auch fragen, aus welchen Beweggründen hier völlig neu - auch dies ist in keiner Weise nur eine sprachliche Umformulierung, geschweige denn eine Anpassung an die üblichen Regelungen in anderen Monarchien und Republiken - warum hier vorgeschlagen wird, nicht nur wie bisher das Staatsoberhaupt, S. D. den Landesfürsten, mit einer Sonderstellung politischer und strafrechtlicher Nichtverantwortlichkeit auszusehen, sondern auch jenes Mitglied des Fürstenhauses - wie es hier heisst - welches für den Fürsten die Funktionen des Staatsoberhauptes ausübt. Ich möchte auch darauf hinweisen, nachdem, wie wir ja wissen, all diese Vorschläge auf Wünsche S. D. des Landesfürsten zurückgehen, dass diese spezielle Änderung noch bis zum so genannten «roten Büchlein» vom 2. Februar 2000 «nie» Gegenstand der Vorschläge S. D. des Landesfürsten war, es auch in all den Gesprächen mit der Verfassungskommission nie geheissen hatte, «das müsse geändert werden», sondern erst mit einem Brief vom 29. März 2000 an die Fürstliche Regierung ist diese Änderung zusammen mit einer Neuformulierung des Art. 4 und des Art. 79 erstmals seitens S. D. des Landesfürsten ins Gespräch gekommen, wobei es damals nur geheissen hat, es sei eine sprachliche Anpassung, man solle die bisherige und von vielen Leuten als altmodisch empfundene Formulierung «geheiligt und unverletzlich» durch eine modernere sprachliche Formulierung ersetzen.Ich gehe daher gemäss diesem Schreiben Seiner Durchlaucht vom 29. März 2000 - bei der Regierung eingelangt am 30. März 2000 - davon aus, dass es S. D. dem Landesfürsten nur um eine modernere sprachliche Formulierung geht, wogegen selbstverständlich überhaupt nichts einzuwenden ist. Dann muss man das aber bitte in der Regierungsvorlage auch so ändern, dass es wirklich nurmehr eine sprachliche Neuformulierung und nicht eine umfassende Erweiterung dieser Immunitätsstellung in einer Art und Weise wird, die letztlich das Staatsoberhaupt völlig aus dem Verfassungsgefüge heraushebt und ihn zu einer von überhaupt niemand mehr in irgendeiner Weise und seine Handlungen und Unterlassungen als Staatsoberhaupt von niemand mehr in irgendeiner Weise zu beurteilenden Institution macht, was sicher nicht im Sinne einer modernen und auch nicht im Sinne unserer Verfassung sein kann.Abg. Paul Vogt:
Guten Morgen, meine Damen und Herren. Viele Leute stossen sich heute daran, dass in der Verfassung steht, dass die Person des Monarchen «geheiligt» sei. Offensichtlich war der Landesfürst daher der Ansicht, das müsse geändert werden. Wenn das seine alleinige Absicht war, dann hätte man einfach das Wort «geheiligt» streichen können, dann würde es heissen: «Seine Person ist unverletzlich». Damit wäre keine materielle Änderung vollzogen worden.Wenn es aber um mehr geht, als nur darum, das Wort «geheiligt» herauszustreichen und eine kleine sprachliche Anpassung vorzunehmen, wenn der Landesfürst also tatsächlich daran interessiert ist, diese Bestimmung den heute üblichen Bestimmungen zur Immunität von Staatsoberhäuptern anzupassen, dann kann ich Ihnen auch einen Abänderungsvorschlag machen. Ich lese Ihnen Art. 63 Abs. 1 der österreichischen Verfassung vor: «Eine behördliche Verfolgung des Bundespräsidenten ist nur zulässig, wenn ihr die Bundesversammlung zugestimmt hat». Wenn man das nun auf liechtensteinische Verhältnisse anpassen will, dann müsste es heissen: «Eine behördliche Verfolgung des Landesfürsten ist nur zulässig, wenn ihr der Landtag zugestimmt hat». Wenn wir das übernehmen, dann haben wir uns den üblichen Bestimmungen zur Immunität von Staatsoberhäuptern in andern Ländern angepasst. Ich zweifle, ob der Fürst an so einer Bestimmung Freude hat. Die Regierung macht es sich allzu einfach. Sie übernimmt die Begründung des Landesfürsten, ohne darauf einzugehen. Es ist aber Aufgabe der Regierung, das, was sie dem Landtag vorschlägt, sorgfältig zu formulieren und auch sorgfältig zu begründen. Das ist in keiner Art und Weise erfolgt. Es geht hier darum - wie das mein Vorredner ausgeführt hat -, dass der Landesfürst aus der Verfassungsgerichtsbarkeit ausgeklammert werden soll. Das ist die einzige politische Intention, die hinter diesem Artikel steht und die darf man natürlich nicht weiter verfolgen. Das kann nun wirklich nicht sein, dass der Landesfürst der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht untersteht. Mein Vorredner, der Abg. Peter Wolff, hat auch darauf hingewiesen, dass wir im Fall «Herbert Wille» noch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte umzusetzen haben. Die Regierung geht auch auf dieses Problem mit keinem Wort ein. Das sind schwere Unterlassungssünden, meine Herren in der Regierung. Ein letzter Gedanke: Wenn immer wieder der Eindruck auftaucht, dass hier eigentlich das Wesentliche im Bericht der Regierung gar nicht gesagt wird, dann entsteht Misstrauen. In der Eintretensdebatte wurde immer wieder gesagt, es sei nötig, dass sich Landtag, Fürst, Volk wieder finden, dass das Vertrauen wachse, ohne dieses notwendige Vertrauen gerate man in eine Staatskrise. Das ist absolut richtig. Nur, damit solches Vertrauen wachsen kann, muss man die Gedanken und die Absichten und die Ziele offen formulieren. Das passiert hier nicht. Deshalb, meine ich, entsteht Misstrauen. Und dass in der heutigen Situation Misstrauen entstanden ist, das hat zu einem wesentlichen Teil auch der Landesfürst mit zu verantworten.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident, Damen und Herren Kollegen. Auch ich wünsche Ihnen einen guten Morgen. Ich wünsche Ihnen sogar auch einen guten Tag, weil ich davon ausgehe, dass unsere Debatten sich weit in den Tag hinein erstrecken werden. Der Art. 7 befasst sich mit der Immunität der Person des Fürsten als Staatsoberhaupt. Vieles wurde von meinen beiden Vorrednern schon gesagt, das Wichtigste wurde bereits angesprochen und umfassend ausgeführt. Ich kann mich entsprechend kurz halten. Die Neufassung, die auf eine Idee des Landesfürsten zurückgeht, wirft - auch das wurde bereits gesagt - mehr Fragen auf als beantwortet würden. Die von vielen und auch von mir geortete Tendenz der Vorlage, nämlich dem Fürsten, der bereits grosse Macht hat - und das kommt in den meisten seiner Vorschläge irgendwo zum Ausdruck - dass diese Macht noch ausgebaut wird; und dann diese letztendlich erdrückende Macht noch durch die Entziehung jeder Gerichtsbarkeit total abzusichern, das ist die Tendenz und die Idee, die dahinter steht. Das ist nicht zeitgemäss, sondern das ist rückwärts gewandt. Ich bin mit dem Kollegen Vogt einer Meinung: Wenn hier nur das beabsichtigt wäre, was vorgegeben wird, dann hätte die Streichung des Wortes «geheiligt» mehr als ausgereicht. Der inhaltliche Gehalt wäre dann gleich geblieben und man hätte zumindest sich auf Lehre und Rechtsprechung verlassen und weiterhin von dieser Idee ausgehen können. Es ist - und das ist eben eine bedauerliche Tatsache - nicht nur eine sprachliche Änderung, sondern es gibt dazu drei Punkte. Ich will diese Punkte wirklich nur stichwortartig ansprechen, weil sie von den Vorrednern bereits detailliert ausgeführt wurden.Erstens wird dieses sich Entziehen auf den Stellvertreter ausgedehnt, das ist eine personelle Erweiterung eines nur dem Staatsoberhaupt zukommenden Schutzes auf ein «Nicht-Staatsoberhaupt». Dann wirft die Tatsache, dass neu nur noch vom «Fürsten» anstatt wie bisher von der «Person des Fürsten» gesprochen wird, Fragen auf. Was heisst das genau? «Unverletzlich», wie es heute in der Verfassung heisst, hat einen klaren Inhalt, nämlich der Fürst als Person kann nicht zur Verantwortung gezogen werden, aber ansonsten - auch das wurde bereits gesagt - untersteht er vollumfänglich der Rechtsordnung. Beispielsweise gelten die Grundrechte auch für ihn bzw. können gegen seine Akte als Staatsorgan eben angerufen werden. Und wenn man neu von «untersteht nicht der Gerichtsbarkeit» redet, dann weiss niemand so genau, was das letztendlich in der Konsequenz heisst. Bedeutet die Neuformulierung auch einen neuen Inhalt, ein neues Verständnis? Das ist meine Frage an die Regierung. Kurz und gut: In der ganzen Neufassung des Abs. 2 von Art. 7 kommt eine Tendenz in Richtung «princeps legibus solutus» - zu gut Deutsch: Der Fürst ist von allen Gesetzen losgelöst - zum Ausdruck. Das artikuliert sich auch in einer - ich sage dem bewusst so - panischen Scheu unseres Staatsoberhauptes vor dem Staatsgerichtshof. Er kämpft einerseits um Einfluss auf die Bestellung des Staatsgerichtshofes, indem er den Art. 11, den wir noch ausgiebigst zu besprechen haben werden, einführen will, und ein zweiter wichtiger Punkt, er möchte die Auslegungskompetenz, die heute in Art. 112 unserer Verfassung festgeschrieben ist, abgeschafft wissen. Ein weiterer Punkt, der noch nicht erwähnt wurde: Wie steht es mit dem Verhältnis der neuen Fassung von Art. 7 zum heutigen Art. 100 unserer Verfassung? Der letzte Gedanke - dieser wurde auch bereits ausgeführt: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem allen bekannten Urteil Rechtsetzungsbedarf geortet. Das Nichtbestehen eines innerstaatlichen Schutzes gegen grundrechtsverletzende Eingriffe des Fürsten ist ganz klar EMRK-widrig, der Vorschlag des Fürsten zu Art. 7 Abs. 2 geht ganz klar in die entgegengesetzte Richtung. Man will sich diesem gerichtlichen Schutz entziehen. Ich meine, es geht in eine falsche Richtung. Ich ersuche die Regierung, die von meinen Vorrednern und mir aufgeworfenen Fragen bitte bis zur zweiten Lesung umfassendst zu beantworten.
Abg. Markus Büchel:
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete. Guten Morgen. Art. 7 Abs. 1 der Landesverfassung sagt: «Der Landesfürst ist das Oberhaupt des Staates und übt sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze aus». Abs. 2: «Seine Person ist geheiligt und unverletzlich». Dieser Absatz soll neu heissen: «Der Fürst und jenes Mitglied des Fürstenhauses, welches für den Fürsten die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt, untersteht nicht der Gerichtsbarkeit und kann weder zivil- noch strafrechtlich verfolgt werden». Diese sprachliche Anpassung entspricht aus Sicht der Regierung den heute üblichen Bestimmungen der Immunität von Staatsoberhäuptern, wie sie in Monarchien und Republiken geregelt sind. So lautet die neue spanische Verfassung vom 27. Dezember 1978, Abs. 56 Ziff. 3, übersetzt: «Die Person des Königs ist unverletzlich und kann nicht zur Verantwortung gezogen werden».Kritik wurde hier auch geübt an der Ausweitung auf die Stellvertretung des Staatsoberhauptes. Ich bin der Meinung, dass dieser Artikel auch auf jenes Mitglied des Fürstenhauses ausgedehnt werden soll, welches für den Fürsten die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt. Es ist für mich folgerichtig und logisch, denn wenn der Stellvertreter laut Art. 13bis der Verfassung mit der Funktion des Staatsoberhauptes betraut wird, so soll auch er die Immunität haben, die einem Staatsoberhaupt zusteht. Für mich als Laien ergibt sich aus dieser sprachlichen Anpassung kein Ausbau der Macht für den Fürsten, auf keinen Fall ein Abbau der demokratischen Rechte. Oder anders gesagt: Ich verstehe nicht den Unterschied zwischen der Formulierung der spanischen Verfassung, dass die Person unverletzlich und nicht zur Verantwortung gezogen werden kann und eben der neuen Formulierung von Abs. 2, dass diese Person nicht der Gerichtsbarkeit untersteht und weder zivil- noch strafrechtlich verfolgt werden kann. Ich bin der Meinung: Wenn jemand immun ist, dann ist er immun, wie wenn jemand schwanger ist, ist sie ebenfalls schwanger.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren Abgeordnete. Wie ich bereits im Eintretensvotum sagte, handelt es sich hier in meinen Augen keineswegs um eine sprachliche Anpassung, sondern um eine inakzeptable Neuerung. Ich beziehe mich hier auch auf die Überlegungen von Alt-Regierungschef Dr. Gerard Batliner, der ebenfalls der Meinung ist, dass die jetzt vorgeschlagene Formulierung bedeutet, dass der Fürst als oberstes Staatsorgan in seinen amtlichen Handlungen ausserhalb jeder Gerichtsbarkeit gestellt werden soll. Wenn es dabei bleiben soll wie in der bisherigen Fassung, dass nur die Person des Fürsten selbstverständlich immun ist, warum wird dieses Wort «Person» denn im neuen Vorschlag nicht beibehalten?Und dann möchte ich auf das Votum des Abg. Markus Büchel von soeben kommen. Der entscheidende Unterschied liegt darin: In der neuen spanischen Verfassung steht, übersetzt: «Die Person des Königs ist unverletzlich». Das Wort «Person» ist der entscheidende Unterschied, das war bei uns in der bisherigen Verfassung drin und im neuen Vorschlag fällt es weg. Da heisst es einfach: «Der Fürst untersteht nicht der Gerichtsbarkeit». Es ist selbstverständlich in jeder Verfassung vorgesehen, dass die Person des Fürsten ausserhalb von jeder Verfolgung steht. Aber es geht hier um die amtlichen Handlungen des obersten Staatsorganes, des Staatsoberhauptes, und das ist der entscheidende Unterschied. Es erscheint mir in diesem Vorschlag, an dieser Stelle und an verschiedenen anderen Stellen auch, vor allem auch bei der Streichung des bisherigen Art. 112, dass einfach das Ziel verfolgt wird, den Fürsten als oberstes Staatsorgan ausserhalb der Gerichtsbarkeit zu stellen, und das ist in meinen Augen völlig inakzeptabel in jedem Rechtsstaat. Da muss ich nur das wiederholen, was auch meine Vorredner schon gesagt haben: Wie soll sich das mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Fall «Herbert Wille» vereinbaren, in dem eben Liechtenstein verurteilt wurde, gerade weil Herbert Wille kein effektives Rechtsmittel gegen den Landesfürsten zur Verfügung stand. Danke.
Abg. Rudolf Lampert:
Es wird hier zitiert aus dem Gutachten von Dr. Gerard Batliner. Dieser sagt aber auch auf Seite 79, ich zitiere: «So weit es sich nur um die Erstreckung der persönlichen Immunität des Fürsten auf einen allfälligen Stellvertreter handelt, würde eine solche Erstreckung der Immunität einer gewissen Logik nicht entbehren». Nur, wird dann weiter ausgeführt, dass das Institut bzw. das Instrumentarium der Stellvertretung generell in Frage steht. Wenn wir das nicht in Frage stellen, dass diese Stellvertretung geregelt werden kann, so wie wir es heute haben, so muss meines Erachtens auch der Stellvertreter diese Immunität geniessen können. Aber, wie gesagt: Hier wird dann das Ganze in Frage gestellt dadurch, dass diese Stellvertretung generell in Frage gestellt wird. Ich zitiere hier nur einen Satz daraus: «Mit der Erhebung der Stellvertretung zur gewöhnlichen Praxis wird unklar, wer für welche Entscheidungen steht. Der Stellvertreter, der Vertretene, oder beide». Hier wird generell dieses Instrumentarium in Frage gestellt und deshalb auch diese Nicht-Unterstellung der Gerichtsbarkeit in Frage gestellt. Aber meines Erachtens müsste auch, wenn er in der Funktion ist, der Stellvertreter hier die Immunität geniessen. Abg. Paul Vogt:
Ich möchte eigentlich nur ganz kurz auf das Votum des Abg. Büchel eingehen. Ich denke, er hat in überzeugender Weise dargetan, dass er die Konsequenzen dieser Neuformulierung nicht verstanden hat. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Verantwortlichkeit des Monarchen und der Gegenzeichnung durch den Regierungschef. Seine Person ist nicht verantwortlich. Auf der anderen Seite braucht es nach allen europäischen monarchischen Verfassungen die verantwortliche Gegenzeichnung durch ein Regierungsmitglied. Man kann nicht gegen den Monarchen zivil- und strafrechtlich vorgehen, aber wenn es um staatliche Erlasse geht, muss dafür die Regierung die Verantwortung übernehmen. Also, das heisst: Wenn ein Mitbürger oder eine Mitbürgerin in ihren Rechten verletzt ist, dann kann man eben gegen den Staat vorgehen, vertreten durch die Regierung. Und diese Zusammenhänge darf man doch einfach nicht ausser Acht lassen.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich habe noch eine zusätzliche Frage an die Regierung: Es heisst ja in diesem vorgeschlagenen Art. 7, Abs. 2, neu, auch, erstmals, dass der Fürst und ein allfälliger Stellvertreter auch nicht zivilrechtlich verfolgt werden kann, dass man also keine zivilrechtliche Klage - welcher Art auch immer - gegen S. D. den Landesfürsten einreichen kann. Andererseits heisst es in Art. 100 der Verfassung - und das soll ja auch nicht verändert werden -, dass die fürstlichen Domänenbehörden vor den ordentlichen Gerichten Recht zu nehmen und zu geben haben. Das wird in unbestrittener Interpretation seit 80 Jahren so ausgelegt, dass wenn Sie aus irgendeinem Grund eine zivilrechtliche Forderung gegen den Fürsten oder gegen das fürstliche Vermögen haben, dass Sie dann als beklagte Partei vor dem Landgericht die fürstliche Domänenbehörde einklagen. Ich möchte die Regierung fragen, ob sich an diesem Zustand durch diesen Gebrauch des Wortes «zivilrechtlich» in Art. 7 Abs. 2 der Verfassung etwas ändern würde?
Abg. Peter Sprenger:
Ich möchte auf das Bild des Abg. Markus Büchel kurz zurückkommen, nämlich auf dasjenige der Schwangerschaft. Es hinkt wie jeder Vergleich. Aber es hinkt insbesondere, weil die ganze Sache eine zeitliche Komponente hat. Bekanntermassen endet jede Schwangerschaft nach neun Monaten. Wenn wir das umsetzen, wird über Jahre, Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte, ein nicht zu verantwortendes Sich-Entfernen aus der Rechtsordnung des Fürsten festgeschrieben sein.
Abg. Markus Büchel:
Herr Abg. Sprenger: Es ist mir schon klar, dass die Schwangerschaft endet und die Verfassung steht und besteht weiter. Mir ging es nur darum, aufzuzeigen, dass meiner Ansicht nach - das ist meine persönliche Ansicht: Wenn jemand immun ist, dann ist er immun, genau so, wie eben, wenn jemand schwanger ist, dann ist jemand schwanger. Es gibt nicht eine Halbschwangerschaft oder Teilschwangerschaft. Wie auch immer: Das war meine Intention.
Abg. Peter Sprenger:
Ich möchte das nicht verlängern. Aber wenn jemand gegen Argumente immun ist, dann ist er immun.
Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident. Geschätzte Damen und Herren. Guten Morgen. Art. 7 besagt in Abs. 1, dass der Landesfürst als Oberhaupt des Staates sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetzes ausübt. Und Art. 2 soll aussagen, so wie das auch im Kommentar der Regierung beschrieben ist, dass die Person des Landesfürsten bzw. die Person, welche die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt, weder zivil- noch strafrechtlich verfolgt werden kann, und insoweit untersteht sie nicht der Gerichtsbarkeit, aber nur insoweit. Es ist auch der Regierung völlig klar, dass in einem Rechtsstaat Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihren verfassungsmässig gewährleisteten Rechten verletzt fühlen, dass sie hier einen innerstaatlichen Rechtszug haben müssen, also dass sie innerstaatliche Gerichte anrufen können müssen. Und insoweit können natürlich Akte, die der Fürst als Staatsoberhaupt setzt, nicht ausserhalb der Gerichtsbarkeit stehen. Akte, welche von Staatsorganen im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen werden, sind allgemein gültig, die gelten für alle. Ich denke, um ein Beispiel zu nennen: Wenn der Staatsgerichtshof zum Beispiel ein Gesetz ausser Kraft setzt oder als verfassungswidrig aufhebt, dann ist das allgemein gültig, auch wenn es vorher vom Landesfürsten sanktioniert worden ist. Also, insofern muss diese Bestimmung sicher noch einmal genau angesehen werden, damit hier dann auch Eindeutigkeit herrscht. Es wurde die Frage gestellt bezüglich des Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Bezug auf die Causa Dr. Herbert Wille. Die Regierung hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, nämlich welche Auswirkungen sich aus diesem Urteilsspruch auf Liechtenstein ergeben. Momentan wird abgeklärt, wie auf dieses Urteil reagiert werden muss, also ob hier einfach das Staatsgerichtshofgesetz abgeändert werden muss, damit Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihren verfassungsmässig gewährleisteten Rechten verletzt fühlen, dann auch innerstaatlich ein Gericht anrufen können. Das ist der momentane Stand der Dinge.Was die Frage in Bezug auf Art. 100 betrifft, so meine ich, dass sich hier die rechtliche Lage nicht ändert, weil ja Art. 100 bestehen bleibt und nicht abgeändert werden soll.
Abg. Dorothee Laternser:
Eine Anschlussfrage, Herr Regierungschef: Wenn Ihrer Meinung nach nach wie vor der Fürst in seinen amtlichen Handlungen an die Verfassung gebunden ist und ein innerstaatlicher Rechtszug gegeben sein muss, weshalb wurde dann in der vorgelegten Fassung das Wort «Person» des Fürsten gestrichen? Welche Überlegungen führten dazu, dieses Wort zu streichen?
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Regierungschef. Sie haben in Ihrer Antwort - die Kollegin Laternser hat das vielleicht überhört - eigentlich davon gesprochen, dass natürlich nur die Person des Fürsten gemeint sei. Und aus dieser Antwort und aus Ihren sonstigen Ausführungen ergibt sich für mich eigentlich ein auf der Hand liegender Neuformulierungsvorschlag, den ich hiermit auch deponieren möchte. Man könnte unter diesen Auspizien so formulieren: «Die Person des Fürsten und jenes Mitglieds des Fürstenhauses, welches für den Fürsten die Funktionen des Staatsoberhauptes ausübt, kann weder zivil- noch strafrechtlich verfolgt werden und untersteht insoweit nicht der Gerichtsbarkeit». Das schiene mir eine Formulierung zu sein, die auf diese Bedenken Rücksicht nimmt. Ich möchte aber auch noch ein Wort sagen zu Ihrer Bemerkung, der Art. 100 der Verfassung solle nicht geändert werden und insoweit ändere sich an der Rechtslage nichts: Ganz so einfach erscheint es mir nicht, und zwar deshalb, weil jetzt eben neu im Art. 7 auch ausdrücklich geregelt werden soll, dass gegen den Fürsten und seinen Stellvertreter auch zivilrechtlich nicht vorgegangen werden soll. Mir ist ein Praxisfall bekannt, aber in etwas anderem Zusammenhang, wo es eine zivilrechtliche Klage gegen die Person des Fürsten gegeben hat, die eben passiv legitimationsmässig gegen die fürstliche Domäne anhängig gemacht und auch problemlos ohne Widerspruch von irgendjemand so durchgeführt wurde. Ich möchte schon ganz klar fragen, Herr Regierungschef, weil das scheint mir für die zukünftige Interpretation, auch wenn ein Anwendungsfall, wenn er überhaupt vorkommt, äusserst selten sein dürfte, wichtig zu sein: Ist Ihrer Meinung nach, nach Auffassung der Regierung, ungeachtet einer solchen Änderung von Art. 7 Abs. 2 eine ganz simple, zivilrechtliche Klage gegen den Fürsten, wenn der Fürst zum Beispiel auf Glatteis mit seinem Auto mit einem anderen Auto zusammenstösst und es sollen da irgendwelche üblichen Schadenersatzansprüche wegen Sachbeschädigung geltend gemacht werden, kann dann eine solche Klage, die nun wirklich die Person des Fürsten und nicht das fürstliche Vermögen betrifft, gegen die fürstliche Domänenbehörde anwendbar anhängig gemacht werden?
Regierungschef Otmar Hasler:
Ich muss mir die Frage noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Aber ich würde hier jetzt so aus dem Stand heraus antworten: Das müsste gemäss Art. 100 der Verfassung möglich sein. Aber ich möchte diese Frage doch auf die zweite Lesung noch detailliert abklären.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wir können weiterlesen.
Art. 9 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 9 steht zur Diskussion.
Abg. Peter Sprenger:
Das absolute Sanktionsverweigerungsrecht unserer Verfassung ist heute mit dem einfachen Satz zum Ausdruck gebracht, ich zitiere: «Jedes Gesetz bedarf zu seiner Gültigkeit der Sanktion des Landesfürsten». Das ist ein «key issue» - um Neuhochdeutsch zu reden - unserer Verfassung und ist die zentrale Bestimmung im Bereich der Machtaufteilung zwischen den Staatsorganen. Man kann auch sagen: Wir befinden uns in der Herzkammer unserer Verfassung. Wer hier das letzte Wort hat, der bestimmt, was Gesetz und damit Verfassung wird und gleichzeitig was nicht. Es erstaunt und verwundert deshalb nicht besonders, dass der Fürst auf die sehr ausgewogenen Vorschläge der LVK, der früheren Verfassungskommission - Sie können das in Anhang 1a, auf Seite 3 des Berichtes der LVK vom 20. November 2000 im Wortlaut nachlesen - mit keinem Wort eingegangen ist. Leider tut es auch die Regierungsvorlage nicht. An der Einstellung zum absoluten Veto lässt sich 1:1 ablesen, wie ernst gemeint es mit dem Demokratie-Ausbau ist. Durch die Verweigerung eines Diskurses betreffend den sehr moderaten Vorschlag - ich habe es bereits erwähnt - der Verfassungskommission einzutreten, sind alle Beteuerungen des Fürsten, es gehe ihm nicht um einen Machtausbau und um eine Schwächung der Demokratie relativiert. Die entsprechenden Bekenntnisse harren weiterhin ihrer Untermauerung durch entscheidende Taten, nämlich die Aufgabe des antiquierten absoluten Vetos. Dass ich mit meiner Ansicht nicht alleine in der Welt stehe, belegen die Zahlen der Umfrage des Demokratie-Sekretariates. Auf die Frage, ich zitiere: «Niemand, auch nicht der Fürst soll so viel Macht haben, dass er Gesetze, die vom Landtag oder vom Volk beschlossen werden, verhindern kann», hat doch immerhin eine satte Mehrheit von 65,3% gesagt, dass sie mit dieser Aussage «eher einverstanden sei», 20,3% sagen «eher nicht einverstanden», und der Rest, 14,irgendetwas Prozent ist noch nicht entschieden oder hat keine Meinung. Die Einführung des zweiten Satzes, wie er heute auch im Vorschlag der Regierung steht, war von der LVK sicherlich gut gemeint. Es sollten jahrelange Schwebezustände, wie sie sich insbesondere im Zusammenhang mit einem neuen Staatsgerichtshofgesetz artikuliert haben, vermieden werden. Allerdings - das muss ich heute ganz klar artikulieren - führt diese Möglichkeit des 6-monatigen Schweigens zu einer Entfremdung zwischen Landtag und Fürst, da das simple Abwarten der Frist eine Komponente der Diskurs- bzw. der Begründungsverweigerung in sich birgt. Zudem - ich konzediere das gerne, auch ich darf gescheiter werden, ich habe damals diesem Vorschlag von 6 Monaten zugestimmt - finde ich heute diese Frist eindeutig zu lange. Wenn Sie in neueren Verfassungen nachschauen, bewegen sich diese Fristen zwischen 14, 15 und 20 Tagen. Das Äusserste, was ich mir hier noch vorstellen kann, wäre vier Wochen.In der Praxis fast noch bedeutender als bei gelegentlich vorkommenden Fällen der Sanktionsverweigerung ist die präventive Wirkung einer angedrohten Sanktionsverweigerung. Das Parlament und die Regierung sind nicht mehr frei, sondern sie richten ihr Denken und ihr Handeln am Wohlgefallen einer Einzelperson aus. Ich habe in meinen bisherigen fünf Jahren als Parlamentarier zu oft erlebt, dass die bange Frage, «könnte da der Fürst allenfalls die Sanktion verweigern», zum Mittelpunkt allen Denkens geworden ist. Ich halte das nicht für gut.Namhafte Stimmen vertreten in ihren Gutachten - Prof. Rhinow, Seite 55, Prof. Frowein, Seite 13 ff., Dr. Breitenmoser, Seite 138 ff., Dr. Gerard Batliner in seinem Beitrag auf Seite 72 und auch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vertreten dezidiert die Ansicht, dass ein absolutes Veto einer nicht gewählten Person sowohl EMRK-widrig ist als auch dem Statut des Europarates nicht entspricht. Prof. Rhinow bringt es in seinem Gutachten auf Seite 55 auf den Punkt. Ich will Ihnen kurz vortragen, was er dazu sagt, ich zitiere: «Relevant erscheint insbesondere die Pariser Charta der KSZE/OSZE» - dann lasse ich etwas weg - «sowie Art. 3 des Zusatzprotokolls 1 zur EMRK, das in Liechtenstein seit dem 14. November 1995 in Kraft ist. Nach diesem Artikel erscheint ein absolutes Veto von einem nicht auf direkter oder indirekter Volkswahl beruhenden Organ problematisch. Jochen Frowein geht sogar, unseres Erachtens zu Recht, von einer Unzulässigkeit eines solchen Vetos aus. Auch aus dem Bericht von Riduero und Ress zum Beitrittsgesuch von Monaco zum Europarat geht klar hervor, dass ein absolutes Veto eines Fürsten gegen Gesetzesvorlagen nicht mit den minimal standards des Europarates vereinbar ist. Der Verfassungsentwurf des Fürsten genügt demnach unseres Erachtens den minimal standards des Europarates und der OSZE an eine demokratische Ordnung nicht». Zitat Ende.Auch das Argument, das immer wieder gebracht wird, beim Beitritt zum Europarat im Jahre 1978 habe das Veto in der heutigen Form ja auch schon bestanden, ist durch die Tatsache - ich habe das im Zitat von Prof. Rhinow vorgetragen -, dass eben der Art. 3 des Zusatzprotokolls 1 zur EMRK erst am 14. November 1995 für das Fürstentum Liechtenstein in Kraft getreten ist, entkräftet. Spätestens damit ist es völkerrechtlich unhaltbar. Die lapidare Begründung auf Seite 33 des Berichtes und Antrages und der Kürzestkommentar auf Seite 25 gehen auf diese Problematik mit keinem Wort ein. Ich finde das unverantwortlich und erwarte von der Regierung Antworten auf diese akuten Probleme heute oder mindestens bis zur zweiten Lesung und kein weiteres Totschweigen dieses Problemes. Ich werde - und das künde ich der Fairness halber heute auch an - ich werde anlässlich der zweiten Lesung einen Abänderungsantrag einbringen, der eine noch genauer zu definierende Form des Over-rulings beinhalten wird. Spätestens bei der Abstimmung über meinen angekündigten Änderungsantrag wird sich dann zeigen, wem es ernst ist mit der Demokratie und wem nicht. Ich bin bereits heute gespannt auf den Ausgang dieser Abstimmung. In der Gegenwart ist es zumindest unter den Mitgliedstaaten des Europarates in dieser Schärfe eine Singularität was heute noch in unserer Verfassung steht. Ich meine, es ist ein Anachronismus, der schnellstens beseitigt gehört. Ein Letztes noch: Historisch ist diese Forderung, die ich hier mit allem Nachdruck erhebe, die Forderung auf Abschaffung des absoluten Vetos nichts Revolutionäres und beileibe nichts Ungehöriges. Ich habe gefunden, dass bereits in einem Verfassungsentwurf für das Fürstentum Liechtenstein aus dem Jahre - Sie hören richtig - aus dem Jahre 1848 ein lediglich suspensives Veto vorgesehen ist. Ich glaube, das macht klar, wie weit wir noch mit dieser Bestimmung im letzten oder vorletzten Jahrhundert verhaftet sind.
Abg. Hugo Quaderer:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Ich wünsche ebenfalls allen einen guten Morgen und auch einen guten Tag.Der Art. 9 bildet nach meinem Dafürhalten ein weiteres Paradebeispiel, welchen unkritischen und unvollständigen Bericht die Regierung dem Landtag zur Beratung vorgelegt hat. Ich schliesse mich hier vollumfänglich meinem Vorredner Peter Sprenger an. Es wurde bereits anhand der Diskussion der vorhergehenden Artikel schon überdeutlich, was die Regierung alles versäumt hat, damit dem Landtag ein diskussionswürdiger und substanzieller Bericht zur Behandlung vorgelegen wäre. Der Landtagsvizepräsident und auch die Abgeordneten Paul Vogt und Peter Sprenger haben bereits mehrmals bei der Behandlung von anderen Artikeln aufgezeigt, auf welche Kernfragen die Regierung nicht eingegangen ist. Sie haben in ihren Voten und mit ihren Fragen praktisch die Arbeit der Regierung gemacht. Nun, bei diesem Artikel, stehen wir wieder vor derselben Situation. Die Regierung verweist in der Kommentierung dieses Artikels auf die Arbeit der Verfassungskommission, indem sie schreibt, dass gemäss Vorschlag der Kommission diese Ergänzung die nicht erfolgte Sanktionierung des Landesfürsten eindeutig regeln soll. Aus. Nichts mehr. Abgesehen davon, dass es die Regierung unterlässt, auf diese Ergänzung überhaupt gesondert hinzuweisen, verschweigt sie im Kommentar, obwohl sie auf die Arbeit der Verfassungskommission hinweist, dass die Kommission zu Art. 9 noch viel mehr vorgeschlagen hat. Auch hier fehlt die Auseinandersetzung mit den Ideen der Verfassungskommission. Man sollte und muss von einer Regierung erwarten dürfen, dass sie erklärt, warum sie hier den weiteren Vorschlägen der Kommission nicht gefolgt ist. Wenn es die Regierung nicht macht, dann mache es halt ich. Die Kommission schlägt nämlich vor, dass bei Nichteinigung respektive bei der Sanktionsverweigerung durch den Landesfürsten automatisch das Volk entscheiden soll. Hier sollte man - nach meinem Dafürhalten - unbedingt mit S. D. dem Landesfürsten nochmals reden. Für ihn sollte eine solche Regelung eigentlich kein Problem darstellen, da der Landesfürst immer betont, dass letztendlich der Wille des Volkes zu entscheiden habe. Eine Regelung gemäss Vorschlag der Verfassungskommission müsste somit auch im Interesse S. D. des Landesfürsten sein. Ich komme nochmals zurück zu meinen Fragen im Eintretensvotum, welche mir die Regierung nicht beantwortet hat. Ich möchte nochmals wissen: Welches war die Grundhaltung der Regierung, als sie mit S. D. dem Landesfürsten die Verhandlungen aufgenommen hat? Ist die Regierung dabei von den Vorschlägen der Verfassungskommission ausgegangen, oder welches war die Basis für diese Verhandlungsgespräche? Zurück zum Bericht und Antrag: Auch hier wieder die Auseinandersetzung bzw. die Nichtauseinandersetzung mit den europarechtlichen und völkerrechtlichen Bedenken. Es heisst in einem Satz auf Seite 26 des Berichtes, dass der neue Vorschlag sowohl aus europarechtlicher als auch aus völkerrechtlicher Sicht unbedenklich sei. Auch hier wieder: Punkt, fertig, keine Kommentierung. Aber was sagen denn die Gutachten dazu? Hier schweigt sich die Regierungsvorlage aus. Beispielsweise vertritt Prof. Rhinow in seinem Gutachten - der Abg. Peter Sprenger hat es auch schon erwähnt - den Standpunkt, dass eine allfällige Sanktionsverweigerung des Fürsten eine EMRK-Verletzung darzustellen vermöchte und der Verfassungsentwurf des Fürsten genüge nicht den minimal standards des Europarates und der OSZE an eine demokratische Ordnung. Ich habe mir die Mühe gemacht, nur ein Gutachten herauszugreifen. Was in den anderen steht, kann ich nicht beurteilen, weil mir schlicht und einfach die Zeit fehlte, in der vorgegebenen so kurzen Zeit alle Gutachten zu lesen. Was ich aber mit der beispielhaften Angabe eines Gutachtens zum Ausdruck bringen möchte ist wiederum, in welcher unqualifizierten Art und Weise die Regierung dem Landtag einen Bericht und Antrag vorgelegt hat. Nach meinem Dafürhalten zollt dieser Bericht nicht gerade von einem grossen Respekt, den die Regierung dem Landtag entgegenbringt. Ich vermisse eine kritische Auseinandersetzung mit den vorhandenen Materialien. Abg. Paul Vogt:
Gemäss den Begründungen auf Seite 33 im Bericht der Regierung erfolgt diese vorgeschlagene Änderung, ich zitiere: «Gemäss Vorschlag der Verfassungskommission soll diese Ergänzung die nicht erfolgte Sanktion von Gesetzen durch den Fürsten eindeutig regeln». Meine Damen und Herren: Ich fühle mich als langjähriges Mitglied der Verfassungskommission «verhöhnt» über eine solche Formulierung. Diese vorgeschlagene Änderung soll gemäss Vorschlag der Verfassungskommission erfolgen! Das ist zynisch, das ist unwürdig, unglaublich!Meines Erachtens ist dieser Artikel die Nagelprobe, ob es mit der vorgeschlagenen Verfassungsänderung insgesamt um die Weiterentwicklung Liechtensteins in Richtung einer wahren und modernen Demokratie geht. Diese vorgeschlagene Änderung zeigt, dass diese Nagelprobe nicht bestanden wird. Es geht nicht darum, die Demokratie zu verbessern, sondern es geht darum, Machtpositionen zu verhärten, dort wo sie heute zugungsten des Fürsten sprechen. Es wird vorgeschlagen, den bisherigen Artikel ohne wesentliche Änderung zu novellieren. Was bedeutet das in der Praxis? Es wird bestätigt, dass eine Sanktionsverweigerung ohne jede Begründung erfolgen kann, und dass sie ohne Gegenzeichnung durch ein Regierungsmitglied passieren kann. Nach Meinung von Prof. Frowein fällt Liechtenstein damit hinter den Stand der konstitutionellen Verfassungen des 19. Jahrhunderts in Deutschland zurück. Das ist eine klare Aussage. Ich bin daher der felsenfesten Überzeugung, wie der Landtagspräsident sagen würde, dass wir besser auf eine Änderung dieses Verfassungsartikels verzichten würden, als ihn in dieser schädlichen und undemokratischen Weise zu novellieren. Wenn man das in dieser Weise novelliert, dann wird der gesamte Inhalt des bisherigen Artikels im Jahre 2001 bestätigt. Alle Gutachter, mit Ausnahme von Günther Winkler, haben auch erhebliche Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit dieser neuen Bestimmung mit dem Zusatzprotokoll der EMRK. Sie sehen darin eine Verletzung der demokratischen Rechte, weil das Volk die gesetzgebende Gewalt nicht wählen kann. Der Fürst ist bei uns Teil der gesetzgebenden Gewalt und er steht ausserhalb der demokratischen Rechte. Ich denke, auch das müsste zu bedenken gegeben werden und von der Regierung sorgfältig geprüft werden.Schliesslich zu den Wirkungen des neuen Artikels: Es wird Leute geben, die sagen, die Fälle einer tatsächlichen Sanktionsverweigerung durch den Landesfürsten sind selten, man kann sie an einer Hand abzählen. Die Möglichkeit zur Sanktionsverweigerung habe damit scheinbar geringe rechtliche Wirkungen. Das stimmt. Die rechtlichen Wirkungen - im Nachhinein - sind relativ gering, weil sie selten vorkommen. Die tatsächliche Bedeutung der Möglichkeit zur Sanktionsverweigerung liegt jedoch, wie das der Abg. Peter Sprenger bereits erwähnt hat, in der präventiven Wirkung. Die Drohung mit einer allfälligen Sanktionsverweigerung ermöglicht dem Fürsten, ständig und frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess eingreifen zu können. Die Regierung muss ihre Vorlagen ständig mit dem Landesfürsten absprechen, und von daher sind eben auch die Fälle, in denen er nachträglich die Sanktion verweigert, selten. Das ändert aber nichts daran, dass aus demokratischer Sicht eine solche Novellierung des Artikels abzulehnen ist. Abg. Ivo Klein:
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren. Guten Morgen. Ich finde die Einführung einer Frist grundsätzlich als einen Fortschritt. Über die Länge der Frist muss meines Erachtens allerdings nochmals diskutiert werden. Ich möchte noch einen anderen Gedanken herausstreichen: Findet ein Gesetz nicht die Zustimmung des Landesfürsten, so sollte der Fürst seine Beweggründe für die Ablehnung begründen. Nur so kennt der andere Träger der Staatsgewalt die Ursachen, weshalb der Fürst das Gesetz nicht sanktioniert hat und kann diese bei einer allfälligen Gesetzesüberarbeitung in die Überlegungen miteinbeziehen. Ein solches Vorgehen erscheint mir für ein vertrauensvolles Miteinander bedeutend. Danke.
Abg. Rudolf Lampert:
Ich bin dem Abg. Klein dankbar für seine Worte, denn ich glaube, wir sollten uns irgendwann auch wieder darauf besinnen, dass - vor allem diejenigen, die die bestehende Verfassung beibehalten wollen - dass in der bestehenden Verfassung ebenfalls eine sehr absolute Formulierung steht, dass diese aber in der Vergangenheit vermehrt zu Problemen geführt hat, weil keine Frist drin war. Ich denke hier auch - der Abg. Peter Sprenger hat es erwähnt - an das Staatsgerichtshofgesetz, wo wir hier wieder Abänderungen durchgeführt haben, ohne zu wissen, ob nun überhaupt die Neuerungen dann noch in Kraft treten können oder nicht. Also, das hat immer wieder zu Problemen geführt. Umgekehrt, muss ich auch sagen, zumindest in meiner Amtszeit hier, und das sind immerhin schon neun Jahre, ist es einmal vorgekommen, dass der Fürst ein Gesetz nicht sanktioniert hat, hat es dann aber auch ganz klar begründet, nämlich weil eine rückwirkende Strafbestimmung in diesem Gesetz war. Also, konnte kein Machtmissbrauch festgestellt werden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Vor allem diejenigen, die bei der alten Verfassung bleiben wollen, die sollten sich hier wirklich die Neuerungen überlegen und feststellen, dass hier ein Fortschritt gemacht wurde. Einfach damit diese Ungewissheit, welches Gesetz denn nun in Kraft ist bzw. ob das noch sanktioniert wird oder nicht, damit diese Ungewissheit weggeht.
Abg. Markus Büchel:
Auch ich bin der Meinung wie meine Vorredner, dass diese Einführung einer Frist für die Sanktionierung von Gesetzen eine Verbesserung darstellt und auf keinen Fall eine Verschlechterung. Ich möchte hier auch darauf kurz eingehen, was kritisiert worden ist, dass die Regierung in Bericht und Antrag schreibt, dass gegen diesen Artikel keine völkerrechtlichen Bedenken, keine europarechtlichen Bedenken bestehen. Es wird dort ganz klar ausgeführt, dass die Einführung einer Frist europarechtlich und allgemein völkerrechtlich unbedenklich ist. Es wird nicht dort auf den bestehenden Artikel eingegangen. Was ich hier auch festhalten möchte, ist, dass immer wieder nicht der Vergleich mit der bestehenden Verfassung oder die Verbesserung zur bestehenden Verfassung erwähnt wird, sondern Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die bestehende Verfassung geändert werden kann. Und da möchte ich auch das Votum des Abg. Lampert unterstützen. Dann muss man sagen: Okay, wir können mit der bestehenden Verfassung und dem Art. 9, der da lautet «jedes Gesetz bedarf zur Gültigkeit der Sanktion des Landesfürsten», wir können mit dem nicht leben. Dann muss man dazu stehen. Ich bin der Meinung, dass hier ganz klar eine Verbesserung und auf keinen Fall eine Verschlechterung stattfindet.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Kollege Lampert: Ihr Argument, dass es ja auch heute so sei, ist kein besonders starkes Argument. Auch die die grundsätzlich bei der alten Verfassung bleiben wollen, können sich doch den grundsätzlich und breitest begründeten Bedenken eines Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der in Gottes Namen auch für unser Land eine gewisse Relevanz hat, nicht verschliessen. Sie können damit leben. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Mit diesem Artikel kann ich auf Dauer nicht leben. Das kann à la longue nicht so bleiben, weil es letztendlich zu diversen und immer wiederkehrenden Verurteilungen unseres Landes kommen wird.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Um beim «Leben» anzufangen: Leben kann man wahrscheinlich mit jedem Artikel, auch der Landtag noch in seiner Sitzung vom 14. September 1995 fand zunächst keinerlei Anlass, an dieser Bestimmung irgendetwas zu ändern. Ihm ging es damals und eigentlich auch in der Folge, bei der Erteilung der Aufträge an die Verfassungskommission - man kann das nicht genug oft wiederholen - nur darum, zweideutig interpretierbare unklare Verfassungsbestimmungen klarzustellen, um zukünftig keine unerfreulichen Auseinandersetzungen über die richtige Interpretation und Bedeutung gewisser Artikel mehr erleben zu müssen. Der Landtag hat daher im Jahr 1995 keinerlei Veränderung des bestehenden Art. 9 vorgeschlagen. Dieser Artikel kam erst ins Gespräch im Rahmen dieser früheren Befassungen des Landtages mit Verfassungsfragen, im Herbst 1996, und zwar deshalb - ich habe es vorgestern schon in der Eintretensdebatte erwähnt - weil S. D. der Erbprinz bei dem ersten Gespräch, das die Verfassungskommission - damals noch unter Vorsitz des heutigen Regierungschefs - mit S. D. dem Fürsten und dem Erbprinzen führte, darauf hingewiesen hatte, dass wir ja in unseren Vorschlägen und Überlegungen keinerlei Konfliktlösungsmechanismus vorgesehen hätten. Darauf hin hat der Landtag der Verfassungskommission am 21. November 1996 den Auftrag erteilt, sich auch mit Art. 9 zu befassen und Gedanken über einen Konfliktlösungsmechanismus zu machen. Dies hat die Verfassungskommission dazu geführt, den umfassenden Neuregelungsvorschlag zu machen, den Sie im Bericht der Kommission finden, der im Wesentlichen darauf hinausläuft, dass S.D. der Landesfürst ein Sanktionsrecht im Sinne eines Vetorechtes beibehält, dass der Landtag aber die Möglichkeit haben soll - es sollte kein Automatismus sein - die Möglichkeit haben soll, bei Sanktionsverweigerungsfällen das Volk anzurufen, um dem Volk - nicht dem Landtag selbst im Sinne eines Bestätigungsorgans - nur dem Volk die Möglichkeit einzuräumen, wenn ihm ein Gesetzesbeschluss so wichtig erscheint, dass es ihn auch gegen den Willen des Fürsten umgesetzt haben will, dies im Rahmen einer Art Bestätigungsabstimmung auszudrücken. Für diesen Fall sollte das Ergebnis einer positiven Volksabstimmung die Sanktion des Landesfürsten ersetzen. Gleichzeitig war in diesem Vorschlag auch - aber keineswegs nur - vorgesehen, dass von einer Sanktionsverweigerung auch auszugehen sei wie es jetzt hier im zweiten Satz heisst, wenn der Landesfürst sich nicht innert sechs Monaten äussert, und ausserdem - und das scheint mir auch ganz wichtig - waren bei dieser Over-Ruling-Regel durch Volksabstimmung ausgenommen, irgendwelche Bestimmungen der Verfassung, die die Rechtsstellung des Fürsten tangieren, auf diese Art und Weise abändern oder ausser Kraft setzen können. Das war der Ausgangspunkt. Man könnte heute selbstverständlich - ich persönlich hätte aus diesem Aspekt heraus nicht unbedingt Mühe damit - man könnte heute, wie es der Abg. Rudolf Lampert postuliert, wenn man schon für die Beibehaltung der bisherigen Verfassung sei, auch die Meinung vertreten: Ja, dann lassen wir doch den Art. 9 so wie er ist und kümmern wir uns weiter nicht darum. Die Regierung macht das mehr oder weniger auch in ihrer Nichtbegründung zu den Aspekten dieses Artikels im vorliegenden Bericht und Antrag. Aber, wir haben ein Problem. Das Problem ist, dass die Gutachter, die teils im Auftrag der Regierung, teils im Auftrag des Fürsten, sich in den letzten zwei Jahren mit den hier zur Debatte stehenden Artikeln unserer Verfassung befasst haben, darauf hingewiesen haben - das haben wir vorher nicht erkannt, auch die Verfassungskommission des Landtages nicht - dass der bestehende Art. 9 voraussichtlich mit Art. 3 des ersten Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention kollidiert.Nicht nur Herr Prof. Rhinow, sondern vor allem auch Herr Prof. Frowein, der auch den massgeblichen Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention mitverfasst hat, weisen darauf hin. Auch Prof. Breitenmoser weist darauf hin. Prof. Funk befasst sich aus irgendwelchen Gründen mit diesem Thema nicht. Der vom Fürsten beauftragte Gutachter Prof. Matscher bringt einen sehr interessanten Ansatz in diesen Zusammenhang ein, wenn er auf Seite 24 schreibt, ich zitiere: «Die Einführung der Möglichkeit, das Veto des Landesfürsten durch einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss des Landtages zu überstimmen, würde in diesem Zusammenhang erhobene Bedenken in einfacher Weise bedenken», und der Gutachter Winkler äussert sich - wenn ich nichts übersehen habe - im Gegensatz zur Ansicht meines Kollegen Sprenger überhaupt nicht zu diesem Aspekt, nämlich zum Aspekt Art. 3 des ersten Zusatzprotokolles zur Menschenrechtskonvention. Er erwähnt das überhaupt nicht, obwohl ihm die Gutachten der vier von der Regierung beauftragten Experten vorlagen. Er beschäftigt sich eigentlich hauptsächlich mit der Fristsetzung und bezeichnet diese und eigentlich den gesamten Artikel, nachdem er zuvor sehr umfassend auf die Regelungen in eigentlich fast allen anderen Europarats-Staaten hingewiesen hat, behauptet er dann zum Schluss, dass Art. 9 unserer Verfassung, ich zitiere: «Er verstärkt das rechtsstaatliche und gewaltenteilende Element, darüber hinaus liegt er aber auch im Standard der Verfassungen der Mitgliedstaaten der EU, die hier zum Vergleich herangezogen sind». Das ist, mit Verlaub gesagt, so falsch, um nicht zu sagen so dumm, dass es eines weiteren Kommentars nicht mehr nötig ist, und dass sich damit diese Meinung bzw. der Wortlaut dieser Meinung selbst disqualifiziert. Wesentlich erscheint mir, dass wir hier nicht gemäss Regierungsvorlage in einer Art Wiederverlautbarung des bestehenden Art. 9 - nunmehr als erster Satz des Art. 9 - etwas kommentarlos gutheissen können als Landtag des Jahres 2001, auch als Volk des Jahres 2001 oder 2002, ohne uns mit diesen schwergewichtigen rechtlichen Einwänden dieser EMRK-Spezialisten überhaupt auseinander gesetzt zu haben. Wir können doch nicht seitens der Regierung - und da spielt es keine Rolle, welche Regierung das war - Gutachten einholen, die in dieser Hinsicht ziemlich übereinstimmende und klare Aussagen behandeln, und uns dann überhaupt nicht darum kümmern, was die sagen und in einem Regierungsbericht einfach schreiben: Es gibt ohnehin keine völkerrechtlichen Bedenken, also alles wunderbar. Das wäre nun wirklich fahrlässig und verantwortungslos. Ich glaube auch, dass eine Abänderung des Art. 9, Satz 1 - wenn ich jetzt einmal von der Regierungsvorlage ausgehe - im Sinne der damaligen Vorschläge der Verfassungskommission - das muss gar nicht genau dieser Wortlaut sein, aber in dieser Richtung -, dass das einerseits das völkerrechtliche Problem sicherlich lösen würde - das bestätigen auch die Gutachter - ohne andererseits in der Verfassungswirklichkeit die Rechtsstellung, die Machtstellung S. D. des Landesfürsten wirklich ernsthaft zu tangieren. Das Wesentliche wäre, dass es in unserer Verfassung die Möglichkeit gibt, die rechtliche Möglichkeit gibt, in extremen Einzelfällen, wo das Volk seiner Meinung zum Durchbruch verhelfen will, dass es dann das auch machen kann. Das wäre notwendig, dass diese Möglichkeit in unsere Verfassung eingeführt wird.Diese Meinung von mir, dass das in der Verfassungswirklichkeit die Kompetenzen, die Machtstellung des Staatsoberhauptes nicht wirklich wesentlich tangieren würde, gründet sich hauptsächlich auf die bisherige Handhabung des Sanktionsrechtes. Es war zwar nicht so, wie der Abg. Rudolf Lampert gesagt hat, dass in unserer Landtagsabgeordneten-Funktionsperiode der Fürst vom Sanktionsrecht nur einmal Gebrauch gemacht hätte, er hat das noch ein zweites Mal gemacht. Ich erinnere an das Gesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung, dass er nur deshalb nicht sanktioniert hat, weil ihm die Wiederverwendung eines im Übrigen gar nicht geänderten Artikels, die Wiederverwendung des Wortes «christlich» - nämlich dass nur Vereinigungen, die christliches Gedankengut fördern, gefördert werden dürfen - das hat ihn gestört und das musste geändert werden. Das nur zur Auffrischung der Erinnerung. Ich glaube aber, wenn man die vier Sanktionsverweigerungsfälle, die es gegeben hat, vom Jagdgesetz des Jahres 1960 oder 1961 angefangen über das Staatsgerichtshofgesetz des Jahres 1992 und die beiden Fälle der letzten fünf Jahre - das vom Abg. Lampert schon erwähnte Strassenverkehrsgesetz, wo die Sanktionierung übrigens mit Sicherheit gerechtfertigt war, und das erwähnte Erwachsenenbildungsförderungsgesetz - Revue passieren lässt, dann kann man sich vorstellen, dass dann, wenn eine solche Verfassungsbestimmung damals schon existiert hätte, wie sie die Verfassungskommission hierzu vorgeschlagen hat, dass es dann wahrscheinlich keine bestätigende Volksabstimmung über Wunsch des Landtages gegeben hätte, weil man sich wahrscheinlich gedacht hätte, dass es nicht dafür steht, das Volk hier zu behelligen, und dass vielleicht die Interessen des Volkes durch diese Artikel, durch diese Gesetze, um die es da gegangen ist, auch nicht so weit tangiert werden, um da wirklich dem Volk überzeugend klarmachen zu können, dass hier der Fürst überstimmt werden müsse. Denn eine solche Möglichkeit - immer gemäss dem Vorschlag der Verfassungskommission - beinhaltet natürlich auch für den Landtag ein Risiko. Sie beinhaltet nämlich das Risiko, sich zu blamieren, wenn das Volk nämlich Nein sagt zur Frage des Landtages und den Fürsten bestätigt. Deshalb ist das wirklich eine sehr dezente und die Interessen des Fürsten durchaus in einem sehr grossen Ausmass berücksichtigende Formulierung, die aber, wie gesagt, die völkerrechtlichen Bedenken, die diese Gutachter geäussert haben, berücksichtigen würde. Und darum würde ich meinen, dass es gelinde gesagt schon dafür steht, wenn sich auch die Regierung mit dieser Problematik befasst und hierzu Gedanken macht und dem Landtag ihre Meinung dazu kundtut, damit wir dann auf die zweite Lesung hin uns eine eigene Meinung bilden können, was hier getan werden sollte.Abg. Paul Vogt:
Ich wollte auch das Gedächtnis des Abg. Rudolf Lampert ein bisschen auffrischen, indem ich auf das Gesetz zur Erwachsenenbildung hinweisen wollte. Mein Vorredner hat das bereits getan. In einem Punkt muss ich meinem Vorredner widersprechen. Beim Jagdgesetz gab es ja eine Volksabstimmung und der Landesfürst hat trotz dieser Volksabstimmung das Gesetz nicht sanktioniert. Das zeigt auch auf die grundsätzliche Problematik hin. Es besteht hier ein innerer Widerspruch, wenn auf der einen Seite behauptet wird, mit diesen Verfassungsänderungen soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das Volk wirklicher Souverän ist. Wenn das Volk wirklich souverän ist, warum kann es dann ein anderes Staatsorgan geben, welches das Volk überstimmen kann? Hier zeigt sich einfach, dass die Behauptung, mit diesen Änderungen solle die Souveränität des Volkes gesichert und endgültig zum Durchbruch gebracht werden, nicht aufgeht. Wenn wir über die Bedeutung einer Sanktionsverweigerungsmöglichkeit nachdenken, dann müssen wir noch feststellen, dass es einfach nicht um die nachträgliche Verweigerung geht, sondern das Elementare und Fundamentale ist die angekündigte Sanktionsverweigerung. Und hier möchte ich auf die jetzige Situation hinweisen. Wir haben eine Verfassungskommission gehabt, die sich jahrelang mit diesem Thema beschäftigt hat, die Vorschläge ausgearbeitet hat, und dann hat der Fürst angekündigt: Diesen Vorschlägen der Verfassungskommission werde ich nie und nimmer zustimmen. Hier zeigt sich doch die Bedeutung dieser möglichen Sanktionsverweigerung. Der Fürst hat nicht nur die Möglichkeit, in das Regierungsverfahren einzugreifen, sondern er nimmt direkt auch auf das Geschehen hier im Landtag Einfluss. Ich meine, in einer unzulässigen Weise. Der Landtag ist nicht mehr frei im Beraten. Wir alle fühlen uns hier nicht frei, in einer zweiten Lesung Abänderungsanträge zu stellen, so wie wir das gerne hätten. Wir alle haben dann die Drohung des Fürsten im Hinterkopf: Wenn ihr irgendetwas Substanzielles an dieser Vorlage ändert, dann werde ich dem einfach nicht zustimmen und dann werde ich eine Volksinitiative starten usw. Und wenn die Volksinitiative nicht angenommen wird, dann gehe ich nach Wien und schaffe allenfalls die Monarchie überhaupt ab. Hier findet eine unzulässige Einflussnahme auf den Landtag statt. Wir sind nicht mehr frei, Vorstellungen zu entwickeln, Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die wir alle als demokratischen Fortschritt ansehen würden. Ich glaube, offensichtlicher kann man das Problem einfach nicht mehr aufzeigen.
Abg. Peter Sprenger:
Damen und Herren Kollegen. Sehr geehrte Regierungsmitglieder. Faktum ist, dass ein absolutes Veto einer nicht demokratisch gewählten Person oder Behörde bei Gesetzeserlassen, die nota bene vom Landtag oder gar vom Volk beschlossen sind, ein dauernder Verstoss gegen die EMRK ist. Wollen wir wirklich, dass jede zukünftige Sanktionsverweigerung in Strassburg ausgefochten und ausjudiziert wird? Die Fälle XY versus Liechtenstein werden die Europäische Rechtsprechung bereichern. Wenn wir das wirklich wollen, dann dürfen wir weiterhin den Kopf in den Sand stecken und so tun als sei alles «paletti». Ich finde es unverantwortlich, sich so zu verhalten, nur weil eine Einzelperson kein Gehör für sehr gewichtige Argumente hat.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Auch ich möchte mich noch aufgrund dieser Debatte kurz zu dieser Problematik äussern: Der Landtagsvizepräsident, der Abg. Peter Sprenger und insbesondere auch der Abg. Paul Vogt haben sich am ersten Tag unserer Debatte unmissverständlich und eindeutig für die Beibehaltung der Verfassung von 1921 ausgesprochen. In der bestehenden Verfassung - das wissen Sie alle - steht lediglich der Satz: «Jedes Gesetz bedarf zu seiner Gültigkeit der Sanktion des Landesfürsten». Punkt, Komma, nichts weiter. Es ist hier eine ganz klare und eindeutige Formulierung. Und nun, meine Damen und Herren, wird eine zeitliche Einschränkung dieses Sanktionsrechts des Landesfürsten eingeführt. Und nun, meine Damen und Herren, kritisieren Sie in aller Schärfe diese Einschränkung. Der Abg. Paul Vogt hat in seinem Votum Folgendes gesagt: «Die Machtposition wird verhärtet in diesem Abänderungsvorschlag». Ich möchte den Abg. Vogt jetzt konkret fragen: Worin sehen Sie eine Verhärtung der Machtposition dieses Abänderungsvorschlages gegenüber der bestehenden Verfassung, die Sie jetzt so portieren?Dann habe ich noch eine konkrete Frage an den Landtagsvizepräsidenten: Der Landtagsvizepräsident hat in seinem Votum von Fahrlässigkeit und Verantwortungslosigkeit gesprochen bezüglich der Abänderung dieses Verfassungsartikels. Ich frage Sie, Herr Landtagsvizepräsident: Worin sehen Sie in diesem Abänderungsvorschlag der Regierung, dass die Regierung fahrlässig und verantwortungslos gehandelt hat?
Abg. Peter Sprenger:
Herr Landtagspräsident: Sie machen genau das, was ich vorhin als «Vogel-Strauss-Politik» bezeichnet habe. Sie zementieren das grundsätzliche Problem, dass eben Vorschläge - der Abg. Vogt hat es gesagt - die von einer Landtagskommission, die Sie auch mitgetragen haben, in langer und mühseliger Arbeit ausgearbeitet wurden. Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit: Diese Vorschläge haben goldene Brücken noch und «nöcher» enthalten. Ich will Ihnen das am Beispiel des Vorschlags zu Art. 9 erläutern. Es wurde dort vorgeschlagen: Nur eine Volksabstimmung kann das absolute Sanktionsverweigerungsrecht aufheben. Und dann die riesige goldene Brücke: Alle Prärogativen des Fürsten, Niederschlagungsrecht und, und, und, wurden aus diesem Verfahren ausgeklammert. Und jetzt - ich sage Ihnen das in aller Schärfe: Mit der Verweigerung eines Diskurses über solch moderate Vorschläge seitens des Landesfürsten - er negiert Vorschläge, die wirklich annehmbar wären. Das ist eine grundsätzliche Problematik, die über diesem Hause hängt und nicht nur über diesem Hohen Haus, sondern auch über der Demokratie dieses Landes. Abg. Paul Vogt:
Herr Landtagspräsident. Ich habe meine Position eigentlich schon einmal erklärt. Aber ich wiederhole es für Sie gerne noch einmal: Die heutige Bestimmung in der Verfassung ist völlig anachronistisch, darüber sind wir uns einig. Sie vielleicht nicht, aber ich denke, die Gutachter und die Juristen sind sich darüber einig. Sie bieten dem Landesfürsten die Möglichkeit, ohne Begründung, ohne Gegenzeichnung des Regierungschefs und auch ohne zeitliche Begrenzung einem Landtagsbeschluss die Zustimmung zu verweigern. Was nun geändert wird, ist nur, dass eine sehr lange Zeitdauer von einem halben Jahr eingeführt wird, bis er sich überhaupt äussern muss oder auch nicht äussern muss. Wenn er sich nämlich nicht äussert, dann gilt es automatisch als verweigert. Ich kann das einfach nicht mehr kommentieren, weil mir irgendwann die Geduld ausgeht, immer wieder das Gleiche zu wiederholen. Wenn wir diesen Artikel in dieser vorgeschlagenen Form novellieren, dann bestätigen wir den wesentlichen Inhalt noch einmal. Der Fürst kann ohne Gegenzeichnung durch den Regierungschef und ohne Begründung und, ohne dass er überhaupt dazu Stellung nimmt, einem Landtagsbeschluss die Zustimmung verweigern. Heute, im Jahr 2001, bestätigen wir eine solche Verfassungsbestimmung noch einmal, die bereits 1862 völlig überholt war. Ich verweise nochmals auf die Meinung von Prof. Frowein, ein europaweit anerkannter Experte in Sachen Menschenrechte. Aber wahrscheinlich haben Sie es immer noch nicht verstanden.Und dann nochmals zu den Intentionen der Verfassungskommission: Der Abg. Peter Wolff hat es, glaube ich, überdeutlich gesagt. Die Verfassungskommission war auf dem Schloss oben und bei einem Gespräch war auch der Erbprinz dabei. Und bei diesem Gespräch ist man darauf gekommen, dass es einen Konfliktlösungsmechanismus in unserer Verfassung geben sollte, einen politischen Konfliktlösungsmechanismus, nicht nur den Staatsgerichtshof, sodass auch auf politischem Weg in einer Staatskrise ein Entscheidungsweg aufgezeigt wird. Die Verfassungskommission hat dann darüber nachgedacht und gesagt: Jawohl, ein solcher Ausweg besteht möglicherweise darin, dass man die Möglichkeit schafft, dass das Volk den Monarchen überstimmen kann.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident: Sie haben entweder nicht zugehört oder Sie sind nicht bereit, auf die wirklich vorgebrachten Argumente einzugehen. Sie hätten dann Recht mit Ihrer grundsätzlichen Argumentation, wenn man für die bisherige Verfassung sei, dann müsse man eben auch Art. 9 akzeptieren, wenn es hier keine völkerrechtlichen Probleme gäbe. Und das ist doch das, über was ich mich in meinem heutigen Votum zu diesem Artikel des Langen und Breiten ausgelassen habe, ohne dass Sie das überhaupt mit einem Wort erwähnen. Man kann doch nicht nach dem vorliegenden Inhalt all dieser Expertenmeinungen und nach diesen detaillierten Voten verschiedener Abgeordneter so tun, als ob all das überhaupt nicht gesagt worden wäre und als ob die drei Abgeordneten, die Sie genannt haben, einfach nicht bereit seien, den Inhalt der bisherigen Verfassung anzuerkennen. Glauben Sie wirklich, dass das Fürstentum Liechtenstein mit seinen 160 km2 und 33'000 Einwohnern eine Zukunft hat, wenn wir uns um den Inhalt verbindlicher völkerrechtlicher Abmachungen wie der Europäischen Menschenrechtskommission keinen Dreck kümmern, sondern einfach nur das für wichtig halten, was der Fürst will und einfach nur das für wichtig halten, dass wir möglichst rasch in Übereinstimmung mit dem Fürsten den angenommenen Frieden in diesem Land wieder herstellen. Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird, Herr Landtagspräsident. Wenn wir uns nämlich an die Verträge, die wir eingegangen sind, und an die Abmachungen und an die Konventionen, denen wir beigetreten sind, so offensichtlich nicht halten und einfach sagen: Wenn unser Fürst nicht will, dann ist uns das alles egal, dann stimmen wir allem zu, nur wenn er es will, dann werden wir Pech haben. Und es würde mich schon interessieren, Herr Landtagspräsident, ob Sie eigentlich der Argumentation betreffend den Widerspruch zu Art. 3 des ersten Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechtskonvention, ob Sie das irgendwie aufgenommen haben und was Sie dazu meinen. Wenn Sie der Meinung sind, das sei alles falsch, das sei in Wirklichkeit ganz anders auszulegen, wohlan. Aber bitte, dann sagen Sie das. Dann können Sie nicht uns einfach vorwerfen, wir würden einfach nur gegen die bisherige Verfassung kritisieren, wir würden Vorlageinhalte kritisieren, die ja doch ohnehin der bisherigen Verfassung entsprechen.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Landtagspräsident: Sie machen es einem wirklich schwer. Das grundsätzliche Bekenntnis zur heutigen Verfassung darf es doch nicht verunmöglichen, eklatante Demokratiedefizite anzusprechen und auf ihre Beseitigung hinzuwirken. Herr Landtagspräsident: Sie betätigen sich erneut als Sprachrohr des Fürsten. Als oberster Volksvertreter ist das ein Verhalten, das befremdet.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Ich möchte noch einmal kurz zurückkommen auf das Votum des Abg. Paul Vogt. Herr Abg. Vogt: Die Geduld geht mir noch lange nicht aus. Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich habe Ihnen die konkrete Frage gestellt: Wo wird die Machtposition gegenüber der bestehenden Verfassung von 1921 durch diesen Änderungsvorschlag verhärtet? Die Frage wurde von Ihnen nicht beantwortet, hier hätte ich gerne noch eine Antwort von Ihnen.Abg. Paul Vogt:
Herr Landtagspräsident: Ich denke, ich habe die Frage beantwortet.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Danke. Keine Antwort kann auch eine Antwort sein.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
So einfach kann man es sich nicht machen, Herr Präsident. Es ist in rechtlicher Hinsicht, in legislatorischer Hinsicht ein sehr grosser Unterschied, ob man eine gesetzliche oder wie hier verfassungsrechtliche Bestimmung, die schon seit dem Jahr 1862 existiert, unangetastet lässt, sie allenfalls in dieser Verordnung überhaupt nicht erwähnt, oder ob man sie heute bestätigend im Sinne einer Wiederverlautbarung als heutigen Willen des Gesetzgebers wieder verlautbart. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Das bedeutet nämlich inhaltlich nichts anderes, als dass der Gesetzgeber - sprich der Landtag - heute möchte, auch wenn es eine solche Bestimmung bisher noch nicht gegeben hätte, dass eine solche Bestimmung in der Verfassung besteht. Und das ist ein Riesenunterschied von der Bedeutung her, von der Bedeutung für die Interpretation einer solchen Bestimmung her, vor allem im Unterschied zu dem Fall, dass man eine alte Bestimmung der Verfassung einfach unangetastet gelassen hätte. Und Ihre Ermahnung an den Abg. Vogt hat mich daran erinnert, dass ich auch Ihre konkrete Frage, warum ich von «verantwortungslos» gesprochen habe, nicht beantwortet habe. Man könnte es zwar indirekt aus meinem Votum entnehmen, aber Sie wollten eine konkrete, ausdrückliche Antwort. Ich habe nur insofern von «verantwortungslosem Vorgehen» gesprochen in Zusammenhang mit diesem Artikel, dass es meiner Meinung nach verantwortungslos wäre, wenn man sich, ohne sich um die Inhalte der Europäischen Menschenrechtskonvention und der dazu von verschiedenen Gutachtern vorgebrachten Bedenken zu kümmern, über das einfach hinwegsetzen und diese Bestimmungen einfach unverändert lassen würde. Das wäre meiner Meinung nach verantwortungslos. Von «fahrlässig» habe ich meines Wissens in meinem heutigen Votum überhaupt nicht gesprochen.
Abg. Rudolf Lampert:
Könnte hier nicht auch ein Weg sein, um dieser Novation des bestehenden Art. 9 aus dem Wege zu gehen, indem man einen Abs. 2 einführt, und dort in diesem Abs. 2 eine Frist einführt. Um diese Novation, die hier von den meisten Abgeordneten als bedenklich angeschaut wird, zu umgehen und diesen Abs. 2 einzuführen, der dann lautet: «Erfolgt die Sanktion nicht innerhalb von irgendeiner zu definierenden Zeit, dann gilt sie als verweigert». Das einfach, um eventuell diesem Problem aus dem Weg zu gehen.
Abg. Peter Sprenger:
Ich halte diesen Vorschlag nur für eine ganz marginale Verbesserung. Dann sieht es halt so aus, dass wir Art. 2 nur novelliert haben, aber indem wir nicht den Artikel, sondern nur den Abs. 2 novelliert haben. Durch das Nichtansprechen des Abs. 1 kann man dann halt trotzdem wieder den Schluss ziehen - wenn auch nicht so direkt wie in der heutigen Form - das wurde vom heutigen Gesetzgeber erneut bestätigt und sanktioniert. Meine Damen und Herren: Ich teile hier die Ansichten der Kollegen Vogt und Wolff in aller Deutlichkeit: Das ist eines Gesetzgebers des dritten Jahrtausends unwürdig.
Regierungschef Otmar Hasler:
Geschätzte Damen und Herren. Hier bei Art. 9 wird ja von bestehendem Recht ausgegangen. Die bisherige Regelung soll gemäss Regierungsantrag nun neu eine Befristung enthalten. Durch diese Frist sollen die Voraussetzungen für ein weiteres Staatshandeln auf eine formale Weise auch neu eröffnet werden. Das einfach dazu. Natürlich, wenn man nun rein demokratiepolitische Argumente nimmt, dann ist es ganz klar, dann kann es kein absolutes Sanktionsrecht des Landesfürsten mehr geben. Aber wir haben auch immer wieder gesagt und auch im Landtag wurde das immer wieder gesagt: Wir wollen zur heutigen Staatsform, beruhend auf Art. 2, stehen und diese Staatsform soll so beibehalten werden. Und Art. 2 besagt nun einmal, dass Fürst und Volk sich die Staatsgewalt teilen. Fürst und Volk teilen sich die Staatsgewalt und ein Ausfluss aus diesem Artikel ist natürlich dieser Art. 9. Diese Abänderungsvorlage hier hat natürlich auch eine Geschichte, und ich bin mir sehr wohl auch um die Gespräche bewusst, welche die Landtagskommission mit S. D. dem Landesfürsten geführt hat. Ich bin mir sehr wohl auch bewusst, dass die Landtagskommission damals einen Abänderungsantrag auch bezüglich Art. 9 gemacht hat, und zwar einen Abänderungsantrag der in Richtung eines suspensiven Vetos des Landesfürsten ging. Dieser Abänderungsantrag oder dieser Antrag der Landtagskommission war dann aber noch dermassen eingeschränkt, dass dieses suspensive Veto - wenn wir das einmal so nennen -, dass bestimmte Artikel der Verfassung, nämlich die Artikel der Verfassung, welche die Stellung des Staatsoberhauptes betreffen, welche die Kompetenzen des Staatsoberhauptes betreffen, ausgenommen waren. Wir wissen auch, dass wir hier zu keiner einvernehmlichen Lösung gekommen sind und es damals als einen Fortschritt erachtet haben, und ich meine, es ist heute noch ein Fortschritt, wenn wir hier zumindest eine Frist einbauen, damit nachher auch wieder Rechtssicherheit herrscht und damit nachher der Landtag wieder aktiv werden kann. Bezüglich der Bedenken betreffend das erste Zusatzprotokoll zur EMRK: Die Regierung hat ja im Jahre 1995 in ihrem Bericht und Antrag an den Landtag betreffend das erste Zusatzprotokoll zur EMRK Stellung genommen. Darin hat die Regierung festgehalten, dass bei der Aufnahme in den Europarat die demokratische und rechtsstaatliche Verfassung des Fürstentums Liechtenstein überprüft wurde und es daher bekannt war, dass Liechtenstein eine Erbmonarchie auf parlamentarisch demokratischer Grundlage ist und somit einen zweiteiligen Souverän, nämlich Fürst und Volk, hat. Die Praxis - so wurde damals ausgeführt - zeigt, dass die beiden Überwachungsorgane der EMRK, nämlich Gerichtshof und Kommission, den Art. 3 des Zusatzprotokolles immer sehr vorsichtig interpretiert haben. Beide unterstrichen, dass der Ausdruck «gesetzgebende Organe» mit Rücksicht auf die Verfassungsstruktur des betreffenden Staates interpretiert werden müsse. Ferner betonte die Kommission in ihrer Entscheidung vom 30. Mai 1975 über die Zulässigkeit der Gesuche Nr. 6745 und 6746, dass die Verfassungstradition der Mitgliedstaaten, und ganz besonders die der konstitutionellen Monarchien, bei der Interpretation von Art. 3 des ersten Zusatzprotokolles zur EMRK berücksichtigt werden müssten. Art. 3 ist folglich in Bezug auf die Organisation der gesetzgebenden Organe unter der geltenden nationalen Verfassung neutral und somit unproblematisch für Liechtenstein. Das damals in Bericht und Antrag der Regierung aus dem Jahr 1995. Das ist die Rechtsansicht der Regierung, was die EMRK-Verträglichkeit hier betrifft. Noch einmal: Eine Einführung einer sechsmonatigen Frist nach Ablauf der Sanktionen des Landesfürsten, dass dann das entsprechende Gesetz als verweigert gilt, ist lediglich eine Konkretisierung der bestehenden Rechtslage. Ich meine, dass das durchaus ein Gewinn zur heutigen Situation ist. Natürlich geht das nicht so weit, wie hier gesagt wurde, es geht nicht so weit, dass hier ein so genanntes suspensives Veto eingeführt wird. Die Regierung hat die Gespräche mit dem Landesfürsten auf der Grundlage der Vorschläge der Verfassungskommission sowie auf der Grundlage der Vorschläge des Landesfürsten geführt. Wir haben da miteinander ausgelotet, wie weit hier überhaupt Möglichkeiten sind, um Lösungen zu finden, die dann die Zustimmung des Verfassungsgesetzgebers finden, also Landtag und Landesfürst. Und das ist ja auch Zweck und Inhalt der heutigen ersten Lesung hier im Landtag, um die Bedenken des Landtages aufzunehmen und dann entsprechend wiederum das Gespräch mit S. D. dem Landesfürsten zu suchen. Es wird sich letztendlich einfach dann einmal herausstellen müssen, ob hier eine einvernehmliche Lösung möglich ist. Das ist ja die Zielsetzung und das war auch immer wieder die Zielsetzung in diesem Haus, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Deshalb wäre es auch nicht richtig, wenn die Regierung hier dem Landtag zumindest nicht Klarheit verschafft, wie weit sie in ihren Gesprächen gekommen ist und welches nun die Lösungsansätze sind, aufgrund derer hier auf eine einvernehmliche Lösung zugegangen werden kann.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Regierungschef: Es ist völlig richtig, dass die Regierung und übrigens auch der Landtag des Jahres 1995 der Meinung war, dass unsere bestehende Verfassung, insbesondere auch Art. 9, mit diesem Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention vereinbar ist. Mit der Begründung allein werden wir allerdings nicht über die Runden kommen, wenn sich im Nachhinein - wie man annehmen kann aufgrund der mehrfach erwähnten gutachterlichen Äusserungen - sich herausstellen sollte, dass die Meinung des Europarates, und sei es allenfalls die Meinung des Europarates heute, hier offenbar eine andere ist. Denn wenn im Kreise des Europarates heute, wie wir zum Beispiel auf Seite 55 des Gutachtens Rhinow einfach als Tatsachenbericht nachlesen können, wenn dort heute unter Bezugnahme auf das Beitrittsgesuch von Monaco ausgeführt wird, dass ein absolutes Veto eines Fürsten gegen Gesetzesvorlagen nicht mit den Minimalstandards des Europarates vereinbar ist, dann werden wir uns wohl mit dem auch auseinander setzen müssen und nicht nur verweisen können auf die Aufnahme im Jahr 1978, unter damals ganz anderen rechtlichen Voraussetzungen und auf unsere eigene Meinung aus dem Jahr 1995. Ich möchte Sie daher schon ersuchen, dass die Regierung bis zur 2. Lesung zu diesen völkerrechtlichen Fragen des bestehenden Art. 9 der Verfassung, die wir doch nicht einfach ignorieren können, Stellung nimmt.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Regierungschef: Sie sprechen davon, dass Sie sich der Probleme bewusst sind. Problembewusstsein ist die eine Sache, entsprechendes Verhalten ist eine andere. Warum haben Sie nicht den Mut, den Vorschlag der LVK in Ihre Verfassung zu übernehmen? Durch die unkritische Transportierung ausschliesslich der fürstlichen Ideen machen Sie sich eben mitverantwortlich. Sie winden sich hier in einer Art und Weise, die nicht viel Selbstvertrauen erkennen lässt. Sie und alle anderen Regierungsmitglieder machen dem eindeutig nur historisch zu verstehenden Begriff «Fürstliche Regierung» alle Ehre. Einvernehmliche Lösungen: Ja. Falls aber kein Einvernehmen, dann bitte Selbstvertrauen und Zivilcourage.
Abg. Rudolf Lampert:
Jetzt muss ich Sie aber schon fragen: Von der Regierung erwarten Sie, dass sie Lösungen bringt, die nicht einvernehmlich sind. Wir selbst - und ich war auch dabei - wir haben uns ganz klar nur dafür ausgesprochen, dass nur Artikel abgeändert werden dürfen, wenn sie im Einvernehmen mit dem Landesfürsten erfolgen. Von der Regierung erwarten Sie nun plötzlich ein ganz anderes Verhalten. Wie soll denn die Regierung uns eine Vorlage bringen, die nicht mit einvernehmlichen Lösungen bestückt ist, wenn wir von uns selber, an uns selbst, ganz einen anderen Anspruch gestellt haben.
Abg. Peter Sprenger:
Ich erwarte einfach von einer Regierung, wenn derart eklatante Defizite von verschiedensten Seiten geortet werden, dass sie das nicht totschweigt, sondern irgendwo in ihre Überlegungen miteinbezieht und Vorschläge unterbreitet, die sich irgendwo auch im Bereich des Landtages, der Regierung und des Volkes bewegen.
Regierungschef Otmar Hasler:
Geschätzte Damen und Herren: Wir werden sicher diese völkerrechtliche Komponente noch einmal detailliert abklären und dem Landtag vorlegen. Dann bezüglich des Begriffes «Mut»: Da haben wir einfach verschiedene Vorstellungen. Wir wollen hier einen Lösungsvorschlag unterbreiten, der sicher jetzt in der Beratung des Landtages kontroverse Ansichten zu Tage bringt und dann wird man weitersehen müssen, wie das weitergeht. Ob es einfach mutig ist, hier irgendeine Lösung vorzuschlagen, die dann letztendlich zu keinem Konsens führt, das ist die Frage. Ich meine, ich gestehe jedem Mut zu. Abg. Alois Beck:
Herr Präsident, Damen und Herren. Guten Morgen. Ich habe mir auch über diesen Artikel Gedanken gemacht, wie das die übrigen Abgeordneten sicher auch getan haben, und es hat sicher einiges dafür, was hier vorgebracht wurde. Das Problem - und hier scheint der Abg. Peter Sprenger doch etwas sehr mutig in seiner Aussage - scheint hier doch zu sein: Was ist wirklich alles möglich? Warum hatte die Verfassungskommission nicht den Mut, Klartext zu sprechen, ihre Vorschläge zu bringen? Im Übrigen hätte ich mich auch mit diesen Vorstellungen identifizieren können, die waren sicher in einer moderaten Fassung abgefasst. Warum hat überhaupt die Verfassungskommission diese Vorschläge nicht dem Landtag unterbreitet? Weil sie eben einerseits den Auftrag hatte, eine einvernehmliche Lösung zu bringen, weil sie selbst wusste, dass man mit diesen Vorschlägen eben nur bis zu einem bestimmten Punkt kommt. Das soll natürlich nicht auf der anderen Seite heissen, dass der Landtag sich nicht seine Gedanken machen muss. Aber, und das ist halt eine Tatsache: Wir sind jetzt, mit der jetzigen Verfassung in einem System, wo wir nicht ausschliesslich für uns Entscheidungen treffen können, die dann ausschliesslich auf dieser Grundlage umgesetzt und durchgesetzt werden können. Man kann dies nun bedauern oder nicht, aber es ist eine Tatsache. Das heisst aber nicht, dass man sich hier über diese nicht unterhalten soll, man muss dies tun. Aber man sollte meiner Ansicht nach eben nicht so argumentieren, dass nun die Regierung einen so vollkommen offenen Handlungsspielraum hat. Nicht einmal die Verfassungskommission hat ihre Vorschläge formal dem Landtag unterbreitet.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Diese Vorwürfe an die Verfassungskommission, Herr Abg. Beck, sind völlig unangebracht. Die Verfassungskommission hatte einen klaren Auftrag von Seiten des Landtages, der war zu beachten, darüber hinaus war nicht zu gehen. Der Auftrag lautete - der Abg. Rudolf Lampert hat es bereits erwähnt - der Auftrag lautete: Nach der anfänglichen Abklärung der Problemfelder Textvorschläge zur Beseitigung der Probleme zu machen und zu versuchen, diese Texte so herzubringen, dass sie im Einvernehmen mit S. D. dem Landesfürsten und der Regierung dann umgesetzt werden können. Wir haben Textvorschläge gemacht, die wurden dem Landtag auch mitgeteilt und durchaus formell mitgeteilt, berichtet, wir haben in unserem Schlussbericht dann auch berichtet, dass bezüglich dieser Textvorschläge, so weit sie von den Vorstellungen des Fürsten abgewichen sind, keine Einigung mit dem Fürsten erzielt werden konnte. Damit haben wir unserem Auftrag gemäss gehandelt. Es wäre völlig daneben gewesen, wenn wir im Sinne einer Verfassungsinitiative von Abgeordneten als Verfassungskommission im Landtag Abänderungsanträge eingebracht hätten. Das war nicht der uns erteilte Auftrag. Mit der Berichterstattung, mit der Feststellung, dass über diese Vorschläge keine Einigung erzielbar war, lag es wieder in der Hand des Landtagsplenums, die Beschlüsse zu fassen, die der Landtag für richtig hielt.
Abg. Wendelin Lampert:
Danke, Herr Präsident. Werte Damen und Herren Abgeordnete. Lieber Kollege Sprenger: Sie wissen ganz genau, dass die ganze Sache nicht so einfach ist. Sie werfen der Regierung vor, sie sei mutlos. Aber Sie wissen auch ganz genau auf der anderen Seite: Es ist hier kein Wunschkonzert. Ich glaube doch, die Regierung hat sich Mühe gegeben und das Beste versucht. Auch das Votum des Landtagspräsidenten muss ich insofern unterstützen. Sie haben am Donnerstag gesagt, Sie würden lieber bei der alten Verfassung bleiben als diesen Vorschlag zu unterstützen. Ich denke mir - ich möchte es nicht noch einmal vorlesen - aber ich finde auch: Der neue Vorschlag ist eine Verbesserung, denn er gibt eine klare Terminvorgabe vor, dass innerhalb von sechs Monaten die Sache, wenn sie nicht sanktioniert ist, als verweigert gilt. Und wenn wir hier die internationale Rechtsprechung ansprechen, dann muss ich sagen, dann müssen wir einen Artikel einfügen, dass die neue Verfassung andauernd der aktuellen Rechtsprechung anzupassen ist. Das hätte aber schon längst erfolgen müssen. Ich frage mich: Wieso kommen Sie erst heute mit dieser Sache? Danke.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Kollege Beck: Sie geben mir die Möglichkeit, auf eine fatale Entwicklung, die eben in der Verfassungsdiskussion sich ergeben hat, hinzuweisen und diese zu Protokoll zu geben. Wir, die LVK, die Verfassungskommission, hat sich heute den Vorwurf gefallen zu lassen, dass sie moderat zu Werke gegangen ist. Dieses Entgegenkommen wurde vom anderen Verhandlungspartner nicht eben honoriert. Das, meine Damen und Herren, ist die eigentliche Crux der Verfassungsdiskussion und der Verhandlungen. Und Herr Kollege Lampert: Wenn Sie sagen, die Regierung hat sich Mühe gegeben, dann belustigt mich das ein wenig. Ich konzediere, dass sie sich Mühe gegeben hat, sie hat auch Mühe gehabt. Sie hat ausschliesslich die Ideen des Fürsten in dieses Hohe Haus gebracht.
Abg. Helmut Konrad:
Ich glaube, an dieser Diskussion zeigt sich die grundsätzliche Problematik, vor der wir stehen. Ich gehe davon aus: Wir haben eine Verfassungskommission gehabt, die jahrelang - ich habe das auch im Eintretensvotum zum Ausdruck gebracht - die jahrelang versucht hat, in dieser Verfassungsdiskussion mit dem Fürsten einen Weg zu finden, um eine einvernehmliche, für alle tragbare Lösung zu finden. Es ist offensichtlich, dass dort dieser Weg zwischen Verfassungskommission und Fürst nicht zu einer Lösung geführt hat. Vor dieser Situation stand die Regierung. Die jetzige Vorlage ist ein Versuch, eine Diskussionsgrundlage auf dem Hintergrund der Gespräche, welche die Regierung mit dem Fürsten geführt hat, die zeigt, wie weit der Spielraum von Seiten des Fürsten in diesen Gesprächen mit der Regierung gegangen ist. Es ist im Vorfeld schon abgewogen und dargestellt worden, es sei viel zu nahe an dem, was die Fürsten-Vorschläge mit sich gebracht haben, was diese beinhaltet haben. An diesem Art. 9 zeigt sich von mir aus, dass eine geringe der Rechtssicherheit dienende Verbesserung - sage ich jetzt einmal - im Sanktionsrecht erfolgt ist. Wenn man jetzt hier versucht, weiter zu gehen im Sinne einer Demokratisierung der Verfassung, wenn das das Ziel ist, das dann letztlich auch zu Machtabbau und zu einer Verlagerung der Macht Richtung Volk führt und im Sinne dessen, was die Verfassungskommission verlangt hat, dann müsste man hier sicher etwas ändern. Ich habe aber am Anfang auch gesagt, es muss unser Anliegen nach diesen jahrelangen Diskussionen jetzt sein, eine für viele tragfähige Lösung zu finden. Ich bin überzeugt, wenn wir hier in diesem Art. 9 und in vielen anderen Artikeln einfach versuchen, den Standpunkt, den man aus dieser einseitig demokratiepolitischen Sicht hat, wenn man den versucht, durchzubringen, dann werden wir scheitern. Da bin ich der felsenfesten Überzeugung. Und es ist jetzt an uns - und deshalb auch mein Vorschlag für diese Kommission - es ist jetzt an uns dann mit dem Fürsten auszuloten, was und wo der Spielraum ist, was aus unserer Sicht gegenüber dieser Vorlage, die die Regierung mit dem Fürsten ausgearbeitet hat, was aus unserer Sicht noch mit in eine tragfähige Lösung hinübergebracht werden kann. Und vor dieser Herausforderung stehen wir, wenn wir zu diesem dualistischen Staatsaufbau mit der Kompetenzverteilung stehen, die die Regierung mit der bisher vorhandenen Kompetenzverteilung vorgeschlagen hat. Wenn wir einseitig versuchen, hier die Gewichte einseitig - «einseitig» wird Sie wahrscheinlich stören, aber ich sage jetzt einmal - wenn wir einseitig versuchen, die Gewichte auf die Seite des Volkes und der Demokratie zu verschieben, dann, meine ich, dann stellt sich die Frage, ob dieser ausgewogene dualistische Staatsaufbau, den wir jetzt in der 1921er Verfassung haben und von der ich in der ganzen Debatte am Donnerstag eigentlich immer gehört habe, sie habe sich im Grossen und Ganzen bewährt, sie habe sich sehr gut bewährt, wenn wir bei dem bleiben wollen, dann müssen wir auch von gewissen Standpunkten abrücken, die ich jetzt von Ihnen gehört habe. Auch wenn für mich das durchaus vorstellbar und wünschbar wäre, dass wir durch ein suspensives Veto mit einem qualifizierten Mehr im Landtag ein Veto des Fürsten überstimmen könnten oder durch eine Volksabstimmung, das sind Gedanken, die mir durchaus auch sympathisch sind. Aber wir müssen sie, glaube ich, in den Gesamtkontext stellen und uns dann fragen: Was wollen wir letztlich? Und wenn völkerrechtverträglich diese Abklärungen gemacht werden, der Regierungschef, und darauf habe ich mich auch abgestützt, auf diese 95er Erklärung, wenn sich da etwas verändert hat - ich denke, das ist die Aufgabe jetzt der Regierung, das noch abzuklären - wenn diese Völkerrechtsverträglichkeit in Bezug auf die EMRK Art. 3 des ersten Zusatzprotokolls, wenn das verhält, dann wird sich für uns diese innenpolitische Frage stellen, ob wir uns für diese für alle, für viele, für die meisten tragfähige Lösung aussprechen oder nicht.Abg. Alois Beck:
Der Kollege Helmut Konrad hat jetzt eigentlich das im Kern vorweggenommen, was ich auch nochmals betonen wollte. Kurz noch zum Votum des Landtagsvizepräsidenten. Ich habe ja ganz klar gesagt: Das ist die Art und Weise, wie die Verfassungskommission arbeiten musste. Es war ein Auftrag gegeben, das habe ich ganz klar gesagt, und im Lichte dieses Auftrages und im Lichte dieser Einvernehmlichkeit, die eigentlich das Grundprinzip auch der Verfassung ist, hat sie eben dann ihre Vorschläge formal dem Landtag zur Behandlung nicht unterbreitet. Was ich gesagt habe, ist, dass im Lichte der Argumentation des Abg. Sprenger, wenn man «Mut» so definieren würde, dass sie das dann machen hätte müssen im Lichte dieser Argumentation, aber nur dort und sonst eben nicht. Diese fatale Entwicklung, die der Abg. Sprenger angesprochen hat - ich weiss nicht, ob ich ihn recht verstanden habe -, dass er mir unterschoben hat, dass ich jetzt noch den Vorwurf an die Kommission richte, hier moderat zu Werke gegangen zu sein. Ich weiss nicht, ob das bei mir richtig angekommen ist oder nicht. Das war selbstverständlich nicht meine Absicht und hoffentlich auch nicht meine Wortwahl. Das war ja der Auftrag der Kommission, die natürlich keine leichte Aufgabe hatte. Das ist ganz klar. Vielleicht doch noch ein paar Worte zur Verfassungswirklichkeit: Mit diesem Art. 9 ist natürlich ganz klar eine präventive Wirkung verbunden, das ist so. Aber es ist eben jetzt auch so, und wir haben hier aus meiner Sicht eine, wenn auch nur kleine Verbesserung des jetzigen Zustandes. Es wurde von verschiedenen Votanten gesagt, dass hier eine Bestätigung der jetzigen Situation gemacht werde. Und gerade dieser Terminus «Bestätigung» sagt eben aus, was wir jetzt für eine Situation vorfinden. Ob man das nun für sinnvoll, gut oder schlecht findet ist eine andere Frage. Ich könnte mir auch diese Idee der Verfassungskommission gut vorstellen. Aber eben: Ist das eine Möglichkeit, die schlussendlich dann zum Durchbruch verhelfen kann oder ist man nun der Auffassung, wie das verschiedentlich auch in der Eintretensdebatte geäussert wurde, dass wir beim jetzigen System bleiben können? Vielleicht sind wir noch froh, wenn wir dann bei der jetzigen Verfassung bleiben können.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Kollege Beck, Herr Kollege Konrad: Kleinmut spricht aus Ihren Worten. Immerhin hat das Wort «Kleinmut» noch den Wortbestandteil «Mut» in sich. Sie haben schon darauf hingewiesen, Herr Kollege Konrad: Als Volksvertreter einseitig zu sagen - es sei einseitig was hier von Seiten von Volksvertretern artikuliert wird - das macht mir Mühe. Ich frage Sie: Wo bleibt der Geist eines Wilhelm Beck und anderer Kämpfer für die demokratische Verfassung? Bitte, helfen Sie dann im Frühjahr oder Frühsommer des kommenden Jahres mit, wenn es darum geht, ein offensichtliches Defizit zu beseitigen und unsere Verfassung wieder in EMRK-taugliche Regionen zu bringen. Abg. Alois Beck:
Wilhelm Beck ist meines Wissens im Stamm V des «Beck-Stammes» in Triesenberg. Ich habe das jetzt nicht extra geprüft. Ich glaube, ich bin der Einzige hier, der im selben Stamm auch noch zu Hause ist. Das nur zum Scherz. Wenn Sie «Kleinmut» sagen, dann möchte ich etwas zurückblenden und wieder einmal die Verfassungswirklichkeit ansprechen. Als es beispielsweise darum ging, in Zusammenhang mit der VBI Dr. Herbert Wille vorzuschlagen, haben Sie als Fraktion einen Brief auf das Schloss geschickt und gefragt, ob der Landesfürst ihn auch ernennen würde. Ich glaube sogar, dass Sie als Fraktionssprecher auch dabei waren. Später haben Sie dort nicht mitgemacht, das ist unbestritten. Es gibt eben auch Dinge, die dann in der Praxis zeigen, ob man klein- oder grossmütig ist usw. Ich finde es schlecht, wenn man immer die anderen bezichtigt, etwas nicht zu tun usw. Die Debatte in diesem Landtag ist sehr sinnvoll. Es werden hier Schwachpunkte aufgezeigt. Das muss die Aufgabe des Hohen Hauses sein. Aber es sollte auch noch erlaubt sein, auf das bestehende System, wie es ist, hinzuweisen, weil es gehört auch dazu, dass man sich Gedanken macht, in welchem Rahmen man sich bewegt.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Ich gebe Ihnen 100-prozentig Recht, Herr Abg. Beck. Die Vaterländische Union war kleinmütig im April 1997, als sie es nicht wagte, geschlossen hinter dem bewährten VBI-Vorsitzenden Herbert Wille zu stehen. Aber ich bin der Meinung, damit muss einmal Schluss sein. Viel zu viele waren viel zu lange in diesem Land viel zu kleinmütig, und das hat uns unter anderem auch in die schwierige Situation gebracht in der wir heute sind. Man soll nicht schlecht sein, man soll nicht wenig respektvoll sein, man soll respektvoll sein, man soll höflich sein, man soll klar sein, aber man soll nicht kleinmütig sein. Wir haben damals noch geglaubt, solche Rücksichtnahme, solches Zurückstehen schon im Vorhinein würde günstige Stimmung für kommende Verfassungsgespräche erzeugen. Wir haben uns getäuscht, wir haben gesehen, das Gegenteil war der Fall. Das ist eine menschliche Eigenschaft, die es auch im Privatleben immer wieder gibt. Wenn man nicht früh genug und klar genug seine Meinung sagt, erntet man in der Regel das Gegenteil dessen, was man sich erhofft. Der Angesprochene meint, er könne noch viel mehr fordern, er könne noch ganz andere Sachen ins Spiel bringen als vorher. Diese Lektion haben wir gelernt. Ich hoffe auch, dass wir sie alle gelernt haben, und dass nicht die heutige Mehrheitsfraktion Fehler der damaligen Mehrheitsfraktion wiederholt. Wenn wir das gelernt haben, wenn wir unseren Standpunkt, den Standpunkt des Volkes klar und offen, höflich und respektvoll, aber klar und offen vertreten, werden wir meiner Meinung nach viel mehr erreichen, als wenn wir kleinmütig - um mir andere Adjectiva zu ersparen - versuchen, etwas zu erbitten. Abg. Alois Beck:
Ich gehe davon aus, dass jeder von uns in Berücksichtigung der Umstände, die er selber bewertet, so handelt, wie er es zu jenem Zeitpunkt für richtig hält.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Nun können wir weiterlesen.
Art. 10 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 10 steht zur Diskussion.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident: Art. 10 der Verfassung war einer der - wenn nicht überhaupt - «der» Aufhänger nach dem 28. Oktober 1992, warum man vielfach zur Auffassung gekommen ist, es müssten unklare und mehrfach interpretierbare Bestimmungen unserer Verfassung überprüft, und wenn möglich besser ausformuliert und damit klargestellt werden. Dies deshalb, weil die bisherige und damit die heutige Verfassung diesbezüglich sehr wenig sagt. In Art. 10 wird eigentlich zweierlei ausgesagt. Zunächst ist die Rede von den normalen Regierungsverordnungen, die im Sinne von Art. 92 der Verfassung vom Fürsten durch die Regierung zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erlassen werden.In einem weiteren Satz, der leider nur sehr rudimentär ist und jede Klarstellung über seine genaue Bedeutung vermissen lässt, heisst es, «in dringenden Fällen wird er» - gemeint der Landesfürst - «das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren». Es gibt eine internationale Interpretation von Notstandsrecht, die ganz klar sagt, dass solche Notverordnungen nur im wirklichen Kriegs- und Katastrophenfall angebracht und zulässig sind. Wir haben erlebt, eigentlich schon zweimal, wenn auch nur durch verbale Äusserungen S. D. des Landesfürsten, dass man dies hierzulande offenbar auch anders interpretieren kann oder zumindest interpretiert. Ob es jetzt zulässig sei oder nicht sei dahingestellt. Am 27. Oktober 1992 hat S. D. der Landesfürst angekündigt, dass er es für gerechtfertigt ansehe - er hat es wesentlich schärfer ausgedrückt, aber das sind jetzt sinngemäss seine Worte -, dass er es für gerechtfertigt ansehen würde, per Notverordnung zu regieren, wenn die Regierung nicht das Datum der EWR-Abstimmung so ansetzen würde, wie er es wollte, nämlich am 21. und 22. November 1992, dass er das als Anlass nehmen würde, um den Landtag aufzulösen, anschliessend die Regierung zu entlassen und bis zur Neuwahl von Landtag und Regierung per Notverordnung zu regieren. Dies, obwohl die damalige Situation, die Frage, soll man eine Volksabstimmung über diesen völkerrechtlichen Vertrag vor oder nach der Schweiz abhalten, wohl nicht als Kriegs- und Katastrophensituation bezeichnet werden kann, die eine Notverordnung rechtfertigt. Es wurde uns oft, auch noch in den Diskussionen mit dem Forum Liechtenstein im Sommer diesen Jahres entgegengehalten, wir hätten eine Art Verfolgungswahn, wir seien von Misstrauen der weiter zurückliegenden Vergangenheit, eben unter anderem betreffend den Oktober 1992 viel zu stark geprägt, indem wir immer solche Beispiele vor Augen haben. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass S. D. der Landesfürst noch im April 2000, also im letzten Jahr, in einem Interview mit der Zeitung «Cash» klar gesagt hat, dass er dann, wenn die Regierung dem damals von der Regierung eingesetzten Sonderstaatsanwalt Spitzer irgendwelche Probleme in den Weg legen würde, dass er dann die Regierung entlassen und notfalls per Notrecht selbst regieren würde. Auch das, meine ich, wiederum ein klares Beispiel, ein klarer Hinweis, dass es die Möglichkeit gibt - und gegen solche Möglichkeiten sollte man sich ja mit Verfassungsbestimmungen wappnen -, dass es die Möglichkeit gibt, wenn man den Wortlaut des Art. 10 nicht genügend unmissverständlich fasst, dass es die Möglichkeit gibt, das Notverordnungsrecht auch für Anlässe anzuwenden, die keineswegs etwas mit wirklichen Notsituationen, nämlich mit Kriegs- und Katastrophensituationen, wie sie üblicherweise als Voraussetzung für eine Notverordnung angesehen werden, zu tun haben. Es wird heute vielfach argumentiert, der Art. 10 in der Fassung der Regierungsvorlage sei doch eine klare Demokratisierung, sei doch eine klare Besserstellung, was wolle man denn eigentlich noch. Ich möchte darauf hinweisen, dass es bisher eben nicht so klar war, wie verschiedentlich behauptet wird, dass der Fürst einfach alles und jedes per Notverordnung machen könne unter Einschluss der Ausserkraftsetzung der gesamten Verfassung, sondern dass es eben unklar war, weil der Satz allein «in dringenden Fällen wird er das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren» ist, wenn man ihn einschränkend interpretiert, eigentlich ziemlich nichtssagend und sagt über die Art und Weise, wie das zu geschehen hat, wer zuzustimmen hat, was die Voraussetzung für das Vorliegen eines solchen dringenden Falles ist, eigentlich nichts. Es war daher klar - und da waren wir uns einig in den Gesprächen der Verfassungskommission mit S. D. dem Landesfürsten - es war daher immer klar was diesen Artikel betrifft, dass hier etwas geschehen muss. Die Fragen waren nur: Wie soll es geschehen? Was formulieren wir aus?Nun ist die vorliegende Fassung sicherlich eine Ausformulierung. Die Frage ist nur, ob es eine gute ist und ob es eine empfehlenswerte Ausformulierung ist. Ich glaube, das sie legistisch, rein legistisch - vom Rest will ich da noch gar nichts sagen - rein legistisch sehr schwach und sehr verbesserungsbedürftig ist. Man sollte, wie dies auch der etwas anders lautende aber im Grundsatz in dieselbe Richtung gehende Textvorschlag der Verfassungskommission vorgesehen hatte, man sollte die Notverordnung klar und nur in einem eigenen Absatz regeln. Dass man den bisherigen Satz «in dringenden Fällen wird er das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren» im ersten Absatz belässt, finde ich schlecht und finde ich eine mögliche neue Quelle für zukünftige Interpretationsprobleme. Es sollte ausschliesslich im zweiten Absatz die Möglichkeit und die Voraussetzungen für die Ergreifung dieser Möglichkeit betreffend Notverordnungen geregelt werden. Der zweite legistisch schwache Punkt ist, dass durch die Neuformulierung, die jetzt in der Regierungsvorlage drinnen ist und die auch schon naturgemäss, weil alles so übernommen wurde, in den Textvorschlägen des Forums Liechtenstein vorgesehen war, nämlich mit dem Halbsatz «falls die Notverordnung in geltendes Recht übergeführt werden und länger als sechs Monate Gültigkeit haben soll», mit dieser Formulierung schafft man Rechtsunsicherheit ohnegleichen. Es geht ja in diesem Satz darum, was passieren soll, wenn der Landtag die Notverordnung ablehnt oder nicht beschlussfähig ist, also einen sonst vorgesehenen Bestätigungsbeschluss gar nicht fassen kann. In den Vorschlägen des Fürsten - früher - hat es sinngemäss geheissen, dass dann eine Volksabstimmung anzuordnen sei und das Volk entscheide, ob jetzt die vom Fürsten erlassene Notverordnung gutgeheissen wird oder nicht. Jetzt heisst es aber, wie gesagt, «dann ist eine Volksabstimmung so anzuordnen, dass deren Ergebnis am Ende des sechsten Monates vorliegt» und dann kommt der kritische Halbsatz den ich vorher zitiert habe «falls die Notverordnung» usw. «Falls» stellt eine Bedingung auf, das heisst, mit diesem Halbsatz wird jetzt neu ausgesagt, dass die Anordnung der Volksabstimmung nur dann erfolgen soll - so lese ich es zumindest, die Regierung möge mich verbessern, wenn das falsch aufgefasst sein sollte - nur dann, wenn beabsichtigt ist, die Notverordnung in geltendes Recht überzuführen und die Notverordnung mehr als sechs Monate Gültigkeit haben soll. Im Ergebnis könnte das bedeuten, dass, wenn S. D. der Landesfürst eine Notverordnung erlässt, von der er aber von vornherein annimmt, länger als sechs Monate braucht die gar nicht in Kraft sein, dass er sich dann alles andere sparen kann. Dass er dann weder eine Landtagszustimmung braucht noch eine Volksabstimmung stattzufinden hat, weil sowieso keine längere Gültigkeit vorgesehen ist und die Notverordnung zum Beispiel genau nach sechs Monaten ausser Kraft treten soll. Umgelegt auf die vorher von mir erwähnten Beispiele, in denen unser heutiger Landesfürst angekündigt hat, dass er unter den und den Voraussetzungen der Auffassung wäre, dass er dann mit Notrecht regieren könne und auch regieren würde, bedeutet dies, dass dort sich eine Volksabstimmung nach dieser Formulierung erübrigt hätte, weil in beiden Fällen wäre das keine Notverordnung gewesen, die für länger als sechs Monate in Kraft bleiben hätte sollen. Ich glaube aber nicht, dass dies eigentlich der Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist, dem Fürsten, wenn auch sehr, sehr klausuliert mit vielen kaum mehr verständlichen Neben- und Halbsätzen letztendlich die Möglichkeit einzuräumen, oder diese, wenn man der Meinung ist, sie bestand bisher schon, zu bestätigen, dass er ohne Landtag und Volksabstimmung - zumindest in einem gewissen zeitlichen Ausmass - jederzeit Notverordnungen nach seinem Gutdünken erlassen kann.Ein ganz grosser Nachteil der Regierungsvorlage ist, dass die Möglichkeit, per Notverordnung Verfassungsbestimmungen ausser Kraft zu setzen, nicht genügend eingeschränkt wird. Die Verfassungskommission hat hierzu einen Vorschlag gemacht, der klar und unmissverständlich aufgezählt hätte, welche Verfassungsbestimmungen allenfalls, wenn es nötig sein sollte, ausser Kraft gesetzt werden können. Das sind vor allem verfassungsmässig gewährleistete Rechte, denn es ist ein Charakteristikum von Notverordnungen, dass in Kriegs- und Katastrophensituationen vorübergehend gewisse verfassungsmässig gewährleistete Rechte ausser Kraft gesetzt werden, damit der Staat, um der Not zu wehren im wahrsten Sinne des Wortes ohne Rücksicht auf solche Rechte vorgehen kann. Was völlig unnötig ist und überhaupt praktisch keine Situation vorstellbar ist, wo das nötig sein sollte, ist die Möglichkeit, per Notverordnung Gerichtsbarkeit, politische Rechte, die Existenz und die Kompetenzen von Regierung und Landtag aufzuheben und Ähnliches. Ich wüsste nicht, warum es eine Notwendigkeit geben sollte, noch dazu in diesem sehr kleinen Land, dass das Staatsoberhaupt die Möglichkeit haben muss, per Notverordnung den Landtag abzuschaffen, die Regierung abzuschaffen, den Staatgerichtshof abzuschaffen oder sei es auch nur deren Existenz und deren Kompetenzen für die Dauer einer gewissen Zeit aufzuheben. Ich glaube, dass es zur Stärkung der Rechtssicherheit unbedingt nötig ist, hier den Abs. 3 entsprechend zu ergänzen, damit klargestellt ist, dass Notverordnungen nicht dazu da sind, um auf der politischen Ebene Staatsorgane schachmatt zu setzen. Es wurde einmal im Zuge der verschiedenen Fassungen der fürstlichen Verfassungsvorschläge als Begründung für diese weite Fassung des Art. 10 angegeben, ich zitiere hier aus dem «roten Büchlein» - es mag sein, dass es im «grünen Büchlein» auch noch drinnen stand: «Da der Landtag Grund der Notsituation sein könnte», deshalb soll eine Volksabstimmung sicherstellen, dass er auch überstimmt werden kann. Ja, ich frage Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten: Kann man dem zustimmen? Kann der Landtag - dass es einen Landtag gibt, dass der Landtag vielleicht eine Meinung vertritt, die nicht mit der des Staatsoberhauptes übereinstimmt, ist das eine Notsituation, wo dem Staatsoberhaupt die Möglichkeit eingeräumt werden muss, per Notverordnung einen offenbar widerspenstigen Landtag ausser Gefecht zu setzen? Ich glaube, hier wird die Idee des Notrechtes auf eine Art und Weise ausgestaltet, die mit ihrem ursprünglichen Zweck nun wirklich nichts mehr zu tun hat und die letzten Endes offenbar nur den Zweck haben soll, um im Fall des Falles, der offenbar dann gegeben gilt, wenn das Staatsoberhaupt es für entsprechend wichtig hält, um im Fall des Falles diese politischen Mitentscheidungsorgane einfach ausschalten zu können. Das ist aber nicht der Sinn des Notrechtes. Und wenn wir das Notrecht schon klarstellen wollen und auch in rechtsstaatlicher Art und Weise verbriefen wollen, dann sollte man auch klarstellen, dass ein solcher möglicher Missbrauch des Notrechtes nicht passieren kann. Abg. Paul Vogt:
Der Sachverhalt ist sehr ähnlich wie bei Art. 9. Dass es einen Reformbedarf gibt, ist unbestritten. Die Argumente der Regierung sind völlig ungenügend und die Regierungsvorlage geht viel zu wenig weit. Gerade auch, wenn man den Artikel im Lichte europäischer Rechtsnormen anschaut, zeigt sich, wie weit wir uns mit einer solchen Notstandsregelung ausserhalb der europäischen Rechtsvorstellungen bewegen. Es geht doch in erster Linie darum, Missbrauchsmöglichkeiten auszuschalten, soweit solche vorauszusehen sind, weil der heutige Artikel viel zu unbestimmt formuliert ist. Dazu ist es wichtig, eine strenge Definition des Begriffs «Notstand» in die Verfassung einzubringen. Es muss nämlich klargestellt werden, dass ein Notstand nur bei einer akuten und ernsthaften Gefahr für den Bestand des gesamten Staates vorliegt. Wichtig ist auch, dass derjenige, der Sondervollmachen erhalten soll, nämlich der Landesfürst, nicht allein feststellen kann, ob ein Notstand besteht. Wenn man die spanische Verfassung anschaut, ist es klar, dass dort die Regierung bestimmt, ob ein Notstand besteht oder nicht, ob Ausnahmebestimmungen gerechtfertigt sind. Die Regierung muss auf jeden Fall bei der Entscheidung über einen bestehenden Notstand einbezogen werden. Es müssen auch sehr strenge Anforderungen gelten, was in einem Notstand, in einem Ausnahmezustand, gemacht werden darf. Die Massnahmen müssen verhältnismässig sein, das heisst, sie dürfen nicht über das unbedingt Erforderliche hinausgehen, so wie das auch die EMRK formuliert. Sie müssen zeitlich und materiell auf das unbedingt Erforderliche beschränkt werden. Es ist allgemein anerkannt, dass Notrecht nur dann angewandt werden kann, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt, also wenn auch nicht kurzfristig das Parlament einberufen werden kann. Das bedeutet auch, dass der Landtag oder allenfalls der Landesausschuss baldmöglichst einberufen werden muss, damit er über die Notverordnung entscheiden kann und diese allenfalls in ordentliches Recht überführen kann. Ich möchte Ihnen hier auch ein Beispiel über eine Notrechtsbestimmung vorlesen, nämlich Art. 18 Abs. 3 und 4 in der österreichischen Verfassung: «Wenn die sofortige Erlassung von Notmassnahmen, die verfassungsgemäss einer Beschlussfassung des Nationalrats bedürfen, zur Abwehr eines offenkundigen nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit zu einer Zeit notwendig wird, in der der Nationalrat nicht versammelt ist, nicht rechtzeitig zusammentreten kann oder in seiner Tätigkeit durch höhere Gewalt behindert ist, kann der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung unter seiner und deren Verantwortlichkeit diese Massnahmen durch vorläufige gesetzändernde Verordnungen treffen. Die Bundesregierung hat ihren Vorschlag im Einvernehmen mit dem vom Hauptausschuss des Nationalrats einzusetzenden ständigen Unterausschuss zu erstatten. Eine solche Verordnung bedarf der Gegenzeichnung der Bundesregierung». Und Abs. 4 - hier lese ich nur noch den ersten Satz vor: «Jede nach Abs. 3 erlassene Verordnung ist von der Bundesregierung unverzüglich dem Nationalrat vorzulegen, den der Bundespräsident, falls der Nationalrat in diesem Zeitpunkt keine Tagung hat, während der Tagung aber der Präsident des Nationalrates für einen der der Vorlage folgenden acht Tage einzuberufen hat». Ich meine, hier haben wir ein Beispiel für eine sehr problembewusste Regelung in unserem Nachbarland. Die Schweiz kennt überhaupt kein Notstandsrecht und ist damit auch in der Not des Zweiten Weltkrieges gut gefahren. Die liechtensteinische Verfassung kennt die Möglichkeit, ein Gesetz für dringlich zu erklären. Der ordentliche Gesetzgeber ist damit auch in Krisensituationen rasch handlungsfähig, und es hat sich in der Zeit des Zweiten Weltkrieges gezeigt, dass wir damit ausgekommen sind. Liechtensteins Regierung hat aufgrund der Verfassung Sondervollmachten erhalten. Wenn es nötig war, hat der Landtag ein Gesetz für dringlich erklärt, und das hat gereicht. Damit komme ich zur politischen Komponente dieser Vorlage: Die Möglichkeit, Notverordnungen für ein halbes Jahr in Kraft zu setzen, macht nur dann Sinn, wenn man den ordentlichen Gesetzgeber ausschalten will, was aber einer klaren Schwächung der Demokratie gleichkäme. Ich meine, dass sich Liechtenstein, wie in vielen anderen Fällen, auch beim Notrecht am österreichischen Beispiel orientieren sollte. Entscheidend ist, dass Notstand keinen rechtsfreien Raum bilden darf, in dem der Monarch - rechtlich gesehen - tun und lassen kann was er will. So viel zum Grundsätzlichen. Jetzt zum vorliegenden Antrag: Ist es eine zeitgemässe Fortentwicklung der bisherigen Verfassung? Diese Frage ist wie bei Art. 9 mit einem klaren Nein zu beantworten. Die Neuerung ist höchst problematisch. Die heutige Bestimmung wurde unverändert aus der 1862er Verfassung übernommen. Sie kann und muss daher einschränkend ausgelegt werden, gerade auch wenn man sie aufgrund der EMRK interpretiert. Wenn Art. 10 in der vorgeschlagenen Weise novelliert wird, das heisst ohne die notwendigen Einschränkungen, dann wird dieser Artikel erneuert und eine zeitgemässe Auslegung wird verunmöglicht oder zumindest sehr stark erschwert. Als notwendige Einschränkung betrachte ich die Klärung, dass der Fürst das Bestehen eines Notstandes nicht allein feststellen kann, dass in jedem Fall eine Gegenzeichnung durch den Regierungschef notwendig ist und das Notrecht so rasch als möglich dem Landtag bzw. dem Landesausschuss zur Behandlung vorgelegt werden muss. Das sind die minimalen Anforderungen. Damit wird der Missbrauch des Notrechtes verhindert und dies muss unser Ziel sein, wenn wir diesen Verfassungsartikel angehen. Es muss sichergestellt werden, dass der Fürst in innenpolitischen Konfliktsituationen nicht diesen Ausweg suchen und die Krise bis zu einem halben Jahr verlängern kann. Es wurde heute immer wieder vom notwendigen Vertrauen zwischen dem Fürsten und den übrigen Staatsorganen gesprochen. Ich meine, das ist richtig, ich habe das auch bei Art. 9 erwähnt. Sie müssen aber auch verstehen, dass Misstrauen entsteht und wächst, wenn der Fürst wiederholt erklärt hat, dass er allenfalls mit Notrecht regieren würde, so in der innenpolitischen Krise im Oktober 1992, so im Zusammenhang mit der Einsetzung des Sonderstaatsanwaltes Kurt Spitzer oder auch im Zusammenhang mit der Diskussion über Art. 80, wo es um die Entlassung der Regierung geht. Man sieht hier, dass in seiner Vorstellung die Barriere zur Anwendung des Notrechts sehr niedrig ist. Nun abschliessend noch eine Bemerkung zur vorgeschlagenen Volksabstimmung: Ich glaube, hier besteht ein eklatanter Widerspruch zum Sinn und Zweck des Notrechtes. Notrecht darf nur zur Anwendung kommen, wenn keine anderen milderen Mittel möglich sind, also auch kein normales Gesetzgebungsverfahren. In einer echten Notsituation, bei einem Ausnahmezustand, ist meines Erachtens eine Volksabstimmung mit einer demokratischen Auseinandersetzung nicht möglich, dann ist keine echte Meinungsbildung mit politischen Argumentationen möglich, sondern dann ist die Krise so stark, dass man zu einer nationalen Geschlossenheit finden muss. Aber auch diese vorgesehene Volksabstimmung stärkt bei mir den Verdacht, dass es eigentlich letztlich nur darum geht, den Landtag in einer innenpolitischen Krise ausschalten zu können. Die Verfassungskommission hat einen wesentlich besseren Vorschlag auf den Tisch gelegt. Der Landesfürst hat sich mehr oder weniger geweigert, sich mit diesem Vorschlag argumentativ auseinander zu setzen. Ich meine aber, der Vorschlag des Landesfürsten ist nicht gangbar und nicht zu verantworten in einer modernen europäischen Rechtsnorm.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident, Damen und Herren Kollegen. Der deutsche Verfassungsrechtler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts namens Carl Schmitt schreibt in seinem Werk «Politische Theologie» als ersten Satz überhaupt einen bemerkenswerten und überlegenswerten Satz, ich zitiere: «Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet». Wem diese Kompetenz gemäss heutiger Verfassung und auch nach der Regierungsvorlage in unserem Lande zukommt dürfte klar sein: Dem Landesfürsten ohne Mitwirkung des Landtages und der Regierung. Auch aus dieser Optik ist es, so meine ich zumindest, eine Zumutung, wenn die Regierung in ihrem Bericht und Antrag auf Seite 16 oben schreibt, ich zitiere: «Dass ab dem In-Kraft-Treten der geplanten Reform zur Rechtfertigung der Staatsgewalt nur mehr von einem «Souverän» die Rede sein kann: vom Volk des Staates Liechtenstein». Gerade, weil es beim Notstand um einen Test für den Verfassungsstaat geht, müssen die Voraussetzungen - das wurde von den beiden Vorrednern bereits ausdrücklich reklamiert - die Voraussetzungen so gut als möglich definiert und dadurch eine entsprechend hohe Hürde gesetzt werden. Der deutsche Verfassungsrechtler Stern - Sie können das auf Seite 60 im Beitrag Gerard Batliner nachlesen - definiert den Staatsnotstand, ich zitiere: «Ernsthafte Gefahren für den Bestand und die Existenz des Staates oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die nicht mit den in der Verfassung vorgesehenen normalen, sondern mit exzeptionellen Mitteln zu beseitigen sind». Die EMRK definiert den Staatsnotstand - das ist ebenfalls dort nachzulesen, ich hoffe, dass das alle Abgeordneten getan haben, aber es muss zu Protokoll - ich zitiere: «Im Falle eines Krieges oder eines anderen öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht, kann» usw. Es fehlt heute in der Vorlage und - ich sage in der heutigen Verfassung - an einer entsprechenden Definition des Tatbestandes, der gegeben sein muss, damit die Notstandsmassnahmen zulässig sind. «In dringenden Fällen», wie es heute in der Verfassung und auch in der Vorlage nach wie vor heisst, ist eine zu tiefe Schwelle. Zudem wird der Fürst in concreto und ad hoc festlegen, was eben «in dringenden Fällen» heisst. Denn «das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates» sagt nichts, aber auch gar nichts über einen möglichen Inhalt und den Umfang einer Notstandsmassnahme. In der doch sehr, sehr langen Frist von sechs Monaten bestimmt alleine der Fürst, ob ein Fall des Staatsnotstandes vorliegt und wie und was er dagegen unternimmt. Dass seine Schwelle diesbezüglich nicht besonders hoch ist, wurde auch bereits von den Vorrednern erwähnt und hat sich in der um Haaresbreite abgewendeten Krise des Oktober 1992 und in Zusammenhang mit der Berufung des Sonderstaatsanwaltes Spitzer gezeigt. Aus nichtigstem Anlass, nämlich einem Streit über die Kompetenz zur Ansetzung einer Volksabstimmung, drohte die Regierungsentlassung, es drohte die Landtagsauflösung und die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den Fürsten. Diese historische Realitätsnähe erfordert es ganz eindeutig, eine genaue Umschreibung und die Reduzierung auf die wirklichen Ultima -Ratio-Fälle betreffend den Notstand zu verwirklichen. Befremdlich ist auch Abs. 3 der Vorlage: Nur der Notstandsartikel selber, der Misstrauensantrag gegenüber einem Fürsten, die finale Monarchie-Abschaffung und - nota bene - das Hausgesetz sollen «notstandsfest» sein. Das gibt ein klares Bild über bestimmte Wertigkeiten. Kein einziges Grundrecht wird erwähnt, das heisst alle auch noch so fundamentalen Grundrechte können für sechs Monate ausser Kraft gesetzt werden. Ich möchte Sie diesbezüglich auf den Vorschlag - er wurde vom Kollegen Vogt auch schon erwähnt - zu Art. 10 auf Seite 4 der Vorschläge der Verfassungskommission hinweisen. Da wurde dieses Problem aufgenommen und abzudecken versucht. In diesem Kontext hören sich die beschwichtigenden Begründungsversuche der Regierungsvorlage auf Seite 34, ich kann Ihnen diese gerne vorlesen, wie folgt an, ich zitiere: «Eine Notverordnung ist eine vorübergehende Massnahme. Durch sie kann weder eine Vorschrift der Verfassung noch das Hausgesetz aufgehoben werden. Eine Notverordnung kann nur die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften der Verfassung einschränken. Nach dem Ausserkrafttreten einer Notverordnung soll die Verfassung wieder voll anwendbar sein». Das hört sich doch an wie Sand in die Augen streuen und ein tatsächliches Sich-Auseinandersetzen mit den Problemen ist auch nicht ansatzweise zu erkennen. Bitte, liebe Regierungsmitglieder, bessern Sie hier nach.
Abg. Johannes Kaiser:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Heute ist es doch so, das heisst, nach der geltenden 1921er Verfassung, dass der Landesfürst ohne die Mitwirkung des Landtages durch die Regierung notwendige Massnahmen ergreifen und Verordnungen erlassen kann. Diese Verordnungen sind zudem zeitlich unbefristet. Gemäss der Regierungsvorlage werden Notverordnungen auf maximal sechs Monate begrenzt. So ist festzuhalten, dass sich bei der Notverordnung faktisch eine Verbesserung ergeben hat. In der Aussage ist dieser Artikel unweigerlich klarer. Die 1921er Verfassung besagt weiter, dass eine Notverordnung Gesetze sowie die Bestimmungen der Verfassung ausser Kraft setzen kann. Neu ist bei der Regierungsvorlage als positive Wertung festzuhalten, dass wichtige Bestimmungen der Verfassung, wie Art. 3, 10, 112, 112bis sowie das Hausgesetz nicht mehr ausser Kraft gesetzt werden. Es sind weitere Neuerungen in der Regierungsvorlage enthalten, die es verdienen, hervorgehoben zu werden.Erstens: Diese Notverordnungen müssen dem Landtag und gegebenenfalls dem Volk vorgelegt werden. Um Missbräuchen Vorschub zu leisten, besteht hier ein wirksames Kontrollsystem. A) Die Anwendung erfolgt nur bei echten Notsituationen. Für mich sind nicht nur Katastrophen Notfälle, wie dies Landtagvizepräsident Wolff sieht. Zweitens: Das weitere Kontrollsystem ist die formale Bearbeitung von Notverordnungen im Landtag, gegebenenfalls in einer Volksabstimmung. Lassen Sie dem Volk doch dieses Recht, das dem Volk hier eingeräumt wird. Fürst und Volk sind hier in einem Boot.Drittens: Die Regierungsvorlage enthält neu noch ein weiteres Kontrollsystem, nämlich das Misstrauensvotum. Zusammenfassend betone ich nochmals explizit folgende zentrale Punkte: Da es in Extremsituationen durchaus notwendig sein könnte, zeitlich befristet Grundrechte ausser Kraft zu setzen, ist diese neu eingeführte Restriktion als klar positive Neuregelung zu werten. Wer dieser Regelung das Verständnis oder die sachlich objektive Wertung einer Regelungsverbesserung aberkennt, will wirklich nur noch eine repräsentative Monarchie. Ich will dies jedenfalls nicht. Sondern insbesondere in diesem Art. 10, in unserer Staatsform, will ich gerade bei der Notrechtsregelung keineswegs eine repräsentative, sondern eine starke Monarchie. Naturgemäss hat eine Notverordnung mit der Einschränkung der Volksrechte zu tun. Dies besagt ja schon der Artikel-Titel «Notverordnung». Dies ist bei dieser Gattung von Gesetzesregelung nicht nur in Liechtenstein so, sondern in wohl vielen Staaten. Gerade hier hat diese Sache zudem noch in verstärktem Masse mit Vertrauen zu tun. Hier wäre ein «Vertrauensverstärker» dringend notwendig angebracht. Dieses Modell verlangt, dass sich die Partner gegenseitiges Vertrauen und Achtung entgegenbringen. Ich möchte einige Abgeordnete in diesem Saal doch bitten, hinter der Monarchie oder hinter dem Landesfürsten doch nicht dauernd eine Institution oder einen Menschen zu sehen, die oder der es darauf absieht, den Partner zu linken. Dies ist nun einmal wirklich nicht haltbar, eine Schwarzmalerei und ein sinnlos konstruierter Fall von «Worst Case»-Szenario. Meine bald zentralsten Fragen sind: Wo ist denn Ihr Vertrauen? Und wie gering oder wie gross ist denn Ihr Vertrauen? Jede Staatsform birgt ein Restrisiko. Aber gerade dieser Art. 10 ist faktisch eine Verbesserung. Für einen Kleinstaat wie Liechtenstein, mit dem Dualismus Fürst/Volk, ist diese Lösung der Regierungsvorlage als sehr gut zu bezeichnen und gegenüber der geltenden Verfassung aus dem Jahre 1921 als objektiver Gewinn zu werten.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren Abgeordnete. Im Regierungsbericht auf Seite 18 ist die Rede davon, dass es sich, ich zitiere «um eine Beschränkung der Notrechte des Fürsten handle». Aber das kann ich in der jetzigen Formulierung des vorgesehenen Art. 10 Abs. 2 und 3 nicht sehen. Hier ist nämlich die Voraussetzung für die Notwendigkeit des Erlasses von Notverordnungen nicht klar definiert. Ob eine Notverordnungssituation vorhanden ist oder nicht, bestimmt einzig und allein der Fürst. Ich meine, ein Notverordnungsrecht müsste klar auf wirklich ausserordentliche Notsituationen wie auf Kriegs- und Katastrophensituationen beschränkt werden. Die Regierung schreibt weiter auf Seite 37 ihres Berichtes, gemäss Art. 85 der Verfassung seien Notverordnungen vom Regierungschef gegenzuzeichnen. Im Text des vorgesehenen Art. 10 der Verfassung ist das allerdings nicht zu finden. Hingegen sieht Abs. 3 dort Folgendes vor: «Die Bestimmungen des Art. 10, der Art. 112 und Art. 112bis sowie der Hausgesetze können durch die Notverordnung nicht eingeschränkt werden». Diese Artikel werden hier explizit als Ausnahmen erwähnt, und zwar als einzige. Also, muss der Umkehrschluss erlaubt sein, dass alle anderen Artikel eingeschränkt werden können, das schliesst auch die Grundrechte ein und nota bene Art. 85, also das Gegenzeichnungsrecht der Regierung. Ganz abgesehen davon, könnte ja der Landesfürst der Regierung jederzeit das Vertrauen entziehen, und dann wäre ein Gegenzeichnungsrecht sowieso obsolet. Sehr störend habe ich die Formulierung der Regierung auf Seite 18 empfunden. Die Regierung schreibt, ich zitiere: «Dabei» - gemeint ist Art. 10 - «ist von Bedeutung, dass das Misstrauensvotum nach Art. 112 neu und das Verfahren zur Abschaffung der Monarchie nach Art. 112bis gegen einen allfälligen Missbrauch des Notverordnungsrechtes rechtswirksame Sanktionen ermöglicht». Aber meine Frage an die Regierung ist: Wie stellen Sie sich das vor? Das zeitlich sehr aufwendige Prozedere eines Misstrauensvotums des Volkes nach neu vorgesehenem Art. 112 soll ja in einer Entscheidung der stimmberechtigten Mitglieder des Hauses Liechtenstein gipfeln, ein später noch zu besprechendes und in demokratischer Hinsicht, so wie jetzt vorgesehen, völlig inakzeptables Vorgehen. Aber, um zum zeitlichen Verlauf zurückzukommen: Allein diesem Gremium des Fürstlichen Hauses soll ja sechs Monate Zeit gegeben werden bis zur Entscheidung. Das heisst, ein Misstrauensvotum des Volkes würde ja in jedem Fall erst nach der Zeit der Notverordnung, also nach der Frist von sechs Monaten Wirkung zeigen können, also keinerlei Wirkung zeigen können innerhalb der Notverordnungszeit. Von daher geht es völlig an den Tatsachen vorbei, wenn die Regierung weiter in ihrem Bericht auf Seite 18 schreibt, ich zitiere nochmals: «Insgesamt garantiert der vorgeschlagene Art. 10 neu in Verbindung mit den Art. 112 und 112bis durch Verstärkung der verfassungsrechtlichen Befugnisse des Volkes einen durchsetzbaren Schutz vor Missbrauch des Notverordnungsrechtes durch alle damit befassten Entscheidungsträger». Aber, es ist ja so: Innerhalb des Notverordnungsrechtes kann der Regierung das Vertrauen entzogen werden. Der Landtag kann dem Notverordnungsrecht zustimmen oder es ablehnen, dann gibt es eine Volksabstimmung. Der Landtag kann natürlich auch jederzeit aufgelöst werden. Und das Volk darf innerhalb der sechs Monate abstimmen, ob es mit den Notverordnungen einverstanden ist, aber die Wahl des Zeitpunktes liegt allein beim Fürsten. Das Abstimmungsergebnis muss nur am Ende des sechsten Monates vorliegen. Also, alle Möglichkeiten des Volkes können nicht vor Ablauf der sechs Monate Notverordnung Wirkung zeigen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur Prof. Funk zitieren, der hier eine ausserordentliche durch so gut wie keine Gewaltenteilung gehemmte Machtfülle S. D. des Landesfürsten sieht. Und um noch einmal auf die Situation einer wirklichen Notsituation zu kommen: Ich erinnere an den Zweiten Weltkrieg. Damals haben beide Souveräne, S. D. der Landesfürst und die Volksvertretung gemeinsam die Situation bewältigt und das Land vor einer Katastrophe bewahrt. Gemeinsam, Fürst und Volk, vertreten durch den Landtag, das sollte auch in Zukunft gelten, und das ist mein Anspruch an ein Notrecht.Abg. Ivo Klein:
In ihrem Bericht und Antrag schreibt die Regierung, dass die Einschränkung der verfassungsmässig gewährleisteten Rechte durch die Europäische Menschenrechtskonvention geregelt ist. Für mich stellt sich die Frage: Wieso werden diese Rechte nicht explizit in der Verfassung verankert? Meines Erachtens - und damit möchte ich die Voten des Landtagsvizepräsidenten und anderer Vorredner unterstützen - ist es notwendig, dass Abs. 3 überdacht wird. Die Gründe für ein Notrecht sind neu zu definieren. Zudem ist zu überprüfen, welche Artikel der Verfassung auch in einer Notsituation nicht ausser Kraft gesetzt werden können. Dass hier genauere Beschreibungen notwendig sind, beweisen die unterschiedlichen Interpretationen der verschiedenen Votanten bei dieser Diskussion.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich glaube, das Votum des Abg. Johannes Kaiser macht es sinnvoll, sich einmal Gedanken über den Begriff «repräsentative Monarchie» zu machen. Der Abg. Kaiser meint, wenn man das Notverordnungsrecht in Art. 10 der Verfassung so ausgestalten würde, wie es hier vom Abg. Sprenger zum Beispiel postuliert worden ist, dann sei das ja nurmehr eine repräsentative Monarchie und das wolle er sicher nicht. Ich glaube, dass das ein Irrtum ist. Was ist denn repräsentative Monarchie? Repräsentative Monarchie ist doch einerseits, dass der Monarch Staatsoberhaupt ist, dass er andererseits aber keine eigenen von ihm selbst zu entscheidende Rechte hat, sondern dass er höchstens über Antrag der Regierung formale Rechtsakte setzen kann. Dass er zum Beispiel, um beim Notrecht zu bleiben, nur dann eine Notverordnung erlassen kann, wenn dies von der Regierung oder von einem zuständigen Regierungsmitglied beantragt wird, und nur in dem Ausmass, in dem die Regierung das beantragt. Das wäre Notrecht im Sinne einer repräsentativen Monarchie. Ob wir jetzt ein Notrecht haben gemäss Regierungsvorlage, oder Notrecht gemäss den Vorstellungen der seinerzeitigen Verfassungskommission, oder in anderer Ausformulierung, aber immer mit der Entscheidungsbefugnis des Fürsten, zu entscheiden, wann im Rahmen der gegebenen verfassungsrechtlichen Vorschriften, und vor allem in welchem Umfang und auch in welcher Dauer Notrecht erlassen werden soll, dann hat das mit dem Begriff «repräsentative Monarchie» nichts mehr zu tun, sondern das ist eine Monarchie mit einer entsprechenden politischen Entscheidungsbefugnis und damit das Gegenteil einer repräsentativen Monarchie. Das sollten wir uns schon vor Augen halten. Ich sage das auch im Hinblick auf die öffentliche Diskussion, wo auch der Begriff «repräsentative Monarchie» oft ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was das eigentlich wäre, gebraucht wird. Es ist nicht so, dass, wenn man - was hier ohnehin kaum vorgesehen ist - selbst wenn man das eine oder andere Recht, das bei uns der Landesfürst heute hat, ändern oder einschränken würde, hätte das noch lange nichts mit einer repräsentativen Monarchie zu tun, so lange die entscheidenden Rechte des Landesfürsten - Mitwirkung und Ernennung bei der Wahl der Regierung, Mitwirkung und Ernennung bei der Wahl von Richtern, Mitwirkung durch das Sanktionsrecht bei der Gesetzgebung oder wie hier das Notverordnungsrecht - im Grundgehalt unverändert aufrecht sind - auf die Details kommt es dabei gar nicht an - so lange kann von einer repräsentativen Monarchie keine Rede sein.
Abg. Markus Büchel:
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete. Art. 10 der bestehenden Verfassung ermöglicht es dem Fürsten, aufgrund eines aktuellen Notstandes Notverordnung im Einzelfall zu erlassen. Im bestehenden Artikel ist diese Notverordnung ohne zeitliche und institutionelle Einschränkung. Mit dem neuen Abs. 2 soll nun die in Art. 10 Abs. 1 vorgesehene Notverordnung nicht nur auf sechs Monate befristet werden, sondern sie bedarf innerhalb von drei Monaten ab ihrem Erlass der Behandlung im Landtag. Lehnen Landtag und Volk die Notverordnung ab, dann tritt diese sechs Monate nach ihrer Erlassung ausser Kraft. Es wird also nicht nur die Dauer beschränkt, sondern es ist auch festgelegt, dass bestimmte Artikel der Verfassung sowie des Hausgesetzes nicht durch das Notrecht eingeschränkt werden können. Insgesamt garantiert der vorgeschlagene Art. 10 neu in Verbindung mit den Art. 112 und 112bis durch Verstärkung der verfassungsrechtlichen Befugnisse des Volkes einen durchsetzbaren Schutz vor Missbrauch des Notrechtes durch alle mitbefassten Entscheidungsträger. Dass genau diese Artikel nicht eingeschränkt oder aufgehoben werden dürfen, ist für mich ebenfalls logisch und nicht negativ zu verstehen. Für mich ist die Einführung von Abs. 2 und 3 eindeutig eine Verbesserung gegenüber der bestehenden Verfassung und darum befürworte ich diese Änderung. Wenn aber auch behauptet wird, dass durch die Einführung einer Begrenzung der Dauer des Notrechtes und vor allem, dass durch die Bestimmung, dass Art. 10 und 112 der Verfassung oder dass die Hausgesetze durch diese Verordnung nicht eingeschränkt oder aufgehoben werden können, wenn behauptet wird, dass dadurch eine Verschlechterung entsteht, verstehe ich das ebenfalls nicht. Auch hier möchte ich festhalten und feststellen, dass immer wieder Vergleiche mit anderen, vielleicht besseren oder moderneren Formulierungen dieses Artikels zitiert und verglichen werden, anstatt eben auch hier konsequent zu bleiben und den Vergleich mit der bestehenden Verfassung anzustellen. Auch mir ist plausibel, dass es vielleicht weiter gehenden Reformbedarf gegeben hätte, aber für mich stehen diese im Moment nicht zur Diskussion, da diese beiden Varianten vorliegen. Ich sehe darum hier durch diese Ergänzung auf keinen Fall eine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung dieser Rechte.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Ich möchte noch zu zwei Voten des Abg. Paul Vogt und der Abg. Dorothee Laternser kurz eine Bemerkung machen:Der Abg. Paul Vogt fordert, dass Notverordnungen vom Regierungschef gegengezeichnet werden müssen. Herr Abg. Vogt: Sie wissen genau so gut wie ich, dass das heute gewährleistet ist, und dass das auch in Zukunft mit Art. 85 der Verfassung gewährleistet ist. Dann aus dem Votum der Abg. Laternser: Sie sagt sinngemäss, dass der Fürst ja Art. 85 ausser Kraft setzen könne. Um eine Notverordnung überhaupt in Kraft zu setzen, braucht es die Gegenzeichnung des Regierungschefs, und somit ist vorgängig ein Ausserkraftsetzen von Art. 85 überhaupt keine Diskussion und auch nicht gegeben. Abg. Paul Vogt:
Ich möchte die Frage gleich an den Herrn Regierungschef weitergeben. Ist der Landesfürst der Meinung, dass Notverordnungen durch den Regierungschef gegengezeichnet werden müssen?
Abg. Helmut Konrad:
Ich möchte auch nur noch einmal und zum letzten Mal, weil ich denke, dass sich noch einige Male diese Möglichkeit ergäbe, auf diese Grundproblematik zu sprechen kommen, die ich schon in Zusammenhang mit Art. 9 darzulegen versucht habe. Es wird jetzt immer wieder - und das zieht sich wie ein roter Faden durch die Debatte und das wird sich auch in der kommenden Debatte fortsetzen -, dass man immer mit den guten nachvollziehbaren Verfassungskommissionsvorschlägen kommt und alle Artikel an diesen wieder misst, diese Gedanken neu mit in die Debatte einbringt und darob negiert, dass geringe, nicht so weit gehende Verbesserungen in zum Beispiel diesen bestehenden oder diesem Art. 10, bei dem wir jetzt sind, den wir jetzt diskutieren, dass man die dann eben nicht zur Kenntnis nimmt. Wenn ich jetzt davon ausgehe - und das hat eben überhaupt nichts mit Kleinmut oder irgendetwas zu tun - wenn ich jetzt davon ausgehe, dass diese Bemühungen der Verfassungskommission gescheitert sind und zu keinem Ergebnis geführt haben, dann denke ich, wenn wir der Intention, die, wie ich meine, breit zum Ausdruck gekommen ist in der Grundsatzdebatte, eine einvernehmliche Lösung zu suchen versuchen, eine von einer breiten Basis getragenen akzeptierten Lösung kommen wollen, dann denke ich, müssen wir Abstriche von diesem Verfassungskommissionsvorschlag machen. Ich meine nicht, grundsätzlich keine Elemente davon zu übernehmen; von einzelnen Elementen bin ich überzeugt. Und das ist auch mein Anliegen, dass wir versuchen müssen, in dieser Regierungsvorlage gewisse Verbesserungen anzubringen. Wenn wir aber bei allen Artikeln mit diesen Gedanken - und ich sage noch einmal nachvollziehbaren guten Gedanken der Verfassungskommission - kommen und die fordern, dann, denke ich, ist das Experiment zum Scheitern verurteilt. Ich möchte noch einmal begrüssen: Der Weg, der uns jetzt durch die Regierungsvorlage ermöglicht wurde, das sehe ich eben als das Begrüssenswerte auf der Basis dieser Regierungsvorlage, um Elemente der Vorschläge der Verfassungskommission mit einzubringen. Die Alternative - das müssen wir einfach auch sehen - ist eine mögliche Volksinitiative auf vielleicht der Basis des grünen oder des roten Büchleins mit den Vorschlägen des Landesfürsten, und von denen wissen wir letztlich ja nicht, was in der Volksabstimmung passiert. Deshalb scheint mir unsere Herausforderung, der wir uns stellen müssen, die, dass wir aus dieser Dilemmasituation das für uns Verantwortbare, das für uns Mögliche herauszukristallisieren vermögen, dass das dann von einer breiten Basis getragen werden kann. Dann ergibt sich eben nicht diese Entweder-oder-Situation, sondern ich erhoffe es mir, eine für breite Kreise hier im Parlament oder dann in einer allfälligen Volksabstimmung, wenn eine solche Vorlage dem Volk vorgelegt wird, dass dann ein tragfähiger Konsens gefunden werden kann. Und dann könnten wir den Verfassungskonflikt, der jahrelang jetzt schwelt und der das Land belastet - davon bin ich überzeugt - dann könnten wir den allenfalls wirklich einmal zu einem Ende führen.
Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Ausgangspunkt der Debatte muss ja Art. 10, so wie er heute in der Verfassung steht, sein. Hier heisst es: «In dringenden Fällen wird der Landesfürst das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren». Darunter versteht man ganz allgemein das Notstandsrecht. Natürlich ist es hier aus rechtsstaatlicher Sicht völlig ungenügend ausgeführt und natürlich können hier verschiedene Interpretationen vorgenommen werden. Wenn wir nun die Lösung, wie sie hier vorliegt, mit der heutigen Verfassung vergleichen, so muss zumindest eingestanden werden, dass das Notverordnungsrecht zeitlich eingegrenzt wird. Gemäss Art. 10 der Verfassung hat der Landesfürst eine allgemeine Notstandsbefugnis, aber er ist ja jederzeit auch an die Artikel 2, 7 und 13 der Verfassung gebunden, das heisst, der Landesfürst hat sich ja nach dem Geist und nach den Bestimmungen dieser Verfassung zu richten. Deshalb ist auch davon auszugehen, dass der Landesfürst Notstandsrechte nicht aus freier Willkür ergreift, sondern dass er das auch nach staatspolitischem und staatsrechtlichem Abwägen macht, und zwar in einem verantwortungsvollen Handeln. Das hier einmal vorausgesetzt. Deshalb ist das Notverordnungsrecht auch materiell eingeschränkt. Es kann nicht einfach aus einer Laune heraus ergriffen werden. Das geplante Notverordnungsrecht schränkt das bisherige Notverordnungsrecht nunmehr zeitlich ein, Notverordnungen des Fürsten bedürfen der Gegenzeichnung des Regierungschefs. Das ist auch die heutige Meinung des Landesfürsten. Also, so wird es auch in der Regierungsvorlage, zumindest im Begleitkommentar der Regierungsvorlage, ganz klar aufgeführt. Was hier sicher der Fall ist, dass dem Landtag oder dem Landesausschuss kein präventives Mitwirkungsrecht eingeräumt wird, sondern dass der Landtag nachträglich begrüsst werden muss. Und zwar heisst es hier «innerhalb einer Frist von drei Monaten», also spätestens nach drei Monaten muss der Landtag begrüsst und die Notverordnungen müssen durch den Landtag behandelt werden. Es wurde hier kritisiert und auch begründet, dass der Tatbestand der Voraussetzungen, also wann eine Notverordnung erlassen werden kann, dass dieser präzisiert werden müsste. Ich meine schon, dass Notverordnungen dann erlassen werden können, wenn es sich um ernsthafte Gefahren für die Existenz des Staates handelt, oder wenn die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung, nicht mehr mit den in der Verfassung vorgesehenen normalen Mitteln aufrechterhalten werden kann. Wenn ich in die Geschichte zurückblicke, dann ist natürlich zu sagen, dass Notverordnungen in der Vergangenheit auch auf Veranlassung der Regierung diesen Kriterien nicht immer genügt hätten. Denn es hat hier natürlich auch Notverordnungen, wie gesagt, auf Initiative der Regierung gegeben, die wahrscheinlich doch auch im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren hätten umgangen werden können. Aber im Grundsatz meine ich schon, dass Notverordnungen nur in ausserordentlichen Situationen erlassen werden können, und diese ausserordentlichen Situationen sind in der bestehenden Verfassung nicht im Detail definiert, sondern hier heisst es wirklich sehr allgemein «in dringenden Fällen». Und diese dringenden Fälle - das kann man sicher diskutieren - ob hier diese noch präzisiert werden sollen. Aber auf jeden Fall: In Beziehung zur heutigen Verfassung wird hier die zeitliche Befugnis des Landesfürsten eingeschränkt. Wie gesagt: Zum Erlass der Notverordnung braucht es nicht nur den Landesfürsten, es braucht auch die entsprechende Gegenzeichnung des Regierungschefs. Dann wurde die Problematik aufgebracht, dass im Prinzip die Verfassung völlig aus den Angeln gehoben werden könnte durch Notverordnungen. Und da, meine ich schon, dass eine Notverordnung zwar die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften der Verfassung einschränken kann, aber ich meine auch, wie das hier in Bericht und Antrag der Regierung steht, dass eine Notverordnung eine Vorschrift der Verfassung nicht einfach aufheben kann. Es sollen auch nicht die politischen Instanzen - Regierung, Landtag, Gerichtsbarkeit - einfach abgeschafft werden können. Und wenn wir hier Abs. 2 genau lesen, dann sehen wir hier ja, dass ausdrücklich eine Behandlung der Notverordnung durch den Landtag vorgesehen ist, und zwar innerhalb der ersten drei Monate. Dann ist die Regierung auch der Überzeugung, dass die notstandsfesten Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention selbstverständlich bestehen bleiben, und dass die EMRK hier dem Notstandsrecht auch Schranken auferlegt. Was eine Überlegung wert ist und was man sicher vertieft überprüfen kann, das ist die Anregung des Abg. Ivo Klein, inwieweit diese EMRK nicht hier in der Verfassung ausdrücklich aufgeführt wird. Das ist sicher auf eine zweite Lesung hin zu überprüfen. Dann wurde die Bestimmung - ich glaube, das war der Landtagsvizepräsident - die Bestimmung hier hinterfragt, dass eine Volksabstimmung rechtzeitig anzuberaumen ist, sodass nach dem Ende des sechsten Monates das Ergebnis vorliegt, falls die Notverordnung in geltendes Recht übergeführt wird und länger als sechs Monate Gültigkeit haben soll. Hier wurde tatsächlich daran gedacht, dass es keinen Sinn macht, eine Volksabstimmung durchzuführen, wenn eine Notverordnung bei Erlass schon begrenzt wird, begrenzt auf einen Monat, begrenzt auf zwei Monate. Aber auch diese Bestimmung kann sicher noch einmal genau untersucht werden, ob sie die nötige Klarheit hier bietet oder ob hier eben noch vermehrt Klarheit geschaffen werden muss.Dann wurde zu Abs. 3 ausgeführt, dass hier diejenigen Artikel der Verfassung, die im Notverordnungsrecht eingeschränkt werden können, abschliessend aufgeführt werden. Hier fragt sich einfach, ob der Schutz durch die EMRK nicht ein genügender Schutz ist, ob hier zusätzlich zu diesem Schutz, den die EMRK bildet, abschliessend die einzelnen Verfassungsartikel noch aufgeführt werden müssen oder ob das hier nicht deckungsgleich ist. Das kann man sicher auch noch einmal genau überprüfen. Wir waren der Ansicht, dass die EMRK hier genügenden Schutz gewährleisten müsste. Letztlich geht es hier natürlich auch wieder darum, im gegenseitigen Verhandeln zwischen Fürst und Regierung bzw. auch Landtag, die Notverordnungskompetenz, die heute der Fürst hat, einzuschränken. Ich meine, hier ist sie zeitlich eingeschränkt worden. Die Diskussion kann natürlich immer wieder geführt werden: Ist sie genügend eingeschränkt? Und vor allem, sind die Voraussetzungen, unter denen Notrecht geschaffen werden kann, zur Genüge definiert? Eine Korrektur bildet hier das Gegenzeichnungserfordernis des Regierungschefs.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich begrüsse die Klarstellung des Herrn Regierungschefs, dass es heute Auffassung S. D. des Landesfürsten sei, dass Notverordnungen nur mit der Gegenzeichnung des Regierungschefs gültig erlassen werden können. Ich werde im Sinne dieser Ausführungen bei der zweiten Lesung den Antrag stellen, Abs. 2 der Regierungsvorlage dahingehend zu ergänzen in Übereinstimmung mit dieser Auffassung S. D. des Landesfürsten, ich zitiere: «Notverordnungen bedürfen der Gegenzeichnung des Regierungschefs (Art. 85) und sind nach ihrer Erlassung dem Landtag zu übermitteln» usw.Abg. Paul Vogt:
Ich denke, der Abg. Peter Wolff war ein bisschen vorschnell. So wie ich den Regierungschef verstanden habe, hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass nach Meinung der Regierung die Gegenzeichnung durch den Regierungschef notwendig ist. Vielleicht habe ich es überhört, aber ich habe das nicht so verstanden, dass sich der Landesfürst klar in dem Sinne ausgesprochen hat, dass er diese Meinung teilt.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke. Herr Landtagspräsident: Sie haben mich direkt angesprochen in Zusammenhang mit dem Gegenzeichnungsrecht. Ich denke, man muss das Ganze im Kontext der vorgeschlagenen Änderungsvorschläge sehen, und zwar den Art. 10 in Zusammenhang mit Art. 85 der Verfassung natürlich, aber auch mit Art. 80. Bei Art. 80 steht ja: «Verliert die Regierung das Vertrauen des Landesfürsten, dann erlischt ihre Befugnis zur Ausübung des Amtes». Das heisst, stimmt die Regierung nicht der Meinung des Fürsten zu bei der Einsetzung der Notverordnung, dann kann sehr rasch Art. 80 zur Anwendung kommen, und damit ist die Regierung nicht mehr im Amt.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Frau Abg. Laternser: Ich teile hier Ihre Ansicht nicht, denn die Inanspruchnahme einer Notverordnung ist nach meiner Ansicht so ein gravierender staatspolitischer Eingriff, dass man nicht davon ausgehen kann, dass man zuerst Art. 85 ausser Kraft setzt und anschliessend dann eine Notverordnung erlässt. Das ist in meinem Verständnis nicht möglich.
Abg. Adrian Hasler:
Danke, Herr Präsident. In diesem Zusammenhang eine Frage: Wie ist das Interview des Landesfürsten im «Cash» zu verstehen, in dem er ausführt: «Ich habe Staatsanwalt Spitzer bei seinem Amtsantritt gesagt, wenn ihm von politischer Seite Widerstände erwüchsen, sei das für mich» - damit ist der Landesfürst gemeint - «Grund, der Regierung das Vertrauen zu entziehen, sie zu entlassen und eine ernsthafte politische Krise zu riskieren, um dann unter Umständen auch mit Notrecht zu regieren».
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Ich bin auch Ihrer Auffassung, Herr Präsident, dass eine Ausserkraftsetzung von Art. 85 der Landesverfassung ja nur per Notverordnung möglich wäre, auch eine zeitweise Ausserkraftsetzung dieser Bestimmung und für diese Notverordnung würde man zunächst einmal das Gegenzeichnungsrecht des Regierungschefs brauchen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Herr Regierungschef: Wünschen Sie noch das Wort?
Regierungschef Otmar Hasler:
Es geht um die Frage des Gegenzeichnungsrechtes des Regierungschefs bzw. des Erfordernisses der Gegenzeichnung des Regierungschefs bei Erlassung von Notverordnungen damit sie auch gültig werden. Es gibt tatsächlich eine Problematik, die hier ganz offen angesprochen werden soll und die auch im Bericht angesprochen ist, nämlich die Situation auf die der Landesfürst immer wieder Bezug nimmt, die Situation, in der es im Prinzip keine Regierung mehr gibt. Also, es kann eine Situation auch in einem Krisenfall oder es kann die Situation in einem Kriegsfall sein; wenn es keine Regierung mehr gibt, dann muss jemand befugt sein, das Notverordnungsrecht trotzdem auszurufen. Und in dieser Situation müsste es möglich sein, dass der Landesfürst das Notverordnungsrecht eben ausruft. Hier stellt sich dann natürlich selbstverständlich die Frage, wenn keine Regierung mehr vorhanden ist, dann wird es auch diese Gegenzeichnung nicht geben können.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Regierungschef: Sie schränken jetzt das wieder ein wenig ein, was Sie vorher gesagt haben. Der Abg. Paul Vogt hat ja gemeint, Sie hätten nur als Meinung der Regierung vorher ausgeführt, dass Notverordnungen vom Fürsten gegengezeichnet werden müssen. Ich glaube doch, gehört zu haben und bitte Sie, dies allenfalls nochmals zu bestätigen, Sie haben meiner Erinnerung nach in Ihrem vorherigen Votum wörtlich gesagt: Es ist heute Ansicht des Landesfürsten, dass Notverordnungen die Gegenzeichnung des Regierungschefs benötigen. Das ist - nur nebenbei gesagt - übrigens auch die bisherige und auch nach geltendem Recht einhellige Meinung von Fachleuten. Jetzt noch ein Wort zu Ihrem zuletzt erwähnten Beispiel: Das hat grundsätzlich sicherlich etwas für sich in dem an und für sich extremen Einzelfall. Nehmen wir an, die Regierung wäre durch kriegerische Einwirkung von aussen ausgelöscht und es gebe niemand nach den geltenden Vorschriften, der ein Gegenzeichnungsrecht ausüben könnte. Ich möchte aber nur eines klarstellen: Es darf dann nicht ein Fall als Anwendungsfall für so ein Beispiel herhalten, wo die Regierung zuerst wegen Vertrauensverlust entlassen wird, eine Übergangsregierung nicht rasch genug gebildet wird, weil keine Übereinkunft zwischen Fürst und Landtag diesbezüglich gefunden werden kann, um dann sagen zu können: Ja, es gibt leider keine Regierung, jetzt muss ich eine Notverordnung erlassen und per Notverordnung selbst regieren, Gegenzeichnung ist nicht mehr möglich. Das wäre ein selbst herbeigeführter Notstand, den man mit diesem Extremfall, den Sie geschildert haben, natürlich nicht gleichsetzen darf. Abg. Paul Vogt:
Der Landtagsvizepräsident hat die Problematik angesprochen, die auch mir in die Augen gesprungen ist. Wenn man diese Regelung des Notstandes in Verbindung mit dem neu vorgeschlagenen Art. 80 sieht, dann fallen hier einfach die rechtlichen Schranken, dann öffnet sich für einen autoritären Staat Tür und Tor, und das ist das Bedenkliche daran. Für mich ist das einfach nicht akzeptabel.
Regierungschef Otmar Hasler:
Noch einmal zum Grundsätzlichen: Grundsätzlich ist auch der Landesfürst der Ansicht, dass der Erlass einer Notverordnung die Gegenzeichnung des Regierungschefs erfordert. Und wir werden dann zu diesen kritischen Fällen kommen, nämlich in Bezug zu Art. 80. Aber noch einmal: Es gibt Ausnahmesituationen, in denen jemand befugt sein muss, Notstandsrecht zu erlassen, Ausnahmesituationen, wie ich sie geschildert habe. Dort scheint es mir unbestritten zu sein, dass dort der Landesfürst diese Möglichkeit haben muss, gemäss Art. 10 Notstandsrecht zu erlassen. Aber im Grundsatz ist eine Notverordnung gegenzeichnungspflichtig.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn das Wort nicht mehr gewünscht wird, können wir weiterlesen.Art. 11 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Bevor wir auf diesen neuen Art. 11 in Diskussion treten, möchte ich doch noch klar stellen, dass der bestehende Art. 11 der gültigen Verfassung, der wie folgt lautet: «Der Landesfürst ernennt unter Beobachtung der Bestimmungen dieser Verfassung die Staatsbeamten. Neue ständige Beamtenstellen dürfen nur mit Zustimmung des Landtages geschaffen werden», damit aufgehoben wird und nach meiner Ansicht auch in der Verfassungsänderungsvorlage als aufgehoben zu deklarieren ist. Die Aufhebung dieses Artikels 11 aus der bestehenden Verfassung bedeutet einen klaren Verzicht des Landesfürsten und gibt der Regierung gemäss Art. 78 der Verfassung künftig die volle Personal- und Diensthoheit im Bereich der Landesverwaltung. Dies scheint mir auch sinnvoll zu sein und wird ja jetzt schon so durch entsprechende Weisungen seitens des Landesfürsten an die Regierung delegiert. Trotzdem möchte ich auch festhalten, dass die Aufhebung von Art. 11 der Verfassung eindeutig eine Schwächung des bestehenden monarchischen Elementes enthält.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident. Damen und Herren Kollegen. Eigene Richter zu haben war eine zentrale Forderung der «Fighter» unserer heutigen Verfassung. Unter dem Motto «Liechtenstein den Liechtensteinern» haben unsere Vorfahren sich dieses Recht erkämpft. Ohne wirklichen Grund soll das Verfahren nunmehr also auf den Kopf gestellt werden. Der Landtag kommt sozusagen in den Klammergriff des Fürsten. Faktisch schlägt er alle Richter vor und ernennt auch alle Richter. Der dazwischen geschaltete Landtag kann nicht mehr, wie bis anhin der Fürst, definitiv Nein sagen. Ein Nein des Landtages bedeutet ein über Monate sich hinziehendes Ausmarchungsverfahren mit finaler und abschliessender Volksabstimmung. Bei diesem Punkt gab es eine Änderung rein formaler Natur, wenn man das «grüne Büchlein» mit dem Vorschlag des Forums Liechtenstein und damit auch mit der Vorlage vergleicht. Ein Berater-Gremium soll zuhanden des Landtags mögliche Richterkandidaten vorschlagen. Dies ist an und für sich begrüssenswert. Bedauerlich ist aber, dass dieses Gremium voll in der Hand des Fürsten steht. Zum Ersten: Der Fürst kann beliebig viele Berater in dieses Gremium schicken, der Landtag kann zusammen mit der Regierung gerade einmal vier Berater in das Gremium entsenden. Zum Zweiten: Der Fürst übernimmt den Vorsitz in diesem Gremium. Zum Dritten schliesslich können Kandidaten nur mit Zustimmung des Landesfürsten vom Gremium an den Landtag empfohlen werden. Man kann es drehen und wenden wie man will: Mit diesem Prozedere dominiert der Fürst das Verfahren der Richterernennung. In der Diktion des Fürsten heisst es dann - nachzulesen im «Vaterland»-Interview vom vergangenen Samstag: «Ein entscheidendes Wort mitzureden», gemeint seitens des Fürsten. Neu und auch beängstigend ist für mich, dass der Fürst de facto alle Richter - ich habe das bereits erwähnt - vom jungen Landrichter bis zum hoffentlich etwas älteren Präsidenten des Staatsgerichtshofes auswählt und auch ernennt. Bisher gab es zumindest eine Gruppe von Richtern, wo diese Ernennung nicht notwendig war. Alle ordentlichen Mitglieder und deren Stellvertreter von VBI und StGH - das sind immerhin 12 Personen - wurden vom Landtag ohne Mitwirkung des Fürsten gewählt und dies soll nun durch Abs. 2 nachhaltig geändert werden. Wenn Sie in Abs. 2 lesen: Hier heisst es immer «die» Richter der VBI, «die» Richter der ordentlichen Gerichte, «die» Richter des Staatsgerichtshofes. Das heisst im Klartext nichts anderes als «alle» Richter. Der Fürst verlangt eine Kompetenz, die in allen demokratischen Staaten westlicher Prägung der Volksvertretung oder direkt dem Volk zusteht. Richter, meine Damen und Herren, richten über Mitglieder des Volkes und nicht über den Fürsten. Wer sich über Art. 7 Abs. 2 - wir haben bereits heute darüber länger debattiert - in neuer Fassung, aber auch in der alten Fassung des Art. 7, jeglichen Zugriffes der Judikative entzieht - ich denke doch, dass es ein menschliches Bedürfnis ist, sogar ein Urbedürfnis, sich denjenigen, der durch entsprechende Entscheidungen in Menschenschicksale in erheblichem Umfang sich einzumischen und darüber zu entscheiden vermag, sich solche Leute selber auszusuchen. Auch das Argument der Entpolitisierung der Gerichte zieht nicht bzw. ist nur ein vordergründiges, da auch der Fürst - ich denke, das dürfte weitestgehend unbestritten sein - letztendlich Partei ist. Hätte es eines Beweises für diesen Umstand bedurft, der «Fall Herbert Wille» hat ihn in eindrücklicher Weise geliefert. Durch den Vorschlag wird lediglich erreicht, dass kritische und fähige Kandidaten zu einem weit früheren Zeitpunkt, das heisst durch Nichtberücksichtigung bei der Auswahl, das Schicksal von Herbert Wille zuteil wird. Das Argument, dass diese durchgefallenen Kandidaten gemäss Abs. 4 vom Landtag oder vom Volk in einer Volkswahl portiert werden können stimmt zwar formal, aber in der Praxis, meine Damen und Herren, ist es nicht jedermanns Sache, sich einer Wahl zu unterziehen. Solche Wahlen für Richter werden auch bei Einführung von Art. 11 eindeutige Ausnahmefälle bleiben, der Regelfall wird ausschliesslich vom Fürsten dominiert. Der Gutachter Prof. Rhinow schreibt dazu: «Das vom Fürstenhaus vorgeschlagene Richterbestellungsverfahren schwächt somit nicht zuletzt wegen des kontraproduktiven Rückgriffes auf die Volkswahl in einer emotional aufgeladenen Blockadesituation das demokratische Element in der liechtensteinischen Verfassung. Beträchtlich gestärkt wird hingegen der Einfluss des Fürsten und damit des monarchischen Elementes». Ich habe noch etwas nachzutragen: Ich finde es auch zu Abs. 3 dieses Art. 11 sonderbar, wenn die Regierung auf Seite 34 schreibt - im Übrigen bin ich der Ansicht, dass dieses weitschweifig umschriebene Prozedere des Gremiums usw. gar nicht in die Verfassung gehört - die Regierung schreibt hier: «Gleich dem Landtag und der Regierung kann auch der Landesfürst Mitglieder in das Gremium entsenden». Ich finde es schockierend, wie die Regierung hier versucht, Sand in die Augen zu streuen. Suggeriert wird «gleich». Fakt ist: Der Fürst entsendet beliebig viele Mitglieder, er kann sich die Mehrheit jederzeit beschaffen. Landtag und Regierung hätten eine genau definierte Anzahl von Abgeordneten zu entsenden. Also, ich muss schon die Regierung fragen: Hält die Regierung uns für geistig minderbemittelt, wenn man hier von «gleich» redet? Der Wortlaut von Abs. 1 ist für mich, offen gesprochen, irritierend. Wieso der Landesfürst das Recht der Unabhängigkeit der Richter schützen soll und nicht die Verfassung, das kann ich nicht nachvollziehen. Prof. Frowein schreibt dazu, ich zitiere: «Gemäss Abs. 1 schützt der Landesfürst das Recht und die Unabhängigkeit der Richter. Die hier getroffene Formulierung erscheint als sehr merkwürdig».Ein Detail, auf das ich mir erlaube, hinzuweisen, ist auch - im Übrigen bin ich auch diesbezüglich nicht der Ansicht, dass das in die Verfassung gehört - ist, dass der Wortlaut dieser Urteilsformel in die Verfassung aufgenommen wird. Wenn aber schon - und die Regierung behauptet das, ich habe das heute schon mehrfach zitiert - ein Primat des Volkes - ich bestreite das ausdrücklich - durch die neue Vorlage in unsere Verfassung kommen soll, dann müssten dann die beiden Komponenten Fürst und Volk zumindest ausgetauscht werden.Ein nächster Punkt: Der Vorschlag kann zu einer unerwünschten Dreiteilung der Richterschaft führen. Wir haben dann 1. ohne Komplikationen vom Landtag und Fürsten bestellte Richter, 2. zwischen Landtag und Fürst ausgehandelte Richter, und 3. streitig, das heisst durch eine Volkswahl bestellte Richter. Eine solche Stufung der Richterschaft ist dem Ansehen und der Akzeptanz der Richterschaft abträglich, da das Vertrauen in sie auch von einem uniformen Bestellungsverfahren abhängt. Der Tausch - Herr Landtagspräsident, Sie haben darauf hingewiesen - der Tausch zwischen Beamtenernennung gegen Richterbestellung ist kein faires Geschäft. Hier wird ein «Nonvaleur», nämlich die Beamtenernennung, die seit Jahrzehnten nicht vom Fürsten mehr vorgenommen wurde, gegen eine bedeutende Kompetenz eingetauscht. Das ist kein Geschäft «at arm's length» und unter gleichwertigen Partnern. Befremdend ist für mich auch, dass das Richterbestellungsverfahren neu unter der Überschrift «Vom Landesfürsten» in der Verfassung stehen sollen. Unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung macht es einen sonderbaren Eindruck, wenn die Richterbestellung so augenfällig vom Fürsten dominiert wird. Ich komme zum Schluss: Ich lehne den Vorschlag aus Überzeugung ab, der ausser einem riesigen Einfluss des Fürsten auf die Richterschaft nichts bringt. Ich denke, wir verbessern das Auswahlverfahren durch ein unabhängiges, kompetentes und paritätisch besetztes Gremium, belassen dem Landtag das Recht der Auswahl und sorgen für einen Mechanismus, der die Patt-Situation bei Verweigerung der Ernennung durch den Fürsten entscheidet. Ob dies durch Volkswahl oder durch Over-ruling mit qualifiziertem Mehr des Landtages zu realisieren ist, wäre zu diskutieren. Auf keinen Fall darf es aber zu einem Demokratie-Abbau kommen. Prof. Breitenmoser bringt dieses Faktum in seinem Gutachten auf den Punkt. Ich erlaube mir, weil eben die Regierung es auch unterlassen hat, diese Gutachten mitzuverarbeiten, ein Zitat aus diesem Gutachten vorzutragen. Es steht dort auf Seite 143: «Eine Schwächung des Demokratieprinzips erscheint in einem auf Stabilität und Rechtssicherheit bedachten europäischen Rechtsraum rechtspolitisch äusserst fragwürdig. Eine Änderung bzw. Aufhebung des bisherigen seit Jahrzehnten üblichen und die richterliche Unabhängigkeit gewährleistenden Wahlprozederes für alle Richter würde vielmehr einen Rückschritt mit Bezug auf die demokratische Legitimation und Unabhängigkeit der Justiz im Fürstentum Liechtenstein bedeuten. Die Schwächung des demokratischen Elementes zugunsten des monarchischen Elementes wird auch nicht durch die neue Befugnis des Volkes aufgewogen, da im Rahmen eines zwischen Verfassungsorganen entbrannten Streites über eine Richterpersönlichkeit einem möglichen abschliessenden Volksentscheid lediglich Konfliktregelungs- und damit Plebiszitärcharakter zukommen kann».Wie wichtig es ist, dass diese klare Analyse - diese findet sich im Übrigen auch bei anderen Gutachten, zum Beispiel im Gutachten von Prof. Breitenmoser - beim Volk diskutiert und argumentiert wird, zeigen die doch erwähnenswerten Zahlen der auch schon mehrfach erwähnten Umfrage des Demokratie-Sekretariates. Ich schliesse mit diesen Zahlen, die mir bemerkenswert scheinen. Auf die Frage, wenn der Fürst die Richter auswählt, erhöht das die Unabhängigkeit der Justiz von Regierung und Verwaltung und Parteien, waren mit dieser Aussage 41% einverstanden, 40% nicht einverstanden, und der Rest von zirka 8% wusste es nicht oder hatte keine Meinung.
Abg. Johannes Kaiser:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Die Auffassung bzw. die Darstellung, dass gemäss heutiger Verfassung der Landtag die Richter vorschlägt, ist nur indirekt richtig. De facto sind dies die Parteigremien, die die Richter benennen und via Landtag dem Landesfürsten zur Ernennung vorschlagen. Wir kennen Beispiele aus der Vergangenheit, dass diese Vorgehensweise eingehende Diskussionen im Landtag über fachliche Qualifikationen und sonstige offen legende Transparenz nicht vollauf zu gewährleisten vermag. Das in der Regierungsvorlage vorgeschlagene Gremiumsprinzip mit Vertretern aller Landtagsfraktionen, der Regierung, Fürst und Experten, beurteile ich als positiv. In diesem Gremium kann über Richterkandidaten und Richterkandidatinnen wesentlich intensiver, offener gesprochen und fachliche Qualifikationen ungehindert analysiert und abgewogen werden. Ich bin der Überzeugung, dass die Richter, die durch ein solch überparteiliches Gremium evaluiert werden, einen parteiunabhängigen Status haben. Somit gewährleistet der Regierungsvorschlag zweifellos mehr Unabhängigkeit der Richter. Über die Anzahl der Gremiumsmitglieder, die S. D. der Landesfürst in dieses Gremium beordern kann, kann man diskutieren. Dies ist jedoch eine sekundäre Spielwiese. Halten wir uns doch ans Zentrale, an den Inhalt und die Vorteile dieser Regierungsvorlage, Art. 11 Abs. 1 bis 5. Ich verzichte auf die jeweiligen Zitate aus der Gesetzesvorlage der Regierung, ich zähle jedoch die Vorteile auf. 1. Die Regierungsvorlage gewährleistet mehr Unabhängigkeit der Richter. Nicht die Parteiorgane befinden letztlich über die Besetzung des Präsidiums des Staatsgerichtshofes, über die Besetzung des Präsidiums und Stellvertreters der Verwaltungs- und Beschwerdeinstanz, über Richter des Obersten Gerichtshofes, über Richter des Obergerichtes, über Landrichter. Nicht die Parteiorgane, sondern über die Richterbesetzungen befasst sich ein ausgewogenes Gremium aus Mitgliedern aller Landtagsfraktionen, der Regierung, Fürst und Experten. 2. Neu in der Regierungsvorlage ist, dass das Vetorecht des Fürsten faktisch abgeschafft wird, dass das letzte Wort im Zweifel das Volk hat. Wie sieht dies im Detail aus? Den Gremiumsvorschlag gibt der Landtagspräsident als Empfehlung bekannt. Der entsprechende Kandidat oder die entsprechende Kandidatin wird dem Landesfürsten zur Ernennung vorgeschlagen. Was passiert bei Nichteinigung? Auch hier ist eine klare Regelung in der Regierungsvorlage enthalten. Bei Ablehnung des Landtages des vom Gremium vorgeschlagenen Kandidaten und Nichteinigung innerhalb von vier Wochen entscheidet das Volk in einer Volksabstimmung. Zweitens gibt es das Initiativrecht, mit dem Landesbürger Richter in Vorschlag bringen können. Dieser dann gewählte Richter wird vom Landesfürsten ernannt. Das Vetorecht des Fürsten fällt. Den vom Landtagsabgeordneten Sprenger zitierten «Fall Herbert Wille» kann und konnte es in der geltenden 1921er Verfassung geben. Bei der vorliegenden Regierungsvorlage könnte es diesen Fall nicht mehr geben. Für mich ist der Verfassungsvorschlag der Regierung, Art. 11, mit der Thematik «Richterernennung» ein ganz klarer Gewinn, weil er erstens klar interpretierbar ist, zweitens parteiunabhängiger ist, drittens einen Ausbau der Volksrechte beinhaltet und viertens das Vetorecht des Fürsten faktisch abschafft. Abg. Paul Vogt:
Um an die letzten Worte des Abg. Johannes Kaiser anzuknüpfen: Ich denke, auch hier wird wieder ein scheinbares Volksrecht eingeführt, weil in der Praxis dieses höchstens alle paar Jahrzehnte einmal zur Anwendung kommen könnte, nämlich dann, wenn zuvor ein Konfliktfall zwischen Landtag und Landesfürst geschaffen wurde und dieser Konflikt durch eine Volksabstimmung gelöst werden müsste. Ich habe schon in meinem Einführungsvotum klar ausgeführt, dass ich dagegen bin, dass Konflikte zwischen Landtag und Landesfürst durch plebiszitäre Volksabstimmungen gelöst werden, das ist kein gutes Verfahren.Mit der vorgeschlagenen Neuregelung wird ein ganz klares Übergewicht des Monarchen bei der Richterbestellung geschaffen. Der Landtag wird nur noch pro forma in das Verfahren einbezogen, nämlich dort, wo er bei einer allfälligen Volksabstimmung zusätzliche Kandidaten vorschlagen kann. Das ist nichts mehr, das zählt.Ich möchte hier auch auf die Konvention zur Selbstbestimmung zu reden kommen, die vom Fürsten angestrebt wird. In Art. 5 Abs. 2 sieht der Konventionsentwurf vor, dass die Richter durch gewählte Abgeordnete nominiert werden können. Das heisst, im Konventionsentwurf für das Selbstbestimmungsrecht ist ein Artikel enthalten, der genau dieses Verfahren vorsieht, das nun mit dieser Verfassungsänderung abgeschafft werden soll. Ich frage Sie: Wie ist das vereinbar?Mit dem neu vorgeschlagenen Verfahren würde der Monarch am Anfang und am Schluss der Richterbestellung stehen. Das ist, glaube ich, auch ein einmaliger Prozess, wenn der Monarch am Anfang ganz wesentlichen Einfluss auf die Richterbestellung ausüben kann und dann auch wieder am Schluss die Ernennung selber vornimmt, mit wenigen eher theoretischen Ausnahmen, wo es zu einer Volksabstimmung kommt.Zum Thema Vorschlagsgremium, das neu geschaffen werden soll: Grundsätzlich begrüsse ich eine Versachlichung der Richterbestellung, grundsätzlich begrüsse ich ein Vorschlagsgremium, ein Wahlgremium. Dieses Wahlgremium müsste meines Erachtens aus Experten bestehen, die zuhanden des Landtages Richter evaluieren und dann einen Dreiervorschlag machen, und der Landtag müsste dann seinerseits wiederum aus diesem Dreiervorschlag einen wählen und diesen dem Landesfürsten zur Ernennung vorschlagen. Das wäre meines Erachtens das richtige Vorgehen. So, wie es hier vorgeschlagen wird, kann der Fürst dieses Wahlgremium beliebig verändern, er kann einfach immer neue Kandidaten oder neue Personen in dieses Gremium ernennen und damit auch die Zusammensetzung und die Ausrichtung dieses Gremiums beeinflussen. Das ist auch eine Manipulationsmöglichkeit. Nur fehlt dann in diesem Fall die Transparenz, nach welchen Kriterien ein solches Gremium bestimmt wird. Und da muss ich sagen: Mir ist es lieber, wenn man offen zu erkennen gibt: Hier haben auch politische Interessen einen Einfluss. Das Volk kann dann ja bei den nächsten Wahlen wieder Einfluss nehmen, wenn die Richter falsch bestellt wurden. Eine zusätzliche Sicherung für den Monarchen besteht dann noch darin, dass er ja jederzeit einen Beschluss dieses Gremiums verhindern kann. Er hat ein absolutes Vetorecht und es kommt nicht einmal an die Öffentlichkeit, ob er von diesem Vetorecht Gebrauch gemacht hat oder nicht. Hier fehlt also jede Transparenz, wie es zum Vorschlag kommt, dass eine bestimmte Person zum Richter ernannt werden soll. Der nächste Punkt, der mir sehr bedenklich erscheint, ist, dass der Landtag bei der VBI und beim Staatsgerichtshof seine Rechte praktisch aufgibt. Ich glaube, wir können das ganz offen sagen: Gerade bei diesen Gerichten des öffentlichen Rechts geht es in der Praxis nicht nur um rein rechtliche Entscheidungen, obwohl diese beiden Gerichte in erster Linie an die Verfassung und an die Gesetze gebunden sind. Hier spielt aber immer auch eine gewisse politische Bewertung mit, es gibt immer auch ein politisches Ermessen. Und da ist es richtig, wenn transparent gemacht wird, wie diese Gerichte zusammengesetzt werden, wie diese Gerichte bestellt werden. Es spielt eine Rolle, ob ein Richter im Staatsgerichtshof eine liberale Überzeugung oder ob er eine konservative Überzeugung hat. Und da meine ich, ist es richtig, wenn er von einem demokratisch legitimierten Gremium gewählt wird. Dann zum Thema Beamtenernennungsrecht: Es ist richtig, dass mit der vorgeschlagenen Verfassungsänderung der Fürst das Beamtenernennungsrecht aufgeben würde. Nur muss man sich auch bewusst machen, dass dieses Beamtenernennungsrecht seit 32 Jahren gar nicht mehr ausgeübt worden ist. Mittlerweile - ich muss mich korrigieren - sind es 33 Jahre, weil der letzte Beamte 1968 ernannt wurde. Es ist also ein Recht, das faktisch obsolet geworden ist, weil es nicht mehr zur Anwendung kommt. Und dann kann man doch nicht sagen: Der Fürst gibt tatsächlich etwas auf. Auch von Seiten des Fürsten ist es völlig unbestritten, dass die Ernennung der Staatsangestellten - Beamte im formellen Sinn gibt es ja auch keine mehr. Es gibt keinen einzigen Beamten mehr im Staatsdienst, der noch den Beamtenstatus hat, sondern alle sind Staatsangestellte. Es ist sachlich gerechtfertigt, dass die Anstellungen, die disziplinarischen Massnahmen und allfällige Entlassungen durch die Regierung wahrgenommen werden. Ich denke, man muss sich hier einfach vor Augen halten, dass dieser privilegierte Status, den Beamte früher innegehabt haben, nicht mehr zeitgemäss ist. Im Grundsatz begrüsse ich das und finde das richtig. Das Angestellten-Verhältnis beim Staat hat sich immer mehr dem privatrechtlichen Anstellungsrecht angeglichen. Und da wäre es einfach völlig verkehrt, wenn der Fürst Beamte quasi auf Lebenszeit ernennen würde, und die Regierung dann allenfalls aufgrund von administrativen Massnahmen solche Beamte wieder entlassen könnte. Das geht einfach nicht mehr auf, das beisst sich. Also, die Aufgabe des Beamtenernennungsrechtes ist sachgerecht. Man könnte sich überlegen, ob es noch gewisse Beamte geben soll in besonderen Positionen. Aber ich denke, insgesamt ist der nun seit vielen Jahren eingeschlagene Weg der richtige. Ich komme zum letzten Punkt, ein Punkt, der bisher noch nicht aufgegriffen wurde, und zwar die Formulierung «Der Landesfürst schützt das Recht und die Unabhängigkeit der Richter». Die Gutachter haben dazu kritische Anmerkungen gemacht. Sie haben gesagt: Wir verstehen nicht, was das heisst, wenn der Landesfürst das Recht schützt. Ich kann dies nur interpretieren. Ich denke, dass bei den Gutachtern hier die Befürchtung entstanden ist, dass der Fürst irgendwo eingreifen könnte, also dass dieser Begriff «schützt das Recht und die Unabhängigkeit» in einem aktiven Sinn verstanden wird, und dann stellt sich die Frage: Ja, vor wem schützt denn der Landesfürst das Recht und die Unabhängigkeit der Richter? Und wie schützt er das? Vielleicht kann die Regierung auf diese Frage bereits jetzt eingehen. Ansonsten erwarte ich, dass auch dazu für die zweite Lesung Anmerkungen gemacht werden.
Abg. Adrian Hasler:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Ich habe bereits im Eintretensvotum auf diese Problematik in dieser Bestimmung hingewiesen. Die Abgeordneten Peter Sprenger und Paul Vogt haben diese Problematik hier auch umfassend dargelegt. Ich möchte trotzdem noch auf Schwachpunkte aus meiner Sicht eingehen:Wie in dieser Bestimmung zu lesen ist, bedienen sich Landtag und Fürst eines gemeinsamen Gremiums für das Auswahlverfahren. Der Fürst hat in diesem Gremium den Vorsitz. Er ist also von Beginn weg eingebunden, er kann auch hier eine entscheidende Rolle spielen. Zudem benötigen die Vorschläge die Zustimmung des Fürsten. Also, hier ist doch ein gewisses Vetorecht vorhanden, und wie der Abg. Vogt ausgeführt hat, ist eben die Transparenz nicht vorhanden. Der Fürst kann in diesem Gremium die Mehrheit für sich beanspruchen, und auch hier ist für mich ein grosser Schwachpunkt. Damit hat er eben nicht nur ein Verhinderungsrecht, sondern auch die Möglichkeit, dem Landtag Kandidaten vorzuschlagen. Das ist auch ein entscheidender Einfluss auf die Auswahl der Richter. Es ist mir auch klar, dass der Landtag die vom Gremium empfohlenen Richter ablehnen kann. Das habe ich auch schon ausgeführt, und dass in letzter Konsequenz das Volk entscheidet. Ich möchte aber trotzdem auf den Normalfall eingehen: Hier ist ganz klar, dass die Position des Landesfürsten gestärkt wird. Also, ich vertrete hier auch die Meinung der beiden Abgeordneten, die ich schon erwähnt habe. In einem Punkt bin ich mit dem Abg. Peter Sprenger nicht ganz einig, und das ist der Fall «Herbert Wille». Ich glaube, dass Herbert Wille gezeigt hat, dass er sich hier nicht einschüchtern lässt, dass er es durchgezogen hätte, da bin ich also überzeugt, und dass dieser Fall wahrscheinlich dann vor dem Volk anders gelöst worden wäre.
Abg. Hugo Quaderer:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Mir scheint der Mechanismus, wie er mit diesem Gremium vorgeschlagen ist, welches dann die Auswahl der Richter trifft und dem Landtag zur Genehmigung vorschlägt, grundsätzlich als überlegenswert und es ist ja auch eine klare Verbesserung im Vergleich mit der bisherigen Regelung. Positiv ist auch zu werten, dass neu keine Wiederwahl der Richter mehr möglich sein soll. Dies stärkt meines Erachtens auch die Unabhängigkeit der Gerichte. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Gremiums muss man aber, denke ich, nochmals über die Bücher. Störend und für mich nicht akzeptabel ist das absolute Vetorecht des Fürsten im Auswahlverfahren und dann aber auch der Fakt, dass der Fürst eine beliebige Anzahl an Mitgliedern in das Gremium berufen kann. Hier sollte eine ausgewogenere Lösung gefunden werden. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass der Landesfürst maximal zwei weitere Mitglieder in das Gremium berufen kann. Zusammen mit seinem Vorsitz hätte das Fürstenhaus dann drei Mitglieder im Gremium, der Landtag nach der heutigen Zusammensetzung ebenfalls drei Mitglieder und die Regierung ein Mitglied. Ich stelle auch noch die Überlegung an, ob nicht auch die Richterschaft in diesem Gremium vertreten sein sollte. Das Votum des Abg. Paul Vogt hat mich eigentlich auch auf die Idee gebracht, ob man nicht auch prüfen könnte, dass man das Auswahlverfahren ganz entpolitisiert und die Auswahl der Richterschaft vollumfänglich in Expertenhände legen könnte. Ich bitte die Regierung, eine solche Möglichkeit bis zur 2. Lesung zu prüfen.Problematisch in diesem Artikel scheint mir auch das vorgeschlagene Szenario der Richterernennung. Gemäss Vorschlag kann es in Zukunft verschiedene Sorten von Richtern geben. Der Abg. Peter Sprenger hat dies bereits erwähnt. Das sind erstens die einvernehmlich bestellten Richter, dann zweitens die so genannten ausgehandelten Richter, also diejenigen Richter, die zwischen dem Gremium und dem Landtag ausgehandelt sind, und dann drittens die über eine Volksabstimmung bestellten Richter. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang dann einfach auch die Frage, ob man überhaupt noch Kandidaten für ein Richteramt wird finden können, wenn die Gefahr einer «öffentlichen Exekution» drohen könnte. In diesen Punkten, die ich jetzt aufgezeigt habe, sollte man mit S. D. dem Landesfürsten nochmals in Verhandlungen treten.Abg. Alois Beck:
Es wurde bereits schon vieles ausgeführt, aber ich möchte mich trotzdem noch äussern, denn ich finde, dass dies einer der zentralen Punkte bei diesem Abänderungsvorschlag ist. Wie ich in der Eintretensdebatte auch schon bereits ausgeführt habe, ist diese vorgeschlagene Regelung noch nicht befriedigend. Man kann hier vielleicht an diesem Artikel überhaupt grundsätzliche Argumente darlegen - ich werde das später vielleicht noch in Kürze tun - bezüglich Demokratieabbau/Monarchieausbau usw. Es gibt hier - wie das gesagt wurde - im Konfliktfall, dass der Landesfürst das absolute Ernennungsrecht abgibt. Das ist so. Es gilt hier natürlich zu prüfen, wie oft dieser Konfliktfall eintritt und was eben der Regelfall ist. In diesem gemeinsamen Vorschlagsgremium hat der Landesfürst den Vorsitz mit weit reichenden Befugnissen, indem er beispielsweise theoretisch eine - sagen wir einmal - unbestimmte Anzahl zusätzlicher Mitglieder benennen kann. Hier vielleicht nur eine Klammerbemerkung: Ich verstehe hier die Logik des Abg. Sprenger nicht, wenn er sagt, dass die Regierung uns - ich nehme an den Landtag - für geistig minderbemittelt hält, wenn hier von «Gleichem» die Rede ist.Wenn es ja so ist, dass der Landtag nur eine bestimmte Anzahl entsenden kann und der Landesfürst eine unbestimmte Anzahl, ist hier das Vertrauen der Regierung in den Landtag ungleich höher, weil wir ja zur Kompensation nichts einbringen müssen, wenn Sie wissen was ich meine. Wir können das in der Pause ausführen. Ich befürworte eine Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und der Gerichte. Das ist, glaube ich, auch eine Grundtendenz, ein Grundtenor, den ich hier im Hause gehört habe. Es gibt hier mehrere Lösungsansätze, das wurde auch früher in der Verfassungskommission diskutiert. Beispielsweise soll es ein qualifiziertes Mehr des Landtags geben, es soll für die Richter eine einmalige, dafür aber längere Amtsdauer geben und so weiter und so fort. Grundsätzlich ist aber auch dieses gemeinsame Vorschlagsgremium von Landesfürst und Landtag sehr gut geeignet, eine Unabhängigkeit darzustellen. Jetzt: Was sind die Konsequenzen? Aus meiner Sicht, wenn man sagt, es ist ein Ausbau der Volksrechte, wenn eben im Konfliktfall der Landesfürst ja das absolute Ernennungsrecht abgibt, und da muss man konzedieren: Dann hat das Volk die Möglichkeit, diesen Richter zu ernennen. Nun hier stellt sich natürlich die Frage: Inwieweit ist das der Fall? Inwieweit ist das auch praktikabel? Und hier kommen wir zu diesem Punkt: Was versteht man eben unter Demokratie? Neigt man hier eher der Meinung zu, dass das die direkte Demokratie in der unmittelbaren Ausübung der Volksrechte ist? Dann müsste man hier sagen: Ja, das ist ein Ausbau der Demokratie. Oder ist für diesen Fall eben eher die Ansicht im Sinne der repräsentativen Demokratie, dass hier der Landtag sein bisher uneingeschränktes Vorschlagsrecht abgibt? In diesem Falle bin ich klar der Ansicht, dass hier ein Abbau der Demokratie im Sinne der Institution Landtag der Fall ist. Ich möchte dies wie folgt begründen: In einem Konfliktfall, wo dann das Volk entscheidet, gibt es natürlich mehrere Hürden. Teilweise wurden diese Hürden auch schon genannt. Einerseits geht es darum, dass wir überhaupt Richter finden, die sich einer solchen Hürde unterziehen. Viele wollen sich nicht in der Öffentlichkeit exponieren. Ich wage auch die Aussage, dass es relativ wenige mutige Persönlichkeiten wie Herbert Wille gibt, die sich einer solchen öffentlichen Exponiertheit zur Wahl stellen, um das so einmal auszudrücken. Also, hier werden sich viele zum Vornherein Gedanken machen: Möchte ich mich überhaupt zur Verfügung stellen? Das ist auch ein Regulativ. Vielleicht noch eine Bemerkung bezüglich Experten, man müsste dies vollkommen in Expertenhände geben und das vollkommen - ich sage einmal - aus den parteilichen Zwistigkeiten heraushalten. Das ist eine in dem Sinne auch populäre Meinung, die vertreten wird und die vertreten werden kann. Meine Ansicht ist, dass letztlich niemand so unparteiisch ist, dass hier nicht gewisse Interessen im Spiel sind. In unserem Land gibt es weniger ideologische Interessengegensätze, weniger ideologische Auseinandersetzungen. In anderen Staaten, wo das der Fall ist, wird das fast als legitimes Mittel angeschaut, dass in solchen Gremien unterschiedliche Interessen vertreten sind, um einen Ausgleich herbeizuführen, und ob man das dann Partei- oder andere Interessen nennt, spielt keine Rolle. Mir ist sehr wohl bewusst, dass man sich mit solchen Äusserungen aufs Glatteis begeben kann, aber man muss sich einfach überlegen: Was heisst hier unabhängig? Wer handelt hier so unabhängig, dass er keine Interessen verfolgt? Man kann ja auch gute Interessen verfolgen, aber diese guten Interessen werden von anderen Personen vielleicht als nicht so gut betrachtet. Das einfach einige grundsätzliche Ausführungen. Vielleicht noch zur Beamtenernennung: Wenn ich den Landtagspräsidenten richtig verstanden habe, sagt er, dass hier der Art. 11 quasi aufgehoben werden müsste. Ich bin nicht der Ansicht. Legistisch wird hier unter Art. 11 einfach eine neue Materie geregelt. Aber in dem Sinne darf der Art. 11 nicht einfach aufgehoben werden, sondern es wird etwas anderes geregelt. Teilweise wird auch hinten in Art. 107 eine Regelung des vormaligen Art. 11 aufgenommen. Ich würde es auch sehr begrüssen, wenn wir hier bestimmte Dinge anerkennen. Für die sachliche Diskussion finde ich es schade, dass man die Aufgabe des Beamtenernennungsrechtes als «Nonvaleur» bezeichnet. Man kann über den Valeur in welcher Höhe natürlich trefflich streiten. Aber es bringt wenig, wenn wir in der gültigen Verfassung Bestimmungen haben, die einfach so drin sind. Ob dem nachgelebt wird oder nicht ist dann eine andere Frage. Aber im Sinne der Sachlichkeit würde ich hier nicht von einem «Nonvaleur» sprechen, sondern vielleicht auch anerkennen: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber auch meine Meinung ist, dass - ich sage einmal - die Aufgabe des alten Art. 11 und jetzt neu mit dem Richterbestellungsverfahren natürlich nicht aufgewogen werden kann. Das sage ich hier auch ganz klar. Und in diesem Sinne stellt es auch für mich hier eine Schwächung des Landtages dar. Ich hoffe, dass wir hier eine neue befriedigendere Lösung finden. Abg. Ivo Klein:
Herr Präsident, danke. Ich bin auch der Meinung des Abg. Alois Beck, dass es sich bei diesem Artikel der Richterernennung um ganz einen zentralen Artikel unserer Verfassung handelt. Ich möchte auch noch zwei, drei Anregungen einer möglichen Lösungsvariante hier einbringen: Grundsätzlich soll die Auswahl der Richter gemäss dem vorliegenden Verfassungsentwurf stattfinden. Diesen Vorschlag begrüsse ich. Beide Souveräne sollten Mitglieder in eine paritätisch zusammenzustellende Kommission entsenden können. Landesfürst und Landtagsabgeordnete sollten meines Erachtens allerdings nicht im Auswahlgremium Mitglied sein, weil der Landtag die empfohlenen Kandidaten wählt und der Landesfürst sie ernennt. Landesfürst und Landtag haben aufgrund des vorgesehenen Verfahrens die Möglichkeit, den empfohlenen Kandidaten nicht zu wählen bzw. nicht zu ernennen. Sie können zu einem späteren Zeitpunkt ihre Entscheidungen hier treffen. Zudem sollte dem Landtag nicht nur der empfohlene Kandidat bekannt gegeben werden. Das Gremium sollte über das Auswahlverfahren einen Bericht über sämtliche Kandidaten verfassen, damit die Entscheidungsinstanzen die Empfehlungen nachvollziehen können. Danke.
Abg. Helmut Konrad:
Ich habe in der Eintretensdebatte erwähnt, dass die vorliegende Regierungsvorlage in einigen Bereichen sicher noch einmal vom Landtag genau überprüft werden müsse. Das läuft jetzt ja. Ich habe diesen Art. 11 im Zusammenhang mit der Richterernennung als - von mir aus gesehen - einen der zentralen Punkte bezeichnet, in dem das aus meiner Sicht passieren muss. Es ist im Prinzip alles gesagt worden, was die Vor- und Nachteile der vorgeschlagenen Neuregelung betrifft. Ich möchte das wirklich nicht noch einmal wiederholen. Es sind auch andere Varianten und Vorschläge aufgezeigt worden. Ich denke, das wird Aufgabe der Regierung sein, da allenfalls zu prüfen, in welche Richtung es gehen könnte. Ich teile aber die in fast allen Voten zum Ausdruck gekommene Einschätzung, dass in dieser Fassung, wie sie hier vorliegt, die Dominanz des Fürsten eine sehr grosse ist und dass die Position des Landtags ein Stück weit marginalisiert wird. Ich habe als eine Variante gesagt zumindest im Bereich des Gremiums, dem ich durchaus positive Aspekte abgewinnen kann, dass dort zum Beispiel die Möglichkeit bestünde, dass der Landtag in der Besetzung des Gremiums majorisiert ist, dass dadurch nicht sowohl im Bereich des Vorschlagsrechts als auch nachher im Verhinderungsfall der Fürst eine dominante Rolle spielt. Es ist sicher auch richtig, dass der Fürst das absolute Ernennungsrecht abgibt, dass ein Fall «Herbert Wille» möglicherweise über eine Volksabstimmung durchgezogen werden könnte und dass er heute noch Richter wäre. Aber es ist auch gesagt worden - und diese Auffassung teile ich -, dass das sicher der absolute Ausnahmefall ist, der vielleicht alle - einmal sehr einschränkend gesagt - alle paar Jahre vorkommt. Im Normalfall teile ich die Auffassung, dass es eine Schwächung der Volksrechte bedeutet, dass es eine Schwächung der Position vor allem des Landtags bedeutet. Und hier hoffe ich auch, dass Veränderungen erreicht werden können und erreicht werden müssen.
Abg. Peter Sprenger:
Ich habe ein, zwei Bemerkungen zu machen. Der Herr Abg. Beck hat nachgefragt, warum ich mich wegen diesem «gleich» etwas enerviert habe: Es heisst in den Begründungen der Regierungsvorlage auf Seite 34 einfach: «Gleich dem Landtag und der Regierung kann auch der Landesfürst Mitglieder in das Gremium berufen». Wenn damit gemeint ist, dass es beide tun können, dann kann ich noch damit leben. Ich werde das jetzt einmal zum Vorteil der Regierung so interpretieren. Für mich haben die Worte «gleich dem» eben auch eine Komponente von paritätisch. Und wenn wir da den Abs. 3 etwas genauer studieren - und das wurde heute schon gemacht - dann kann davon wohl keine Rede sein. Sie haben sich auch daran gestört, dass ich die Aufgabe des Beamtenernennungsrechts als ein «Nonvaleur» bezeichnet habe. Da muss ich Ihnen zugestehen: Das ist ein etwas harter Ausdruck, der in der Hitze des Gefechtes gefallen ist. Ich will Ihnen einfach damit sagen: Wenn man die auf den beiden Waagschale sich befindlichen Sachen betrachtet, ein Beamtenernennungsrecht, das der Fürst ja eh nicht mehr mag, weil er wird kaum sich zum APO nach Vaduz begeben und da mühselig mit Kandidaten reden und aussuchen usw., und in der anderen Waagschale liegt das Richterernennungsrecht. Da wollte ich nur zum Ausdruck bringen, dass da die Gewichte schon sehr, sehr verschieden sind.Zum Kollegen Johannes Kaiser: Ich bin mit ihm einer Meinung, ein Gremium ist in Ordnung. Wie dieses dann mit Experten zusammengesetzt sein soll, da kann man wirklich heftig darüber diskutieren. Nur darf es nicht dazu führen, dass dann eben dieses Gremium in der Art und Weise besetzt wird, wie es der Abs. 3 vorsieht. Wie können Sie von einem unabhängigen Gremium angesichts des klaren Wortlautes reden, das verstehe ich schlicht nicht. Der Kollege Kaiser spricht auch von der Volkswahl. Über die Volkswahl als Prinzip der Richterernennung kann man sicher diskutieren. Als Plebiszit zur Entscheidung eines Einzelfalles ist es einfach fragwürdig. Das hat den Gout oder den Geruch eines Showdowns, da wird ein imaginärer Boxkampf heraufbeschworen zwischen Vorschlägen des Landtages, des Volkes und des Fürsten. Das riecht für mich nach panem et circenses, das ist unwürdig. Ich sage es salopp: Wer am Stammtisch am meisten Bier ausgibt wird Richter werden. Das ist etwas, das mir einfach nicht gefällt. So viel zu dem.Ich habe noch etwas nachzutragen: Ich finde es unverständlich, warum die Regierung auf die Anregung des VLR - der Vereinigung der liechtensteinischen Richter - die bereits mit einem Schreiben vom 31.3.2000 an den Durchlauchten Landesfürsten in den Raum gestellt wurde, nicht eingegangen ist. Da geht es nämlich um Vorschläge, die aus der österreichischen Bundesverfassung stammen und die die völlige Unabhängigkeit der Richter schützen sollen. Ich zitiere kurz aus diesem Brief: «Die persönliche Unabhängigkeit, die in vollem Umfange nur Richtern auf Lebzeit und Richtern auf Zeit gewährt wird, äussert sich in der Unabsetzbarkeit durch Exekutive und Legislative und in dem Verbot, Richter gegen ihren Willen zu versetzen. Das Dienstverhältnis kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung in den vom Gesetz - Beispiel Gerichtsorganisationsgesetz, Richterdienstgesetz - vorgesehenen Fällen und Formen gegen seinen Willen beendet werden». Ich denke, dass diese Idee es verdient hätte, zumindest im Bericht und Antrag erwähnt zu werden. Leider ist das nicht geschehen. Ich frage die Regierung: Weshalb nicht? Ich komme zurück noch auf den Wortlaut des Abs. 3 - das wurde von mehreren Vorrednern auch schon artikuliert. Ich finde es sonderbar, warum sich ein Staatsoberhaupt in die Niederungen der Politik begeben will - und ich meine das überhaupt nicht despektierlich, da geht es halt hin und wieder etwas handgreiflich zu und her - und sich als Vorsitzender dieses Gremiums an vorderster Front in diese Niederungen begeben soll. Für mich ist die neue Fassung des Abs. 3 lediglich ein Mäntelchen für die früher zum Beispiel im «grünen Büchlein» besser und direkter nachlesbaren Dominanz des Fürsten. Ich finde es auch etwas schönfärberisch, wenn von einem gemeinsamen Gremium geredet wird. Selbstverständlich ist es gemeinsam. Nur, es wird halt letztendlich - und das wurde von mehreren Vorrednern herausgestrichen - vom Landesfürsten dominiert. Also hat er letztendlich die volle Macht, den Richterkandidaten auszulesen.Ein Letztes noch: Der Abg. Paul Vogt hat richtig darauf hingewiesen, dass die Gesinnung von Richtern wichtig, ja zentral ist. Wenn man sich das Gerangel vor Augen hält, das sich jeweils in den Vereinigten Staaten abspielt, wenn eine Stelle beim Supreme Court, dem höchsten Verfassungsgericht der Vereinigten Staaten zu bestellen ist, dann legt das beredtes Zeugnis darüber ab, wie wichtig es eben ist, welche Gesinnung solche Leute haben. Und dass dann die Auswahl durch ein demokratisch legitimiertes Gremium wichtig und entscheidend ist, das dürfte auf der Hand liegen.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Art. 11 der Regierungsvorlage wirft so viele Fragen auf, dass es kaum möglich ist, sie sinnvoll in einem Votum anzusprechen. Ich möchte mich daher auf einige Schwerpunkte beschränken, die mir im Lichte der bisherigen Diskussion wichtig erscheinen: Zunächst Stichwort «Unabhängigkeit»: Es wurde, ich glaube, schon vorgestern von Ihnen, Herr Präsident, und auch heute vom Abg. Kaiser in Zweifel gezogen, ob die bisherige Art der Auswahl von Richterkandidaten, die in vielen Fällen über Parteiorganisationen abläuft, ob das nicht die Unabhängigkeit der Richter in Frage stellen könne und ob nicht diese neue Auswahlart, wie sie hier vorgeschlagen wird, die Unabhängigkeit viel besser unterstreicht. Ich glaube, das ist eine Illusion. Zunächst eine Illusion im positiven Sinn, denn mir ist kein Fall bekannt, wo ein Richter oder eine Richterin, sei er/sie auch von der Ortsgruppe einer Partei vorgeschlagen, über andere Parteigremien dann in den Landtag gelangt, hier vorgeschlagen und schlussendlich gewählt oder ernannt, und deshalb, nur deshalb, weil sie von einer Partei vorgeschlagen wurde, in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigt gewesen wäre. Ich wundere mich auch, dass hier Vertreter, die schliesslich auch aus politischen Parteien kommen, so tun, als ob das Wirken einer politischen Partei bei der Richterauswahl für sich allein bereits schlecht sei und die Unabhängigkeit der Richter gefährde, obwohl kein einziger Fall - ich betone - kein einziger Fall aus der 80-jährigen Geschichte dieser Verfassung bekannt ist, wo dies tatsächlich auch nur vermutet oder unterstellt, geschweige denn bewiesen worden wäre. Es ist ja Gottseidank so - und ich glaube, dieses Kränzlein darf man unseren politischen Parteien der Vergangenheit ebenso wie der Gegenwart durchaus winden - es ist ja so, dass die politischen Parteien sich zwar bemühen, Personen namhaft zu machen, vor allem bei den Laienrichtern - bei den Juristen ohnehin weniger - vor allem bei den Laienrichtern in den ordentlichen Gerichten, damit diese Richterstellen überhaupt, wie von der Verfassung vorgeschrieben, mit liechtensteinischen Staatsangehörigen aufgefüllt werden können, damit das Erfordernis der mehrheitlich liechtensteinischen Besetzung erfüllt werden kann. Aber es ist keineswegs so, dass diese Parteien, ganz gleich welche Partei das ist, diese Personen etwa darauf verpflichten - ausgesprochen oder unausgesprochen - sich bei ihrer Rechtsprechungstätigkeit an eine Art Parteilinie zu halten oder dort, wo ein Fall vielleicht auch einmal eine politische Partei interessiert, sich nach deren Meinung zu richten. Geschweige denn ist es so - das sollte vielleicht einmal klar gesagt werden, weil hier immer von Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Richter nach dem gegenwärtigen System die Rede ist - geschweige denn ist es so, dass politische Parteien auch nur versuchen oder versucht haben, die Rechtsprechung in ihrem Sinne in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Es ist doch in Tat und Wahrheit so, meine Damen und Herren, das wissen wir doch alle: Man hat erstens relativ grosse Mühe, auch die politischen Parteien, die viel Zugangsmöglichkeiten zu vielen verschiedenen Menschen in diesem Land haben, haben immer wieder Mühe, ausreichende und vor allem auch ausreichend befähigte Personen zu finden, die sich bereit erklären, solche Ämter zu übernehmen. Wenn man sie einmal gefunden hat und wenn sie gewählt oder ernannt sind, dann ist doch für die politische Partei das Geschäft erledigt. Man weiss in der Regel während der folgenden vier Jahre gar nicht, wenn man nicht in irgendwelchen Nachschlagewerken nachschlägt, wer überhaupt jetzt in diesen Gerichten tätig ist, und befasst sich das nächste Mal vier Jahre später, wenn es um die Wiederwahl, oder wenn einer sich nicht mehr wieder wählen lassen will, um die Neuwahl geht, mit diesem Geschäft. Also, ich verstehe nicht ganz, warum hier so getan wird, als ob das in der Rechtswirklichkeit dieses Landes ein unschätzbarer Vorteil wäre, wenn angeblich erst jetzt die Möglichkeit geschaffen wird, unabhängige Richter zu wählen.Ein zweiter Punkt sind gewisse, wie ich meine, legislatorische Schwächen dieses Vorschlages, die keine Verbesserung bringen, sondern die neue Unklarheiten schaffen. Das Erste ist die Zusammensetzung des Gremiums, das hier als vorgeschaltetes Beratungsgremium den Instanzen Landtag und Fürst vorgeschaltet werden soll. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn in der Verfassung, in der ein solches Gremium eingesetzt wird, nicht genau hinsichtlich der Zahl definiert wird, welche vorschlagsberechtigten Institutionen wie viele Mitglieder in dieses Gremium entsenden können, das kann auch in einem Ausführungsgesetz geschehen. Aber es geht legislatorisch - das wurde auch von anderen Abgeordneten schon gesagt - meiner Meinung nach nicht an, zwei vorschlagsberechtigten Gremien, nämlich Landtag und Regierung, in eher einschränkender Weise genau vorzuschreiben, wie viele bzw. besser gesagt wie wenige Mitglieder sie in dieses Gremium entsenden dürfen, während eine dritte vorschlagsberechtigte Institution, nämlich der Landesfürst, unbeschränkt viele Mitglieder in dieses Gremium entsenden kann. Wie gesagt: Ich habe nichts gegen den Satz einzuwenden, dass der Fürst Mitglieder in dieses Gremium berufen kann. Aber dann muss man das auch in ebenso allgemeinen Worten in der Verfassung hinsichtlich Landtag und Regierung sagen.Der zweite, von seiner Bedeutung her vielleicht nicht so gravierende, aber doch als legislatorische Schwäche anzumerkende Punkt ist die Vertraulichkeit, die dann postuliert wird in diesem Abs. 3. Es heisst da nämlich: «Die Beratungen und Empfehlungen des Gremiums sind vertraulich», also nicht nur die Beratungen, sondern auch die Empfehlungen. Da muss man sich fragen: Was für Empfehlungen sind denn das? Gemäss dem nachfolgenden Satz gibt es ja nur eine Empfehlung dieses Gremiums, nämlich die Empfehlung eines oder mehrerer Kandidaten an den Landtag. Das heisst also, wenn man diese beiden Sätze zusammen liest, dass die Empfehlung, die das Gremium an den Landtag abgibt, vertraulich ist, sprich, dass sie gar nicht öffentlich bekannt gemacht werden darf. Ja, ich frage mich: Warum eigentlich? Was soll diese Geheimniskrämerei? Also, ich halte das für eine verfehlte Regelung.Und schliesslich ist, glaube ich, ein Punkt noch nicht bedacht worden am Schluss von Abs. 4: Dort heisst es ja sinngemäss in diesem Absatz 4, dass es zu einer Volksabstimmung kommt, wenn der Landtag den vom Gremium empfohlenen Kandidaten ablehnt und sich keine Einigung über einen neuen Kandidaten erzielen lässt, und dass bei dieser Volksabstimmung auch vom Landtag ein eigener Kandidat vorgeschlagen werden kann und ebenso vom Volk im Wege einer Volksinitiative. Zum Schluss heisst es dann: «Zählen weder der Landtag noch die Landesbürger Kandidaten auf, dann wird der Kandidat des Gremiums vom Landesfürsten zum Richter ernannt». Und da möchte ich die Frage an die Regierung stellen: Was ist denn, wenn der Landtag den Kandidaten des Gremiums ablehnt, aber keinen eigenen Kandidaten aufstellt und das Volk auch nicht, was wohl in der Regel der Fall sein wird? Wird dann trotzdem der vom Landtag abgelehnte Kandidat des Gremiums vom Fürsten zum Richter ernannt? Das fände ich falsch und auch nicht im Sinne der Bestrebungen dieses Änderungsvorschlages, denn das Richtige, wenn der Landtag sagt, diesen Gremiums-Kandidaten wollen wir nicht, aber dem keinen eigenen Kandidaten gegenübersetzt, das Richtige wäre ja wohl, dass das Gremium sich dann zusammensetzt und einen neuen Kandidaten vorschlägt, genauso wie es der Landtag heute machen muss, wenn der Landesfürst seinen Vorschlag der Bestellung eines Kandidaten ablehnt. Das als Fragen - allenfalls auch als Hausaufgaben - für die 2. Lesung an die Adresse der Regierung.Dann noch ein Wort zum Fall «Herbert Wille»: Der Fall «Herbert Wille» eignet sich relativ gut als Beispielsfall, den man durchspielen kann. Wie hätte er sich abgespielt, wenn diese Verfassungsbestimmung damals schon geltendes Recht gewesen wäre? Viele Menschen, auch ich, können sich die Bedeutung solcher Rechtsvorschriften viel besser vorstellen, wenn anhand eines konkreten Beispielsfalls dargestellt wird, was das für Auswirkungen hätte. Was wäre denn im Jahre 1997 bei der Bestellung des VBI-Vorsitzenden passiert, wenn dieser Art. 11 damals geltendes Recht gewesen wäre? Das Gremium hätte beraten. Ich gehe davon aus, dass die Landtags- oder zumindest einzelne Landtagsvertreter den amtierenden Vorsitzenden der VBI, Dr. Herbert Wille, zur Wiederwahl vorgeschlagen hätten. Und was wäre dann gewesen? S. D. der Landesfürst hätte als Vorsitzender des Gremiums gesagt: Den könnt ihr vergessen, ich gestatte euch sowieso nicht, den als Gremium dem Landtag vorzuschlagen, es muss jemand anderer vorgeschlagen werden. Das Gremium hätte nota bene jemand anderen, nehmen wir an, die Person des dann 1997 tatsächlich in einem zweiten Wahlgang gewählten VBI-Vorsitzenden vorgeschlagen - ein fähiger Jurist, der sich zwischenzeitlich auch als VBI-Vorsitzender sehr bewährt hat - und diesen Vorschlag einer bewährten unabhängigen integren Person hätte der Landtag dann ablehnen sollen, um ihm in einer Kampfabstimmung mit entsprechend konfliktbeladener öffentlicher Auseinandersetzung die Person des bisherigen VBI-Vorsitzenden Herbert Wille entgegenzustellen.Ich frage Sie, meine Damen und Herren, und vor allem Sie frage ich, Herr Landtagspräsident, der so darauf aus ist - aus verständlichen Gründen darauf aus ist - hier wieder Friede und Eintracht einkehren zu lassen. Ich frage Sie, ob das eine gute Lösung ist, wenn bei jeder tatsächlichen Anwendung dieses hier verschiedentlich so gepriesenen Volkswahlrechtes, wenn bei jeder tatsächlichen Anwendung neuer Konflikt, neue Zwietracht ausbricht, ausbrechen muss, denn es wird bei jeder Anwendung dieser Volkswahl dazu kommen, dass es heisst: Das ist der Fürstenkandidat und das ist der Landtagskandidat. Und ich glaube, es ist nicht allzu misstrauisch und allzu weit hergeholt, sich vorzustellen, mit welcher Argumentation S. D. der Landesfürst in so eine Abstimmung ziehen wird. Es wird heissen: Wenn ihr nicht meinem Kandidaten das Vertrauen gebt, dann sprecht ihr euch gegen mich aus. Weitere Ankündigungen, die damit noch verbindbar wären, erspare ich mir.Zum Schluss möchte ich noch ein paar Worte zu dem Argument sagen, das auch in Zusammenhang mit diesem vorgeschlagenen neuen Art. 11 immer wieder vorkommt, insbesondere auch vom Herrn Landtagspräsidenten, schon vorgestern, glaube ich, erwähnt worden ist, nämlich dass S. D. der Landesfürst mit so einer Rechtsänderung doch auf sein bisheriges absolutes Veto verzichte, dass das Ganze doch eine Schlechterstellung der monarchischen Seite bei der Richterbestellung gegenüber bisher ist: Was dabei einerseits immer total übersehen bzw. einfach nicht erwähnt wird ist die Art der Regelung, wie sie heute beim Staatsgerichtshof und bei der VBI ist. Das mag noch - was sonst gesagt wurde und was ich vorher zitiert habe - auf die Bestellung der ordentlichen Gerichte zutreffen, wenn man nur diesen Punkt für sich allein sieht. Für den Staatsgerichtshof und für die VBI stimmt es aber überhaupt nicht. Der Staatsgerichtshof wird heute - und das seit dem Jahre 1925 - ausschliesslich vom Landtag gewählt - das wissen wir alle, und zwar aus gutem Grund wurde das damals vom Verfassungsgeber unter Einschluss des damaligen Landesfürsten so eingeführt - und der Landesfürst hat lediglich das Recht bzw. die Möglichkeit, den vom Landtag gewählten Staatsgerichtshofpräsidenten zu bestätigen oder diese Bestätigung allenfalls zu versagen, was meines Wissens noch nie vorgekommen ist. Und bei der VBI ist es so ähnlich, etwas weniger stark ausgeprägt als Landtagskompetenz. Dort wählt der Landtag allein und unabhängig alle Rekursrichter. Nur der Vorsitzende und sein Stellvertreter werden vom Landtag dem Fürsten zur Ernennung vorgeschlagen. Also, wenn man schon Vor- und Nachteile abwägt, dann sollte man das zumindest nicht unter den Tisch fallen lassen, sondern auch erwähnen. Denn es gibt bisher bei der Richterbestellung einen grossen Unterschied zwischen den ordentlichen Gerichten einerseits und diesen Gerichten des öffentlichen Rechts andererseits.Ich möchte aber auch zweitens, was die Veränderung der Rechtsposition des jeweiligen Landesfürsten betrifft, darauf hinweisen, dass man doch, wenn man von Verlust des bisherigen absoluten Vetos spricht, nicht die Rechtswirklichkeit - in diesem Fall die Verfassungswirklichkeit - so völlig und so blauäugig, wie ich meine, aus dem Blick verlieren soll. Was ist denn der Vorgang nach diesem Vorschlag? Der Vorgang ist im Grunde genommen unter dem Strich - nicht anders als in den Vorschlägen, die S. D. der Landesfürst in den Jahren 1999 bis März 2001 gemacht hat - doch der, dass dem Landtag ein dem Fürsten genehmer Kandidat von einem Gremium in Vorschlag gebracht wird. Früher war das eigentlich, würde ich meinen, noch ehrlicher und offener. Dort hat es geheissen: Das Gremium berät nur den Fürsten, die Beratungen bleiben vertraulich und der Fürst schlägt dann dem Landtag einen Kandidaten vor mit dem weiteren Prozedere, wie es auch hier jetzt drinnen steht. Jetzt heisst es: Ein Gremium wird auch unter Beteiligung von Landtag und Regierung gebildet. Aber vorschlagen darf es nur jemand, dem auch der Fürst zustimmt. Auch wenn er mit seiner Stimme in diesem Gremium völlig allein auf weiter Flur stehen sollte, darf nur vorgeschlagen werden, wem er die Zustimmung erteilt. Und damit kommen wir doch auf genau dasselbe Ergebnis.Also, wo da die Qualifikation dieses Gremiums als wirklich unabhängiges der Landtagsentscheidung vorgeschaltetes Gremium liegen soll, ist mir, ehrlich gesagt, schleierhaft. Und wenn Sie vorgestern gesagt haben, Herr Landtagspräsident, der Fürst könne unabhängige Experten in dieses Gremium entsenden, dann mag das durchaus sein, dass er das so machen wird, aber vorgeschrieben ist es nicht. Er kann entsenden, wen er will. Er kann auch Leute entsenden, die durch klare Auftragsverhältnisse an seine Wünsche gebunden sind und die dann dort nur seine Vorstellungen vertreten dürfen.Abschliessend möchte ich sagen, dass ich die Idee eines solchen Gremiums grundsätzlich durchaus begrüsse. Es ist sinnvoll - für verschiedenste Richterpositionen sogar sehr sinnvoll - wenn diejenigen Personen, die sich um ein solches Richteramt bewerben oder die grundsätzlich in Frage kommen, vorher auf Herz und Nieren geprüft werden und der Landtag dann eine vernünftige Grundlage für seine Entscheidung hat. In der Praxis wird das ja teilweise schon heute gemacht, wie wir wissen. Wir bekommen bei den in der letzten Zeit anstehenden Landrichterwahlen jeweils den Bericht einer Art Auswahlkommission, die sich zwar auf keine gesetzliche Grundlage stützt und deren Empfehlung daher auch unverbindlich ist, aber die uns doch eine sinnvolle Auswahl ermöglicht.Was wäre denn bei der Lösung, wie wir sie hier vorliegen haben, so viel anders als heute? Meiner Meinung nach nicht viel. Denn dort, wo es nicht um fachlich befähigte Rechtskundige geht, wo es um Laien geht - und darum wird es auch in Zukunft in der Vielzahl der Fälle weiterhin gehen - da werden die Experten relativ ratlos sein. Denn ich glaube nicht, dass dieses Gremium, ganz gleich, aus wie vielen Personen es sich zusammensetzen wird, in den Dörfern herumziehen und abzuklären versuchen wird, wen man denn aller als liechtensteinischen Laienrichter jetzt ins Obergericht oder ins Kriminalgericht oder ins Jugendgericht entsenden kann. Was wird also passieren? Die Vertreter der im Landtag Einsitz nehmenden Parteien, die ja auch in diesem Gremium sind, die werden Vorschläge machen. Und woher werden diese Vorschläge kommen? Sie werden wie bisher von den Parteigremien kommen, von den Parteipräsidien, von den Ortsgruppen der Parteien, denn das ist das Verbindungsglied, das unsere Parteien und indirekt zukünftig auch ein Gremium wie dieses zum Volk haben wird. Ich glaube kaum, dass das Gremium einzelne Filialen in jedem Dorf gründen wird, um dann, wenn zumindest alle vier Jahre Richterwahlen in grösserem Umfang anstehen, entsprechende Vorschläge bei der Hand zu haben.Und die zweite Variante, die auch möglich und die keineswegs wünschbarer ist, ist die, dass ein grosser Lobbyismus einsetzen wird, vor allem in Richtung Schloss. Und das ist überhaupt kein Vorwurf an den Fürsten, der dafür gar nichts kann, aber das ist die automatische Auswirkung einer solchen Regelung. Ein Lobbyismus in Richtung Schloss, wo Personen, die unbedingt etwas werden wollen oder andere Personen, die sie dabei unterstützen wollen oder die gebeten wurden, sie dabei zu unterstützen, wohl wissend, welche Bedeutung die Stimme des Fürsten in diesem Gremium hat, sich dort vorstellen werden in den glänzendsten Farben und dort versuchen werden, Einfluss zu nehmen, damit sie drankommen. Ob das im Sinne der Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichte, wie sich das S. D. der Landesfürst vorstellt und offenbar auch die Regierung und einige Abgeordnete dieses Hauses, wirklich diese Wirkung zu erzielen geeignet ist, das wage ich sehr zu bezweifeln.
Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Danke Herr Präsident. Ich darf Ihnen sagen, dass ich hier in dem Saal so friere, dass ich mich aus dem Grund kurz halten werde. Es wurde schon sehr viel an Bedenken zum Art. 11 gesagt und auch an Ideen und Wegen, ihn zu verbessern. Grundsätzlich ist ein Gremium aus meiner Sicht ein interessanter neuer Weg, wenn das erreicht werden kann, was am Donnerstag und heute verschiedene Abgeordnete - ich erinnere mich am Donnerstag an den Fraktionssprecher Helmut Konrad, an Alois Beck oder Adrian Hasler - gefordert haben und dem ich mich auch anschliesse, dass im Gremium der Landtag die Mehrheit bekommen sollte.Der Landesfürst gewinnt mit dieser Lösung Rechte für die Auswahl und die Ernennung aller Richter und trifft im Gremium bereits eine Vorauswahl, indem er eben dort in diesem Gremium schon ein eigentliches Vetorecht hat. Ich habe mich dann gefragt, ob der Landesfürst begründen müsste, wenn er für Kandidaten keine Zustimmung zur Empfehlung an den Landtag gibt. Es wurde gesagt, die Beratungen und Empfehlungen des Gremiums sind vertraulich. Heisst das, dass der Landtag über das Auswahlverfahren über Alternativvorschläge keine Informationen erhält, oder heisst hier Vertraulichkeit zumindest, dass es nicht nach aussen geht? Ich weiss es nicht. Bei der Anstellung von Landrichtern haben wir ja schon gesehen, dass zwar eine Beurteilung vorgängig stattfindet - das ist in Ordnung - aber doch der Landtag dann unter den Alternativen auswählen und eigene Beurteilungen vornehmen könnte. Ich habe auch das Gefühl gewonnen, dass es durch den Einschluss einer Volksabstimmung im Falle der Nichteinigung bei Richterwahlen es so genannte öffentliche Richterwahlen gibt, und die werden wahrscheinlich nur im einen oder anderen Konfliktfall auf diese Art und Weise durchgeführt. Das ist wirklich nicht zielführend, das ist im Gegenteil weiter konfliktträchtig. Es wurde auch zuletzt vom Landtagsvizepräsident angesprochen: Ich denke, dass die im Gremium Vertretenen, mehrere Vertreter der Parteien - im Moment wären es drei - doch auch für einen grossen Teil der Richter, vor allem der Laienrichter, parteiabhängige Namensnennungen einbringen werden. Da habe ich mich auch wegen der Parteiunabhängigkeit der Vorschläge gefragt. Das hätte ich gerne von der Regierung gewusst: Wie stellt sich die Regierung das dann vor, wie dieses Gremium mit vielleicht in einem Zeitpunkt 30 bis 40 Nominationen umgehen soll?Zum Schluss: Ich schliesse mich mehreren Meinungen an, dass bei diesem Artikel ein starker Abbau der Rechte des Landtages erfolgt, und dass es dringend notwendig ist, hier ein verbessertes System zu finden. Vielleicht wäre es überlegenswert, dieses Gremiumsverfahren nur für einen Teil von Richtern anzuwenden und das alte System für einen anderen Teil der Richter in Kraft zu lassen. Diese Überlegung kann man noch bis zur 2. Lesung anstellen.Abg. Alois Beck:
In Anbetracht der mittäglichen Stunde möchte ich jetzt nicht mehr auf das Votum des Kollegen Sprenger zurückkommen in Abwandlung des Wortes von Bert Brecht: «Zuerst das Essen, dann die Logik». Ich möchte nur noch, was ich bei meinem vorhergehenden Votum vergessen habe aufzuzeigen, bei einer möglichen Volkswahl vielleicht die Problematik und die Tragweite nochmals in einem Aspekt darlegen.Man muss klar sehen, dass eine solche Volkswahl dann auch im Sinne einer Kampfwahl angesehen werden muss. Mir geht es hier eben wieder um den Begriff der Demokratie und der demokratischen Legitimation. Und hier sieht man das ganze Spektrum des Interpretationsspielraumes. Ein solcher Kandidat, der dann durch die Volkswahl erkürt worden ist - kann man mit Fug und Recht behaupten, dass er dann höchstmöglichst legitimiert ist durch das Volk in einer Abstimmung, mehr Legitimation kann man in dem Sinne nicht erreichen. Auf der anderen Seite, gerade in Anbetracht der Materie, der Justiz, der Gerichte, sehe ich doch eine reelle Gefahr, dass dann solche Richter vielleicht vom einen oder anderen nicht so anerkannt und nicht so als unabhängig anerkannt werden, wenn sie dann später in der Rechtsprechung agieren. Was meine ich damit? Es könnte - muss nicht sein - aber ich sehe eine reelle Gefahr, dass hier eben ein schaler Nachgeschmack bleibt, wenn eine Person als Richter so bestimmt worden ist, und man sagt dann immer: Ja, es hat ja da schon ganz unterschiedliche Meinungen abgegeben. Und es kann ja durchaus sein, dass hier jemand - ich sage einmal - mit knapp 51% gewählt wird und hier - das ist aus meiner Sicht nicht zu unterschätzen - im Sinne einer späteren nachhaltigen demokratischen Legitimation und nicht nur durch einen unmittelbaren Volksentscheid.
Abg. Johannes Kaiser:
Ich möchte mich kurz auf die Ausführungen der Kollegen Wolff und Sprenger beziehen. Zuerst zum Landtagsvizepräsidenten: Ich habe nicht gesagt, dass es grundsätzlich etwas Schlechtes ist, wenn die Parteien Richterkandidaten-Vorschläge vornehmen. Es werden bei der Regierungsvorlage die Parteien via den Vertretern der Landtagsfraktionen auch in diesem vorgeschlagenen Gremium vertreten sein. Fakt ist, dass heute und in den letzten Jahrzehnten die Parteigremien in einem mehr oder weniger besseren Lokal - ich nenne jetzt nicht die Diktion des Kollegen Sprenger - die Richter bestimmten, und dass diese dann im Landtag mittels Mehrheitsentscheid - im Zweifelsfalle der Mehrheitspartei - ohne vertiefende analysierende Diskussion gewählt und dem Landesfürsten zur Ernennung vorgeschlagen werden und wurden. Ich erinnere den Vizelandtagspräsidenten Wolff, dass in diesem Hohen Hause auch Richterwahlen mittels Stichentscheid durchgedrängt und durchgeboxt wurden. Das sind keine vier Jahre her. Die Parteien lassen hier grüssen. Ein Gremium gemäss Vorschlag der Regierungsvorlage ist gemäss den Vorteilen, die ich erwähnte und die auch andere Votanten bestärkten, eine positive Entwicklung.Dann zum Kollegen Sprenger: Sie ziehen den Gremiums-Vorschlag der Regierungsvorlage, das Volk mit Volksabstimmung bei Nichteinigung mit einzubeziehen mit solch naiven Sprüchen wie «Bierstamm-Entscheiden» und «Richterboxkämpfen» ins Lächerliche. Ihr Respekt vor dem Volk und dem demokratischen Einbezug des Volkes mittels Volksabstimmung scheint erschreckend klein zu sein.
Abg. Peter Sprenger:
Um gleich dieses Votum aufzunehmen, Herr Kollege Kaiser: Ich finde es nicht ganz richtig von Ihnen, wenn Sie mich da wieder als Rüpel oder was weiss ich immer was hinstellen wollen. Ich wollte damit einfach - etwas salopp zugegeben - zum Ausdruck bringen - und ich habe das ausdrücklich auch gesagt - welche Tendenzen ich da befürchte. Aber wenn Sie mich in die Pfanne hauen wollen, dann tun Sie das. Ich ziehe es vor, hier sachliche Argumente vorzutragen.Dann: Ich danke dem Herrn Kollegen Wolff für seine klärenden Worte bezüglich des Falles «Herbert Wille». Er hat eindrücklich aufgezeigt, wie schwachbrüstig das Argument ist, dass eben der Fall Wille sich nicht hätte ereignen können, supponiert, der Art. 11 wäre bereits in Kraft. Sie glauben wohl nicht im Ernst - und ich mache das bewusst an den Personen, die hier im Spiel sind, fest - dass ein vom Landesfürsten gewünschter Kandidat Andreas Batliner gegen einen Herbert Wille in eine Abstimmung gezogen wäre. Vergessen Sie das, das ist graue Theorie.Dann möchte ich einen weiteren Bestandteil des Votums des Kollegen Wolff unterstützen: Er hat klar herausgestrichen, dass die Richter zwar heute von den politischen Parteien ausgewählt werden, sich dann aber einmal gewählt sich sehr wohl unabhängig zu verhalten wissen, auch gegenüber parteipolitischen Einflüssen. Ich war für einige Zeit VBI-Vorsitzender und mag mich lebhaft an ein Telefongespräch mit einem Landesbürger aus dem Unterland erinnern, dem ich versucht habe, darzulegen, weshalb ich eher der Meinung sei, dass er seine Baubewilligung nicht bekommen würde. Er hat mir dann gesagt: Ja, lieber Sprenger, die Argumente sind gut und recht, aber sind wir an der Mehrheit oder nicht. Ich kann Ihnen versichern: Das Telefongespräch hat nicht mehr lange gedauert.Dann noch ein Letztes: Parteien als etwas Negatives darzustellen - und der ganze Art. 11 fusst letztendlich auf diesem Gedanken -, dass in der Vergangenheit vorgekommene Suboptimalitäten bei der Richterauswahl, dass das die Regel sei - das finde ich einfach nicht richtig. Ich möchte einfach festhalten: Parteien sind nicht per se etwas Negatives. Sie haben in aller Regel - da bin ich felsenfest überzeugt - die richtigen Kandidaten zu Tage gefördert und die Parteien sind - das muss ich in aller Deutlichkeit festhalten - notwendig für die Existenz unseres Staates. Ich möchte eigentlich schliessen: An dem soll sich eigentlich auch nicht gross etwas ändern, aber wenn da ein Gremium, das vorgeschaltet wird - das kann durchaus im Sinne des Kollegen Vogt passieren - dass dieses Gremium dann dem Landtag einen Dreiervorschlag präsentiert, dann bin ich für eine Objektivierung. Aber ich weigere mich, zu akzeptieren, dass, wenn Parteien sich mit dieser Materie befassen, dass das eine Schweinerei oder was weiss Gott was immer sei, wenn da Leute, die ehrenamtlich sich dazu zur Verfügung stellen, nur Leute in diese Positionen hieven, die ihnen vielleicht irgendwann einmal etwas nützen würden.
Abg. Markus Büchel:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Ich begrüsse ebenfalls - wie von verschiedenen Vorrednern auch eingebracht - die Einsetzung eines unabhängigen neutralen Gremiums, das diskret und vertraulich die Auswahl von Richterkandidaten treffen kann. Über die Zusammensetzung dieses Gremiums gibt es die unterschiedlichsten Vorstellungen, auch das ist ganz klar. Was aber aus meiner Sicht auch ganz klar und festzuhalten ist: In diesem Vorschlag verzichtet der Fürst auf das absolute Veto.Dann auf die Äusserungen des Herrn Landtagsvizepräsidenten Wolff und des Abg. Peter Sprenger: Ich bin auch der Meinung, dass die Parteien bis heute ihre Aufgabe wahrgenommen haben und im Interesse des Landes diese Auswahl getroffen haben. Ich möchte da auch nicht unterstellen, dass dort bösartig oder willfährig Auswahl nur von Einzelnen getroffen wurde. Das ist richtig. Ich bin selbst aktiv in der Partei tätig und sehe das tagtäglich. Aber, man muss auch sehen, dass ein sehr grosses Risiko darin steckt, wenn eine Mehrheitspartei Vorschläge macht und machen soll, und diese Vorschläge werden in einem Gremium gemacht, das eben nicht sehr gross ist. Das Gremium ist ein Vorstand einer Ortsgruppe oder Landesvorstand, und dort gibt es auch bestimmte Interessen. Oder das Lobbying, das Herr Dr. Wolff gegenüber dem Fürsten erwähnt hat: Warum funktioniert das oder warum ist dort die Gefahr innerhalb der Parteien nicht gegeben? Das möchte ich bezweifeln. Auch dort besteht die Möglichkeit und die grosse Gefahr, dass Lobbying betrieben wird, wenn jemand dieses Amt auch unbedingt will. Und wenn diese Partei diese Kandidaten vorschlägt, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass im Landtag ein solcher von der Partei vorgeschlagener Kandidat abgelehnt würde. Das ist für mich nicht vorstellbar; ist auch nicht geschehen. Darum kam es auch in der Vergangenheit verschiedentlich zu Konflikten, die ganz sicher durch ein solches Gremium wesentlich entschärft werden können.Ich bin also der Meinung, dass dieser Vorschlag sehr gut und förderlich ist für die Entpolitisierung, Parteipolitisierung, dieser Richterbestellung. Ich bin auch überzeugt, dass, wenn die Richter gewählt sind, bestellt sind, dass sie auf keinen Fall Parteiinteressen in den Vordergrund stellen. Aber die Auswahl kann so getroffen werden, dass bestimmte Interessen ebenfalls berücksichtigt werden.
Abg. Rudolf Lampert:
Ich persönlich habe überhaupt keine Mühe damit, dass Parteien oder Fraktionen die Richter vorschlagen sollen. Es ist meines Erachtens nichts Schlechtes an Parteien. Irgendwelche organisierte Gruppierungen müssen ja Vorschläge einreichen. Es kann ja nicht einfach irgendwo auf der Strasse gefragt werden: Wen wollt ihr nun als Richter? Seien das Verbände - wir haben ja auch Gremien, wo die Verbände Vorschlagsrechte haben usw. Also, mir scheint das nicht so abwegig.Die vergangenen Wahlen haben jeweils auch gezeigt, dass mit sehr wenigen Ausnahmen immer qualifizierte Mehrheiten hier im Landtag bei den Richterwahlen entstanden sind. Also, damit könnte ich sehr gut leben. Sollte es aber bei einer Formulierung bleiben, wie sie hier steht, so möchte ich im Lichte der Ausführung des Abg. Helmut Konrad und auch verschiedener anderer Abgeordneter doch darauf plädieren, dass das demokratische Element vehement gestärkt wird und nicht so, wie es jetzt ausgeführt ist. Ich glaube, dass wirklich Handlungsbedarf besteht, um diese Formulierung nochmals zu überdenken im Lichte der Ausführungen im Speziellen des Abg. Konrad, wie sie vorhin dargebracht wurden.Abg. Paul Vogt:
Ich möchte gleich das Stichwort «qualifizierte Mehrheit» aufgreifen, das jetzt vom Abg. Rudolf Lampert erwähnt wurde. Die Gutachter weisen darauf hin, dass eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Abgeordneten ein geeignetes Mittel wäre, um parteipolitische Richterbestellungen zu verhindern. Das war übrigens auch die Position der FBP, die sie jahrelang zumindest durch sehr wichtige Exponenten vertreten hat. Ich denke, man sollte in dieser Richtung weiterdenken.Dann, glaube ich, muss man unterscheiden zwischen der Bestellung von Laienrichtern und der Bestellung von Berufsrichtern. Bei den Laienrichtern, glaube ich, dass es keinen Dreiervorschlag braucht. Die Funktion der Laienrichter ist, die Sichtweise des «Normalbürgers» einzubringen. Das ist ein verfassungspolitischer Grundentscheid, man steht zu Laienrichtern. Laienrichter werden von den Parteien vorgeschlagen, werden direkt aus dem Volk nominiert. Bei einer solchen Nomination durch das Volk sind die Parteien die richtigen Organe, die das machen.Bei den Berufsrichtern verhält es sich anders. Da ist es zweifellos richtig, dass diese durch ein Expertengremium ausgewählt werden, dass sie aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation und aufgrund ihrer Persönlichkeit bewertet werden. Das kann nicht im Landtag selbst geschehen, ich glaube, darüber sind wir uns einig, sondern das muss von Leuten passieren, die das liechtensteinische Recht kennen und die auch das Vertrauen des Landtags haben, um solche Persönlichkeiten zu bewerten.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Herr Abg. Sprenger: Sie haben mehr oder weniger vorwurfsvoll - aber es hat mich nicht gestört - an meine Adresse den Tausch des Verzichts auf die Beamtenernennung seitens des Fürsten durch die neue vorgeschlagene Regelung der Richterernennung einzutauschen, gerichtet. Ich muss festhalten, Herr Abg. Sprenger, dass ich mich diesbezüglich nicht geäussert habe.Dann möchte ich - es wurde schon mehrmals hier jetzt diskutiert - noch zu Ihrer klaren Aussage, dass das Argument der Entpolitisierung, das ich am Donnerstag in meinem Eintretensvotum auch dargelegt und in den Raum gestellt habe, überhaupt nicht zieht - das war Ihre Aussage - doch noch etwas aus meiner Sicht relativieren: Des Öfteren wird in dieser Debatte auf die Praxis und konkrete Fälle der Vergangenheit Bezug genommen. Stichwort Dr. Herbert Wille, beispielsweise. Auch ich erlaube mir somit, auf die Praxis beim Auswahlverfahren der Richter in der Vergangenheit kurz einzugehen.Meine Damen und Herren Abgeordnete: Ich bin in der Zwischenzeit mit Unterbrüchen bald 25 Jahre mit der liechtensteinischen Politik verbunden. In dieser Zeit wurden von den beiden grossen Parteien - ich wiederhole - von beiden grossen Parteien höchste Richter von Funktionsgremien an Parteiveranstaltungen als «gewählte» Richter auf den Schild gehoben und am nächsten Tag in den Landeszeitungen - ich habe es am Donnerstag gesagt - oft mit Bild publiziert und nachträglich, meine Damen und Herren, nachträglich dem Landesfürsten die Wahl durch das Parteigremium mitgeteilt. Angesichts solcher Praktiken, bei denen der Landesfürst somit vor vollendete Tatsachen gestellt worden ist, ist es doch verständlich, dass gerade der Landesfürst als Staatsoberhaupt im Interesse des äusserst bedeutenden Aktes der Richterbestellung bzw. des Auswahlverfahrens seit Jahren eine Entpolitisierung und Objektivierung fordert.Dann möchte ich noch eine kurze Bemerkung zu den in den Raum gestellten Ansichten des Landtagsvizepräsidenten Peter Wolff, des Abg. Peter Sprenger und übriger Abgeordneter machen: Wenn hier mir sozusagen indirekt unterstellt werden soll, dass ich das Wirken der Parteien nicht für sinnvoll und zweckmässig ansehe, dann haben Sie mich völlig falsch verstanden. Die Notwendigkeit ist gerade für mich auch in der Zukunft von Parteien absolut gegeben. Herr Landtagsvizepräsident: Es geht hier doch nicht um die richterliche Unabhängigkeit, wie Sie das formuliert haben. Es geht primär um den Weg, der in der Vergangenheit praktiziert wurde und der nach meiner Ansicht durch den Vorschlag der Regierung im Vergleich zur in der Vergangenheit geübten Praxis besser ist.Dann vielleicht noch ein Wort zu Ihrem Hinweis, Herr Landtagsvizepräsident, über einen möglichen Wahlverlauf des Dr. Herbert Wille aufgrund des neuen Verfassungsvorschlags. Da kann man - das gebe ich durchaus zu - da kann man ganz unterschiedlicher Ansicht sein. Ich sehe aber auch durchaus eine andere Möglichkeit des Verlaufs als Sie. Und damit möchte ich diese spekulative Aussage, ob der Fall «Herbert Wille» nach A- oder B- oder nach C-Variante gelöst worden wäre, nicht weiter vertiefen.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Ich glaube schon, Herr Präsident, dass es um die Unabhängigkeit der Gerichte bei diesem Art. 11 geht, und zwar deshalb, weil dies ja die Begründung ist, mit der S. D. der Landesfürst diese Rechtsänderung seit nunmehr acht Jahren vorschlägt. Er vertritt die Auffassung, dass es eine Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichte wäre, wenn die Richter von ihm vorgeschlagen werden und dann nach Einräumung eines Vetorechts an den Landtag auch von ihm ernannt werden statt der bisherigen Lösung, wo die Richter der ordentlichen Gerichte vom Landtag vorgeschlagen und mit Ausnahmen vom Fürsten ernannt werden. Es ist daher, meine ich, legitim, sich Gedanken darüber zu machen, ob eine solche Stärkung der Unabhängigkeit der Gerichte durch diese Änderung des Bestellungsverfahrens tatsächlich zu erwarten ist oder nicht. Ich sehe nicht, warum man sich nur mit Einzelheiten der bisherigen Praxis bei diesen Bestellungsvorgängen auseinander setzen soll und sonst mit nichts.Völlig Recht haben Sie, Herr Präsident, mit Ihrer Kritik an vereinzelt - früher öfter als in den letzten Jahren - vorgekommenen Verhaltensweisen von politischen Parteien, die bei ihren Versammlungen Nominationen für Richterbestellungen vorgenommen haben, wobei diese dann teils in den Versammlungen selbst, teils nur in Medien am nächsten Tag bei der Berichterstattung bereits als Wahl bezeichnet wurden. Das war sicherlich falsch. Man hat sich auch sehr bemüht - das weiss ich aus eigener Erfahrung - in der jeweiligen Partei, das abzustellen und klarzustellen, auch den Bürgerinnen und Bürgern klarzumachen: Das ist keine Wahl, sondern das ist die Auswahl eines noch zu machenden Vorschlages. Aber diese irgendwie auch verständlichen und ja in keiner Weise in böser Absicht oder zur Provokation irgendwelcher anderer Staatsorgane erfolgten Vorgänge können doch nicht dazu führen, gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten und gewissermassen hauptsächlich aus diesem Grund zu sagen: Dann sollen die Parteien eben überhaupt niemanden mehr vorschlagen, wenn sie da verschiedentlich Fehler in der Vergangenheit gemacht haben. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen: Es ist nicht so, dass mit diesem Bestellungsvorgang etwa die Rolle der Parteien bei der Auswahl - vor allem der Laienrichter - plötzlich völlig ausgeschaltet wäre. Es wird weiterhin so sein. Das Einzige, was besser wäre - da haben Sie Recht - was besser würde, weil dann kann auch das einfache Parteimitglied nicht mehr glauben, das ist jetzt definitiv, der wird es jetzt, also man kann ihn bereits als gewählt ansehen. Die Parteinominationen werden zukünftig ein Vorschlag an dieses Gremium sein, wenn man bei diesem Vorgang bleibt. Ich erlaube mir doch eine Bemerkung noch zu den so genannten Laienrichtern: Ich bezweifle sehr, ob dieses Gremium, ganz gleich, wie es zusammengesetzt ist, sich mit der Person von Laienrichtern überhaupt gross auseinander setzen wird. Da wird man in der Praxis genauso wie es jetzt ist und wie es in der Vergangenheit war, wird man einen gewissen Schlüssel finden, damit alle Richtungen in diesem Land in etwa angemessen vertreten sind, und wenn dann Laienrichter nach diesem Schlüssel in dem Gremium vorgeschlagen sind, dann werden diese ohne grosses Wenn und Aber übernommen werden. Die Aufgabe des Gremiums ist ja, die Fachleute, die rechtskundigen Richter vor allem, und vor allem, wenn sich verschiedene Personen bewerben für eine Position, zu beurteilen, aber sicher nicht die Laienrichter. Die Laienrichter sind ja die Richter, die vor allem bei den Parteinominationen eine Rolle gespielt haben.
Abg. Peter Sprenger:
Herr Landtagspräsident: Sie finden in mir einen Freund in jegliche Richtung von Entpolitisierung bei Richterauswahlen. So weit das möglich ist, soll das geschehen. Ich kann einfach nicht verstehen, warum da eine Auswahl durch eine Einzelperson unpolitischer sein soll als durch ein Gremium. In einem solchen Gremium findet der Wettstreit der Argumente statt, da haben sich Mehrheiten zu bilden. Ich bin also dezidiert der Ansicht, ganz im Gegenteil: Noch politischer als die Auswahl durch nur eine Person - und das ganz unabhängig von der Person des Landesfürsten - kann eine Richterauswahl definitiv nicht sein.
Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Ich möchte die Regierung noch um ein Detail fragen: Im Beschrieb auf Seite 35 steht: Das Gremium gibt sich eine Geschäftsordnung mit verschiedenen Befugnissen. Ich möchte wissen: Wird diese Geschäftsordnung vom Landtag zu genehmigen sein, weil doch Mitglieder des Landtages in Zukunft dann vielleicht sogar als Mehrheit in diesem Gremium tätig sein werden, oder kann hier ein Gremium, wie immer es auch dann zusammengesetzt ist, sich diese Ordnung selbst geben?Die zweite Frage zum gleichen Text ist nach Ablauf der Amtsperiode: Kann ein Richter erneut für die zu besetzende Richterstelle nominiert und ernannt werden, das heisst: Ist Wiederwahl möglich? Wird da das Gremium dann in dieser Geschäftsordnung festlegen, für welche Personen bzw. Richter dann doch irgendwann eine Mandatsdauerbeschränkung auferlegt wird oder sind die frei, sich über mehrere Perioden zu melden?Und das Dritte wäre: Wenn nach Los über die Länge der Amtsdauer der sieben Richter entschieden wird, wo dann jährlich einer ausscheidet, ist es so, dass nach der Wahl mindestens ein Richter nach einem Jahr bereits wieder ausscheidet, sich dieser aber aufgrund dieser Definition gleich wieder für eine Wiederwahl bewerben kann, um wieder eingesetzt zu werden? Ich kann keinen Nachvollzug aus diesen Erläuterungen erkennen. Können Sie das vielleicht noch klären?
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. Nachdem es keine weiteren Wortmeldungen mehr aus dem Plenum gibt, unterbreche ich jetzt die Sitzung. Wir fahren um 14.15 Uhr wieder fort. Danke schön.MITTAGSPAUSE (VON 13.00 BIS 14.15 UHR)
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