ABÄNDERUNG DER VERFASSUNG (NR. 87/2001), 1. LESUNG [FORTSETZUNG]
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Meine Damen und Herren. Wir setzen die Beratungen fort. Der Herr Regierungschef wünscht noch das Wort.Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Ich möchte nur ganz kurz Stellung nehmen zu den vorangegangenen Voten. Aus dem Kontext gegriffen tönt der Satz, den ich zu den Institutionen gesagt habe, wie folgt: Ich habe im Kontext gesagt, die Institutionen werden nicht dermassen geschwächt, dass sie nicht mehr funktionieren können. Da habe ich natürlich Bezug genommen auf die verschiedenen Voten, in denen zum Ausdruck kam - zumindest für mich zum Ausdruck kam - als ob die Institutionen hier nicht mehr funktionieren könnten, wenn diese Abänderungsvorschläge, wie sie hier vorliegen, beschlossen werden.Dann hat mich der Abg. Peter Sprenger gefragt bezüglich meiner Aussage zur Monarchie und zum Monarchen. Ich meine tatsächlich die Monarchie, die Staatsform der Monarchie. Diese wurde 1921 in dieser historischen Einigung in der Verfassung festgeschrieben und somit ist diese Staatsform auch demokratisch legitimiert.Dann bezüglich der Frage der Abg. Laternser zum Art. 7 Abs. 2: «Der Fürst und jenes Mitglied des Fürstenhauses, welches für den Fürsten die Funktion des Staatsoberhauptes ausübt, untersteht nicht der Gerichtsbarkeit und kann weder zivil- noch strafrechtlich verfolgt werden». Da geht die Regierung davon aus, dass das schon in der heutigen Verfassung so geregelt ist. Sie ist aber auch klar der Ansicht, dass, wenn der Fürst als Staatsoberhaupt handelt, dass dann selbstverständlich diese Handlungen auch, wenn sich jemand beschwert fühlt, dass dann diese Handlungen auch überprüft werden können müssen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. Dann kommen wir zur Abstimmung bezüglich Eintreten oder Nichteintreten auf die Vorlage: Die Abgeordneten Peter Sprenger, Paul Vogt, Erich Sprenger und Walter Hartmann - wenn ich mich richtig erinnere - haben Antrag auf Nichteintreten gestellt.Ich stelle nun den Antrag auf Eintreten auf die Vorlage. Wer auf die Vorlage Nr. 87/2001 einzutreten gewillt ist, möge bitte die Hand erheben.Abstimmung: Mehrheitliche Zustimmung mit 20 Stimmen
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Damit ist Eintreten beschlossen. Bevor wir mit der Lesung der Verfassungsvorlage beginnen, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass ich beabsichtige, diese Sitzung heute durchzuführen. Ich bitte Sie, nachdem wir eingehendst in der Eintretensdebatte auch schon ganz speziell auf die einzelnen Artikel zum Teil eingegangen sind, ohne - wohlverstanden - ohne Ihnen das Wort zu beschneiden, dass Sie sich bitte beim Verlesen der Artikel konzentrieren, dass es nicht wieder in ein Eintretensvotum ausartet, sondern dass man konkret zum jeweiligen Artikel Stellung bezieht.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Ich möchte dieses Votum des Herrn Landtagspräsidenten unterstützen. Ich glaube, ohne dass die Qualität der Debatte leidet, und ohne dass davon die Rede sein kann, dass jemand daran gehindert werden soll, seine Meinung kundzutun, kann man sich im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit auf das Notwendige beschränken.Abg. Paul Vogt:
Ich bin dezidiert anderer Meinung. Ich meine, die Vorlage ist äusserst wichtig und wir Abgeordnete haben das Recht darauf, uns frei zu äussern. Wir sollten auch die Möglichkeit haben, uns in einem geistig frischen Zustand dazu äussern zu können und nicht, wenn wir übermüdet sind und uns nicht mehr konzentrieren können. Ich bedauere dieses Vorgehen des Landtagspräsidenten zutiefst.Abg. Peter Sprenger:
Ich schliesse mich ganz eindeutig meinem Vorredner an. Ich finde es eine Zumutung, dass die wichtigste Vorlage in den letzten 80 Jahren in dieser Eile durchgezogen wird. Wir werden, wenn ich das einigermassen abschätzen kann, dann bis am Morgen um 2 bis 3 Uhr reden und diskutieren müssen. Dazu muss ich Ihnen ganz klar sagen: Das finde ich der Ehre dieses Hohen Hauses abträglich. Halb schlafende Abgeordnete, die sich nur noch mit Mühe wach halten können, das würde diesem Hohen Haus keine Ehre antun.Abg. Wendelin Lampert:
Ich muss mich den Voten der beiden Vorredner anschliessen. Auch ich bin gegen Ihren Vorschlag. Ich denke mir, es ist, wie heute bereits diverse Male gesagt, die wichtigste Vorlage der letzten 80 Jahre. Deshalb würde ich es doch begrüssen, wenn man das in einem frischen Zustand debattieren könnte. Danke.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Danke. Dann beginnen wir mit der 1. Lesung.Art. 1 Abs. 1 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 1 steht zur Diskussion. Sie wird nicht benützt. Wir können weiterlesen.
Art. 3 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 3 steht zur Diskussion.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Der Art. 3 betreffend das Hausgesetz ist an und für sich eine der kritischsten und auch eine der interessantesten Bestimmungen, rein akademisch-juristisch betrachtet, unserer Verfassung. Sie wird in der Vorlage der Regierung entsprechend den Vorstellungen des Fürstenhauses im Wesentlichen vom Text her nicht angetastet, es wird lediglich eine Formulierungsänderung vorgenommen, indem die Einzahl für Hausgesetz statt die Mehrzahl verwendet wird, die mir nicht wesentlich erscheint. Was mich stört und was ich hier als Frage an die Adresse der Regierung zum Ausdruck bringen möchte, ist in der Begründung eine Formulierung auf Seite 32 des Berichtes. Dort heisst es: «Durch eine Änderung des Hausgesetzes kann die Verfassung nicht geändert werden, ebenso kann durch eine Änderung der Verfassung das Hausgesetz nicht geändert werden». Das scheint mir gefährlich doppeldeutig zu sein. Es scheint mir selbstverständlich zu sein, dass die Verfassung jederzeit, das heisst der Verfassungsgesetzgeber jederzeit auch den Art. 3 ändern kann, vollständig ändern kann oder diejenigen Rechtsgebiete, die durch das Hausgesetz geordnet werden können, erweitern oder einschränken kann. Diese Begründung darf nicht so stehen bleiben und es muss von der Regierung klar erklärt werden, dass dies nicht so zu verstehen sei, dass Art. 3 dieser Verfassung ohne Zustimmung derjenigen Kreise, die das Hausgesetz erlassen, nicht geändert werden darf. Ich bitte die Regierung dazu um Stellungnahme.Abg. Paul Vogt:
Der Bericht der Regierung geht auf die mit dem Hausgesetz verbundenen Probleme gar nicht ein. Bemerkenswert ist auch, dass die Gutachter auf die grundsätzliche Problematik des Hausgesetzes nicht eingehen, weil diese Problematik offenbar so versteckt und verschleiert wird, dass sie nur für Insider erkennbar wird. Allerdings muss man hier auch darauf hinweisen, dass diese Problematik für die Gutachter teilweise gar noch nicht erkennbar war, weil die jetzige Vorlage in einem wichtigen Punkt eine Neuerung aufweist. Es wird nämlich erst jetzt klargestellt, dass das Hausgesetz durch das Fürstenhaus erlassen werden soll, ohne dass der Landtag in dieses Verfahren einbezogen wird. Das Fürstenhaus bekommt damit eine verfassungsrechtliche Stellung, es wird zu einem Staatsorgan mit gesetzgebenden und in der Folge auch mit richterlichen Kompetenzen. Ich halte das für ausserordentlich problematisch. Die einzigen Wissenschaftler, die sich intensiv mit dieser Frage auseinander gesetzt haben, sind Gerard Batliner und Andreas Kley. Gerard Batliner analysiert in seinem Diskussionsbeitrag die Auswirkungen dieser Verfassungsänderung in überzeugender Weise.Ich gehe davon aus, dass Sie alle dieses Papier kennen und wiederhole deshalb seine Überlegungen nicht. Ich erwarte aber von der Regierung, dass sie dazu ausführlich Stellung nimmt. Andreas Kley kommt in seiner Analyse zum Schluss, dass das heutige Hausgesetz in einem verfassungswidrigen Verfahren zustande gekommen ist und deshalb nichtig ist. Die Regierung hätte sich mit solchen Überlegungen auseinander setzen müssen. Aber sie belässt es beim lapidaren Satz, ich zitiere: «Das Hausgesetz ist ein Gesetz sui generis». Was soll das bedeuten?Es entstehen im Zusammenhang mit diesem Gesetz eine ganze Reihe von kritischen Fragen. Ich erwähne hier nur die wesentlichsten Fragen: Inwiefern verletzt das Hausgesetz Völkerrecht und speziell auch die EMRK? Ich verweise hier auf die Ungleichbehandlung beispielsweise der weiblichen Mitglieder des Fürstlichen Hauses. Ich verweise auf die Menschenrechtsverletzungen, wenn der Namen aberkannt werden kann, wenn Adoptionen nicht möglich sind usw. Es stellt sich damit auch ganz generell die Frage: In welchem Zusammenhang steht das Hausgesetz mit unserer Verfassung? Steht dieses Hausgesetz ausserhalb unserer staatlichen Rechtsordnung? Gelten die Prinzipien, die in der Verfassung aufgestellt werden, für die Mitglieder des Fürstenhauses nicht? Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident, Damen und Herren. Eine vermutlich kleine sprachliche Anpassung, nämlich der Plural «Hausgesetze», wird abgeändert in «das Fürstenhaus in Form eines Hausgesetzes». Das ist alles andere als eine kleine sprachliche Anpassung, dahinter steht eine Historie, wir wissen das. Der kurzfristige Regierungschef Markus Büchel hat sozusagen als letzten Dienst die neuen Hausgesetze unterzeichnet und damit, ohne dass der Landtag diesen je zugestimmt hat, die Publikation im Landesgesetzblatt ermöglicht. Aus staatlicher Optik ist das Hausgesetz 1993 nichtig und damit unbeachtlich, da es als einziges in einer langen Reihe von Hausgesetzen nicht die Zustimmung des Landtages gefunden hat. Durch den Passus, den ich Ihnen soeben vorgelesen habe, eben «das Fürstenhaus in Form eines Hausgesetzes» soll zweierlei erreicht werden, nämlich: a) Es soll erreicht werden, dass der Erlass in die alleinige Zuständigkeit des Fürstenhauses delegiert wird. Ich erachte das als unzulässig, da der Staat an gewissen Inhalten des Hausgesetzes ein Interesse hat und mitentscheiden möchte. Und b) soll erreicht werden, dass das Fürstenhaus - der Abg. Vogt hat es bereits gesagt, aber man kann es nicht genug betonen - Verfassungsrang erhalten soll. Die Mitglieder dieses Fürstenhauses sind einigermassen unbekannt, der grösste Teil der Familie Liechtenstein lebt auch nicht im Land, das erachte ich als äusserst problematisch. Und der Politologe Dr. Wilfried Marxer hat dazu uns geschrieben, ich zitiere gerne daraus eine kurze Passage. Auf Seite 4 sagt er dazu: «Meines Erachtens ist mit den Änderungsvorschlägen der Verfassung ein Systemwechsel verbunden, da ein neues Verfassungsorgan eingeführt wird. Die Monarchie wird im Kerngehalt beseitigt und ein familiendynastisches System eingeführt».Es zeigt sich also, dass durch die prima vista unbedeutende sprachliche Anpassung zwei wichtige Dinge intendiert sind. Erstens soll der Sündenfall des Jahres 1993 saniert werden, und zweitens soll klargestellt werden, dass der Landtag in Zukunft auch bei den den Staat interessierenden Bestandteilen des Hausgesetzes nicht mehr zustimmen muss, sondern dass das Fürstenhaus auch über diese Dinge völlig autonom legiferieren kann. Ich finde es auch sonderbar, dass die Vorlage für die Hausgesetze Verfassungsrang oder gar Überverfassungsrang reklamiert - ich verweise auf die Seiten 32 des Berichts und Antrages in der Begründung der Vorlage - jedoch wird jeglicher Einfluss - also einerseits wird für die Hausgesetze Verfassungsrang oder sogar Überverfassungsrang gefordert - jedoch wird jeglicher Einfluss der Verfassung auf die Hausgesetze negiert. So ist in Art. 18 des Hausgesetzes 1993 nachzulesen, ich zitiere wörtlich: «Die Verfassung des Fürstentums Liechtenstein kann das Hausgesetz weder verändern noch aufheben». Etwas salopp ausgedrückt: Ich kann nicht verstehen, wie eine private Hausordnung Verfassungsrang haben soll und gleichzeitig die darin enthaltenen Grundrechtsverletzungen wie Diskriminierung der Frauen - der Kollege Vogt hat das auch schon angesprochen - sich diesem Grundrechtsschutz entziehen wollen.Eine letzte Bemerkung: Im Ausland wird die Ansicht vertreten, dass die formell noch bestehenden Hausgesetze des Hohen Adels durch das Gleichheitsgebot - beispielsweise in Deutschland durch Art. 3 des Deutschen Grundgesetzes - generell beseitigt wurden. Ich erlaube mir die Frage an die Regierung: Ist angesichts des Art. 31 unserer Verfassung dies nicht auch für das Fürstentum Liechtenstein zu fordern, zumindest für die nicht vom heutigen Art. 3 der Verfassung abgedeckten Bereiche des Hausgesetzes? Ich darf die Regierung um eine Antwort auf diese aufgeworfenen Fragen ersuchen.Abg. Wendelin Lampert:
Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Damen und Herren Abgeordnete. Wie der Landtagsvizepräsident bereits ausgeführt hat, steht in den Erläuterungen zu Art. 3, dass durch eine Änderung des Hausgesetzes die Verfassung und durch eine Änderung des Verfassung das Hausgesetz nicht geändert werden könne. Zu diesem Punkt habe ich einige Fragen an die Regierung: Wird durch diesen Artikel das Landesgesetzblatt Jahrgang 1993 Nr. 100 rechtlich bestätigt? Kann der Landtag oder das Volk bei einer Änderung des Hausgesetzes mitbestimmen oder ist dies eine interne Sache des Fürstenhauses? Wieso wird neu der Begriff «Fürstenhaus» auf der Ebene der Verfassung eingeführt? Wie ist das Hausgesetz mit der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK zu vereinbaren in der Hinsicht auf Persönlichkeitsrechte, Frauenstimmrecht, Entzug der Namen von Familienmitgliedern oder von unehelichen Kindern?Wir dürfen nicht vergessen: Das Hausgesetz erhält mit unserer Verfassung die rechtliche Legitimation. Folglich sind wir auch für die Konsequenzen verantwortlich. Diese Wirkungen entsprechen für mich nicht mehr dem Gedankengut einer Gesellschaft des dritten Jahrtausends. In diesem Punkt ist die absolutistische Herkunft unverkennbar. Danke für Ihre Aufmerksamkeit und der Regierung für die klärenden Antworten.Regierungschef Otmar Hasler:
Geschätzte Damen und Herren. Hier bei den Hausgesetzen geht es ja um eine Materie, die auch rechtstheoretisch sehr schwierig ist. Es gibt ja auch verschiedenste Auffassungen bezüglich dieser Hausgesetze. Das Fürstenhaus legt grosser Wert auf eine gewisse Autonomie. Die Autonomie des Hauses war - das war auch in allen Diskussionen, die die Verfassungskommission mit dem Fürstenhaus hatte - ein Punkt, auf den grossen Wert gelegt wurde. Es wird hier natürlich mit der jahrhundertealten Tradition dieser autonomen Satzungen argumentiert, die dann, zumindest was den Umfang des Art. 3 betrifft, ja 1921 in die Verfassung übernommen wurden.Die verschiedenen Fragen die zu den Hausgesetzen hier gestellt wurden, werden wir selbstverständlich vertieft dann auf die 2. Lesung abklären. Was der Regierung klar und eindeutig erscheint: Nur diejenigen Bestimmungen des Hausgesetzes, die hier in der Verfassung genannt werden, sind allgemein verbindlich. Es kann ja ausserhalb der Verfassung keine allgemein verbindlichen Rechtsvorschriften geben. Wenn es hier im Kommentar heisst: «Durch eine Änderung des Hausgesetzes kann die Verfassung nicht geändert werden, ebenso kann durch eine Änderung der Verfassung das Hausgesetz nicht geändert werden», so ist natürlich klar, dass eine Änderung des Art. 3 durch den Verfassungsgesetzgeber möglich ist. Also, wenn Landtag und Landesfürst hier Art. 3 ändern, dann wird das Auswirkungen auf das Hausgesetz haben. In diesem Sinn ist der Kommentar zu Art. 3 hier missverständlich, und wir werden das auf die 2. Lesung hin ausführlich begründen und klären.Bezüglich Landesgesetzblatt 1993 Nr. 100: Das ist damals publiziert worden, vom Regierungschef unterzeichnet worden. Ich glaube nicht, dass diese Regelung jetzt nachträglich hier einen Einfluss darauf hat. Aber wir werden das gerne auch auf das nächste Mal klären, wie auch die Fragen bezüglich der EMRK, die hier gestellt wurden.Abg. Peter Sprenger:
Herr Regierungschef: Sie reden von einer gewissen Autonomie, die das Fürstenhaus fordere, Sie reden mir einmal mehr schön. Sie haben die Verfassungsdiskussionen miterlebt. Das Fürstenhaus hat von Anfang an immer, und zwar mit letzter Klarheit zum Ausdruck gebracht, dass es hier nichts zu diskutieren gebe. Ich bin schon erstaunt über Ihre Äusserungen. Das Ziel des Fürstenhauses war immer eine totale Autonomie des Fürstenhauses. Und deshalb finde ich es etwas gar schönfärberisch, wenn Sie von einer gewissen Autonomie reden.Abg. Paul Vogt:
Ja, wenn Sie uns jetzt auf die 2. Lesung vertrösten, dann muss ich Sie schon fragen: Warum wurden diese Abklärungen nicht auf die 1. Lesung getroffen? Hat man hier einfach gewartet, was für Fragen gestellt werden? Dann, meine ich, sollten Sie einmal rechtfertigen, warum das Hausgesetz als Landesgesetzblatt publiziert wurde bzw. ob es gerechtfertigt ist, dass das gesamte Hausgesetz als Landesgesetzblatt publiziert wurde?Regierungschef Otmar Hasler:
Auf jeden Fall ist dieses Hausgesetz anno 1993 publiziert worden. Jetzt verstehe ich Ihre Frage nicht. Können Sie das wiederholen?Abg. Paul Vogt:
Nochmals: Es gibt Bestandteile des Hausgesetzes, die wirklich nur das Haus Liechtenstein betreffen und die ohne weitere Wirkung auf den Staat sind. Und da, meine ich, müsste man doch trennen: Das, was nur das Haus betrifft und nicht im Gegensatz zu anderen staatlichen Gesetzen steht, das erachte ich als unproblematisch. Wenn aber dadurch staatliche Gesetze verletzt werden, dann braucht es dafür eine Begründung. Und ich frage mich: Inwiefern besteht hier noch die Einheit der Rechtsordnung, wenn im Hausgesetz Materien geregelt werden, die ganz klar im Widerspruch zu staatlichen Gesetzen stehen oder auch zur EMRK, dann braucht das eine Klärung. Die Frage ist auch: Hat dieses Hausgesetz nun Rechtskraft oder nicht? - wie das eben von Andreas Kley bestritten wurde. Und daraus ergibt sich dann auch die Frage: Wird dieser Missstand mit der Neuregelung Ihrer Ansicht nach saniert oder nicht?Regierungschef Otmar Hasler:
Ja, wir werden diese Frage auf die 2. Lesung klären. Wie gesagt: Die Stellung der Hausgesetze und welche Auswirkungen diese Hausgesetze haben sind auch sehr anspruchsvolle rechtstheoretische Fragen. Aber letztlich wird es wieder einmal darum gehen: Wie weit wird die Autonomie des Fürstenhauses, die sie im Hausgesetz regelt und die auch nicht allgemein verbindlichen Charakter hat, wie weit wird diese Autonomie akzeptiert? Ich kann Ihnen da nur zusagen, dass wir diese Frage noch einmal vertieft abklären und dem Landtag diese Abklärungen vorlegen.Abg. Paul Vogt:
Dann bitte ich Sie, auch abzuklären, wie weit diese Auffassung, dass das Fürstenhaus eine autonome rechtliche Stellung hat, aus der heutigen Sicht noch haltbar ist.Abg. Alois Beck:
Wenn man den Art. 3 ganz streng liest, könnte man beispielsweise auch die Auffassung vertreten, wenn es jetzt heisst «in der Form eines Hausgesetzes», dass nur diese Dinge, die hier abschliessend aufgezählt werden, hier in diesem Hausgesetz geordnet sind. Das erfährt dann natürlich eine Relativierung, wenn man hinten in Art. 112 auch von den Hausgesetzen liest, wo auf andere Dinge Bezug genommen wird, die nicht hier in Art. 3 geregelt sind. Ein weiterer Punkt ist natürlich auch beim Art. 10, wo neu im Abs. 3 die Hausgesetze auch erwähnt werden. Und von daher ergeben sich für mich doch auch systematische Fragen.Abg. Peter Sprenger:
Ich muss mich im Anschluss an den Abg. Paul Vogt auch wundern, dass solch grundsätzliche Fragen, dass wir für solche Fragen auf die 2. Lesung vertröstet werden. Ich meine, ob dieser Artikel, wo das Hausgesetz 93/100 Rechtskraft hat oder nicht, das gehört abgeklärt und in den Bericht und Antrag reingeschrieben, und nicht dass man uns sagt: Man werde das prüfen.
Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Ich habe eine einfache Verständnisfrage: Wie geht man damit um, wenn das Hausgesetz seitens des Fürstenhauses geändert wird seit der Publikation im Gesetzblatt 93/100? Wie erfährt das der Landtag, die Regierung? Wird eine Änderung des Hausgesetzes auch wieder publiziert?Regierungschef Otmar Hasler:
Also, zuerst noch einmal: Wir werden diese Abklärungen bezüglich der Stellung des Hausgesetzes und auch der Publikation des Hausgesetzes noch einmal einer vertieften Klärung zuführen. Hier 1993, wurde es publiziert, wurde es gegengezeichnet. Es ist sicher davon auszugehen, dass nicht einfach das Hausgesetz jetzt verändert wird, ohne dass das nachher bekannt gemacht wird. Ansonsten würde ja nur die publizierte Fassung gelten. Aber wie gesagt: Das müssen wir vertieft abklären.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Dann können wir weiterlesen.
Art. 4 wird verlesen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Art. 4 steht zur Diskussion.
Abg. Paul Vogt:
Ich war bei Art. 1 überrascht, dass sich niemand zu Wort gemeldet hat. Ich habe zugewartet, und da waren Sie, Herr Präsident, ein bisschen schnell. Aber Art. 1 und Art. 4 stehen in einem inneren Zusammenhang, und deshalb werde ich hier noch ein Votum anbringen.Der Abg. Johannes Kaiser hat in der Eintretensdebatte bezweifelt, ob es sinnhaft sei, wenn man visionäre Vorstellungen in einer Verfassung verankern wolle. Mit dieser Argumentation müsste man sich ganz entschieden gegen die Verankerung des Selbstbestimmungsrechts aussprechen. Das Selbstbestimmungsrecht ist in Liechtenstein überhaupt kein Problem, ausser in den Visionen des Fürsten. Wenn es aber kein Problem ist, warum machen wir dann eines daraus? Ich meine, der vorgeschlagene Artikel bringt nichts, er schadet nur.Grundsätzliches zum Thema Selbstbestimmungsrecht: Das Selbstbestimmungsrecht für Völker und ethnische Minderheiten, die sich rassistisch, religiös, sprachlich oder kulturell von der Nation unterscheiden, ist Bestandteil verschiedener internationaler Konventionen. So ist es auch in der UNO-Satzung enthalten. Der liechtensteinische Konventionsentwurf für das Selbstbestimmungsrecht bei der UNO geht darüber hinaus. Dieser Konventionsentwurf will ein Selbstbestimmungsrecht für «distinct communities», was sich etwa mit deutlich abgrenzbaren Gemeinschaften übersetzen lässt. Dieser Begriff ist unklar, sicher aber sind unsere Gemeinden keine «distinct communities». Wenn man das so auslegen würde, dann wäre der Begriff rechtlich völlig unklar. Meines Erachtens schadet daher dieser Vorstoss dem Anliegen der liechtensteinischen Selbstbestimmungsinitiative bei der UNO.Im Allgemeinen wird klar unterschieden zwischen einem inneren und einem äusseren Selbstbestimmungsrecht, wobei zwischen diesen beiden ein Zusammenhang besteht. Der erste Schritt müsste immer mehr Selbstverwaltung sein im Rahmen eines Gesamtstaates. Eine solche vergrösserte Selbstverwaltung wäre zum Beispiel eine eigene Gesetzgebung, eine eigene Rechtsprechung usw. Ein solcher erster Schritt wäre in Liechtenstein sinnlos. Es denkt hier niemand daran, dass sich die Gemeinden schrittweise verselbstständigen könnten, und deshalb wird dieser erste Schritt, die innere Selbstbestimmung, auch gar nicht gewählt. Statt dessen wird gleich der zweite ultimative Schritt in der Verfassung verankert, nämlich der Austritt aus dem Staat. Ein solches Selbstbestimmungsrecht ist nichts anderes als ein Sezessionsrecht, da bei allfälligen Problemen auf pragmatische Lösungsversuche von allem Anfang an verzichtet wird.Fürst bzw. Regierung sind von der Notwendigkeit nicht überzeugt, das Sezessionsrecht macht bei uns wenig Sinn. So wird etwa behauptet, dadurch werde die aussenpolitische Situation Liechtensteins verbessert. Ich vermag überhaupt nicht zu erkennen, wie dadurch die liechtensteinische Souveränität gestärkt werden soll. Die liechtensteinische Souveränität ist heute unbestritten. Im «Vaterland»-Interview vom 15. Dezember 2001 begründete Fürst Hans-Adam II. das Selbstbestimmungsrecht unter anderem auch damit, dass Liechtenstein das Selbstbestimmungsrecht wegen eines allfälligen EU-Beitritts brauche, die EU kenne kein Austrittsrecht für ganze Staaten. Wenn Liechtenstein aber ein Austrittsrecht für Gemeinden in der Verfassung habe, könne ja jede Gemeinde wieder einzeln aus der EU austreten und anschliessend könnten sich die Gemeinden wieder zu einem Staat vereinigen. In der EU bleibe dann nur noch ein Mantel. Ich bezweifle, ob solche Gedankenspielereien die Glaubwürdigkeit Liechtensteins in der internationalen Staatsgemeinschaft fördern. Wenn Liechtenstein nur unter solchen Prämissen an ein Eintrittsgesuch denken kann, dann wird sich die EU mit Recht sagen: Bleibt, wo ihr seid.Ich komme zum innenpolitischen Aspekt, zur Gefährdung der staatlichen Existenz: Auch wenn vom Fürsten und der Regierung betont wird, die Verankerung eines solchen Selbstbestimmungsrechts habe keine innenpolitische Bedeutung, so wird damit doch ein Gedanke als Recht in der Verfassung verankert, der unseren Staat zerstören kann. Wenn eine Gemeinde wie Vaduz, Schaan oder Eschen austreten würde, wäre die territoriale Integrität unseres Staates zerstört und damit würde auch der Staat selber zerstört.Als letzten Punkt möchte ich noch erwähnen, dass der Wortlaut des Verfassungsvorschlages selbst unklar ist. Ist damit gemeint, dass jede Gemeinde ein Recht auf den Austritt aus dem Staat hat? Dies scheint die Meinung des Landesfürsten zu sein, der ein generelles Gemeindeaustrittsrecht sieht. Dann hätte nur die betreffende Gemeinde darüber abzustimmen, die restlichen Landesbürger hätten nichts dazu zu sagen. Oder aber wird der Austritt von Fall zu Fall durch ein Gesetz oder einen Staatsvertrag geregelt? Wenn das Austrittsrecht so verstanden wird, dann handelt es sich aber gar nicht um ein verfassungsmässig garantiertes durchsetzbares Recht. Was aber soll dann die Verankerung eines solchen Austrittsrechts in der Verfassung?
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Präsident. Ich kann mich durch die Bank den Ausführungen des Abg. Paul Vogt anschliessen. Ich möchte nur einige kurze Ausführungen dazu noch machen. Die Regierung schreibt auf Seite 20 des Berichts, ich zitiere: «Angesichts des derzeitigen Standes des Völkerrechtes ist dem liechtensteinischen Volk die politische Freiheit in der Form des Selbstbestimmungsrechtes nach aussen jedoch nicht hinreichend demokratisch abgesichert». Es wird dann weiter ausgeführt, um das zu erreichen, müsse dieses Austrittsrecht der Gemeinden eingeführt werden. Das ist, mit Verlaub gesagt, ein ziemlicher Unsinn, rechtlich und völkerrechtlich im Speziellen. Hier werden nämlich zwei Dinge miteinander verwechselt, nämlich einerseits das Selbstbestimmungsrecht gewisser Volksgruppen und andererseits die Souveränitätsrechte eines völkerrechtlich anerkannten Staates. Ein völkerrechtlich als selbstständiges Völkerrechtssubjekt anerkannter Staat wie das Fürstentum Liechtenstein braucht sich überhaupt nicht auf diese Art von Selbstbestimmungsrecht zu beziehen, um international als souveräner Staat anerkannt zu sein.Das Selbstbestimmungsrecht, wie auch übrigens in der Selbstbestimmungsinitiative des Landesfürsten, die vor der UNO vorgestellt wurde, bezieht sich ja auf Volksteile oder Landesteile eines Völkerrechtssubjektes. Darum geht es ja hier überhaupt nicht. Also, hier zu glauben, dass man Liechtenstein etwas nützen kann, sei es bei einem eventuell zukünftig einmal stattfindenden Beitritt bei der UNO oder in irgendeinem anderen Zusammenhang, indem man in unserer Verfassung jeder einzelnen Gemeinde ein solches Austrittsrecht zuspricht, ist, glaube ich, ein Irrtum.Dann gibt es noch einen zweiten Aspekt, wo mich die Auskunft der Regierung interessieren würde. Die Regierung schreibt sehr pauschal in ihrem Bericht, dass dieses Gemeindeaustrittsrecht keine völkerrechtlichen Probleme mit sich bringe, man lese die Ausführungen auf den Seiten 24 und 25. An anderer Stelle, auf Seite 12, schreibt sie, dass die Gespräche, die sie und das Forum Liechtenstein mit dem Landesfürsten geführt hätten, Korrekturen zur Folge gehabt hätten, die den Zweifeln der Gutachter der Regierung an der europarechtlichen und völkerrechtlichen Vertretbarkeit der Reformvorschläge begegnen, und unter anderem sei in diesem Rahmen der Art. 4 neu formuliert worden. Da möchte ich doch darauf hinweisen, was die Gutachter der Regierung, deren Zweifel hier angeblich berücksichtigt worden seien, dazu geschrieben haben. Wir lesen hier im Gutachten Rhinow auf Seite 33, ich zitiere, unter der Überschrift Völkerrechtswidrigkeit von Art. 4 Abs. 2: «Der vom Fürstenhaus vorgeschlagene Art. 4 Abs. 2 ist nicht völkerrechtskonform, da er gegen die für Liechtenstein verbindlichen auf den Prinzipien der Demokratie und der Volkssouveränität basierenden Bestimmungen der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verstösst». Der Gutachter Frowein schreibt auf Seite 6: «Verfassungspolitisch erscheint der Vorschlag der Gewährung eines Selbstbestimmungsrechts an die Gemeinden völlig verfehlt. Er kann nur als ein System verstanden werden, das eine erhebliche potenzielle Krisenanfälligkeit für den Staat Liechtenstein erzeugen könnte».Der Gutachter Breitenmoser schreibt auf Seite 137, dass die Einräumung eines äusseren Selbstbestimmungsrechts an Gemeinden aus der Sicht des Völkerrechts aus verschiedenen Gründen nicht zulässig sei. Es folgen dann längere Ausführungen hierzu, die ich hier nicht alle im Einzelnen zitieren möchte. Ich bin überzeugt, dass die Regierung sie aufmerksam studiert hat. Und der Gutachter Professor Funk schreibt schliesslich auf Seite 14 seines Gutachtens im letzten Absatz als Zusammenfassung, ich zitiere: «Aus staatsrechtlicher, völkerrechtlicher, verfassungspolitischer und international politischer Perspektive erscheint ein Austrittsrecht für einzelne Gemeinden aus dem Fürstentum Liechtenstein kaum geeignet, zur Lösung von anstehenden innen- und aussenpolitischen Problemen beizutragen». Ich möchte jetzt die Regierung schon fragen: Inwiefern wurden bei der Umformulierung von Art. 4 Abs. 2 diese Zweifel der Gutachter der Regierung berücksichtigt? Und schliesslich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass der neu teilweise nur umformulierte Abs. 2 dieses Art. 4 meiner Meinung nach nicht eindeutig ist. Ursprünglich hat es geheissen noch im so genannten «roten Büchlein» im zweiten Satz, der Austritt sei gesetzlich oder jeweils von Fall zu Fall vertraglich zu regeln. Dann kam der Satz: «Über den Austritt entscheidet die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen». Und schliesslich sollte der Landesfürst noch die Möglichkeit haben, wenn eine Mehrheit der in der Gemeinde ansässigen Landesangehörigen dem Austritt zustimmt, innerhalb von 30 Tagen eine zweite Abstimmung anzusetzen, die innert 6 Monaten durchzuführen war. Es war klar, dass damit eine zweite Abstimmung innerhalb der Gemeinde gemeint ist. Nunmehr ist Folgendes verändert worden, ohne dass der Sinn dieser Veränderung in der Regierungsvorlage auch nur im Geringsten zu erklären versucht wird. Man hat den zweiten und den dritten Satz vertauscht. Der ursprünglich dritte Satz «über den Austritt entscheidet die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen» steht jetzt plötzlich als zweiter Satz da, und als dritter Satz steht dann dort: «Der Austritt ist gesetzlich oder jeweils von Fall zu Fall vertraglich zu regeln». Und dann kommt ein leicht veränderter vierter Satz: «Im Falle einer vertraglichen Regelung ist nach Abschluss der Vertragsverhandlungen eine zweite Abstimmung abzuhalten». Ja wo, würde mich jetzt interessieren, in der Gemeinde oder im Land? Liest man den Regierungsbericht, könnte man der Meinung sein, es sei jetzt eine zweite Abstimmung auf Landesebene gemeint, denn auf Seite 32 der Regierungsvorlage heisst es zu Art. 4 im letzten Absatz, es ist schon auf Seite 33 oben: «Es ist daher vorgesehen» - nämlich deshalb, weil das ein gravierender Vorgang für den Staatsverband Liechtenstein sei - es ist daher vorgesehen, «dass bei einer vertraglichen Regelung nach Abschluss der Vertragsverhandlungen eine zweite Abstimmung erfolgt». Was soll das für eine Abstimmung sein? Eine zwingende Abstimmung im Sinne eines Staatsvertragsreferendums - oder was soll das sein? Und vor allem die für mich am wichtigsten erscheinende Frage: Was ist nach Meinung der Regierung, was ändert sich dadurch, dass man die zitierte Vertauschung der zweiten und dritten Sätze dieses Absatzes vorgenommen hat? Wertet das jetzt die gesetzliche oder allenfalls vertragliche Regelung des Austrittes auf oder nicht? Was bedeutet das? Das ist meiner Meinung nach eine so kaum vollziehbare Bestimmung.Abg. Peter Sprenger:
Vieles wurde von meinen beiden Vorrednern bereits gesagt, ich kann mich kurz halten. Die Art. 1 und 4 unserer Verfassung, die einen inneren Zusammenhang haben, stehen unter der Überschrift «Das Fürstentum». Bei diesen sechs ersten Artikeln unserer Verfassung handelt es sich um grundlegende Bestimmungen unseres Staatswesens, man kann sie auch als Programmartikel bezeichnen. In diesen im eigentlichen Sinne des Wortes fundamentalen Artikeln sollte meines Erachtens das Vereinende und das Gemeinsame - wenn Sie so wollen - der Kitt unter den Bürgern, den Bewohnern und den Gemeinden, im Vordergrund stehen. Wenn in Art. 1 der Vorlage von einer Mitgliedschaft, die auf Freiwilligkeit beruht, die Rede ist, trägt das den Keim des Trennenden in sich. Im neuen Art. 4 Abs. 2 wird ausdrücklich das Recht jeder einzelnen Gemeinde, aus dem Staatsverband auszutreten, festgeschrieben. In der Verfassung als dem Grundgesetz eines Staates sollte aber nicht der Beliebigkeit das Wort geredet werden.Unser Land ist bezüglich Grösse des Territoriums und Bevölkerung ein Kleinst- oder Mikrostaat. Jeder weitere Abgang einer Gemeinde stellt das Weiterbestehen unseres Landes fundamental in Frage. Es droht die Atomisierung unseres Landes. Zudem erscheint mir für einen solch folgenschweren Schritt, wie der Austritt einer Gemeinde, das absolute Mehr der dort wohnhaften Bürger eine zu wenig hohe Hürde zu sein. Um beim Beispiel Vaduz zu bleiben - um das Beispiel Vaduz zu nennen, es wurde vom Kollegen Vogt auch schon genannt - würden bei einer angenommenen Anzahl Stimmbürger von 3'000 und bei einer nicht sehr wahrscheinlichen Stimmbeteiligung von 100% ca. 1'500 Befürworter genügen, um das Austrittsprozedere in Gang zu setzen. Ich würde, wenn man schon diese Bestimmung in die Verfassung aufnehmen will, ein qualifiziertes Mehr von vielleicht zwei Dritteln der dort ansässigen Bürger für die Initiierung des Verfahrens vorsehen.Offenbar ist es ein Anliegen unseres Fürsten, mit diesem Vorschlag seine Selbstbestimmungsrechtsinitiative, die er insbesondere durch eine amerikanische Universität - ich glaube, sie heisst University of Princeton - in Amerika lanciert hat, in unserer Verfassung in die Realität umzusetzen. Diese Bemühungen sind grundsätzlich zu begrüssen. Was ich bezweifle, ist, ob die konkret vorgeschlagene Umsetzung dieser Idee, wie sie in der Regierungsvorlage sich findet, ganz zu Ende gedacht ist. Es ist - auch das wurde bereits gesagt - insbesondere gemäss heutiger völkerrechtlicher Lehre fragwürdig, ob das Selbstbestimmungsrecht den Gemeinden überhaupt zustehen kann, da nach heutiger völkerrechtlicher Praxis nur ganzen Völkern oder ethnisch unterschiedlichen Volksgruppen Völkerrechts-Subjekt-Charakter zukommt. Ich bin daher der Ansicht, dass der heutige Art. 4 für den sehr unwahrscheinlichen Fall einer Gemeindesezession eine genügende Grundlage darstellt.Zusammenfassend halte ich den Vorschlag in Art. 1 und 4 der Regierungsvorlage, der sich im Übrigen mit keinem Jota vom «grünen Büchlein» bzw. den Vorschlägen im «grünen Büchlein» - das sind die Vorschläge des Fürsten vom 1.3. dieses Jahres - und den Forumsvorschlägen vom 12.6. dieses Jahres unterscheidet, als ein falsches Signal am falschen Ort. Mit anderen Worten werden die Gemeinden zum Weggehen aufgefordert, und dies an prominenter Stelle der Verfassung. Unserem Land, das sich aufgrund des internationalen Druckes derzeit in einer permanenten Rechtfertigungssituation befindet, würde durch diese beiden Artikel kein guter Dienst erwiesen. In der Praxis dürfte das Bedürfnis - das hat auch der Kollege Beck artikuliert - auf eine Gemeindesezession nicht besonders gross sein. Die derzeitige Verfassungslage kann meines Erachtens ohne Bedenken bestehen bleiben. Es erstaunt aufgrund des Gesagten deshalb nicht, dass die repräsentative Umfrage des Demokratie-Sekretariates vom November dieses Jahres ergeben hat, dass die Idee eines Selbstbestimmungsrechtes der Gemeinden den geringsten Rückhalt aller Verfassungsänderungsvorschläge des Fürsten geniesst. Nur gerade 18% der Liechtensteiner können sich damit anfreunden. Fast drei Viertel lehnen die Idee ab, der Rest ist noch unentschieden. Ich denke, das sind eindrückliche Zahlen, die meine Sicht der Dinge einigermassen stützen.Vielleicht gehöre ich auch zu denjenigen Personen, die gemäss dem Interview vom vergangenen Samstag die aussenpolitische Dimension des Selbstbestimmungsrechtes nicht mehr sehen wollen. Ich denke aber, dass ich offenbar intellektuell nicht in der Lage bin, den Gedankengängen des Fürsten zu folgen, zumindest ist es mir intellektuell nicht gelungen, das zu tun. Er macht es einem, ehrlich gesagt, auch nicht besonders leicht. Ich kann auf ein erneutes Zitat verzichten, der Kollege Vogt hat bereits zitiert, was er für Gedankenspiele zum Besten gegeben hat. Zusammengefasst: Man tritt aus irgendwelchen Gründen der EU bei. Wenn es einem nicht mehr passt, werden die elf Gemeinden tröpfchenweise schön langsam austreten, und dann hat die EU noch einen schönen Mantel namens Liechtenstein, und dann beginnt man ein neues Spiel als Staat. In einem solchen vom Fürsten skizzierten Vorgehen erblicke ich, offen gesagt, einen gravierenden Verstoss gegen Treu und Glauben, der auch im Völkerrecht nicht zulässig ist. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass die übermächtige EU ein derart offensichtlich vertragswidriges Verhalten eines Kleinstaates sanktionslos entgegennehmen würde.Also, wenn man schon diese beiden Artikel in die Verfassung bringen will, dann muss man sie dogmatisch besser durchdenken, durchdringen, und die von den Vorrednern und mir aufgezeigten Ungereimtheiten überdenken. Wenn das nicht passiert - und ich fordere die Regierung ausdrücklich dazu auf - wird der erste Verfassungsrechtler, der sich dieser beiden Artikel annimmt, Hohn und Spott über die liechtensteinische Verfassung ausschütten.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident. Nach den grundsätzlichen Voten meiner Vorredner, denen ich mich anschliessen möchte, verzichte ich auf mein eigentliches Votum. Ich möchte nur Folgendes sagen bzw. fragen: Ich glaube, dass dieser Verfassungsartikel nicht praktikabel ist bzw. enorme Schwierigkeiten bringt. Um das zu unterstreichen, um zu zeigen, wie wenig realistisch mir der Vorschlag erscheint, möchte ich einiges aufwerfen.Erstens: Sehr irritierend ist für mich die Formulierung im Abs. 2, dass die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen über einen Austritt entscheidet, das heisst, eine Zusammensetzung des Augenblickes entscheidet über den Austritt einer Gemeinde. Zumindest nach bisherigem Gesetz ist die Bürgerschaft einer Gemeinde klar definiert, aber die Zusammensetzung und Zahl der in einer Gemeinde ansässigen Landesangehörigen verändert sich ja ständig, und diese sich ständig ändernde Anzahl von Landesangehörigen in einer Gemeinde soll dann abstimmen. Das erscheint mir - gelinde gesagt - absurd.Zweitens - zur Frage der Abstimmung: Für mich ist unklar, wer die zweite Abstimmung zu machen hat, wie bereits schon aufgeworfen wurde, der Landtag oder die Gemeinde, die austreten will. Wenn damit die Gemeinde gemeint ist, dann ist ja die Zusammensetzung derer, die abstimmen dürfen, bei der zweiten Abstimmung eventuell ganz anders als bei der ersten Abstimmung. Ist das rechtlich zulässig? Eine weitere Frage: Wie wird man den Gemeindebürgern gerecht, die im Moment der Abstimmung in einer anderen Gemeinde leben, also nicht abstimmen dürfen? Und eine vierte Frage: Was stellt man sich vor, was mit der Staatsbürgerschaft der Landesangehörigen geschehen soll, die mit ihrer Gemeinde sozusagen aus dem Land Liechtenstein ausscheiden? Abg. Wendelin Lampert:
Danke, Herr Präsident. Werte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Mitbürgerinnen und -bürger. Warum wird bereits in den ersten Artikeln mehrheitlich das Trennende in den Vordergrund gestellt und nicht das Vereinende? Ich werde mein Votum nach der Devise «steter Tropfen höhlt den Stein» halten.Art. 1 enthält neu, dass die Mitgliedschaft im Staatenverband auf Freiwilligkeit beruhe. Und in Art. 4 Abs. 2 wird dann explizit erwähnt, dass der Austritt einer einzelnen Gemeinde möglich sei, wenn die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen dies bejahe. Gemäss den Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln im Bericht und Antrag bedarf es für den Austritt einer Gemeinde der Zustimmung des Landesfürsten, des Landtages und allenfalls des Volkes, wenn die Gemeinde einem anderen Staat beitritt. Diese Aussage wird auch von Herrn Günther Winkler im Buch «Verfassungsrecht in Liechtenstein» bestätigt. Hier ist nachzulesen, dass dieser Reformvorschlag - sprich der Austritt der Gemeinde - an die qualifizierte Willensbildung der demokratischen Mehrheit des Gesamtstaates gebunden ist.Zu diesen Erläuterungen habe ich einige Fragen an die Regierung: Benötigt der Austritt einer Gemeinde ohne gleichzeitigen oder verzögerten Beitritt zu einem anderen Staat auch die Zustimmung des Landesfürsten, des Landtages und allenfalls des Volkes? Und wenn nein: Würde dies bedeuten, dass eine Gemeinde allein mit der Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen austreten könnte? Welche Zustimmung würde eine Gemeinde brauchen, wenn sie selbstständig werden möchte, also keinem anderen Staat beitreten würde? Jene der dort ansässigen Landesangehörigen, des Fürsten, des Landtages oder des Volkes? Wieso wird in Art. 4 Abs. 2 nur erwähnt, dass es für den Austritt einer Gemeinde die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen benötige und nicht zum Beispiel die Mehrheit des gesamten Volkes? Für mich sind die Erläuterungen zu diesem Gesetzesartikel und der effektive Artikel widersprüchlich. Nach meiner Meinung müsste der Artikel anstelle der Wörter «der dort ansässigen Landesangehörigen» die Wörter «der dort ansässigen Landesangehörigen und der Landesfürst, der Landtag und allenfalls das Volk» ersetzt werden.Wir müssen uns einmal vorstellen, welche Konsequenzen zum Beispiel der Austritt einer finanzstarken Gemeinde für die anderen Gemeinden und damit für Liechtenstein hätte. Der Finanzausgleich müsste reduziert werden oder würde komplett entfallen. Die verbleibenden Gemeinden, welche auf den Finanzausgleich angewiesen sind, würden in eine erhebliche finanzielle Notsituation hineinmanövriert werden, das Chaos wäre perfekt. Eine Minderheit hätte über das Schicksal der Mehrheit entschieden, sofern es tatsächlich nur die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen braucht. Für solche Spielereien erscheint mir eine Verfassung der falsche Platz zu sein. Ich bringe es nicht über mein Herz, ein solches Risiko einzugehen, um Verfassungsgeschichte zu schreiben und damit dem Ausland etwas beweisen zu wollen. Der Preis für solche Experimente ist zu hoch und der Schaden für unser Land mitunter verheerend. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.Regierungschef Otmar Hasler:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Wenn wir Art. 4 der heutigen Verfassung genau betrachten, dann heisst es dort: «Die Änderung der Grenzen des Staatsgebietes oder einzelner Gemeinden desselben, die Schaffung neuer und die Zusammenlegung bestehender Gemeinden können nur durch ein Gesetz erfolgen». Also, wir sehen, dass bereits die geltende liechtensteinische Verfassung es ermöglicht, dass die Grenzen des Staatsgebietes geändert werden. Und wenn man das dann konsequent weiterdenkt, wird es also möglich oder ist es gemäss der heutigen Verfassung möglich, dass einzelne Gebiete, zum Beispiel auch Gemeinden - also die Änderung der Grenzen durch ein Gesetz erfolgen kann. Der Staat ist in seiner Entscheidung über Gebiet und Gebietsgrenzen nach aussen zwar souverän, aber er löst selbstverständlich durch eine Entscheidung über territoriale Veränderungen mit Rechtswirkungen nach aussen zwangsläufig auch völkerrechtliche Folgen aus. Also, für den territorialen Anschluss von selbstständigen Staaten oder Teilen gelten neben dem staatlichen Gesetzesrecht auch völkerrechtliches Vertragsrecht und allgemeines Völkerrecht.Was sieht nun dieser Art. 4, so wie er hier steht, vor? Er sieht eigentlich nicht ein vollständiges Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden vor. Das ist vielmehr ein Antragsrecht der Gemeinden. Denn es heisst hier im Abs. 2: «Den einzelnen Gemeinden steht das Recht zu, aus dem Staatsverband auszutreten. Über den Austritt entscheidet die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen». Und dann heisst es: «Der Austritt ist gesetzlich oder jeweils von Fall zu Fall vertraglich zu regeln». Das heisst also, es muss entweder ein Gesetz geschaffen werden oder es braucht einen entsprechenden Vertrag. Und das heisst wiederum, dass der Gesetzgeber tätig werden muss, und dass also dementsprechend Landtag, Fürst bzw. Volk darüber befinden, ob es zu einem solchen Austritt einer Gemeinde kommt. Und dann steht hier: «Im Falle einer vertraglichen Regelung ist nach Abschluss der Vertragsverhandlungen eine zweite Abstimmung abzuhalten». Und hier ist eine zweite Abstimmung in der betreffenden Gemeinde gemeint. Also, es ist nicht daran gedacht, dass eine zweite Abstimmung auf Landesebene dann stattfinden muss.Es wurden auch die völkerrechtlichen Bedenken angesprochen, die eine solche Regelung hervorruft oder nach sich zieht und es wurden ja verschiedene Gutachter zitiert, Gutachter, die hier Probleme sahen, dass diese Regelung, so wie sie damals vorlag, nicht völkerrechtskonform sei.Die Regierung ist der Auffassung, nachdem sie die verschiedenen Gutachten kritisch bewertet hat, dass diese Regelung durchaus völkerrechtskonform ist. Art. 3 des ersten Zusatzprotokolls der EMRK regelt die Verpflichtung der Vertragsparteien, in angemessenen Zeitabständen freie, geheime Wahlen bezüglich der gesetzgebenden Organe durchzuführen. Art. 21 Ziffer 1 der UNO-Menschenrechtserklärung Art. 25 Bst. a des UNO-Paktes 2 normieren das Recht jedes Menschen, an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen. Da der Austritt einer Gemeinde durch Gesetz bzw. falls sich die Gemeinde einem anderen Staat anschliesst, durch Staatsvertrag zu regeln ist, bedarf es demnach der Zustimmung des Landtages, des Fürsten, und unter Umständen auch derjenigen des Volkes. Weiter besteht, wie bei jedem anderen Rechtssetzungsakt, die Möglichkeit des Referendums. Da damit ein allfälliger Austritt einzelner Gemeinden aus dem Staatsverband in Form eines Gesetzes bzw. Staatsvertrages entsprechend den diesbezüglichen demokratischen Prinzipien zu regeln wäre, ist hier ein Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen Liechtensteins, wie sie sich insbesondere aufgrund von Art. 3 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK und Art. 21 Ziffer 1 der UNO-Menschenrechtserklärung und Art. 25 Bst. a des UNO-Paktes 2 ergeben, nicht zu erkennen.Natürlich ist die Problematik hier zu erkennen, dass eine Gemeinde nicht einfach ein selbstständiges Völkerrechtsubjekt werden kann. Also, wenn es hier zu einer Loslösung einer Gemeinde kommen sollte, wenn hier die gesamte Bevölkerung bzw. der Gesetzgeber der Ansicht ist, dass hier eine Loslösung einer Gemeinde aus dem Staate Liechtenstein ermöglicht werden soll, dann müssen zuerst auch die entsprechenden völkerrechtlichen Notwendigkeiten abgeklärt werden bzw. es braucht eine staatsvertragliche Regelung, wenn eine solche Gemeinde sich einem anderen Staat anschliessen will. Und diese staatsvertragliche Regelung kann natürlich nur durch den Staat Liechtenstein garantiert werden, weshalb es dann auch den Gesetzgeber dazu braucht. Der Gedanke, der diesem Artikel zugrunde liegt, wurde ja schon genannt; er wurde allerdings in der Debatte in Frage gestellt. Das ist der Gedanke des Selbstbestimmungsrechtes auch kleiner Einheiten, der Gedanke der Verwirklichung des demokratischen Prinzips auf der Ebene der Gemeinden in Liechtenstein. Ich meine auch, dass eine solche Loslösung hier in Liechtenstein ein sehr theoretischer Aspekt ist. Ich glaube aber, wenn man in grösserem Rahmen denkt, dass ein solches Selbstbestimmungsrecht in Europa, gerade in grossen Staaten, doch einiges an Leid verhindern hätte können und dort das Auseinandergehen bestimmter Teile von Staaten in einer doch friedlicheren Art ermöglicht hätte. Das einfach zum Hintergrund dieses Selbstbestimmungsrechtes, das hier auf Gemeindeebene in Liechtenstein verwirklicht werden soll.
Landtagsvizepräsident Peter Wolff:
Herr Regierungschef: Sie führen selbst ganz richtig aus, dass eine Gemeinde gar nicht selbstständig Völkerrechtsubjekt werden kann, dass somit einer der beiden Fälle, die hier noch in der Begründung und die seit Jahren in der Begründung Seiner Durchlaucht des Landesfürsten über diesen Vorschlag genannt werden, gar nicht durchführbar ist, nämlich dass eine Gemeinde sich quasi selbstständig machen kann. Dann macht man aber doch hier dem Bürger ein X für ein U vor, indem man so tut, als ob man hier ein tolles Recht einführt, jede Gemeinde kann sich selbstständig machen, wenn das völkerrechtsmässig gar nicht durchführbar ist. Die einzige theoretische Möglichkeit ist, dass sich eine Gemeinde unseres Landes einem anderen Staat anschliesst. Dann kann man sich das mit dem Gesetz hier sparen, weil dann sind sowieso nur die Fälle mit einem Staatsvertrag möglich, und in Wirklichkeit ist doch das Ganze verfassungsgesetzgeberisch ein Schildbürgerstreich erster Ordnung. Ich meine, wir müssen uns doch darüber im Klaren sein, dass wir uns als Gesetzgeber, als Verfassungsgesetzgeber, vor der ganzen Fachwelt lächerlich machen, wenn wir als ohnehin schon so winziger Staat so tun, als ob jede unserer Gemeinden sich noch von uns abspalten kann, als ob das ein toller Fortschritt wäre und ein Vorbild für die ganze Welt.Abgesehen davon, bin ich der Meinung, jetzt rein legislatorisch argumentiert: Wenn es so ist, wie Sie ausgeführt haben, Herr Regierungschef, dann dürfte man nicht in dem einen Satz klar sagen, die Mehrheit der in der Gemeinde ansässigen Landesangehörigen entscheidet - nämlich über den Austritt - um dann relativ unverbindlich etwas von gesetzlicher Regelung zu sagen. Wenn es so ist, wie Sie gesagt haben, nämlich dass die gesetzliche oder staatsvertragliche Regelung erst die eigentliche Entscheidung bringt, ob der Gemeinde der Austritt vom Gesamtstaat auch gestattet wird, dann sollte man das hier auch sagen.Abg. Paul Vogt:
Ich möchte auch an die letzten Ausführungen des Landtagsvizepräsidenten anschliessen. Ich meine, hier besteht einfach ein offensichtlicher Widerspruch, denn die ersten beiden Sätze in Abs. 2 lauten: «Den einzelnen Gemeinden steht das Recht zu, aus dem Staatsverband auszutreten. Über den Austritt entscheidet die Mehrheit der dort ansässigen Landesangehörigen». Das heisst ganz klar: Wenn die Mehrheit einer Gemeinde austreten will, dann kann die Landesmehrheit das nicht verhindern, sonst ist das kein Recht. Offensichtlich bestehen hier Meinungsunterschiede zwischen der Regierung und dem Landesfürsten, die aus der Welt geschafft werden müssen.Regierungschef Otmar Hasler:
Nein, ich glaube nicht, dass hier Meinungsunterschiede bestehen, denn der Austritt ist gesetzlich zu regeln, das ist klar. Also, da muss ein Gesetz geschaffen werden und das Gesetz kann nur vom Gesetzgeber geschaffen werden. Wir werden die Formulierungen da sicher noch einmal überprüfen, damit hier mehr Klarheit besteht. Aber das scheint mir doch sehr klar zu sein.Abg. Paul Vogt:
Das ist keineswegs so, wie Sie sagen, Herr Regierungschef. In den Erläuterungen auf Seite 32 steht: «Die Austrittsmodalitäten von Gemeinden können durch ein Gemeindeaustrittsgesetz geregelt werden (einfaches Gesetz)». Das heisst, dass in diesem Gesetz geregelt werden müsste, unter welchen Bedingungen Gemeinden allgemein austreten können. Dann wird nicht mehr von Fall zu Fall darüber abzustimmen sein, wenn die Voraussetzungen des Gesetzes eingehalten werden.Regierungschef Otmar Hasler:
Das wäre sicher eine Möglichkeit, wie das geregelt werden könnte. Aber ich gehe davon aus, dass hier von Fall zu Fall dann auch entschieden wird. Also, wir werden das auf jeden Fall noch eindeutiger formulieren, damit auch klar ist, dass von Fall zu Fall jeweils der Gesetzgeber darüber zu entscheiden hat.Abg. Paul Vogt:
Ich bin schon der Meinung, dass das ganz klar in der Verfassung stehen muss, wie das gemeint ist.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Wenn es keine weiteren Fragen zu diesem Artikel mehr aus dem Plenum gibt, dann möchte ich die Sitzung für 15 Minuten unterbrechen. Ich bitte die Zuschauer, den Landtagssaal für 15 Minuten zu verlassen. Wir werden Sie dann wieder hereinbitten. Wir werden jetzt eine interne Diskussion in einer speziellen Angelegenheit des Landtags führen.Die Zuschauer verlassen den Landtagssaal.
Die Sitzung wird 10 Minuten für eine interne Besprechung unterbrochen.Die Zuschauer betreten wieder den Landtagssaal.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Meine Damen und Herren: Wir haben jetzt die kurze nichtöffentliche Sitzung beendet. Ich teile Ihnen hiermit mit, dass wir die Sitzung jetzt unterbrechen und am Samstag, den 22. Dezember 2001, 8.00 Uhr, hier mit den Beratungen fortfahren. Besten Dank.DIE SITZUNG WIRD UM 21.55 UHR GESCHLOSSEN.
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