ABÄNDERUNG DER VERFASSUNG (NR. 87/2001), 1. LESUNG [FORTSETZUNG]
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Sehr geehrte Damen und Herren. Wir setzen unsere Beratungen fort.Abg. Peter Sprenger:
Herr Präsident. Es war vielleicht eine gute Idee, dass Sie mich vor dem Mittagessen nicht mehr zu Wort kommen liessen; mit einem Schnitzel im Bauch sieht die Welt vielleicht wieder etwas anders aus. Nichtsdestotrotz erlaube ich mir einige kurze Bemerkungen. Ich hatte meine Redezeit bereits, denn wenn ich auf den Bildschirm schaue, finde ich es positiv und bemerkenswert, dass sich so viele Abgeordnete zu Wort melden wollen.Zum Ersten muss ich Ihnen widersprechen. Sie haben mit markigen Worten gesagt, Herr Landtagspräsident, es gehe um eine Regierungsvorlage. Da haben Sie natürlich, formal gesehen, absolut Recht. Ich bitte Sie aber, lesen Sie doch das rote und grüne Büchlein, den Vorschlag des Forums Liechtenstein und diese Vorlage, und sagen Sie mir dann, ob Sie dann immer noch behaupten können, es gehe inhaltlich nicht um die Vorschläge des Fürsten. Ich ersuche Sie: Verdrehen Sie bitte die Tatsachen nicht aufgrund von formellen Argumenten. Wir reden hier letztendlich über fürstliche Vorschläge und sonst über gar nichts.Der zweite Punkt: Es stimmt mich bedenklich, dass die Regierung Hasler sich eben auch inhaltlich der fürstlichen Vorschläge angenommen hat. Das wäre, das muss ich in dieser Deutlichkeit sagen, bei der Vorgänger-Regierung mit Sicherheit nicht passiert, die hat sich immer sehr dezidiert zu diesen Fragen geäussert.Dann, Herr Landtagspräsident, finde ich es deplatziert, wenn Sie den Vizepräsidenten mit der Bemerkung massregeln wollen, er habe ja damals im Jahre Schnee Ihrem Vorschlag, bei der alten Verfassung zu bleiben, nicht zugestimmt. Sie haben ja selbst ausgeführt: Es sind immerhin 23 Abgeordnete derselben Meinung gewesen, und deshalb muss ich das in aller Form zurückweisen.Ein nächster Punkt: Sie haben aus einem Protokoll zitiert, das der Abg. Vogt verfasst hat. Sie haben aber vergessen daraus zu zitieren, dass dort auch vermerkt ist, dass der Fürst seine damaligen Highlights, nämlich die Richtervorschlagsrechte und die Monarchieabschaffung - ich kann das nicht wörtlich, aber sinngemäss zitieren - ad acta gelegt hat. Das hat ihn dann nicht gehindert, einige Jahre später - ich glaube, der Herr Landtagsvizepräsident hat ausgeführt, im Jahre 1999 - genau diese Vorschläge, gespickt oder erweitert um diverse neue Forderungen - auch diese hat der Landtagsvizepräsident aufgeführt - wieder ins Rennen zu schicken.Dann hat der Abg. und Kollege Helmut Konrad gesagt, er habe Hoffnung in Gespräche. Ich bin grundsätzlich auch für Gespräche. Aber bitte kommen Sie mit einem wirklichen Kompromiss aus diesen Gesprächen zurück und nicht erneut mit einer Zumutung.Der Abg. Zech hat, wenn ich mich richtig an sein Votum erinnere, gesagt, man soll hier fair und emotionslos diskutieren. Ich möchte dazu mir einfach die Bemerkung erlauben: Die emotionale Aufladung dieses Themas ist zu einen grossen Teil vom Landesfürsten zu vertreten. Der Herr Regierungschef hat - das kann man heute in den Landeszeitungen nachlesen - zu einer fairen Diskussion aufgerufen. Und Sie, Herr Landtagspräsident, Sie haben Abgeordneten, die kritisieren und sagen, es sei eben kein Kompromiss, die Gewichte würden zulasten des Volkes und zugunsten des Fürsten verschoben, vorgehalten, sie würden unfaire Aussagen machen.Dann ein Letztes: Der Abg. Zech hat gesagt, es gebe Skepsis, wenn man die Vorlage lese. Ich muss da in aller Deutlichkeit sagen: Skepsis ist mir zu wenig, sollten aus der Skepsis nicht auch gewisse Schlussfolgerungen gezogen werden. Und gerade in Ihrem Votum, Herr Landtagspräsident - und das ist meine letzte Bemerkung zu diesem Thema - vermisse ich auch nur einen Anflug von Skepsis.Ein Allerletztes noch: Es wurde vom Abg. Zech von einer Kommission gesprochen. Vom Abg. Konrad habe ich in der Zeitung gelesen, dass er für eine Delegation plädiere. Ich wäre froh, wenn Sie uns diesbezüglich im Laufe der Debatte sagen könnten, an was für ein Instrument Sie denken.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Nachdem sich, wie eingangs erwähnt, 18 Abgeordnete zu Wort gemeldet haben, möchte ich nicht jedes Mal eine Replik auf die Fragen oder Kritiken machen.Eines möchte ich nur noch klarstellen: Es war nicht meine Absicht - und wenn das so im Plenum hinübergekommen ist: Ich habe nicht die Absicht gehabt, den Landtagsvizepräsidenten bei dieser Abstimmung als Schuldigen zu stempeln. Denn es ist ganz klar und ich habe auch gesagt: Es war ein Entscheid des Landtages mit 23 : 2 Stimmen, wobei 23 Abgeordnete meinem Antrag nicht gefolgt sind. Ich habe aber auch gesagt, dass ich selbstverständlich als Demokrat diesen Entscheid auch akzeptiere. Aber es ist mir im Entferntesten nicht darum gegangen, dem Landtagsvizepräsidenten diesbezüglich einen schwarzen Peter zuzuschieben. Das war also nicht meine Absicht.Abg. Adrian Hasler:
Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete. Am Anfang der neunziger Jahre setzte in Liechtenstein eine Diskussion um die Verfassung ein, die heute noch andauert. Es gab diverse Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Landesfürsten, dem Landtag und der Regierung. Dabei stand immer die Auslegung oder Interpretation einzelner Verfassungsbestimmungen im Zentrum der Diskussion. Dies soll anhand von drei Beispielen kurz erläutert werden:1992 gab es eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Landesfürsten und der Regierung in Bezug auf den Termin der Volksabstimmung zum Beitritt Liechtensteins zum EWR-Abkommen. Der Landesfürst stellte in Aussicht, bei einer ausbleibenden Einigung mit der Regierung den Landtag aufzulösen und die Regierung, die sein Vertrauen verloren habe, zu entlassen. Durch eine Kompromissvereinbarung gelang es, eine Staats- und Regierungskrise abzuwenden.Im Jahre 1993 entzog der Landtag dem Regierungschef das Vertrauen und beantragte beim Landesfürsten dessen Amtsenthebung. Der Fürst verweigerte dies, löste den Landtag auf und veranlasste Neuwahlen. Dass der Landtag zu diesem Zeitpunkt aufgelöst wurde, ist im Wesentlichen der Uneinigkeit des Landtages selbst zuzuschreiben. Hier hatte aus meiner Sicht das politische Kalkül der Minderheitspartei eindeutig Vorrang. Die Auflösung des Landtages wurde bewusst in Kauf genommen, um bei einer Neuwahl zu reüssieren. Noch vor den Neuwahlen 1993 wurde das Hausgesetz durch den Fürsten beurkundet, durch den Regierungschef gegengezeichnet und im Landesgesetzblatt 1993 Nr. 100 publiziert. Dies war Anlass für eine neue Meinungsverschiedenheit zwischen Landtag und Fürst. Es stellte sich die Frage nach der Verfassungsmässigkeit dieses Vorgehens sowie nach dem Verhältnis des Hausgesetzes zur Verfassung. Diese drei Beispiele sollen aufzeigen, dass der Fürst von seinen verfassungsmässigen Befugnissen als Staatsoberhaupt auch Gebrauch macht.Zwischen 1995 und 2001 wurden sowohl von Seiten des Landtages wie auch von Seiten des Fürstenhauses Reformvorschläge vorgelegt. Eine Einigung kam jedoch bis heute nicht zustande. Nachdem die Gespräche zwischen dem Landesfürsten und der Regierung zum Stillstand gekommen sind, schien eine Volksabstimmung über den Verfassungsvorschlag des Fürstenhauses unvermeidlich zu sein. Nach den Landtagswahlen vom Februar 2001 haben sich die Mehrheitsverhältnisse geändert, das Gespräch wurde gesucht. Nicht zuletzt auf Initiative des Forums Liechtenstein kam die Diskussion mit dem Fürsten wieder in Gang. Gemeinsam mit der Regierung sowie Vertretern des Landtages und der Parteien haben intensive Gespräche mit dem Ziel stattgefunden, einen Kompromiss in der Verfassungsfrage zu erreichen.Die Regierung hat sich dafür entschieden, den gemeinsam überarbeiteten Verfassungsvorschlag als Regierungsvorlage dem Landtag zur Behandlung zu unterbreiten. Dieser Weg gibt dem Landtag die Möglichkeit, den Verfassungsvorschlag ausführlich zu diskutieren. So hat der Landtag die Möglichkeit, Vorschläge einzubringen und gegebenenfalls bis zur 2. Lesung auch Verbesserungen zu erzielen. Würde dieser Vorschlag bei der Initiative direkt dem Volk vorgelegt, bestünde keine Möglichkeit, diesen Verfassungsvorschlag abzuändern. Das Volk hätte nur die Wahl zwischen Zustimmung und Ablehnung. Der Landtag als gesetzgebende Institution wäre in die Verfassungsdiskussion nicht involviert.Diese Ausführungen zeigen deutlich auf, dass die Regierung den richtigen Weg gewählt hat. Es ist der richtige Weg, den Verfassungsvorschlag im Landtag zu diskutieren. Gerade deshalb kann ich die Aussagen des Landesfürsten in verschiedenen Interviews nicht verstehen. Der Fürst hat ausgeführt, dass man über Formulierungen immer reden kann, sich in der Substanz des Verfassungsvorschlags jedoch nichts mehr ändert. Er führt weiter aus, dass dem Landtag klar sein muss, dass er die Regierungsvorlage, so wie sie in der Substanz ist, annehmen oder ablehnen muss. Diese Sichtweise widerspricht meiner Auffassung über die Aufgaben des Landtages als gesetzgebendes Organ und ist für die Diskussion einer so elementaren Vorlage nicht förderlich.Ich muss mich doch ernsthaft fragen, weshalb sich der Landtag als Vertretung des Volkes mit dieser Vorlage befassen soll, wenn wirkliche Veränderung von vornherein ausgeschlossen wird. Ich bin mir sicher, dass auch das Volk erwartet, dass sich der Landtag kritisch mit der Regierungsvorlage auseinander setzt.Nun zum Verfassungsvorschlag selbst: Der Verfassungsvorschlag des Fürsten beinhaltet im Kern einige Themenbereiche, die zum Teil sehr unterschiedlich diskutiert und interpretiert werden. Es geht immer wieder um die Frage, ob die Vorschläge des Fürsten im Vergleich zur geltenden Verfassung die Demokratie stärken oder schwächen. Eng mit dieser Frage verknüpft ist auch die Interpretation der Verfassung von 1921. Dies deshalb, weil einzelne Bestimmungen von Verfassungsexperten völlig gegensätzlich interpretiert werden. In den folgenden Ausführungen möchte ich kurz zu einigen kritischen Themenbereichen Stellung beziehen:1. Selbstbestimmungsrecht der GemeindenDen Gemeinden steht gemäss Verfassungsvorschlag das Recht zu, aus dem Staatsverband auszutreten. Obwohl in Art. 4 des Vorschlages nicht ausdrücklich erwähnt, ist der Austritt einer Gemeinde durch Gesetz und/oder durch einen Staatsvertrag zu regeln. Dies bedeutet, dass für einen Austritt einer Gemeinde aus dem Staatsverband die Zustimmung des Fürsten, des Landtages, und gegebenenfalls auch des Volkes erforderlich ist. Somit verliert diese Bestimmung aus meiner Sicht eindeutig an Brisanz, da eine Gemeinde nicht im Alleingang den Staatsverband verlassen kann.2. RichterbestellungDie bisherige Regelung sieht vor, dass die Richter auf Vorschlag des Landtages vom Landesfürsten ernannt werden. Der Fürst hat das Recht, die Ernennung eines Richters ohne Begründung abzulehnen. Dies bedeutet, dass der Fürst ein absolutes Vetorecht hat. Mit der Neufassung des Art. 11 verzichtet der Fürst auf das Recht der Beamtenernennung und auf das absolute Vetorecht bei der Richter-Ernennung. Die Auswahl der Richter erfolgt neu durch ein Gremium, in welchem der Fürst, Vertreter des Landtages und der Regierung sowie weitere vom Fürsten nominierte Mitglieder vertreten sind. Der Landesfürst ist somit im Auswahlverfahren als Vorsitzender des Gremiums von Beginn an eingebunden und kann eine entscheidende Rolle spielen. Die Kandidaten können dem Landtag nur mit seiner Zustimmung empfohlen werden.Kritik möchte ich an der Zusammensetzung des Auswahlgremiums anbringen. Nach dieser Bestimmung kann der Fürst die Mehrheit in diesem Gremium für sich beanspruchen und hat somit die Möglichkeit, dem Landtag Kandidaten vorzuschlagen. Der Fürst hat in dieser Konstellation entscheidenden Einfluss auf den vorgeschlagenen Kandidaten und ernennt ihn auch, sofern der Landtag dieser Empfehlung zustimmt.Es ist mir bewusst, dass der Landtag den vom Gremium empfohlenen Richter ablehnen kann. Es ist mir auch bewusst, dass in letzter Konsequenz das Volk entscheidet. Im Normalfall wird jedoch die Position des Landesfürsten gestärkt. Ich vertrete die Auffassung, dass im Auswahlgremium der Landtag die Mehrheit innehaben sollte.3. RegierungsentlassungDie Entlassung der Regierung wird in Art. 80 der Verfassung geregelt. In der heutigen Verfassung von 1921 ist nachzulesen, dass der Landtag beim Landesfürsten die Amtsenthebung eines Regierungsmitglieds beantragen kann, wenn dieses Regierungsmitglied durch seine Amtsführung das Vertrauen des Landtages verliert. Die Frage ist nun, ob der Landesfürst auch ohne Antrag des Landtages die Regierung entlassen kann. Einige Experten sind der Ansicht, dass dies aus der geltenden Verfassung nicht abgeleitet werden kann. Im Gegensatz dazu interpretieren andere Experten die Verfassung so, dass der Landesfürst von sich aus einzelne Regierungsmitglieder wie auch die gesamte Regierung des Amtes entheben kann. Dies zeigt deutlich auf, wie weit die Interpretationen der heutigen Verfassung auseinander klaffen.Nach dem neuen Art. 80 muss die Regierung zurücktreten, wenn sie entweder das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages verliert. Der Fürst wie auch der Landtag haben somit einseitig die Möglichkeit, der Regierung die Grundlage zu entziehen. Der kritische Punkt liegt nun darin, dass die abberufene Regierung die Amtsgeschäfte nicht mehr weiterführen kann, die Bestellung der neuen Regierung jedoch im Einvernehmen zwischen Landesfürst und Landtag erfolgen muss. Falls keine Einigung zustande kommt, könnte dies für den Landesfürsten ein erheblicher Grund sein, den Landtag aufzulösen und mit Notrecht zu regieren. Dieser mögliche Zusammenhang zwischen Regierungsentlassung und Notrecht zeigt aus meiner Sicht eine deutliche Schwäche des vorliegenden Verfassungsvorschlages. Falls die Regierung das Vertrauen des Landesfürsten oder des Landtages verliert, darf dies nicht dazu führen, dass der Landesfürst in letzter Konsequenz mit Notrecht regieren kann. Ich bin der Meinung, dass in diesem Punkt eine Verbesserung erzielt werden muss.4. Misstrauensantrag gegen den FürstenDas im Reformvorschlag vorgesehene Misstrauensvotum richtet sich nicht gegen die Monarchie, sondern gegen den Fürsten als Person. Die Monarchie wird davon nicht berührt. Der Mangel an diesem Verfassungsartikel liegt im Prozedere. Einzig das Volk hat die Möglichkeit, in Form einer Initiative gegen den Landesfürsten einen begründeten Misstrauensantrag einzubringen. Werden die notwendigen Unterschriften gesammelt, folgt anschliessend eine Volksabstimmung über den Misstrauensantrag gegenüber den Fürsten. Wird dieser Misstrauensantrag vom Volk angenommen, erfolgt die Behandlung nach dem Hausgesetz. Die Entscheidung gemäss Hausgesetz wird dem Landtag innerhalb von 6 Monaten mitgeteilt, das heisst im Klartext, dass das Volk in dieser Frage keine Entscheidungskompetenz hat. Die Volksabstimmung bezüglich Misstrauensantrag gegen den Fürsten hat unter Umständen keine Konsequenz für das Staatsoberhaupt.5. Abschaffung der MonarchieGemäss Art. 112bis kann das Volk eine Initiative auf Abschaffung der Monarchie lancieren. Dieses Verfahren ist mit vielen Hürden verbunden und wird in der Praxis kaum in Gang gesetzt werden können. Auf der anderen Seite kann sich der Fürst jederzeit auf die demokratische Legitimation der Monarchie berufen und bei Meinungsverschiedenheiten auf diesen Artikel verweisen. Im Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass es bereits in der heutigen Verfassung möglich ist, die Monarchie abzuschaffen.Zusammenfassend möchte ich folgende Punkte festhalten: Die Regierung hat aus meiner Sicht den richtigen Weg gewählt. Der Landtag erhält so die Möglichkeit, den Bericht und Antrag der Regierung ausführlich zu diskutieren und Anregungen zu machen. Für mich persönlich sind vor allem zwei Schwachpunkte der Vorlage zu erwähnen. Der erste Schwachpunkt ist die Regierungsentlassung in Verbindung mit dem Notrecht. Der zweite Schwachpunkt ist die Zusammensetzung des Auswahlgremiums bei der Richterbestellung. Diese beiden Punkte sind für mich von Bedeutung, und ich erwarte, dass diese Punkte nochmals diskutiert werden.Ich möchte zum Schluss festhalten, dass ich mir meiner Pflicht als Volksvertreter in dieser Frage bewusst bin. Es ist nicht einfach, das Für und Wider der verschiedenen Meinungen und Interpretationen gegeneinander abzuwägen, dies auch vor dem Hintergrund, dass viele Bestimmungen von Experten völlig gegensätzlich interpretiert werden. Ich stehe zu unserer Staatsform mit den beiden Trägern der Staatsgewalt Fürst und Volk. Ich wünsche mir eine Einigung mit dem Landesfürsten in der Verfassungsfrage. Für eine Einigung braucht es jedoch die Bereitschaft beider Seiten.Abg. Erich Sprenger:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren. Ich hoffe, wir sind uns der Tragweite bewusst, welche die heute zur Debatte stehende Vorlage hat. Die Verfassung ist das wichtigste Gesetz eines jeden Staates. Änderungen und Anpassungen bedürfen genauesten Abklärungen auf deren Auswirkungen und sollten nur aus rein sachlichen Überlegungen und nicht aufgrund von Emotionen oder Drohungen beschlossen werden. Ich bin der Meinung, dass wir es den Vätern unserer heutigen Verfassung, Dr. Wilhelm Beck und seinen Mitstreitern, schuldig sind, die Verfassung nur so weit abzuändern, als es auch in ihrem Sinne liegen würde. Er und seine Mitstreiter haben in einer für unser Land in wirtschaftlicher Sicht ausgesprochenen schweren Zeit die zum grössten Teil heute noch gültige Verfassung der damaligen Obrigkeit abgerungen. Tragen wir Sorge zu diesen Errungenschaften, denn wir müssen verantworten, was wir unseren Kindern und Kindeskindern übergeben.Der Bericht und Antrag der Regierung zur Vorlage betreffend die Abänderung der Verfassung ist nach meiner Meinung nicht über alle Zweifel erhaben. Vergleicht man die jetzt als Bericht und Antrag der Regierung vorliegende Vorlage mit früheren Verfassungsvorschlägen, so stellt man fest, dass in der Zeit von August 2001 bis heute nur geringste Änderungen vorgenommen wurden. Daraus ergibt sich die Frage, was die Regierung dazu bewogen hat, diese sehr wichtige Vorlage den Abgeordneten erst gegen Ende November zuzustellen und dadurch die Vorbereitungszeit auf ein Minimum zu beschränken.Weiter muss ich an dieser Stelle festhalten, dass es durchaus angebracht gewesen wäre, für diese Vorlage, welche von grösster Bedeutung für die Zukunft unseres Landes ist, eine möglichst breit angelegte Vernehmlassung durchzuführen sowie die Meinungen zum Gesamtwerk von Experten einzuholen.Es sei erlaubt, hier die Frage zu stellen, warum die Regierung keine Vernehmlassung durchgeführt hat. Für jedes andere Gesetz ist es eine Selbstverständlichkeit, dass eine Vernehmlassung durchgeführt wird. Für mich existieren im vorliegenden Bericht und Antrag doch wesentliche Mängel. So versäumt es die Regierung, eine Wertung der eingeholten Gutachten aus ihrer Sicht in die Vorlage einzuarbeiten. Den Abgeordneten wurden mit der Vorlage lediglich die sechs Gutachten zugestellt. Diese umfassen, je nach Gutachter, zwischen 30 und rund 200 Seiten. Das ist vor allem gegenüber den neuen Landtagsabgeordneten, welche die Gutachten sowie weitere Dokumentationen, die der Vorlage beiliegen, nicht schon früher zur Verfügung hatten, eine Zumutung. Ich habe hier das ganze Paket dabei, und das in drei Wochen wirklich intensiv durchzuarbeiten für einen rechtlich nicht geschulten Landtagsabgeordneten, ist also wirklich eine Zumutung.Im Weiteren geht die Regierung mit keinem Wort auf den Umstand ein, nämlich die Eliminierung des Systems der Gewaltentrennung, welches in der heute gültigen Verfassung einigermassen ausgewogen ist. Nach Aussagen zu diesem Umstand habe ich im Bericht vergebens Ausschau gehalten. Auch habe ich keine Argumente gefunden, welche den Eindruck der Unausgewogenheit widerlegt hätten. An dieser Stelle fordere ich die Regierung auf, zu diesem Umstand eine entsprechende Stellungnahme abzugeben.Ebenfalls von zentraler Bedeutung ist der Einbezug des Hausgesetzes in die abzuändernde Verfassung. Auch hier hat die Regierung im vorliegenden Bericht und Antrag keine Stellung bezogen. Ich bin jedoch der Meinung, dass genaue Abklärungen zu diesem Umstand vonnöten wären und fordere die Regierung auf, auch zu diesem Punkt entsprechende Äusserungen zu machen. Das Hausgesetz ist seit dem Jahre 1993 mit Ausnahme der stimmberechtigten Mitglieder öffentlich. Daher müsste es für die Regierung möglich sein, die Auswirkungen des Hausgesetzes auf die uns vorliegende Vorlage zu beurteilen und den Abgeordneten die entsprechenden Informationen vorzulegen.Um auf einzelne Bestimmungen in den Artikeln einzugehen, wird dann noch während der Lesung genügend Zeit bleiben. Ich möchte hier nur erwähnen, dass das Gremium betreffend die Richterbestellung, welches heute in der Vorlage eingearbeitet ist, dem Fürsten ja die absolute Macht lässt, was sicher nicht akzeptiert werden kann, und dass ein an und für sich klarer Artikel 112 der Verfassung, welcher auf drei Zeilen eine klare Aussage macht, in der zu behandelnden Vorlage durch Bestimmungen ersetzt wird, die zur Feststellung derselben 1 ¼ Seiten benötigen, welche in der Praxis nach meiner Meinung nur sehr schwer anzuwenden sein werden. Ich warne ausdrücklich vor solchen Bestimmungen.Aus diesen und von Vorvotanten schon erwähnten weiteren Gründen plädiere ich auf Nichteintreten auf diese Vorlage. In der Gewissheit, dass auf diese Vorlage jedoch eingetreten wird, möchte ich hier nochmals an alle den Appell richten, sich der Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, den Vätern unserer heutigen Verfassung und vor allem gegenüber unseren Nachfahren bewusst zu sein, mit der Verfassung äussert vorsichtig umzugehen.Abg. Johannes Kaiser:
Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren. Über Jahrzehnte hinweg wusste zwar jeder, dass es eine Verfassung gibt, doch war sie in keiner Munde. Zum grössten Teil war sie nicht einmal in der Schule und in den höheren Bildungsanstalten Gegenstand von Lehr- oder Diskussionsinhalten. In den Anfängen der Entstehungsgeschichte der heutigen Verfassung aus dem Jahre 1921 war das Volk noch wesentlich bescheidener und in ärmlichen Verhältnissen. Im Verlaufe der Zeit hat sich unser Fürstentum Liechtenstein eben mit der heutigen Staatsform zu dem entwickelt, was Liechtenstein heute ist, wohl vermerkt in engem Schulterschluss von Fürst und Volk, das wiederum vertreten durch den Landtag. Es gab immer Verfassungsexperten, die sich redlich um die Grundregeln des Staates bemühten. Es gab jedoch nie so viel Experten, wie es dies im letzten Jahrzehnt auf diesem Gebiet in unserem Land gibt oder die im letzten Jahrzehnt konsultiert wurden. Es ist als positiv zu bewerten, dass sich die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner mit ihrer Grundordnung bewusster auseinander setzen. Auf der anderen Seite bringt dies mit sich, dass es jetzt in der Diskussion so viel Nuancen, Bewertungen und Standpunkte gibt, wie es wissenschaftlich orientierte und auch selbst ernannte Experten gibt.Das Bekenntnis zu einem dualen Staatssystem bringt in der Konsequenz mit sich, dass in der Verfassung letztlich immer ein Konsens zwischen zwei gleich starken Partnern gefunden werden muss. Dies war auch 1921 so. Das Bekenntnis zum dualen Staatssystem bringt auch mit sich, dass eine letzte und absolute Konfliktlösung zwar ein ideales Ziel darstellt, das aber wohl nie erreicht werden kann, wohl in keinem Staat. Einzig möglich ist diese fantastische Vision auf dem Papier.Nach nun zehnjährigem Verfassungskampf oder Verfassungsstreit sind wir an einem Punkt angelangt, an dem der Landtag als Volksvertretung über eine Regierungsvorlage befinden kann, die sich in wesentlichen Punkten von der 1921er Verfassung unterscheidet. Dass sich der Hohe Landtag mit der Thematik «Verfassung» befassen kann, ist ein Verdienst der neuen Regierung und unseres Landesfürsten, die in dieser Frage Bewegung hineingebracht haben, nachdem die Fronten im Januar dieses Jahres noch völlig erstarrt waren und in einer Sackgasse steckten. Die Grundfrage - die Frage aller Fragen - ob das duale Staatssystem überhaupt noch gewollt ist, konnte von den damaligen Vertretern nicht mit einem klaren Bekenntnis zu einem «Ja» beantwortet werden.Zu durchsichtig traten zum Teil von einzelnen Verfassungskommissions-Unterhändlern die Bestrebungen an den Tag, das Fürstenhaus bzw. die Monarchie in Richtung einer repräsentativen Funktion zu drängen. An dieser Stelle erinnere ich beispielsweise an die Plakate mittels der respekt- und pietätlosen Postkarte vor den Landtagswahlen 2001 mit Grüssen aus Wien an den Landesfürsten. Wenn der Landtag dies will, muss er es auch artikulieren, und wenn später das Volk dies will, muss es auch dementsprechend abstimmen. Aber diese Frage klärt letztlich das Volk.Ob wir uns zu einem dualen Staatssystem bekennen, ist keine juristische Frage, sondern eine staatspolitische Frage von immens wichtiger Bedeutung. Diese staatspolitische Entscheidung fällt auch in ein politisches Umfeld hinein, das von unserem Land Liechtenstein alles abverlangt. Es ist alles andere als eine Zeit, in der wir neben dem aussenpolitisch gravierenden Druck auf den Finanzplatz weiterhin den Nährboden für eine ungelöste Verfassungsfrage schüren. Gerade in den letzten Monaten wurde dem liechtensteinischen Volk wiederum drastisch vor Augen geführt, wie verletzlich und labil unser Kleinstaat ist. Gerade diese Krise könnten wir noch besser meistern, wenn der Schulterschluss von Fürst und Volk intakt ist.Wir haben gerade auch in den letzten Monaten wiederum erfahren können, welchen positiven Beitrag der Landesfürst zur Bearbeitung einer solchen schwerstbelasteten Situation beitragen kann. Im Gegensatz dazu haben im vergangenen Herbst politische Vertreter der Regierung in Berlin an den falschen Türen angeklopft und sind von Beamten abgeschüttelt worden.Uns ging es nicht immer so gut wie es uns heute geht. Volkswirtschaftlich weist Liechtenstein einen Wohlstand auf, der zur Weltspitze zählt. Bei Konfliktlösungen und Bewältigungen von Krisenzeiten, beim Respektieren von anderen Meinungen und anderen Auffassungen, bei der Lösungssuche nach gangbaren, machbaren und gemeinsamen Ergebnissen, die dem Staat Liechtenstein und damit allen hier lebenden Menschen zugute kommen, zählen wir aber nicht zu dieser Weltspitze. Die älteren Generationen wissen noch, was beispielsweise Fürst Johann in früheren Krisenzeiten für unser Land leistete, auch was Fürst Franz Josef II. in der Zeitepoche rund um 1945 und besonders in den Nachkriegsjahren leistete. Dies dürfen und müssen wir uns in Erinnerung rufen. Aber wenn der Kelch voll ist, neigt der Mensch dazu, sich nicht zu sehr an seine Wurzeln zu erinnern.Die Erfolgsstory unseres Staates Liechtenstein mit dem dualen Staatssystem Fürst und Volk nahm in den letzten Jahrzehnten ihren Fortgang. So mit der Vollmitgliedschaft im Europarat 1978, mit der Vollmitgliedschaft in der UNO 1990 und mit Liechtensteins Beitritt in den EWR 1995. Sukzessive baute Liechtenstein seine Souveränität aus, und dies war nicht nur ein Verdienst des Landtages, sondern im Wesentlichen beider Souveräne mit massgeblichem Leistungsausweis unseres Fürstenhauses. Diese Errungenschaften müssen einfach wieder einmal erwähnt werden, da dieser Kontext bei der Diskussion der vorliegenden Verfassungsfrage in der Vergangenheit sehr wichtig war und auch in Zukunft von entscheidender Rolle sein wird.Anlässlich des letzten Staatsfeiertages am 15. August hat S. D. Fürst Hans-Adam in seiner Replik hervorgehoben, Zitat: «Das liechtensteinische Volk hat in politischen Krisenzeiten unbeeinflusst vom Ausland zum Fürstenhaus gestanden, so wie das Fürstenhaus zum liechtensteinischen Volk steht. Diese Partnerschaft hat sich zum Vorteil für beide Seiten über Jahrhunderte bewährt».Wie präsentiert sich nun nach zehnjährigem Verfassungsstreit die Ausgangslage? Noch im Januar dieses Jahres schien die Verfassungsverhandlung gescheitert, und es stand mehr oder weniger fest, dass das Fürstenhaus seinen Verfassungsvorschlag zur Abstimmung bringen wird. Mit der neuen Regierung wurde das Gespräch wiederum aufgenommen, und das erfreuliche Ergebnis davon ist, dass der Landtag aufgrund dieser Tatsache diesen Weg beschreiten kann, dass ein gemeinsamer Verfassungsvorschlag durch die Volksvertretung diskutiert und bewertet werden kann. In anderen Worten resultierte daraus das Ergebnis, dass nicht ein Verfassungsvorschlag via Volksinitiative direkt dem Volk vorgelegt wird, sondern dass im Landtag mit dieser Regierungsvorlage ein Weg beschritten werden kann, zu dem jeder Volksvertreter und jede Volksvertreterin ihren Beitrag zur Lösung leisten kann.Durch einige aktuelle und auch ehemalige politische Exponenten und Mandatsträger wird in diesem Zusammenhang erstaunlicherweise immer wieder die Auffassung vertreten, dass sie mit der heutigen 1921er Verfassung durchaus leben können, und dass diese eine hervorragende staatspolitische Grundordnung sei. Es wird dabei verschwiegen, dass gerade von diesen Vertretern eine überaus grosse Anzahl anlässlich der Landtagssitzung vom 21. November 1996 die Beibehaltung der Verfassung vom 5. Oktober 1921 ablehnte. Einige davon sind heute noch im Landtag und somit hier und jetzt in diesem Hohen Landtagssaal vertreten. Damals hätte die Verfassung in einem Punkt abgeändert werden können. Es ging dabei um die Richter und Beamten, wobei der Landesfürst damals bereit gewesen wäre, diesem Antrag zuzustimmen.Der Landtag lehnte jedoch die Beibehaltung der 1921er Verfassung mit dem erwähnten Änderungsvorschlag mit 23 : 2 Stimmen ab. Der heutige Landtagspräsident Klaus Wanger sowie der damalige VU-Präsident und Landtagsabgeordnete Oswald Kranz stimmten der Beibehaltung der 1921er Verfassung mit Änderung als Einzige zu. Die geltende Verfassung sei ein Minenfeld, hiess es von vielen anderen Volksvertretern im Landtag. Die gleichen Leute behaupten heute das Konträre. Plötzlich scheint dieses Minenfeld einer Verfassung die wahre Sache zu sein.Die Regierungsvorlage ist gemäss meiner Bewertung ein Verfassungsvorschlag, der in vielen Punkten der geltenden Verfassung zu bevorzugen ist. In dieser Eintretensdebatte werde ich inhaltlich bezüglich dem Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden, der Ausgestaltung des Notrechts, bei der Thematik Beamten- und Richterernennung, dem Vertrauensentzug des Landtages und der Regierung sowie dem Art. 112 bezüglich der Abschaffung der Monarchie und dem Misstrauensvotum nicht vertieft eingehen, da ich dies bei den einzelnen Artikeln innerhalb der 1. Lesung, zu der es sehr wahrscheinlich kommen wird, vornehmen werde. Ich werde dann auch begründen, wo ich mir die Diskussion mit dem Landesfürsten wünsche, und wo ich bei der Regierungsvorlage gegenüber der heutigen Verfassung Vorteile sehe.Letztlich geht es bei dieser gesamten Verfassungsdiskussion nicht nur um rein juristische und wissenschaftliche Abhandlungen, sondern um eine Wertung. Es geht ums Quantifizieren, ums Gewichten und um den Weg, der gemäss meiner Überzeugung mit allen Vor- und Nachteilen der beste Weg ist. Bei dieser Abwägung und bei diesem Bewerten gibt es nicht nur hier in der Landtagsvertretung unterschiedliche Auffassungen, dies gibt es selbst zuhauf bei den zahlreichen Experten, Gutachtern und juristischen Wissenschaftlern.«Verfassungsrechtliche Interpretationen und verfassungspolitisches Wunschdenken werden sogar für Kenner des Verfassungsrechtes von Liechtenstein dann und wann nahezu ununterscheidbar ineinander verstrickt», das das Urteil eines renommierten Staatsrechtlers. Eine Verfassung, die keine Kritiker hat, wird es nie geben. Es gibt alle Fächerungen und Schattierungen. Wichtig ist dabei, dass man dabei von Verunglimpfungen und Repressionen absieht und eine Streitkultur an den Tag legt, die ein respektvolles Aufeinanderzugehen gewährleistet, dies untereinander, innerhalb der Volksvertretung und auch gegenüber S. D. dem Landesfürsten. Der Wille zur Konsensfähigkeit ist dabei absolut unverzichtbar. Schliesslich hat - und dies müssen wir immer vor Augen haben - bei der Verfassungsfrage das Volk das letzte Wort.Wie ich bereits hervorgehoben habe, ist eine Grundsatzentscheidung für jeden Einzelnen, der sich mit dieser Verfassung befasst, von zentraler Bedeutung. Nämlich die Basisentscheidung, ob wir auf dem Dualismus aufbauen wollen oder nicht, oder anders ausgedrückt: Ob wir uns vom Dualismus abwenden wollen und die Staatsgewalt nur noch mit dem einen Souverän, mit dem Volk, herbeiführen wollen. Ein Dualismus kann nur funktionieren, wenn er auf Vertrauen aufbaut und nicht auf einem Misstrauen. In Beobachtung der letzten zehn Jahre sehe ich in der latenten Staatskrise, in der wir stecken, die kürzlich noch durch die Finanzplatzkrise aufs Höchste verschärft wurde, gepaart mit der Verfassungskrise, in Wirklichkeit eine Vertrauenskrise. Und so halte ich nochmals fest, dass der Verfassungskonflikt nicht eine juristische, sondern eine politische, eine staatspolitische Angelegenheit von grosser Tragweite ist. Dieser Konflikt kann nur in gegenseitigem Vertrauen gelöst werden.Der Regierungsvorschlag regelt in Bezug auf die bestehende Verfassung von 1921 mehrfach interpretierbare und dadurch unklare Verfassungsbestimmungen. Wenn wir dieses gegenseitige Vertrauen mit einer gewissen Konsensbereitschaft in unserer zukünftigen Staatsform wiederum als Präambel leben, kann unser Fürstentum Liechtenstein wieder stark werden und in Zukunft auch stark sein. Mit diesem Geist sind auch die Themenkreise anzugehen, die bei dieser Regierungsvorlage die wesentlichsten Bestandteile darstellen.Das Selbstbestimmungsrecht im Artikel 1, bei dem die Mitgliedschaft der Gemeinden auf Freiwilligkeit beruht, ist für mich eher ein prinzipieller Ansatz, der in einer Verfassung von philosophischer Natur ist. Dieser kann für grössere Staaten durchaus als Vorbild dienen, wird jedoch in unserem Kleinstaat wohl kaum jemals eintreten. In anderen Ländern hätte gerade dieser Artikel in einer Verfassung viel Leid, Krieg und insbesondere ethnische Auseinandersetzungen vermieden.Vergleichen wir die Ausgestaltung des Notrechts, so müssen wir sachlich feststellen, dass gegenüber der 1921er Verfassung bei der Regierungsvorlage eine Verbesserung eingetreten ist. Das bisher uneingeschränkte Notverordnungsrecht des Fürsten erfährt gewisse Einschränkungen, die als Erweiterung der Volksrechte bewertet werden dürfen. Die Bestellung der Beamten und die Richterernennung wird in der 1. Lesung - wobei ich annehme, dass es dazu kommt - wohl einen grösseren Raum einnehmen. Gegenüber der Regierungsvorlage habe ich in diesem Bereich einen numerischen Änderungsvorschlag, der auf dem vorgeschlagenen Gremiumsprinzip aufbaut und zwischen dem Souverän Fürst und dem Souverän Volk, vertreten durch den Landtag, eine bessere Ausgewogenheit garantiert.Für die Unabhängigkeit der Gerichte gibt es wirklich diverse Wege, wobei ich dem vorgeschlagenen Weg der Regierungsvorlage - Artikel 11 - einiges abgewinnen kann. Heute ist es doch so, dass de facto die Parteien die Richter in Vorschlag bringen. Gemäss Regierungsvorlage würde dies ein Gremium vornehmen, in dem alle Parteien - die Landtagsfraktionen, Fürst, Regierung, Experten - beteiligt sein werden. Der Regierungsvorschlag gewährleistet mehr Unabhängigkeit der Richter, da Richterkandidaten-Vorschläge nicht mehr via parteipolitische Gremien unterbreitet werden.Beim Artikel 79 und 80 geht es um das Vertrauen bzw. den Vertrauensentzug des Landtages und der Regierung. Verfassungsrechtler geben zu diesem Artikel unterschiedliche Bewertungen ab. Ob eine Regierung oder Regierungsmitglieder, die vom Landtag und Fürst das Vertrauen verloren haben, effektiv weiter regieren sollen, bis eine neue Regierung gebildet ist, ist echt fraglich. Neu könnte ja der Landtag der Regierung - im Einvernehmen mit dem Fürsten - der Regierung ebenfalls das Vertrauen entziehen.Der neue Artikel 112 und 112bis mit dem Schwerpunktthema «Abschaffung der Monarchie - Misstrauensvotum» ist für mich nicht zwingend; dies aus dem Grunde, da die Monarchie für unser Staatswesen, für unser Fürstentum Liechtenstein, die beste Staatsform ist. Schlussendlich ist jedoch dieser Artikel nichts Schlechtes, da die Entscheidung über die Staatsform dem Volk in die Hände gegeben wird; und das Volk über die gewünschte Staatsform entscheiden lassen zu können, kann als Ausbau der demokratischen Rechte gewertet werden. Aber wie gesagt: Für mich könnte die Regierungsvorlage der Verfassung beim Artikel 111 enden.Letztendlich geht es für mich um die Wertung und Ausgestaltung von zwei, drei zentralen Punkten und um die Frage, ob man diese im politischen Alltag in unserer Staatsform noch optimieren will und kann. Insgesamt weist die Regierungsvorlage gegenüber der 1921er Verfassung bei den viel diskutierten Brandherden klarere interpretierbare Verfassungsartikel auf. Ich bekenne mich zum dualen Staatssystem, und ich wünsche mir auch in Zukunft diese Staatsform. Ich habe auch das Vertrauen in die beiden Souveräne und bin überzeugt, dass für unser verletzliches fragiles Liechtenstein ein Schulterschluss von Fürst und Volk unverzichtbar ist.Über etwas müssen wir uns alle hier im Hohen Landtag und auch alle Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner im Klaren sein, nämlich, dass die beiden Souveräne, Fürst und Volk - letzteres vertreten durch den Landtag - die Ausübung der staatlichen Gewalt zum Wohle unseres Landes nur im gegenseitigen Vertrauen und im Willen des gemeinsamen Konsens verwirklichen können. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, egal für welchen Weg sich das Volk letztlich entscheidet. Ich erachte es letztlich wichtig, im Rahmen einer 1. Lesung im Landtag die Diskussion aufzunehmen. Ich bin somit klar für Eintreten.Abg. Hugo Quaderer:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Was uns heute beschäftigt, ist eine Regierungsvorlage, mit der eine weit reichende Verfassungsänderung angestrebt wird. Wie es zu dieser Vorlage gekommen ist, ist hinlänglich bekannt. Trotzdem muss ich aber, bevor ich auf den eigentlichen Bericht und Antrag zu sprechen komme, einige Punkte aus der jüngeren Vergangenheit anleuchten.Herr Landtagspräsident: Sie haben am Staatsfeiertag eine denkwürdige Rede gehalten, die mich noch heute innerlich bewegt. In einer mit seiner S. D. dem Landesfürsten abgestimmten Ansprache haben Sie als höchster Volksvertreter des Landes Liechtenstein das Ende der Verfassungsdiskussion verkündet. Sie sind offensichtlich zutiefst davon überzeugt, dass mit den Forumsvorschlägen, welche sich in der Regierungsvorlage praktisch unverändert widerspiegeln und welche dem grünen Buch des Landesfürsten ebenbürtig sind, tatsächlich ein inhaltlicher Kompromiss erreicht worden ist. Diese Haltung haben Sie heute auch auf eindrückliche Art und Weise in Ihrem Votum nochmals bekräftigt. Selbstverständlich respektiere ich Ihre Meinung. Es ist Ihr gutes Recht, an solche Dinge zu glauben.Völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar ist für mich aber das Vorgehen, das Sie gewählt haben. Sie haben meines Erachtens am 15. August ohne Rücksprache mit dem Gesamtlandtag und ohne vorherige Meinungsbildung in der breiten Bevölkerung den Einwohnerinnen und Einwohnern dieses Landes etwas suggeriert, das nicht stimmt. Sie haben an diesem Tag, an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt Ihre Position nicht richtig interpretiert. Mit Ihrem Solo haben Sie nicht nur Ihre eigene Glaubwürdigkeit, sondern diejenige der Institution «Landtag» in Frage gestellt.Die Regierung hat sich lange bedeckt gehalten. Dieses Verhalten hat in mir zunächst eine gewisse Hoffnung geweckt, nämlich die Hoffnung, dass die Regierung in zähen und langwierigen Verhandlungen mit Seiner Durchlaucht doch noch den grossen Wurf wird landen können. Diese Hoffnung wurde mit der Veröffentlichung des nun vorliegenden Berichts leider jäh zerstört. Ich musste feststellen, dass auch diese Regierung in den Verhandlungen mit dem Fürsten in materieller Hinsicht gescheitert ist. Da die Regierung einen willfährigen Partner bildete und immer noch bildet, ist die Verhandlungsrunde allerdings doch nicht ganz ergebnislos geblieben. Das Ergebnis liegt heute auf dem Tisch. Wie stark die Bemühungen der Regierung wirklich waren, substanzielle Veränderungen zu erreichen, muss in Anbetracht der Tatsache, dass gemäss den Ausführungen im Bericht und Antrag lediglich eine konkrete Verhandlung stattgefunden haben soll, grundsätzlich in Frage gestellt werden. Es war und ist bis heute nicht bekannt, welches für die Regierung die eigentliche Ausgangslage für die Verfassungsgespräche mit dem Landesfürsten bildete. Hierzu möchte ich von der Regierung jetzt eine klare Stellungnahme. Agierte die Regierung auf der Grundlage der Vorschläge der Verfassungskommission? Welches war die Grundhaltung der Regierung? Äusserst seltsam und unüblich ist auch die Tatsache, die bereits von Vorrednern angesprochen wurde, dass zur vorliegenden Verfassungsabänderung keine Vernehmlassung durchgeführt wurde. Ich frage mich: Vor was fürchtet sich die Regierung? Wo bleibt hier die Bündelung und der Miteinbezug aller Kräfte? Für mich ist der gesamte bisherige Prozess undemokratisch. Während zum Beispiel bei der Schaffung eines Raumplanungsgesetzes, welches - wohlgemerkt - bereits zweimal im Landtag in 1. Lesung behandelt wurde und über welches bereits eine breite Vernehmlassung durchgeführt worden ist, eine Informationsoffensive stattfindet und die Einwohnerinnen und Einwohner direkt um ihre Meinung befragt werden, erachtet es die Regierung als nicht notwendig, zur Abänderung der Verfassung mindestens Gleiches zu tun. Wo setzt hier die Regierung ihre Gewichtung an?Nun aber zurück zur eigentlichen Vorlage: Ich schicke voraus, dass ich nicht dieses Detailwissen habe wie teilweise meine Vorredner, deshalb beschränke ich mich auf eher allgemeine Aspekte. Ich nehme aber mein Urteil vorweg. Ich teile den vielfach verbreiteten Standpunkt, dass mit der heute zu behandelnden Regierungsvorlage die Idee einer systematischen Schwächung demokratischer Institutionen wie Landtag oder Regierung verfolgt wird. Gleichzeitig sollen Mechanismen eingebaut werden, die es S. D. dem Landesfürsten erlauben, seinen Einfluss auf alle drei Staatsgewalten auszubauen und zu stärken.Hier gebe ich zu bedenken - und das möchte ich wirklich mit aller Aufmerksamkeit herausstreichen, dass die heute vorliegenden Verfassungsvorschläge jenen entsprechen, die von der Landtagskommission nie akzeptiert werden konnten. Uns Abgeordneten obliegt die besondere Pflicht, das Volk insgesamt zu vertreten. Ich möchte mich deshalb ganz besonders für Einigkeit einsetzen. Droht eine Spaltung im Volk, liegt es wohl an uns, für Einigkeit einzutreten. Wir dürfen das Trennende in unsere Diskussion nicht hineintragen. Dies könnte aber passieren, wenn wir den fürstlichen Verfassungsvorschlägen Folge leisten.Anhand einiger Gesichtspunkte will ich mein persönliches Unbehagen zum Ausdruck bringen, das mich mit dem uns vorliegenden Bericht begleitet. Zunächst ist festzuhalten, dass es in der Öffentlichkeit keinen Wunsch nach einer derart drastischen Verfassungsänderung gibt, wie sie uns hier vorliegt. Dies belegen eindrücklich die Umfrageergebnisse des Demokratie-Sekretariates. Bei praktisch allen Fragen antwortete eine deutliche Mehrheit, dass die fürstlichen Vorschläge eigentlich nicht gewollt sind bzw. als nicht notwendig erachtet werden. Auch die Ausführungen im uns vorliegenden Bericht und Antrag gehen in die gleiche Richtung.Im Juni 1993 bekannte sich der Landtag zur Monarchie und formulierte als ein Ziel der Verfassungsdiskussion, dass die Verfassung funktionstüchtiger und funktionsfähiger gemacht und dass Unklarheiten und Überholtes beseitigt werden sollten. Grundsätzlich sah der Landtag damals keinen Anlass - so die Ausführungen im vorliegenden Bericht - in der Verfassung zum Beispiel ein Verfahren zur Abschaffung der Monarchie vorzusehen. Diese Sichtweise wurde übrigens im Februar 1994 im Rahmen einer Vernehmlassung zu partiellen Abänderungsvorschlägen der Verfassung von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmern bestätigt. Und im Jahre 1996 stellte der Landtag dann Folgendes fest, ich zitiere aus dem Bericht: «Weder vom Landtag noch von der Regierung sei eine Verfassungsänderung in der Richtung beabsichtigt, dass die Monarchie abgeschafft oder auf Repräsentationsfunktionen reduziert werden soll. Ziel der für notwendig und richtig befundenen Verfassungsdiskussion sei es vielmehr, unklare Bestimmungen der Verfassung durch Ergänzungen oder Erläuterungen klarzustellen und einige nicht mehr zeitgemässe Bestimmungen dem heutigen Staats- und Verfassungsverständnis anzupassen, ohne den Grundgehalt der Verfassung zu ändern». Nach meinem Dafürhalten gelten diese Grundsätze auch heute noch und zwar unverändert.Nochmals: Diese Diskussion will eigentlich niemand. Eindrücklich ist das diesbezügliche Umfrageergebnis des Demokratie-Sekretariats. Auf die Frage, wie man in der Verfassungsfrage weiterfahren soll, haben 55,8 % der Befragten die Meinung vertreten, Fürst und Landtag sollten so lange verhandeln, bis ein Kompromiss erreicht ist, dem alle zustimmen können. Ich frage mich deshalb: Müssen wir unsere staatliche und gesellschaftliche Grundordnung wirklich so weit reichend umstellen? Entspricht es wirklich unserem Bedürfnis, so zentrale Verfassungsänderungen in einem Eiltempo übers Knie zu brechen? Es gilt auch hier zu bedenken, dass dieses Tempo nicht den Vorstellungen des Volkes entspricht und wohl auch nicht einer breiten Mehrheit hier im Landtag. In Wirklichkeit haben wir hier nichts anderes als eine Zwängerei vor uns, welche uns von Fürst und Regierung diktiert worden ist. Wir als Landtag sollten uns vor Augen halten, dass wir nicht dem Fürsten oder der Regierung verantwortlich sind, sondern den Menschen in Liechtenstein. Die Einwohner unseres Landes haben von uns bis heute nie gefordert, eine so kontroverse Verfassungsänderung, wie diese hier, um jeden Preis durchzuboxen.Nach meiner derzeitigen Einschätzung steht auch die Regierung inhaltlich nicht wirklich hinter der Vorlage, sondern sie versteckt sich vielmehr dahinter und gibt hiermit dem Diktat S. D. dem Landesfürsten nach.Zweitens frage ich mich, ob uns eine Verfassung, die eine solch zwanghafte Geschichte hinter sich hat, je wird einen können? Ich frage mich auch, wie wir mit einer Verfassung zusammenleben sollen, die schon im Entstehen die Bevölkerung zu entzweien droht? Ich bedauere, feststellen zu müssen, dass wir keine tragfähige Lösung vor uns haben, sondern nach wie vor ein Problem. Diese Verfassungsvorschläge werden immer eine Lücke hinterlassen, eine rechtsstaatliche, aber auch eine emotionale Lücke. Wenn wir die Verfassung nach den Vorstellungen der Regierung und des Landesfürsten ändern, laufen wir Gefahr, einem Grundgesetz zuzustimmen, unter dem sich viele nie richtig wohl fühlen werden, weder die Befürworter noch die Gegner.Drittens und letztens spricht auch die Art der bisherigen Konfliktbewältigung eine deutliche Sprache. Auf der einen Seite die Tatsache, dass uns die heutige Diskussion regelrecht aufgezwungen wurde und inzwischen viele Menschen vor dem Ausgang der Diskussionen Unbehagen verspüren und teilweise Angst empfinden. Eine Verfassung soll und darf aber niemandem Angst einflössen. Auf der anderen Seite die bedauernswerte und von S. D. dem Landesfürsten oft wiederholte Drohung, dass er im Falle einer Ablehnung seiner Vorschläge das Land verlassen oder gar die Monarchie abschaffen wolle. Das hat meines Erachtens mit einem demokratischen Prozess nichts zu tun, aber auch gar nichts. Die kritische Haltung gegenüber den Verfassungsvorschlägen hat rein gar nichts mit einer Ablehnung der Monarchie zu tun.Obwohl ich persönlich den Vorschlägen des Fürsten gegenüber eher kritisch eingestellt bin, lehne ich nicht die Staatsform der Monarchie ab. Das eine hat mit dem anderen nun wirklich nichts zu tun. Das duale System mit der Demokratie und der Monarchie als gleichberechtigte Partner hat sich über Jahrzehnte hinweg bewährt. Ich stehe zur konstitutionellen Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage, so wie sie in der Verfassung von 1921 verankert ist. Im jetzigen Zeitpunkt könnte ich den Verfassungsvorschlägen des Landesfürsten und der Regierung nicht zustimmen. Dies hätte jedoch keine weit reichenden Konsequenzen. Kommen wir in diesem Prozess nämlich zu keinem Ergebnis, bleibt nicht nur die Verfassung aus dem Jahre 1921 ohne Änderungen intakt, nein, auch die Monarchie, die Gewaltenteilung und damit auch die innen- und aussenpolitische Stabilität bleiben bestehen. Nach meiner Überzeugung sind nicht sehr viele Menschen in unserem Land über diese Verfassungsvorschläge glücklich, da sie in ihrer Summe einen Abbau der demokratischen Rechte bedeuten. Sollten sie angenommen werden, dann wohl nicht in der Überzeugung, dass diese nun das Beste für unser Land sind, sondern nur deshalb, weil uns ein unzulässiger Druck dazu genötigt hat. So ein Vorgehen kann aber meines Erachtens keine gesunde Basis sein.Aus diesem Grunde plädiere ich für ein Moratorium. Legen wir gemeinsam eine Denkpause ein und lassen wir das bisher Erlebte und Geschehene vorerst eine Zeit lang setzen. Aus einer gewissen zeitlichen Distanz heraus können wir in aller Ruhe die Verfassungsgespräche wieder aufnehmen. Allenfalls könnte es zweckdienlich sein, wenn man sich dann des Hilfsmittels der Mediation bedienen würde.Eigentlich müsste man zum jetzigen Zeitpunkt für Nichteintreten auf die Vorlage plädieren. Mir scheint es aber wichtig und richtig, dass nach langen Phasen des Schweigens eine öffentliche Diskussion in Gang kommt. Mit der heutigen Detailberatung der einzelnen Artikel kann diesem Bedürfnis entsprochen werden. Deshalb spreche ich mich für Eintreten aus. Mit dem Eintreten wird die öffentliche Diskussion weiter in Gang gesetzt. Dies gibt allen die Chance, sich mit dem Thema ernsthaft und gewissenhaft auseinander zu setzen. Man darf gespannt sein, wie sich die Diskussion heute im Landtag aber auch in der Öffentlichkeit fortsetzen wird. Vielleicht stärkt das Ergebnis der 1. Lesung meine bereits erwähnte Idee eines Moratoriums.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Herr Abg. Quaderer: Ich weiss nicht, ob Sie bewusst oder unbewusst wie viele andere Gegner dieses Verfassungsänderungsvorschlages mir unterstellen, ich hätte am 15. August gesagt, der Verfassungskonflikt sei gelöst. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Das habe ich nicht gesagt. Ich lese Ihnen jetzt nochmals und zum letzten Mal vor, was ich gesagt habe: «In aller Offenheit und auf gegenseitiger Vertrauensbasis wurden die Problemfelder diskutiert und aus meiner Sicht ein Weg gefunden, der zu einem tragfähigen Kompromiss bei der Lösung des Verfassungskonflikts führen kann». Das, Herr Abg. Quaderer, habe ich gesagt und nichts anderes. Nun gebe ich das Wort der Abg. Dorothee Laternser.
Abg. Dorothee Laternser:
Danke, Herr Präsident, meine Damen und Herren. Massstab für mich, und ich denke, für jeden ist die geltende Verfassung. Sie hat sich rund 80 Jahre bewährt. Ich habe den vorliegenden Änderungsvorschlag in erster Linie damit verglichen. Zwei Grundsätze haben mich dabei geleitet.1. Jede Staatsform, die auf demokratischer Basis beruht, geht vom Prinzip der Gewaltenteilung aus, Legislative, Exekutive, Judikative, und sie muss sich daran messen lassen, wie konsequent sie diese Gewaltenteilung akzeptiert.2. Unsere Staatsform kennt zwei Souveräne, Fürst und Volk, zwischen denen in der bestehenden Verfassung ein gut ausbalanciertes Gleichgewicht besteht, und in vielen Punkten der jetzt bestehenden Verfassung wird auf Konsens gesetzt. Das war die hervorragende Voraussetzung für die sehr positive Entwicklung des Landes in den vergangenen Jahrzehnten. Mein hoher Respekt gilt den Vätern dieser Verfassung. Sowohl vom Gleichgewicht zwischen den Souveränen als auch von dem konsequenten Prinzip der Gewaltenteilung macht der vorliegende Verfassungsänderungsvorschlag deutliche, in meinen Augen völlig inakzeptable Abstriche. Deshalb lehne ich die wesentlichen Punkte dieser Regierungsvorlage entschieden ab. Das möchte ich anhand von einigen Punkten begründen.Zunächst zum Art. 7, den möchte ich als Erstes aufgreifen. Dort heisst es in Abs. 1: «Der Landesfürst ist das Oberhaupt des Staates». In Abs. 2 heisst es in der geltenden Verfassung: «Seine Person ist geheiligt und unverletzlich». Bisher war also die Person des Fürsten immun, er persönlich, in jeder Hinsicht, und das ist natürlich selbstverständlich. Neu soll es heissen, ich zitiere: «Der Fürst und jenes Mitglied des Fürstenhausen, welches für den Fürsten die Funktionen des Staatsoberhauptes ausübt, untersteht nicht der Gerichtsbarkeit und kann weder zivil- noch strafrechtlich verfolgt werden». Das heisst, der Fürst oder sein Stellvertreter sollen als oberstes Staatsorgan in ihren amtlichen Handlungen ausserhalb jeder Gerichtsbarkeit stehen. Hier handelt es sich keineswegs nur um eine sprachliche Anpassung, wie im Regierungsbericht auf Seite 33 zu lesen ist, sondern um eine inakzeptable, substanzielle Neuerung. Wie ist es denn zu rechtfertigen, dass in einem modernen Rechtsstaat amtliche Handlungen eines Staatsorgans, und zwar des obersten Staatsorganes, nicht einer Prüfung unterliegen?Die Regierung führt aus: Das sei in Monarchien und Republiken die Regel. Aber wo, bitte schön, gibt es denn das, dass ein Staatsorgan, ein Staatsoberhaupt, einen Blankoscheck für jegliche Handlungen hat, die er in seiner Funktion als Staatsoberhaupt ausübt? Wie ist es ausserdem mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall «Herbert Wille» zu vereinbaren, in dem Liechtenstein verurteilt wurde, gerade weil Herbert Wille kein effektives Rechtsmittel gegen den Fürsten zur Verfügung stand? Übrigens: Diese Bestimmung war im so genannten «roten Büchlein» des Fürstenhauses vom Februar 2000 nicht so enthalten, sondern erst im «grünen Buch» von März 2001. In diesem Punkt wurde also - bildlich gesprochen - noch mehr Heu auf den Wagen geladen.Als Nächstes möchte ich den Art. 9 ansprechen: Das Sanktionsrecht des Fürsten bestand ja schon immer. «Jedes Gesetz bedarf zu seiner Gültigkeit der Sanktion des Landesfürsten», so steht es in der Verfassung. Jetzt wird das zeitlich präzisiert, was grundsätzlich positiv ist. Aber es gilt zu bedenken, dass damit eine Bestimmung zementiert werden soll, die europaweit ihresgleichen sucht, denn - und das ist mir sehr wichtig - es handelt sich dabei um ein absolutes Sanktionsrecht, nicht um eines relativer Natur, das zum Beispiel durch eine Volksabstimmung übergangen werden könnte. Deshalb sind auch Experten, wie zum Beispiel Professor Frowein oder Professor Rhinow, der Ansicht, dass das nicht mit dem demokratischen «minimal standard» des Europarates vereinbar sei, speziell was den Art. 3 Zusatzprotokoll 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention betrifft. Dieses Zusatzprotokoll ist für Liechtenstein im November 1995 in Kraft getreten.Der zweite Satz des Art. 9 soll folgendermassen heissen: «Erfolgt die Sanktion nicht innerhalb von 6 Monaten, dann gilt sie als verweigert». Sechs Monate sind in meinen Augen eine unzumutbar lange Frist, um auf das In-Kraft-Treten eines eventuell dringenden Gesetzes zu warten. Und nun zum Prozedere. Die Situation wäre doch so: Der eine Souverän, das Volk, vertreten durch den Landtag, entscheidet sich in begründeter Abstimmung für ein Gesetz. Der andere Souverän, der Fürst, muss, wenn er nicht damit einverstanden ist, nicht einmal darauf antworten. Sechs Monate Ungewissheit, keine Antwort ist dann einfach ein Nein, ohne Begründung, einfach durch Ablauf der Frist. Dem steht man als Bürger völlig ohnmächtig gegenüber. Die Karten sind nicht gleich verteilt.Als Nächstes möchte ich zum Entwurf von Art. 10 - Notverordnungsrecht - kommen: Die Voraussetzungen für die Notwendigkeit des Erlasses von Notverordnungen sind hier nicht definiert. Ob eine Situation vorhanden ist, die eine Notverordnung erforderlich macht, bestimmt einzig und allein der Landesfürst. Warum kann ein Notverordnungsrecht nicht auf Kriegs- und Katastrophensituationen beschränkt werden? Im geplanten Abs. 3 steht: «Die Bestimmungen der Art. 112 und 112bis sowie des Hausgesetzes können durch eine Notverordnung nicht eingeschränkt werden». Diese expliziten Ausnahmen drängen zum Umkehrschluss, nämlich: Wenn der Fürst der Ansicht ist, es herrsche eine Situation vor, die den Erlass von Notverordnungen rechtfertigt, bestehen von diesem Moment an keinerlei Grundrechtsgarantien mehr, auch nicht solche nach der EMRK. Wenn die Regierung in ihrem Bericht auf Seite 27 schreibt, durch Art. 7 Landesverfassung werde der Befürchtung einer Willkür im Rahmen des Notverordnungsrechtes des Fürsten Einhalt geboten, dadurch, dass der Landesfürst auch in dieser Situation an Verfassung und Gesetze gebunden sei, dann befindet sich die Regierung wohl in einem Irrtum, denn auch zugunsten dieses Artikels wird hier kein Vorbehalt gemacht. Das heisst, der Fürst ist in seinem Notverordnungsrecht nur an das Hausgesetz und die Art. 112 und Art. 112bis gebunden, nicht aber an den übrigen Teil der Verfassung, somit auch nicht an Art. 7, und schon gar nicht an die bestehenden Gesetze.Ich versuche mir dieses wohl von niemandem gewünschte Szenario einer Notverordnungssituation - ich sage bewusst nicht Notstandsituation - vorzustellen. Der Landtag muss die Notverordnungserlasse binnen 3 Monaten in Behandlung ziehen, dabei immer das Damoklesschwert der eigenen Auflösung vor Augen, wenn nicht genügend Willfährigkeit gezeigt wird. Angenommen, es kommt zu einer Volksabstimmung, wie soll ein Wählerwille zu eruieren sein, wenn Versammlungs-, Rede -, Parteien- und Pressefreiheit nicht garantiert sind? Eine einem Rechtsstaat genügende Meinungsbildungs- und Meinungsäusserungsfreiheit ist bei Annahme dieses Vorschlages sicher nicht garantiert.Auch das Argument der Regierung auf Seite 18 von Bericht und Antrag sticht nicht. Es wird dort gesagt: Durch die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegenüber dem Fürsten entsprechend Art. 112 sei ein Missbrauch des Notverordnungsrechtes ausgeschlossen. Aber diese Argumentation ist absurd, denn allein vom komplizierten zeitlichen Verlauf eines Misstrauensvotums bis zum Entscheid durch ein entsprechendes Gremium der fürstlichen Familie sind die möglichen 6 Monate Notverordnungszeit längst vorbei. Dazu kann ich nur Professor Funk zitieren, der im Zusammenhang mit diesem geplanten Verfassungsartikel von einer «ausserordentlichen durch so gut wie keine Gewaltentrennung gehemmte Machtfülle des Fürsten» spricht. In meinen Augen kann das Notverordnungsrecht so nicht akzeptiert werden.In Art. 11 geht es um die Bestellung von Richtern. Ich möchte nur auf den ersten Satz jetzt eingehen, alles andere später. Im vorliegenden Entwurf wurde als erster Satz eingefügt: «Der Landesfürst schützt das Recht und die Unabhängigkeit der Richter». Eine solche Bestimmung ist in der geltenden Verfassung nicht zu finden. Sie ist für mich nicht akzeptabel, denn der Fürst hat unbestritten gesetzgeberische Funktionen - siehe Sanktionsrecht - und auch Aufgaben in der Exekutive. Damit kann er nicht gleichzeitig Garant sein für die richterliche Unabhängigkeit, das widerspricht der Gewaltenteilung. Die Unabhängigkeit der Justiz kann in einem Rechtsstaat weder durch eine Person, noch durch eine Institution, sondern einzig allein durch die Verfassung selbst gewährleistet sein.Schliesslich Art. 112: Es geht hier um zwei Dinge, erstens die Streichung des bisherigen Artikel 112 und die Ersetzung durch einen neuen Vorschlag. Es ist nicht einzusehen, dass die Einführung der neuen Bestimmung zur Streichung des bisherigen Art. 112 führt, denn die beiden Bestimmungen betreffen nicht denselben Gegenstand. Der bisherige Art. 112 heisst: «Wenn über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel entstehen und nicht durch Übereinkunft zwischen der Regierung und dem Landtag beseitigt werden können, so hat hierüber der Staatsgerichtshof zu entscheiden». Das heisst, eine Streichung führt dazu, dass dem Staatsgerichtshof eine wichtige Kompetenz weggenommen wird, und zwar die Kompetenz zur Auslegung strittiger Verfassungsartikel. Zugegebenermassen wurde in den 80 Jahren des Bestehens der Verfassung noch nie von diesem Artikel Gebrauch gemacht. Die Wichtigkeit dieser Bestimmung steigt aber bei zunehmend abweichender Auslegung der Verfassung, wie in den letzten Jahren öfters beobachtet. Die Wichtigkeit dieser Bestimmung kann auch darin gesehen werden, dass der Landesfürst 1995 dem damaligen Vorsitzenden der VBI, Herbert Wille, mitteilte, er werde ihn nicht wieder für ein öffentliches Amt ernennen, weil Herbert Wille diesen Artikel in einer Art ausgelegt hatte, die dem Landesfürsten nicht entsprach. Wir wissen alle, dass dies zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte führte, in dem Liechtenstein verurteilt wurde. Dieses Urteil ist für Liechtenstein bindend, es muss umgesetzt werden, wollen wir nicht die Mitgliedschaft im Europarat und möglicherweise in anderen Organisationen aufs Spiel setzen. Wie wäre eine Streichung des bisherigen Artikel 112, der den «Fall Wille» ausgelöst hat, mit diesem Urteil vereinbar? Neu soll es im Art. 112 - entgegen der geltenden Verfassung - die Möglichkeit eines begründeten Misstrauensvotums des Volkes gegen den Fürsten geben. Das soll so geschehen: In begründeten Fällen soll eine Verfassungsinitiative nach Art. 64 Abs. 4 gestartet werden. Also müssen 1'500 Stimmen gesammelt werden, 1'500 Namen und Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern für einen Misstrauensantrag gegen den Fürsten. Hat man die beisammen, werden sie dem Landtag zur Empfehlung vorgelegt, anschliessend gibt es eine Volksabstimmung darüber. Hat sich die Mehrheit der Stimmbürger für das Misstrauensvotum ausgesprochen: Was passiert dann? Die Sache muss vom Volk abgegeben werden, weitergereicht werden an den Fürst zur Behandlung nach Hausgesetz. Dort entscheidet die Gesamtheit der stimmberechtigten Familienmitglieder des Hauses Liechtenstein über das Misstrauensvotum des Volkes. Wohlgemerkt, das entscheidende Gremium besteht aus stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses Liechtenstein, die den Stimmbürgern, also uns, nicht namentlich bekannt sind, die zum grössten Teil im Ausland leben respektive noch nie in Liechtenstein gelebt haben, wenig direkte Berührung zum Land haben und jetzt darüber entscheiden, ob die Mehrheit des liechtensteinischen Volkes mit ihrem Misstrauen Recht hat oder nicht.Nur zur Erinnerung: Wenn einer von uns seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, verliert er wie jeder normale Auslandsliechtensteiner sein Stimm- und Wahlrecht, auch wenn er hier aufgewachsen ist, hier verwurzelt ist, weiss Gott nicht wie lange hier gelebt hat. Die stimmberechtigten Mitglieder des Hauses Liechtenstein aber, zum grossen Teil an sich Auslandsliechtensteiner, sollen in dieser Frage des Misstrauensvotums über uns entscheiden. Das erinnert an Absolutismus. Und der Satz im Regierungsbericht auf Seite 31, ich zitiere: «Dadurch» - also durch diesen Entwurf - «wird der Landesfürst mit seinen Kompetenzen und Befugnissen als Staatsoberhaupt einer in Demokratien für Staatsoberhäupter völlig üblichen politischen Kontrolle unterstellt». Das klingt in meinen Ohren wie glatter Hohn. Wo sonst in der Welt entscheidet die Familie des Staatsoberhauptes über einen Misstrauensantrag des Volkes? Im Wesentlichen und aus den genannten Gründen sehe ich durch die Verfassungsvorschläge die Stellung vom Souverän Volk und seiner Vertretung, dem Landtag, insgesamt geschwächt, und zwar in der Gesamtwirkung vom absoluten Sanktionsrecht des Fürsten bei der Gesetzgebung, entscheidendem Einfluss des Fürsten bei der Auswahl der Richter, also der Zusammensetzung der Judikative, und der mittels Recht auf Vertrauensentzug der Regierung und Notverordnungsrecht sehr starken Stellung in der Exekutive. Das widerspricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung und schwächt die Position des Souveräns Volk, zumal die amtlichen Handlungen des Fürsten jeder Kontrolle durch wen auch immer entzogen werden sollen. Dem Volk bleibt nur die Möglichkeit, die Monarchie abzuschaffen. Aber das hiesse das Kind mit dem Bade ausschütten. Das will ja niemand.In den letzten rund 300 Jahren hatte und hat das Land dem Fürstenhaus sehr viel zu verdanken. Das Fürstenhaus und die Monarchie als Staatsform sind in der Bevölkerung tief verwurzelt. Von daher ist es mir ein grosses Anliegen, die Verfassungsfrage im Einvernehmen mit dem Fürsten zu lösen. Jede Möglichkeit dazu sollte wahrgenommen werden. Sollte das aber nicht möglich sein, ist der für alle sicher beste Weg, bei der bestehenden Verfassung zu bleiben.Das letzte Wort in dieser eminent wichtigen Frage wird sicher die Bevölkerung haben müssen in Form einer Volksabstimmung. Spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Verfassungsänderungsvorschläge aus, so bleibt die bestehende Verfassung weiterhin gültig, das heisst, wir bleiben ein Fürstentum Liechtenstein als konstitutionelle Erbmonarchie. Das Volk ist unverändert an die bestehende Verfassung gebunden, ebenso der Fürst, der darauf seinen Eid abgelegt hat. Danke.Abg. Donath Oehri:
Mein tiefstes Bestreben ist es, die Waagschale in unserem Staatsgebilde nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich möchte unseren Fürsten, ich möchte unseren Erbprinzen, ich möchte dessen Sohn und auch dessen Nachkommenlinien für uns und unsere nachkommenden Generationen sehr langfristig als Fürsten in unserem Land Liechtenstein wissen. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir unsere konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage nachhaltig und damit langfristig sichern können. Gerade unser Fürst ist es, der in langen Zeithorizonten denkt. Ich möchte für mich mindestens in dieser Frage in Anspruch nehmen, zu versuchen, ebenfalls in einem längeren Zeitraum zu denken. Und wenn ich mir die Staatsform der konstitutionellen Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage für uns und unsere nachkommenden Generationen gesichert haben möchte, muss ich in Bezug auf den vorliegenden Bericht und Antrag der Regierung im langfristigen und nachhaltigen Sinne sowohl unseres Fürstenhauses als auch unseres liechtensteinischen Volkes meine tiefsten Bedenken anmelden. Das liechtensteinische Volk möchte nichts am Gleichgewicht unserer Staatsgewalten verschieben. Das liechtensteinische Volk möchte einen Fürsten, der von Vaduz aus weiterhin auf dem Boden der Landesverfassung aus dem Jahre 1921 seine Geschäfte führt. Ich fürchte, dass das liechtensteinische Volk aufgrund der bedrohenden Bekanntgabe des Fürsten, er würde im Fall einer Ablehnung seiner Verfassungsvorschläge nach Wien ziehen, bei einer Volksabstimmung nicht völlig frei, und so, wie es im tiefsten Innersten empfindet, abstimmen und entscheiden würde. Meine Befürchtung ist also, dass wir dann vielleicht ein Abstimmungsergebnis hätten, das dem innersten demokratischen Volksempfinden nicht wirklich entspräche.Was wären die Konsequenzen davon? Kurzfristig wäre vielleicht sogar Ruhe, weil zum Ersten alle eigentlich der Auseinandersetzung überdrüssig sind. Zum Zweiten würden sich beide Souveräne zumindest in einer ersten Zeit sehr viel Mühe geben, nach Möglichkeit keine Auseinandersetzung zu provozieren. Vielleicht auch, um den heutigen Kritikern der vorgeschlagenen Änderungen die Bestätigung ihrer Argumente nicht zu liefern und ihnen damit nicht schon bald einmal Recht geben zu müssen. Man könnte auch sagen: Kurzfristig hätte unser Fürst einen Sieg errungen, er hätte sein Ziel erreicht. Es wäre, wie schon gesagt, zumindest in einer ersten Phase vorerst einmal ruhig.Ich wünsche unserem Fürsten, seinem Sohn und all seinen Nachkommen und uns allen nicht nur einen kurzfristigen Sieg, sondern ich würde ihm und uns einen wirklich langfristigen Gewinn gönnen. Ein Verfassung ist keine Sache von Kurzfristigkeit. Wenn wir unsere Verfassung heute ändern, dann haben wir die verdammte Pflicht, dies nun wirklich nachhaltig zu tun und sie für unsere Nachkommen auf eine langfristig sichere Basis zu stellen. Kurzfristiges Denken ist hier fehl am Platz. Gedanken wie: Die Verfassung muss nun einfach schnell - wie auch immer - geändert werden, eine längere Verfassungsdiskussion können wir uns im Moment nicht leisten, Gedanken wie: Wir haben sonst schon genug Probleme, staatspolitische Unsicherheiten verschlechtern das Image Liechtensteins, Gedanken wie: Unser Finanzplatz könnte darunter leiden, unser Wohlstand ist in Gefahr, es wird uns wirtschaftlich schlechter gehen, sind die falsche Basis für eine nachhaltige Verfassungsänderung.Die in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Änderungen bergen im beginnenden 21. Jahrhundert einige Konfliktstoffe in sich. Ich habe die Befürchtung, dass im Falle der Annahme dieser Regierungsvorlage beim nächsten vorprogrammierten Konflikt und bei der nächsten dann nötigen Verfassungsrevision unsere Nachkommen radikal verfahren werden. Ich befürchte, dass mein Wunsch, unsere Monarchie nachhaltig und langfristig zu sichern, nicht in Erfüllung ginge. Eine Änderung der Verfassung muss dem Rechnung tragen. Nicht unsere kurzfristigen Befindlichkeiten, nicht die Angst um kurzfristige Machtpositionen im Staat, nicht unser kurzfristiges Wohlstandsdenken muss ausschlaggebend sein. Die Verfassung muss so geändert werden, dass sie langfristig standhält. Die Regierungsvorlage ist weit weg von dieser Zielsetzung. Verschiedenen Artikeln werde ich meine Zustimmung erteilen, weil sie unproblematisch sind. Bei verschiedenen Artikeln - und das sind die wesentlichen - habe ich aber gerade im Sinne einer langfristigen Erhaltung unserer Monarchie in der nun vorliegenden Fassung meine Bedenken.Ich möchte im Folgenden nicht auf alle Details und auf alle Artikel eingehen. Ein Gesetz, aber auch eine Verfassung, besteht aus einer Anzahl von mehr oder weniger Artikeln. Jeder Artikel für sich muss stimmig sein, aber auch die Gesamtheit aller Artikel eines Gesetzes oder eben der Verfassung müssen in Kombination miteinander wohlabgestimmt sein. In der Verfassung stehen eine beträchtliche Anzahl von Gruppen an Gesetzesartikel-Kombinationen, die miteinander korrelieren müssen. Es ist dies wie ein Fadennetz. Was passiert wohl, wenn man an einem Faden zieht? Verändert man einen Artikel, so kann dies sogleich Auswirkungen auf ein oder mehrere andere Artikel haben. So kann es sein, dass eine Veränderung eines Artikels für sich betrachtet als allgemein anerkannter Fortschritt und als völlig problemlos erachtet wird, aber in der vernetzten Betrachtungsweise mit dem anderen korrelierenden Artikel kann plötzlich eine vielleicht ungewollte Auswirkung entstehen, die das gesamte Gleichgewicht auseinander bringt. Deshalb müssen wir bei der Behandlung von Änderungen von einzelnen Verfassungsartikeln neben der Beurteilung des isolierten Artikels für sich immer auch die Wechselwirkungen mit mehr oder weniger weiteren Artikeln einer Abwägung unterziehen. Nach genauem und wiederholtem Studium des Diskussionsbeitrages von Dr. Gerard Batliner ist mir eines immer bewusster und klarer geworden und dann auch immer beängstigender vorgekommen: Die Aussage, dass einige der vorgeschlagenen Änderungen ein labiles System schaffen, hat mich beschäftigt. Der Begriff der «Labilität des Staatssystems» taucht immer wieder im besagten Diskussionsbeitrag auf. Nach tieferem Studium der betreffenden Stellen musste ich erkennen, dass dies stimmt. Eine Institutionalisierung eines labilen Systems ist aber gerade das Letzte, was wir als Staat und vor allem auch als Kleinstaat brauchen können. Ist nicht gerade dies mit ein Grund, warum nun heute verschiedene Kräfte auf Biegen und Brechen die Verfassungsfrage wie auch immer, aber nur einmal einfach schnell gelöst haben wollen, um durch Auseinandersetzungen der Staatsgewalten nicht als gebrechliches, unsicheres Gebilde nach aussen zu erscheinen? Ich möchte den Begriff der «Labilität des Systems» exemplarisch am Beispiel der in der Verfassung verankerten Entlassungsmöglichkeiten der Regierung als Ganzes oder nur einzelner Regierungsmitglieder aufzeigen: Um ein starkes, sicheres und funktionierendes Staatsgebilde zu haben, ist es wichtig, eine starke Regierung zu haben. Eine Regierung, die mit Selbstbewusstsein auftritt, eine Regierung, die auf sicheren Beinen agieren kann. Eine Regierung, die nie sicher ist, abberufen zu werden, steht nicht auf sicheren Beinen und ist in der Konsequenz daraus für das Fortkommen eines Staatswesens fatal. Bisher war in Art. 80 geregelt, dass, wenn ein Mitglied der Regierung durch seine Amtsführung das Vertrauen des Landtages verliert, kann dieser beim Landesfürst die Amtsenthebung des betreffenden Regierungsmitgliedes beantragen. Das Recht des Agierens lag also eindeutig beim Landtag, wobei dieser nicht alleine den Amtenthebungsakt ausführen konnte. Nur der Fürst konnte dann den Amtsenthebungsakt vollziehen. Also war die Einvernehmlichkeit der beiden Souveräne Fürst und Landtag als Vertretung des Volkes nötig.Neu soll es diese Möglichkeit der Amtsentlassung sowohl für die Regierung als Ganzes als auch für das einzelne Regierungsmitglied geben. Neu soll der Fürst dieses Recht der Amtsenthebung der Regierung alleine zugebilligt erhalten, wie auch der Landtag alleine für sich. Während vorher noch die Art der Amtsführung als Grund für einen Vertrauensverlust angegeben werden musste, bräuchte es nun nach Vorschlag in der Regierungsvorlage keine Angabe eines Grundes mehr. Es gibt auch kein eigentliches Amtsenthebungsverfahren mehr. Der Fürst muss nur erklären, dass er das Vertrauen in die Regierung verloren hat, dann erlischt ihre Befugnis zur Ausübung des Amtes. In der Konsequenz wird sie zurücktreten müssen. Das gleiche Recht hat der Landtag. Eine Regierung hat meistens mehrere schwierige Geschäfte parallel zu betreuen. Eine Regierung sollte im langfristigen Interesse des Staates einen langen Atem haben. Eine Regierung sollte auch im kurz- und mittelfristigen Zeithorizont beurteilt, unpopuläre und dem Volk etwas abringende Entscheide fällen und fällen können. Eine Regierung sollte also nicht nur immer demoskopisch abgestützte kurzfristige Gefälligkeitspolitik für das Land machen. Das langfristige Ziel des Landes vor Augen habend muss eine Regierung auch Durststrecken durchwandern. In diesem Sinne braucht die Regierung eine starke Stellung in der Verfassung. Sie soll meiner Ansicht nach weder vom Souverän Landtag noch vom Souverän Fürst so einfach des Amtes enthoben werden können. Als Neuerung kann ich mir vorstellen, dass jeder Souverän den Antrag stellen können sollte, dass es aber für die effektive Amtsenthebung die Einvernehmlichkeit beider Souveräne braucht. Wenn ein Souverän nicht zustimmt, bleibt die Regierung als Ganzes oder das betreffende Regierungsmitglied im Amt. Ein Korrektiv kann dann spätestens bei den nächsten Wahlen durch den Souverän Volk erfolgen.Im Folgenden möchte ich die Situation der einseitigen Abberufungsmöglichkeit der Regierung durch den Fürsten exemplarisch aufführen, ohne auf die umgekehrte Variante der einseitigen Amtsenthebung durch den Landtag einzugehen: Die Regierung übt zwischen den beiden Souveränen Fürst und Volk respektive Landtag eine wichtige Mittlerfunktion aus. Auch mit dem Fürsten kann eine Regierung verschiedene schwierige Fragen offen haben. Es ist dann wichtig, dass eine Regierung gerade in schwierigen Situationen auf starken Beinen steht. Was aber ist das für eine Verhandlungsposition, wenn eine Regierung nur schon vom System her gegenüber dem Souverän Fürst, mit dem sie schwierige Themen aushandeln muss, in einem totalen Abhängigkeitsverhältnis steht? Was ist das für ein Gefühl, wenn sie weiss, dass der Verhandlungspartner ihr jederzeit das Vertrauen entziehen kann und sie dann aus dem Amt fällt? Eine Regierung, die gerade in einer vielleicht schwierigen Phase steht, möchte - und dies ist menschlich völlig richtig - ihre Aufgabe zu Ende führen. Sie möchte die Durststrecke überwinden, aus dem Tal herauskommen, möchte die Aufgabe nicht dann verlassen müssen, wenn sie noch nicht gelöst ist. Es gehört eben zu den hohen menschlichen Tugenden, nicht das sinkende Schiff zu verlassen, nicht im Anblick von grossen und schwierigen Aufgaben zu kapitulieren. Die Abhängigkeit der Regierung vom Souverän Fürsten, wie sie nun in der Regierungsvorlage geregelt ist, ist eine völlig unterwürfige Situation. Eine Situation, in der eine Regierung im Anblick der Abhängigkeit auch gegen die eigene Überzeugung zu Zugeständnissen gezwungen werden kann, weil sie sich eben nicht so leicht aus dem Amt hieven lassen möchte, weil sie die langfristig gesetzten Ziele im Sinne des Staates noch erreichen möchte. Die Regierung ist dann allenfalls zu Zugeständnissen bereit, die nicht immer unbedingt gut für ein Land als Ganzes sein müssen.Eine solche Zwitterposition ist nicht gut für das Land, und die möchte ich keiner Liechtensteinerin und keinem Liechtensteiner, der oder die ein Regierungsamt ausüben müssen oder dürfen, gönnen. Diese Labilität des Systems taucht, wie schon gesagt, an verschiedenen Stellen auf. Auch der Landtag könnte in der Folge der allfälligen Regierungsamtsenthebung Opfer dieser Labilität des Systems werden. Für mich ist auch nicht klar, dass für die Regierung als Ganzes ein viel leichteres Amtsenthebungsverfahren gelten sollte als für die Entlassung eines einzelnen Regierungsmitgliedes. Für die Kontinuität eines Staates ist es doch viel einschneidender, wenn eine ganze Regierung in die Wüste geschickt wird, als wenn nur ein einzelnes Mitglied entlassen würde. Dies ist für mein politisches Verständnis, wenn schon unterschiedliche Regelungen gelten müssten, in der Regierungsvorlage diametral verkehrt geregelt. Ich würde mich aber dafür aussprechen, die Entlassung der Regierung als Ganzes als auch die Entlassung eines einzelnen Regierungsmitgliedes in der gleichen Art zu lösen, nämlich so, wie es im Regierungsvorschlag bei der Entlassung des einzelnen Mitgliedes in Art. 80 Abs. 2 vorgeschlagen ist. Dies jedoch mit einer Ergänzung, die Klärung bringen würde. Ich werde diesen Formulierungsvorschlag dann bei der Lesung des Art. 80 einbringen.Die erwähnten und heute in der Debatte schon mehrfach genannten Unklarheiten in der Verfassung sind umso schwerwiegender, als in der Regierungsvorlage der bisherige Art. 112 völlig beseitigt werden soll. Der Art. 112 hat bisher den Staatsgerichtshof als Auslegungsinstanz bei Verfassungsfragen geregelt. Diese Funktion soll nun ein für alle Mal aus der Verfassung eliminiert werden.Solange alles gut und einvernehmlich läuft, bräuchten wir eigentlich keine Verfassung. Die Verfassung muss vor allem dann klare Antworten geben, wenn die Zeiten schwierig werden, dann, wenn eben nicht mehr alle einer Meinung sind. Ein Verfassungsauslegungsorgan ist ein Regulativ, das in jede Verfassung gehört. Wer ist zuständig bei der nächsten Verfassungs-Unklarheit, die wir heute noch nicht absehen? Meine Mühe habe ich auch mit den folgenden Artikeln: Aus meiner Sicht braucht es einen Artikel betreffend das Misstrauensvotum gegen den Fürsten und die Abschaffung der Monarchie nicht. Neben der Tatsache, dass schon heute, wenn es unbedingt nötig werden würde, die Verfassung in der Gestalt geändert werden könnte, dass eben keine Monarchie mehr bestünde, möchte ich nicht offensiv der Abschaffung unserer Monarchie das Wort reden. Der Gedanke ist das eine, das Wort ist schon stärker, die Tat ist dann nicht mehr weit. Darüber hinaus sind diese Regelungen nur vordergründig eine Stärkung der demokratischen Mittel des Volkes. Bei tieferem Studium entpuppen sie sich vor allem in korrelierender Kombination mit anderen Verfassungsbestimmungen als das Gegenteil, nämlich als Schwächung der Demokratie.Bedenken habe ich auch betreffend das Austrittsrecht der Gemeinden aus dem Staatsverband. Dies ist eine Verankerung des Zerfalls und der Entsolidarisierung in unserem Staatsgebilde, was in einem Kleinstaat wie Liechtenstein nicht grössenverträglich ist. Wir sollten vielmehr die Einheit, die Harmonie und den Zusammenhalt verankern. Die Aussenwirkung eines solchen Artikels auf die Weltpolitik dürfte meiner Ansicht nach sehr bescheiden sein. Unser Staatswesen ist zu klein, als dass es sich für weltpolitische Experimente dieser Art eignet. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Austrittes einer Gemeinde in Wirklichkeit sehr klein wäre, ist es nicht richtig und nötig, dass nur schon im Ansatz einer Gemeinde je einmal die Möglichkeit in die Hand gegeben wird, sich zwar in egoistischer und Quängel-Art mit Drohgebärden Druck zu verschaffen und innenpolitische Ziele gegen die anderen Gemeinden zu erreichen, nämlich mit der Drohung: Wenn ihr das nicht tut, dann werden wir austreten. Rein wirtschaftlich könnte sich dies in diesem Moment, wenn überhaupt, nur Vaduz und Schaan allenfalls leisten. Wenn überhaupt für etwas könnte man dieses Recht nämlich wirklich nur zu solchen egoistischen wirtschaftlichen Zielen verwenden, denn wir haben weder in Rasse, Religion, Sprache und Kultur relevante Identitätsunterschiede.Dann habe ich meine Bedenken betreffend dem Sanktionsrecht des Fürsten, dem Notverordnungsrecht und der Richterbestellung. Vor allem das Zusammenwirken all dieser Punkte bewirkt eine Schwächung des demokratischen Elementes, und das darf im 21. Jahrhundert nicht sein. Dies würde sich, wie schon vorher erwähnt, als mittel- bis langfristiger Bumerang für unsere Monarchie, für uns und unsere Nachkommen erweisen. All diese Punkte bedürfen einer weiteren Klärung im Sinne einer nachhaltigen langfristigen Regelung für uns alle. Ich spreche mich deshalb für weitere Verhandlungen mit dem Fürsten aus. Bis wir eine Neuregelung haben, gilt die Verfassung aus dem Jahre 1921, an die wir alle gebunden sind.Abg. Helmut Bühler:
Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete, Herr Präsident. Heute, am 20.12.2001, werden die Weichen für die Zukunft Liechtensteins im Landtag gestellt. Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner sowie etliche Wissenschaftler, hochdotierte Professoren und Völkerrechtler haben sich um unsere Verfassung, ihre Auslegung über die Rechtmässigkeit und demokratische Grundlagen vertiefte Gedanken gemacht. Allein schon die Vielzahl der gemachten Expertengutachten machen es dem Normalbürger schwer, sich klar darüber zu werden, wer denn von diesen Politikwissenschaftlern und Forschern über Staat und Recht nun eben die richtige und vor allem ausgewogenste Auslegung über unsere Verfassung darlegt. Gedanken über den Sinn einer Monarchie kommen hoch. Hinter was stehe ich? Glaube ich an die Zukunft und den Staat Liechtenstein in seiner heutigen dualen Staatsform? Bin ich für Beibehaltung der Monarchie? Ich glaube daran und meine, für unser Land ist es nach wie vor die beste Lösung. Ich kann den eingeschlagenen Weg der Regierung unterstützen. Einzig im Bericht und Antrag der Regierung wäre eine Gegendarstellung über die Gutachten nützlich gewesen.Ein kurzer Rückblick in die Vergangenheit verdeutlicht, wie die Verfassung von 1921 gehandhabt wurde: In einer Studie über das Verfassungsrecht Liechtensteins habe ich Folgendes gelesen: Im Jahre 1921 ging es bei der Schaffung der Verfassung nicht um eine rechtstechnische Perfektionierung, sondern um sinnvolle Regelungen nach Massgabe bisheriger staatspolitischer Erfahrungen und neuer staatspolitischer Zielsetzungen. Um was geht es denn heute? Verfolgen wir denn nicht genau dasselbe Ziel? Warum regiert Hass und Neid über unser Land? Warum werden persönliche Interessen vor das Allgemeinwohl des Landes gestellt? Der Landtag wurde das erste Mal 1926 aufgelöst. Weitere Auflösungen erfolgten in den Jahren 1928, 1939, 1953, 1958, 1989 und 1993. Bis heute ist dies sieben Mal in 80 Jahren. Die Verfassungswirklichkeit zeigt zwar mehrere Fälle der Auflösung des Landtages durch den Fürsten, aber keinen einzigen Fall einer formellen Entlassung der Regierung. Die seltenen Fälle eines mehr oder weniger freiwilligen Rücktritts des Regierungschefs in Folge eines fürstlichen Ultimatums wie im Jahre 1928 von Gustav Schädler, und im Jahre 1945 von Josef Hoop - Alexander Frick ist im Jahre 1962 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten - die Fälle des Rücktritts der Regierung und der Auflösung des Landtags sind verhältnismässig selten. Sie sind Ausnahmen in Zeiten von Regierungskrisen wegen parteipolitischer Interessenkonflikte mit der Folge von temporär unüberbrückbaren politischen Entzweiungen der im Landtag und in der Regierung vertretenen politischen Parteien. Das verdeutlicht, dass sich die Verfassung bisher bewährt hat.Wir sollten alles daran setzen, dass die Abänderung der Verfassung die nächsten 80 Jahre auch bestehen kann. Liechtenstein ist seit 1982 Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Gründerstaates des Europarates bekräftigen darin ihren tiefen Glauben an die Menschenrechte und Grundfreiheiten als Grundlage von Gerechtigkeit und Frieden in der Welt, die am besten durch eine wahrhaft demokratische politische Ordnung sowie durch ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Achtung der diesen Grundfreiheiten zugrunde liegenden Menschenrechte gesichert werden. Wir sollten uns diese Worte einprägen und in Erinnerung halten.In Art. 4 bestehen gravierende staatsrechtliche und völkerrechtliche Probleme, für deren Lösung keine Vorsorge getroffen wird. Unser Land könnte durch einen Austritt einer Gemeinde getrennt werden. Dieser Artikel ist völkerrechtlich so umstritten, dass die Grösse unseres Landes über dessen Sinn eigentlich alles aussagt. Weitere entscheidende Artikel der Verfassung, die hinterfragt werden müssen, sind ein Vertrauensverlust der Regierung sowie der Misstrauensantrag gegen den Landesfürsten. Im Weiteren begrüsse ich die Nennung einer Delegation, welche Verhandlungen nach der 1. Lesung mit dem Fürstenhaus aufnehmen kann. Darin sehe ich letztendlich eine Chance, die umstrittenen Artikel beraten zu können.Abg. Rudolf Lampert:
Als ich vor 10 Jahren angefragt wurde, ob ich mich für den Landtag zur Verfügung stellen würde, war meine erste Frage: Wie steht die Bürgerpartei zum Fürsten und zum Fürstenhaus? Ich machte damals meinen Entscheid von dieser Frage abhängig, da bereits damals die Verfassung in Diskussion stand. Die Antwort damals war klar und eindeutig: Wir stehen zur Monarchie und wir stehen zum Fürsten. Nach der Eröffnungssitzung des Landtages war die erste Frage des Fernsehens ORF an mich: Wie stehen Sie zur Verfassung? Meine Antwort damals war: Die Verfassung hat seit 70 Jahren Bestand und hat sich bewährt. Ich persönlich brauche keine neue Verfassung.Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass im Jahre 1994 - hier im Landtag - ein Auftrag an die Verfassungskommission formuliert wurde. Es konnten nicht genug Änderungen eingebracht werden. Das Fuder an Forderungen konnte nicht hoch genug geladen werden. Der heutige Landesfürst war damals bereit, seine Aufgaben auf Basis der gültigen Verfassung wahrzunehmen. Mich wundert es deshalb, dass dieselben Kreise, die heute einen Fortbestand der derzeit gültigen Verfassung fordern, sich damals vehement gegen diesen Fortbestand gewehrt haben. Heute haben wir einen Scherbenhaufen, denn aufgrund der ganzen Diskussionen ist auch der Landesfürst nicht mehr bereit, auf dieser Basis seine Funktionen wahrzunehmen. Die Folge sind die jetzt vorliegenden Verfassungsvorschläge.Die verschiedensten Vorredner haben ihre Wertungen über deren Inhalt abgegeben. Diese Vorlage entspricht sicherlich in einzelnen Punkten nicht meinen Traumvorstellungen. Auch ich würde es vorziehen, bei den alten Artikeln und Formulierungen zu bleiben. Wir selbst haben meines Erachtens zu hoch gespielt und alles auf eine Karte gesetzt. Der Fürst hat seine eigenen Vorstellungen eingebracht, und ich bin davon überzeugt, dass es dem Fürstenhaus ernst ist mit den angekündigten Konsequenzen. Die Interpretationen bezüglich der Auswirkungen der neuen Formulierungen ist für uns alle nicht einfacher geworden. Tausende von Seiten an Expertisen wurden geschrieben und uns zugestellt. Kaum dachte man, dass alles klar ist, kam sicher wieder eine Gegenexpertise, die genau das Gegenteil der vorherigen Ausführung plausibel belegte. Jeder der Fachleute kommt zu anderen Schlüssen. Worauf soll man sich als juristischer Laie denn noch stützen können, wenn die Fachleute sich schon in den Haaren sind? Auch das Volk weiss nicht mehr, wem es glauben und trauen soll.Sind die Vorschläge nun völkerrechtswidrig oder nicht? Bekommt der Fürst nun mehr Rechte oder das Volk? Dazu kommt die Schwierigkeit, dass sowohl Befürworter als auch Gegner der neuen Vorschläge zum hoch geschätzten persönlichen Freundeskreis gehören. Diese Freunde sind auch vielfach mit gutem Rat zur Seite gestanden. Ich musste mit Schrecken feststellen, dass sich der Stil der Diskussionen von einer sachlichen auf eine emotionale Ebene verlagert hat. Wer eine eigene Meinung hat, die dem anderen nicht passt, wird als Landesverräter hingestellt. Befürworter werden bezichtigt, dass sie den zukünftigen Einwohnern dieses Landes ihre Ehre stehlen und die nächste Generation in einen Untertanen-Status degradieren. Die Vorschläge werden als bewusste Mogelpackung hingestellt. Dem Landesfürsten und damit der Institution selbst wurde noch nie mit so viel Respektlosigkeit begegnet. Was früher noch tabu war, ist heute salonfähig. Wir stellen dies sowohl verbal als auch in Karikaturen fest. Hemmschwellen und Grenzen sind gefallen. Der Landesfürst hat sicher auch einige Reaktionen selbst provoziert.Um auf den Inhalt der Verfassung zurückzukommen: Die von den Gegnern der Vorlage propagierte bisherige Verfassung hat in der Vergangenheit genauso ihre Stärken, aber auch Schwächen gezeigt. Sie hat weder die Richterbestellung in Bezug auf Dr. Herbert Wille zu regeln vermocht, noch hat sie den Konflikt anlässlich der Volksabstimmung über den EWR, welche zur Demonstration am 28. Oktober 1992 vor diesem Haus geführt hat, verhindern können. Die strittigen Punkte der bestehenden Verfassung werden auch mit den neuen Vorschlägen nicht gänzlich beseitigt.Unsere Staatsform mit zwei Souveränen ist auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Fürst und Volk, vertreten durch den Landtag, aufgebaut. Es ist für mich schon längst nicht mehr eine rein juristische Frage, sondern eine Frage des Vertrauens in die Institution Fürst und damit auch in die Person des regierenden Landesfürsten. Es geht, auch wenn dies viele nicht wahrhaben wollen, jetzt faktisch darum, ob wir weiterhin diese Staatsform wollen oder nicht. Es geht darum, ob wir ein Fürstenhaus mit politischen Rechten haben wollen oder nicht. Es geht um den Fortbestand der Monarchie in dieser Form.In diesem Zusammenhang zitiere ich eine Passage aus einem Brief, den ich in den letzten Tagen erhalten habe, die meines Erachtens den Nagel auf den Kopf trifft. Ich zitiere daraus: «Für mich ist nicht entscheidend, was derzeit im Detail in der Verfassung steht, sondern entscheidend ist heute und morgen, was wir daraus machen».Ich persönlich habe nach wie vor Vertrauen darauf, dass dem Landesfürsten das Wohl dieses Landes und seiner Einwohner am Herzen liegt. Was soll nun geschehen? Wenn ich die heutigen Voten höre, wird der Verfassungsvorschlag in der jetzigen Form kaum die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit, also 19 Stimmen, erhalten. Ich hoffe, dass der Landesfürst im einen oder anderen Artikel doch noch seinen Spielraum walten lassen wird. So vor allem in Art. 11, wo meines Erachtens das demokratische Element im Richterbestellungs-Gremium zu kurz kommt. Ebenso liegt für mich eine Schlüsselstelle darin, dass im Falle der Amtsenthebung der Regierung die Situation des Regierens mit Notrecht ungenügend geklärt ist. Auch scheint mir wichtig, den Art. 112 erneut zu hinterfragen, sowohl was das Weglassen des alten Artikels betrifft als auch was das Recht der Abschaffung der Monarchie anbelangt. Ich bin der Ansicht, dass dieser Verfassungsartikel das Nebeneinander von Fürst und Volk, vertreten durch den Landtag, regeln sollte und nicht die Trennung.Wie aber geht es weiter, wenn keine Einigung erzielt wird und der Landtag in der nächsten Sitzung, in der die Vorlage behandelt wird, keine Zustimmung erteilt? Die Folgen sind absehbar, aber kaum verkraftbar für unser kleines Land, welches unter massivem aussenpolitischem Druck steht. Eine Initiative, die für diesen Fall bereits angekündigt ist, wird fatale Folgen haben. Selbstverständlich steht das demokratische Recht, initiativ zu werden, jedem Bürger zu. Es ist aber auch Bürgerpflicht, die Konsequenzen abzuschätzen und zu überlegen, ob eine weitere Eskalation des Konfliktes und Spaltung unseres Landes mit allen unschönen Begleiterscheinungen verantwortbar ist.Kompromisse sind erforderlich, denn wie immer die Angelegenheit endet, wir müssen uns nachher so oder so wieder zusammenraufen und miteinander auskommen. Ich hoffe daher nach wie vor auf den guten Willen aller Beteiligten und auf eine tragfähige Einigung, damit sich unser Land zusammen mit dem Landesfürsten wieder seinen eigentlichen Aufgaben und Herausforderungen widmen kann.Abg. Walter Vogt:
Herr Präsident, Damen und Herren Abgeordnete. Selbst auf die Gefahr hin, dass ich gerügt werde, möchte ich zu Ihrem Eintretensvotum, Herr Präsident, ein paar Worte sagen: Anscheinend wussten Sie, was Ihre Worte bewirken; Sie haben sich gut vorbereitet. Ich stelle mich hinter die Voten des Landtagsvizepräsidenten Peter Wolff und des Abg. Paul Vogt. Auch ich empfinde Ihr Votum - gelinde gesagt - als Nötigung. Auf eine solche präsidiale Schelte auf Vorrat kann ich verzichten. Sie können hundert Mal von Ihrer persönlichen Meinung reden, Sie reden aber als Landtagspräsident und somit als höchster Volksvertreter im Landtagssaal, und nur aus dieser Sicht ist Ihr Votum zu verstehen.Die Verfassung ist der Leitfaden für das Zusammenleben innerhalb des Staates. Sie regelt die Aufgaben und Kompetenzen für Volk, Fürst, Landtag und Regierung. Unsere spezielle Staatsform als konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage ist auf zwei Souveränen aufgebaut. Diese Staatsgewalt ist im Fürsten und im Volke verankert. Sie wird von beiden nach Massgabe der Bestimmungen der gültigen Verfassung ausgeübt. Die Gründerväter unter Wilhelm Beck haben im Jahre 1921 eine gute Verfassung ausgehandelt. Wir haben mit ihr in den letzten 80 Jahren sehr gut gelebt. Sie ist ein wesentlicher Faktor für unser heutiges Wohlergehen. Es ist aber auch unbestritten, dass einige Punkte den veränderten Verhältnissen angepasst werden müssen. Seit einigen Jahren schwelt der Verfassungskonflikt.S. D. der Landesfürst Hans-Adam II. drängt vor allem seit den Ereignissen im Jahre 1992 auf eine Verfassungsrevision. Dadurch wurde unter der Vorgänger-Regierung eine Landtagskommission aus Mitgliedern aller im Landtag vertretenen Parteien gebildet. Ihr gehörte unter anderem auch der heutige Regierungschef an. Meines Erachtens wurden in dieser Kommission konstruktive Vorschläge erarbeitet, welche die kritischen Punkte bereinigt hätten. Leider waren die Verhandlungen mit Seiner Durchlaucht ergebnislos, nicht zuletzt durch Beharren auf Forderungen, welche die Kräfteverhältnisse auf Kosten des Volkes verschoben hätte.Der Bericht liegt nun zur Beratung vor. In einer verzwängt eingeschobenen Sondersitzung des Landtages muss er noch in zwei Arbeitstagen vor Weihnachten in 1. Lesung beraten werden. Ohne speziell auf Details einzugehen - dazu gibt es während der Lesung genug Möglichkeit - möchte ich ein paar Punkte erörtern, warum ich diesem Verfassungsentwurf in der Form meine Zustimmung nicht geben kann: Beim Durchlesen des Berichtes und Antrages muss man feststellen, dass die Vorschläge der Verfassungskommission in dem uns vorliegenden Verfassungsentwurf nicht berücksichtigt werden. Überdies ist es für mich viel zu wenig ausführlich. Auch fehlen mir vertiefte Analysen über Konsequenzen, welche sich aus Änderungen ergeben, aus Änderungen einzelner Artikel, welche dann mit anderen in Zusammenhang gebracht werden müssen. Dies kann nicht in einer 1. und 2. Lesung geschehen. Es wurden die von Seiner Durchlaucht und dem Forum Liechtenstein eingebrachten Vorschläge komplett übernommen. Eine eigene Meinung der Regierung ist nicht zu erkennen.Der Bericht und Antrag der Regierung bewirkt keine marginale Änderung der Verfassung, im Gegenteil: Sie wurde substanziell geändert. In erster Linie ist für mich absolut unverständlich, dass eine so wichtige Vorlage ohne breite Vernehmlassung, ohne Expertenberatung und ohne öffentliche Meinungsbildung in den Landtag kommt. Für eine Verfassungsänderung ist dies, gelinde gesagt, sehr ungewöhnlich, wenn nicht fahrlässig. Als Beispiel sei das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden angeführt. Ohne bei den Gemeinden nachgefragt zu haben, wurde dieser marginale Artikel in die Verfassungsänderung aufgenommen. Zudem wäre es für die Entscheidungsfindung für den Landtag sehr wichtig, wie sich die verschiedenen Gruppierungen und Interessenvertretungen zu den Änderungsvorschlägen äussern.Verfolgt man die verschiedenen Artikel und Interviews in unseren Landeszeitungen, so liest man, je nach Anschauung, oft von Abbau oder Ausbau der Demokratie. Dadurch wird der grosse Zusammenhang in den Hintergrund gedrängt. Wenn man aber die verschiedenen Änderungsvorschläge als Gesamtes betrachtet, wird das ausgewogene System der Gewaltentrennung der alten Verfassung eliminiert. Dadurch, dass der Fürst in der Legislative, in der Exekutive und in der Judikative das absolute Sagen haben will, und gleichzeitig keinem Gesetz unterstellt ist, wird das Machtverhältnis zugunsten des Fürsten einseitig verschoben. Die Meinung von Verfassungsrechtlern wäre dazu sehr interessant.Ein marginaler Punkt ist für mich die Richterernennung. Es ist bei unseren kleinen Verhältnissen unabdingbar, dass die Richterernennung absolut unabhängig ist. Da begrüsse ich den Art. 11 Abs. 3, ein Gremium unter dem Vorsitz Seiner Durchlaucht zu bilden, welches dem Landtag entsprechende Vorschläge zu unterbreiten hat. Es kann aber nicht mit einem versteckten Vetorecht versehen sein, welches die Entscheidung schlussendlich in die Hände einer Person legt und die demokratischen Rechte wieder verfälscht.Ein weiterer zentraler Punkt ist die Einbettung des Hausgesetzes in die neue Verfassung. Obwohl es bisher vom Landtag nicht genehmigt wurde, soll es ein integraler Teil der Verfassung sein, zum Teil würde es sogar über der Verfassung stehen. Es könnte ein neues einseitiges Verfassungsorgan sein. Im Hausgesetz ist verankert, wer stimmberechtigtes Mitglied ist. Wer stimmberechtigt ist, ist familienintern und der Öffentlichkeit nicht bekannt. Obwohl der Souverän Volk vom Hausgesetz sehr stark betroffen ist - siehe Veto- und Notverordnungsrecht - hat er keinerlei Einfluss. Nur durch das Hausgesetz wird schlussendlich bestimmt, ob zum Beispiel ein Fürst abgesetzt wird oder nicht.Wie schon oben erwähnt, regelt die Verfassung das Miteinander zwischen Volk, Fürst, Landtag und Regierung. Um eventuelle verschiedene Auslegungen zu korrigieren, braucht es ein Schiedsgericht. Dies wurde in der bisherigen Verfassung unter Art. 112 klar und eindeutig geregelt. Er besagt, dass, wenn über Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel entstehen und keine Übereinkunft zwischen Fürst und Landtag zustande kommt, dann entscheidet der Staatsgerichtshof. Dies ist wahrscheinlich der Kernartikel der Verfassung. Volk und Fürst ist ihm nach wie vor unterstellt. Dieser Artikel soll in der Form ersatzlos gestrichen werden. Statt dessen soll dem Volk die Möglichkeit gegeben werden, die Monarchie durch eine Initiative und spätere Volksabstimmung abzuschaffen. Mir ist bis jetzt niemand bekannt, der die Monarchie abschaffen will. Es gibt auch keine Mehrheit, die den Wunsch hätte, dies zu tun. Mir ist einfach unverständlich, wieso Seine Durchlaucht dies immer wieder ins Spiel bringt. In meinen Augen muss der vorgeschlagene Artikel zur Gänze weggelassen und der alte Artikel 112 beibehalten werden.Der Abg. Rudolf Lampert hat in seinem Artikel vom 18. Dezember 2001 im «Volksblatt» als Überschrift die Worte «nicht trennen, sondern verbinden» gewählt. Dies soll und muss unser Leitfaden in der ganzen Verfassungsdiskussion sein. Hier geht es um eine Angelegenheit von solcher Tragweite, dass parteipolitische Überlegungen in den Hintergrund treten müssen. Es geht nicht darum, welche Partei schlussendlich Recht bekommt, auch Drohungen sind nicht das richtige Mittel, um etwas zu erreichen. Denn Druck erzeugt Gegendruck. Es geht um die Sorge um die demokratischen Errungenschaften, welche Wilhelm Beck und seine Mitstreiter im Jahre 1921 erreicht haben und nota bene, mit denen wir gut gelebt haben. Schlussendlich geht es um das friedliche Zusammenleben in unserem Land. Lassen wir es in der Verfassungsfrage zu einem guten und für alle Beteiligten tragbaren Ende kommen, aber nicht um jeden Preis.Abg. Walter Hartmann:
Herr Präsident, meine Damen und Herren. «Der Verfassungskonflikt ist beigelegt», das war die Kernaussage des Fürsten in seiner Ansprache anlässlich des vergangenen Staatsfeiertages auf der Schlosswiese und gleichzeitig die unmissverständliche Botschaft an sein Volk, dass die Verfassung «ausverhandelt» sei. Und auch der Landtagspräsident liess keinen Zweifel darüber aufkommen, dass unter Ausserachtlassung aller vorliegenden Gutachten ein historischer Kompromiss auf der Basis der Initiative des Forums Liechtenstein für eine glückliche und sorgenfreie Zukunft dieses Landes sorgen werde und daher unbedingt als historische Chance genutzt werden müsse. Schon bald könne man sich wieder wichtigen und bedeutenden Aufgaben zuwenden. Im Vorfeld des vergangenen Staatsfeiertages fand also bereits auf dem Wege geheimer Diplomatie und unter Umgehung der Legislative der Ausverkauf der Demokratie statt.Der Inhalt des so genannten Kompromisses und die Art und Weise seiner Entstehung sind ein unmissverständlicher Hinweis darauf, wie mit dem Volk in Zukunft verfahren werden soll, sollten denn dereinst die Verfassungsänderungsvorschläge, über die wir hier beraten, das Grundgesetz für das Zusammenleben in diesem Staat bilden.Obwohl also bereits am 15. August der historische Kompromiss des Forums Liechtenstein, der in Tat und Wahrheit dem Verfassungsänderungsvorschlag des Fürstenhauses vom 1. März dieses Jahres inhaltlich wie sachlich entspricht, im würdigen Rahmen des Staatsfeiertages feierlich proklamiert wurde, liess sich die Regierung unverhältnismässig viel Zeit, ihre Vorlage den Landtagsabgeordneten zur Kenntnis zu bringen. Den Abgeordneten blieben demnach nur gerade etwas mehr als drei Wochen Zeit, um sich auf die bedeutendste und folgenschwerste Debatte der letzten 80 Jahre in diesem Hohen Haus vorzubereiten.Über die Absicht, die hinter dieser Eile steckt, darf man durchaus spekulieren und sich Gedanken machen. Es zeugt jedenfalls nicht von adäquatem hohem Verantwortungsbewusstsein der Regierung, den Landtagsabgeordneten nach einem arbeitsreichen Jahr im Parlament noch kurz vor Weihnachten - absolut übereilt, wie ich meine - eine so schicksalsträchtige Debatte zuzumuten. Auch die Terminierung dieser bedeutenden Landtagssitzung scheint konzeptionelle Absicht zu sein. Herr Regierungschef: Sie gehen, abgesehen von Ihrer eigenen Haltung in der Verfassungsfrage, die nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass dieses Land einem ausweglosen Chaos zuzustreben scheint, leichtfertig mit der Verantwortung für diesen Staat um.Immer wieder wird mit dem entsprechenden Pathos der Kompromiss zwischen Fürst und Volk, vertreten durch den Landtag, beschworen. Es fällt mir schwer, anzunehmen, dass es überhaupt einen Menschen in diesem Land gibt, der in diesem hier vorliegenden Verfassungsentwurf einen Kompromiss auszumachen in der Lage ist, selbst bei grösster Fantasie nicht. Und selbst die tiefste Ehrfurcht vor der Monarchie und dem Fürsten und die Angst, er könnte seine Drohung, das Land zu verlassen, wahrmachen, sollten nicht dazu führen, einen Kompromiss zu erkennen, wo er weder beabsichtigt noch real vorhanden ist.Neben der drohenden Vernichtung des Finanzplatzes Liechtenstein durch die OECD und dem damit verbunden Kollaps der Wirtschaft unseres Landes stehen wir nun vor der grössten Herausforderung Liechtensteins seit seiner Entstehung. Seit dem 5. Oktober 1921 ist das Fürstentum eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage. Seit 80 Jahren also haben wir ein Grundgesetz, das zugegebenermassen zwar in die Jahre gekommen ist und formal durchaus aktualisiert werden kann, sich aber inhaltlich und sachlich bestens bewährt hat. Es hat beiden gleichwertigen Souveränen hervorragend für ein äusserst positives Wirken zum Nutze und Wohle dieses Staates gedient.Ich bekenne mich uneingeschränkt zur Verfassung vom 5. Oktober 1921 und verneige mich in Ehrfurcht vor deren Vätern, namentlich vor Wilhelm Beck, deren bedeutendes und für das Land Liechtenstein fruchtbares Erbe durch diese Vorlage der Regierung, die inhaltlich und sachlich mit dem Verfassungsänderungsvorschlägen des Fürsten identisch ist, in seiner Existenz gefährdet ist bzw. sogar ausgelöscht werden soll.Weltweit kämpfen noch heute Hunderte Millionen Menschen um demokratische Rechte und demokratisch ausgestattete Grundgesetze, und nicht wenige davon verlieren dabei ihr Leben. Das moderne Liechtenstein kann und will es sich leisten, auf demokratische Rechte zu verzichten, die es sich vor 80 Jahren auf dem Verhandlungswege erworben hat. So zumindest wollen es Fürst und Regierung. Und die Regierung vornehmlich deshalb, weil das Staatsoberhaupt in Ermangelung sachlicher Argumente die Verfassungsdiskussion auf die emotionale Ebene verlagert hat, indem es mit seinem Wegzug aus dem Land, mit dem Ende der Monarchie und dem Verlust des Namens Fürstentum Liechtenstein und damit mit dem Identitätsverlust für Volk und Land gedroht hat. Dies nur ein kleiner Auszug aus einem umfassenden Katalog verschiedener Drohungen.Wenn ein so hoher emotionaler Einsatz notwenig ist, um die sachliche Begründung für eine so fundamentale Verfassungsänderung, die in Tat und Wahrheit eine Systemänderung bedeutet, zu flankieren, dann habe ich meine ernsten Zweifel, ob es überhaupt eine sachliche Begründung für diese Verfassungsänderung gibt, und schon gar für eine Verfassungsänderung in dieser so schwer wiegenden Form. Ich lehne die Verfassungsänderungsvorschläge der Regierung, die identisch sind mit jenen des Fürsten vom März 2001 und ebenso identisch sind mit denen des Forums Liechtenstein vom 12. Juli 2001, entschieden ab. Für diese paradoxe antizyklische Entwicklung mit dem Verlust demokratischer Rechte hin zu einer fundamentalen und diktatorischen Monarchie habe ich absolut kein Verständnis.Verständnis habe ich für die Anliegen des Staatsoberhauptes. Aber nur insofern, als ich jedem Menschen das Recht zubillige, zu denken, zu planen und handeln, wie er es für rechtens und angebracht hält. Das bedeutet aber nicht, dass ich diese Gedanken und das davon abgeleitete Handeln auch teilen muss. Ebenso beharre ich auf meinem Recht, meine eigene Auffassung zu haben, ohne dafür mit Verachtung beurteilt zu werden und ohne jede Einschüchterung, Herr Landtagspräsident.Damit komme ich zu einem ganz wesentlichen Punkt dieser Diskussion: Von Anfang an bis heute waren und sind die emotionalen Aspekte innerhalb der gegenständlichen Verfassungsdiskussion höher gewichtet wie die sachlichen Argumente. Ich habe Verständnis dafür, wenn das Staatsoberhaupt nach den Ereignissen im Oktober 1992 enttäuscht, gekränkt und verbittert war. Namentlich der 28. Oktober 1992 war für S. D. den Landesfürsten eine bittere Erfahrung. Ich bezweifle aber, ob Enttäuschung, Kränkung und Verbitterung die geeigneten Ratgeber und Wegbegleiter für eine Veränderung der Verfassung zum Wohle und zur gedeihlichen Zukunftsentwicklung für einen Staat und seine Gesellschaft sein können und dürfen.Gerade aus dem besonderen Aspekt heraus, dass die Verfassungsdiskussion vornehmlich auf der emotionalen Ebene geführt wurde, gestaltet sich eine sachliche Auseinandersetzung äusserst schwierig und heikel. Dennoch muss sie in hohem gegenseitigem Respekt in aller Offenheit geführt werden, ohne dass daraus Nachteile und persönliche Verunglimpfungen erwachsen dürfen, selbst wenn die Aussichten auf einen akzeptablen Kompromiss - nach allem was bisher bekannt ist - unmöglich erscheinen.Der Chefideologe des «Volksblattes» und damit ein nicht unwesentlicher Meinungsmacher in den Reihen der FBP hat es unlängst auf den Punkt gebracht. Nach dieser Verfassungsdiskussion erst recht und nach dem unvermeidlich scheinenden Gang vors Volk werden wir eine Zweiklassengesellschaft haben. Die Guten sind für die Verfassungsänderungsvorschläge von Fürst und Regierung und sind selbstverständlich in den Reihen der FBP auszumachen, die Bösen sind wie immer dagegen und gehören der Vaterländischen Union und der Freien Liste an. So einfach ist das. Gerade dies aber ist das völlig falsche Signal und eine weitere der Sache abträgliche Eskalation der Emotionen. Wer Disharmonie, Zwietracht und Hass sät, wird Disharmonie, Zwietracht und Hass ernten. So einfach ist das.Damit komme ich zu einem weiteren Kernpunkt der Diskussion: Dem Finanzplatz Liechtenstein droht die Vernichtung durch die Staatengemeinschaft der OECD und FATF und damit kommt die gesamte Wirtschaft unter massiven Druck. Um diesem enormen Druck und der riesigen Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Liechtenstein die überlebensnotwenige Widerstandskraft entgegenzusetzen, braucht es eine in sich geschlossene, stabile und harmonische Gesellschaft. Wer in der Verfassungsfrage polarisiert und immer wieder zusätzlich Öl ins Feuer giesst, nimmt billigend in Kauf, dass diesem Land weit über die Verfassungsfrage hinausgehend ein bleibender und kaum zu korrigierender Schaden zugefügt wird.Müssen wir denn mit aller Gewalt alles zerstören, was mühsam aufgebaut wurde und zu einem existenziell bedeutenden Teil dieses Gemeinwesens geworden ist? Die Verfassungsdiskussion als solche und die Art und Weise, wie sie initiiert wurde und heute und in naher Zukunft geführt wird, wird dieses Volk einer ungeheuren Zerreissprobe unterziehen. Ich habe die grosse und berechtigte Befürchtung, dass unser Volk daran zerbrechen könnte. Eine in sich inhomogene, zerrissene Gesellschaft ohne jede Widerstandskraft ist von aussen ohne Mühe unter Druck zu setzen. Und das kann es wohl nicht sein, was wir ernsthaft wollen. Wir brauchen Frieden im Inneren, dann sind wir stark nach aussen.Der hier vorliegende und zur Diskussion stehende Verfassungsänderungsvorschlag, dieser so genannte Kompromiss, bringt mit Sicherheit nie und nimmer die dringend benötigte Stabilität. Im Gegenteil: Diese Vorlage kann mit Bestimmtheit nur eines: Sie generiert nur Verlierer. Sie zerstört mutwillig ein blühendes, friedliches und relativ harmonisch funktionierendes Gemeinwesen. Das Rad der Zeit kann nicht zurückgedreht werden, von niemandem, und auch Irrtümer der Geschichte sind nicht korrigierbar. Die Zukunft ist, dass Sie die von jedem verantwortungsbewussten Politiker in höchst möglichem Wohlergehen für das Land und seine hier lebenden Menschen gesehen werden muss.Deshalb bitte ich Sie, verehrter Durchlauchter Landesfürst, und ich tue dies inständig aus tiefster Sorge um unsere gemeinsame Heimat: Ziehen Sie Ihre Verfassungsinitiative zurück und unterstellen Sie diese einem Moratorium. Das wäre ein wirklich historischer Sieg, ein Sieg der Vernunft zum Wohle von uns allen, zum Wohle der Monarchie ebenso wie zum Wohle der Demokratie. So und nur so kann verhindert werden, dass dieses Volk zerbricht, Zwietracht und Disharmonie als Verhinderer einer glücklichen Zukunftsentwicklung bleiben aus. Dann haben wir alle eine reelle Chance, den bedrohlichen Stürmen, die auf uns zukommen werden, zu trotzen. Wenn Sie Ihre Verfassungsinitiative zurückziehen, dann wird es nur Gewinner geben, Sie persönlich ganz besonders. Sollte dieser Verfassungsänderungsvorschlag wirklich dem Volk vorgelegt werden, dann wird sich ein tiefer Graben durch unsere Gesellschaft ziehen, durch Familien und Partnerschaften, durch Firmen und Behörden, zwangsläufig auch durch den Landtag. Es wird Zwietracht, Disharmonie und Hass geben, jedenfalls ein tiefgründiges, unüberwindliches Misstrauen. Und das bedeutet zweifellos das Ende dieses Gemeinwesens, das unter den Händen zahlreicher Generationen mühsam entstanden ist.Nun könnte die Auffassung entstehen, dass es vernünftiger sei, um der drohenden Spaltung der Gesellschaft zu entgehen, diese hier vorliegenden Verfassungsänderungsvorschläge anzunehmen. Und es ist auch zu befürchten, dass eine solche Haltung bei einem nicht zu vernachlässigenden Teil der Bevölkerung vorherrscht. Zu komplex und kompliziert ist die Verfassungsmaterie selbst, damit sich jeder, der zur Urne geht, auch wirklich Klarheit über den Inhalt der Verfassung und deren Folgen für das künftige Zusammenleben verschaffen kann. Hierbei geht es nicht um eine Gewissensentscheidung oder um die Schaffung und den Erhalt eines trügerischen Friedens. Es geht einzig und allein um die prinzipielle Frage, ob wir als Demokratie weiter bestehen wollen oder nicht. Wollen wir auf der Basis der Verfassung von 1921 eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage bleiben, oder wollen wir eine fundamentale Monarchie, die durchaus auch diktatorische Züge trägt und die unter Umständen sich zu einer Willkürherrschaft entwickeln könnte? Wer weiss das heute schon.Ich werde jedenfalls diesen Verfassungsänderungsvorschlägen nicht zustimmen. Diesen nicht und auch keinen anderen Vorschlägen, welche die demokratischen Rechte des Volkes beschneiden. Ich bekenne mich zur Verfassung von 1921 und werde mich dafür einsetzen, dass diese auch weiterhin das Grundgesetz dieses Landes bleibt. Ich stelle den Antrag bzw. ich schliesse mich den Anträgen, die schon gestellt sind, auf Nichteintreten auf diese Vorlage an. Nicht deswegen, weil mir die Beratung dieser Vorlage grundsätzlich Unbehagen verschafft, sondern vielmehr deshalb, weil ich in der Unterlassung der Vernehmlassung einen groben Verfahrensmangel feststellen muss. Gerade das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden hätte eine breite Vernehmlassung erfordert wie auch alle anderen Artikel; ganz besonders auch die Art. 112 und 112bis. Ausserdem nimmt dieser Bericht und Antrag keinen Bezug auf die Hausgesetze, deren Verhältnis zur Verfassung und deren konkrete Auswirkungen.Für eine Gesetzesvorlage von so eminenter und nachhaltiger Bedeutung ist dieser Bericht und Antrag äusserst dürftig, enthält hauptsächlich Feststellungen, kaum Begründungen und schon gar keine Interpretationen. Welche konkreten Folgen diese Verfassungsänderungen für unser Land und unsere Gesellschaft haben, darüber schweigt sich die Regierung wohl aus gutem Grund völlig aus.Es bliebe zum Schluss noch die Botschaft an die Verunsicherten und eingeschüchterten Menschen in diesem Land. Wenn weder der Landtag noch das Volk bei der immer wahrscheinlicher werdenden Aussicht auf eine Volksabstimmung dieser Initiative die Zustimmung erteilen, so bleibt das Fürstentum eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage, auch wenn das Staatsoberhaupt seine Drohungen, den Wohnsitz nach Wien zu verlegen, wahrmachen sollte. Wir haben dann immer noch die Verfassung von 1921, auf die im Übrigen auch der Fürst seinen Eid geleistet hat.Was uns die Regierung als Weihnachtsgeschenk unter den Christbaum gelegt hat, ist selbst bei wohlwollendster Betrachtung alles andere denn ein Kompromiss, schon eher ein trojanisches Pferd.Abg. Alois Beck:
Herr Präsident, Damen und Herren Abgeordnete. Die liechtensteinische Verfassung von 1921 ist das Ergebnis intensiv geführter Verhandlungen, eine Weiterentwicklung der Verfassung von 1862, entstanden in einer unruhigen Zeit und geprägt vom Gedanken nach einer Stärkung des demokratischen Elements. Heute, 80 Jahre später, diskutieren wir wiederum über eine grössere Abänderung der Verfassung. Einige Abänderungsvorschläge tangieren auch die Grundprinzipien unseres Staates: Monarchie, Demokratie, Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Rechtsstaat und Justiz. Wie werden wohl unsere Nachfahren die Ergebnisse beurteilen? Im Folgenden werde ich einige mir wesentlich erscheinende Aspekte darlegen:Es fallen zunächst das Austrittsrecht der Gemeinden aus dem Staatsverband - Art. 1 und 4 - und das Initiativrecht auf Abschaffung der Monarchie - Art. 112bis - auf. Die Verfassung ist das Grundgesetz, das rechtliche Fundament eines Staates. In der Regel ist eine solche Grundordnung auf eine gewisse Beständigkeit angelegt. Hier soll nun neu gleichsam wie eine Klammer gleich zu Beginn der Verfassung das Staatsgebiet und am Schluss die Staats- und Regierungsform im Grundsatz zur Disposition gestellt werden. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist ein Anliegen, welches Unterstützung verdient. Ob jedoch die in der Verfassungsvorlage geplante Verankerung des Austrittsrechts der Gemeinden aus dem Staatsverband sinnvoll und notwendig ist, erscheint zumindest fraglich. Aller Voraussicht nach werden die Gemeinden kaum je von diesem Austrittsrecht Gebrauch machen. Andererseits bliebe eine solche Regelung aber nicht ganz ohne zumindest symbolische Bedeutung. Zumindest würde durch eine solche Verfassungsbestimmung eine gewisse Beliebigkeit der Zugehörigkeit zum Staatsverband ausgedrückt. Bei der ganzen Diskussion ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde kein absolutes ist, da es gemäss Regierungsvorlage einer gesetzlichen oder allenfalls auch einer staatsvertraglichen Regelung bedarf. Es kann auch eine Mehrheit der in einer Gemeinde ansässigen Landesangehörigen nicht allein über das Schicksal dieser Gemeinde und indirekt über das Schicksal des gesamten Staates entscheiden. Vielmehr muss der Gesetzgeber, das heisst letztlich auch das ganze Volk, darüber befinden. Und dies nimmt dem vorgeschlagenen Austrittsrecht der Gemeinden doch einiges an Brisanz.Aus den dargelegten Gründen sehe ich keine innenpolitische Notwendigkeit für ein Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden. Gemäss Regierungsbericht ist der Grund für diesen Reformvorschlag aussenpolitischer Natur. Angesichts des derzeitigen Standes des Völkerrechts sei dem liechtensteinischen Volk die politische Freiheit in der Form des Selbstbestimmungsrechtes nach aussen nicht hinreichend demokratisch abgesichert. Mich dünkt diese Begründung jedoch reichlich theoretisch.Art. 3 der Verfassung über das Hausgesetz muss meines Erachtens in Zusammenhang mit dem neuen Abs. 3 von Art. 10, Notverordnungsrecht, sowie dem neuen Art. 112 gesehen werden. In meinem Rechtsverständnis muss jedes Gesetz, überhaupt jedes staatliche Handeln, aus der Verfassung abgeleitet werden können. Andere Quellen ausserhalb der Verfassung stellen keine Legitimation für hoheitliches Handeln dar. Von daher ist es für mich fraglich, ob die im Bericht und Antrag zumindest indirekte Anerkennung des gesamten Hausgesetzes als autonomes Rechtsgebilde statthaft ist.In Art. 7 Abs. 1 wird festgehalten, dass der Landesfürst sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der übrigen Gesetze ausübt. Laut abgeändertem Abs. 2 untersteht der Fürst nicht der Gerichtsbarkeit und kann weder zivil- noch strafrechtlich verfolgt werden. Hier drängt sich die Frage auf, ob, um völkerrechtlichen Erfordernissen und auch generell rechtsstaatlichen Erfordernissen Genüge zu tun, die Handlungen des Fürsten als Staatsoberhaupt der nationalen Normenkontrolle unterstehen oder eben nicht.In Art. 9 sieht die geplante Regelung für das Sanktionsrecht des Landesfürsten eine Befristung vor, indem eine Sanktion als verweigert gilt, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten erfolgt. Aus rechtsstaatlicher Sicht würde dies eine, wenn auch kleine Verbesserung gegenüber der geltenden Verfassung bedeuten.In Art. 10 ist das Notverordnungsrecht des Landesfürsten geregelt. Gegenüber der geltenden Verfassung soll dieses Recht zeitlich begrenzt werden, was ebenfalls eine Verbesserung darstellt. Gemäss Regierungsvorlage würde der Fürst inskünftig auch auf sein Recht der Beamten-Ernennung verzichten. Dieses ginge sinnvollerweise an die Regierung über. Hingegen ist aus meiner Sicht die vorgeschlagene Regelung bei der Richterbestellung noch nicht befriedigend gelöst. Einerseits gibt im Konfliktfall der Landesfürst das absolute Ernennungsrecht ab, andererseits übernimmt er im vorgesehenen gemeinsamen Vorschlagsgremium den Vorsitz mit weit reichenden Befugnissen. Ich befürworte eine Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und der Gerichte. Hierzu gibt es mehrere Lösungsansätze. Beispielsweise, dass die Vorschläge innerhalb des Landtages ein qualifiziertes Mehr benötigen, oder es ist eine längere, dafür aber einmalige Amtszeit der Richter denkbar usw. Auch ein gemeinsames Vorschlagsgremium von Landesfürst und Landtag ist grundsätzlich sehr gut geeignet, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. Jedoch würde der uns unterbreitete Vorschlag, wo der Fürst sowohl den Vorsitz führt als auch eine unbestimmte Zahl zusätzlicher Mitglieder in dieses Gremium berufen kann, eine deutliche Schwächung des Landtages bedeuten. Letzterer hat bekanntlich gemäss geltender Verfassung das Vorschlagsrecht. Meiner Ansicht nach muss der Landtag beim Auswahlverfahren von Richtern gestärkt werden, zum Beispiel durch eine Majorisierung des gemeinsamen Gremiums.Einen weiteren Schwachpunkt finden wir bei der Amtsenthebung der Regierung infolge Vertrauensverlust durch den Landesfürst oder den Landtag. Die entsprechenden Art. 79 und 80 müssen dabei in Zusammenhang mit dem Notverordnungsrecht gesehen werden. Verlieren Fürst oder Landtag das Vertrauen in die Regierung, soll einvernehmlich auf Vorschlag des Landtages eine neue Regierung mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betraut werden. Hier braucht es eine klare Regelung für die Zeit zwischen Auflösung und Ernennung einer neuen Regierung, damit nicht das Notrecht über Gebühr strapaziert oder der Landtag, wenn er funktionsfähig ist, aus nicht erheblichen Gründen aufgelöst werden kann. Die genannten Bestimmungen in der vorgeschlagenen Konstellation könnten meiner Ansicht nach in Richtung Autokratie interpretiert werden. Und dies gilt es doch im Sinne der Rechtsstaatlichkeit zu vermeiden.Im geltenden Art. 112 der Verfassung findet sich schliesslich das Differenzbereinigungsverfahren für den Fall, das zwischen Landesfürst und Landtag über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Verfassung Zweifel bestehen, wobei der Staatsgerichtshof zu entscheiden hat. Kommt es zu unterschiedlichen Auffassungen der Vertreter des monarchischen und des demokratischen Elementes über einzelne Verfassungsbestimmungen, so sollte es meiner Meinung nach eine unabhängige 3. Instanz geben, die allein aufgrund rechtlicher Erwägung entscheidet. Die Streichung des geltenden Artikels 112 der Landesverfassung erscheint mir deshalb sehr erklärungsbedürftig.Nun noch zum Misstrauensantrag des Volkes gegenüber dem Fürsten mit dem Initiativrecht auf Abschaffung der Monarchie: Ich muss gestehen, dass mir beide Punkte früher nicht sinnvoll erschienen. Zwischenzeitlich habe ich meine Meinung teilweise revidiert. Ich begründe dies wie folgt: Zum einen erachte ich Differenzbereinigungsverfahren als besonders wichtig. In unserer Verfassung finden sich immer wieder Bestimmungen, wonach bestimmte Entscheide im Einvernehmen der verschiedenen Entscheidungsträger zu treffen sind. Dieses Einvernehmen lässt sich jedoch nicht immer herstellen. Für solche Fälle sollten Differenzbereinigungsverfahren eingerichtet werden, um Blockaden oder einseitige Machtdurchsetzungen verhindern zu können. Solche Verfahren bilden meiner Ansicht nach auch das Misstrauensvotum des Volkes gegenüber dem Fürsten sowie das Initiativrecht auf Abschaffung der Monarchie, wobei ich gewisse Schwächen in den Vorschlägen nicht verkenne. So ist beim Misstrauensantrag die Volksabstimmung für das Fürstenhaus nicht verbindlich, oder im Falle der Annahme der Initiative auf Abschaffung der Monarchie: Hier steht dem Fürst noch das Recht oder das Mitwirkungsrecht zu, für die folgendende Volksabstimmung eine neue Verfassung vorzulegen, obwohl er dannzumal nicht mehr Betroffener des Volksentscheides sein dürfte.Schliesslich passen diese Vorschläge in ein Konzept, wie es Karl Popper, der berühmte Philosoph und Verfechter einer offenen Gesellschaft, einmal wie folgt formulierte: «Wie können wir unsere politischen Einrichtungen so ausbauen, dass auch unfähige und unredliche Machthaber keinen grossen Schaden anrichten können?» Von daher wären das Misstrauensvotum und die Abschaffungsinitiative vom Grundsatz her radikal demokratische Möglichkeiten.Ich komme nun zu einigen abschliessenden Bemerkungen: Es wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob die Abänderungsvorschläge zur Verfassung nun einen Machtzuwachs für die Monarchie respektive den Fürsten oder der Demokratie respektive des Landtages bedeuten. Diese Frage lässt sich nicht immer so leicht beantworten. Nur schon vor dem Hintergrund verschiedener Demokratiekonzepte lassen sich unterschiedliche Auffassungen vertreten. Anhänger direkt demokratischer Mittel und Verfahren sehen einzelne Vorschläge anders als diejenigen, welche mehr einem repräsentativem System zugetan sind. Letztere beispielsweise betrachten plebiszitäre Volksbefragungen aus demokratietheoretischen Gründen eher als problematisch. Deshalb müssen die einzelnen Punkte näher untersucht werden. So sehe ich beispielsweise hinsichtlich des vorgesehenen Richterbestellungsverfahrens per Saldo einen Abbau von Volksrechten bzw. Rechten des Landtages. Bei der Monarchieabschaffungsinitiative per Saldo einen Ausbau der Volksrechte. Schlussendlich ist jeder von uns aufgefordert, das gesamte Paket der Abänderungen zu schnüren und seine eigene Abwägung zu treffen.Wie relativ zum Beispiel der Begriff «Demokratie» ist, sehen wir manchmal, wenn wir mit ausländischen Freunden sprechen, welche uns auf Demokratiedefizite in Liechtenstein aufmerksam machen, und dies nicht erst gestern. Den meisten von uns wiederum dürften viele Regelungen als völlig normal und nicht änderungsbedürftig erscheinen. Andererseits ist es eine Tatsache, dass zum Beispiel die Briten formal Untertanen der Königin - subjects of Her majesty - blieben und nie Träger der Staatsgewalt wurden.Ich möchte betonen, dass ich die konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage als die für unser Land geeignetste Staatsform betrachte. Diese Staatsform ist aber auch äusserst anspruchsvoll, weil sie von den staatlichen Institutionen stets Kooperation und Konsensbereitschaft fordert. Dies wiederum setzt ein grundsätzliches gegenseitiges Vertrauen voraus, welches gründlicher Pflege bedarf. In einer sachlichen, vom Willen zum Ausgleich bestimmten Diskussion wollen wir nach tragfähigen Lösungen für die Zukunft suchen. Tragfähige Lösungen setzen die Zustimmung aller beteiligten Partner voraus, die im Gespräch und im gegenseitigen Respekt auf einer sachlichen, ausgewogenen Grundlage zu erarbeiten sind. Wir stehen zweifellos vor einer schwierigen Entscheidung, zumal das Gesamtpaket der Abänderung der Verfassung weit mehr beinhaltet als die Änderung von Rechtsbestimmungen. Es sind aller Voraussicht nach weit reichende staats- und gesellschaftspolitische Implikationen damit verbunden, welche es in Wahrnehmung der Verantwortung zu berücksichtigen gilt.In diesem Zusammenhang erscheint mir die Unterscheidung von Max Weber zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik sehr hilfreich. Bei ersterer handelt man einfach der Gesinnung entsprechend, so nach dem Motto: Der Christ tut recht und stellt den Erfolg Gott anheim, und verantwortungsethisch, dass man für die voraussehbaren Folgen seines Handelns aufzukommen hat. Das alles findet sich in der beachtenswerten Schrift mit dem Titel «Politik als Beruf». Obwohl wir Abgeordneten keine Berufspolitiker sind, ist es doch auch für uns ein sehr nützlicher Gedankengang.Ich spreche mich für Eintreten auf die Vorlage aus und begrüsse auch den Antrag des Abg. Helmut Konrad zur Aufnahme von entsprechenden Gesprächen mit dem Landesfürsten.Abg. Peter Lampert:
Sehr geehrter Herr Präsident, geehrte Damen und Herren Abgeordnete. Ich bin sehr erfreut, dass es endlich einer Regierung gelungen ist, eine Vorlage betreffend Abänderung der Verfassung dem Hohen Landtage vorzulegen und somit mit dem Landesfürsten eine Konsens zu finden. Nach Jahren des Stillstandes ist es endlich gelungen, Bewegung in diese Thematik zu bringen. Dies ist ohne Wenn und Aber der Verdienst der Regierung um Otmar Hasler. Die Diskussion um die Verfassungsrevision ist keine Diskussion wie jede andere. Seit Jahren wird sehr emotional um Positionen, Meinungen und Ansichten gerungen. Dies nicht nur zwischen den staatlichen Organen - Fürstenhaus auf der einen und Landtag sowie Regierung auf der anderen Seite - sondern auch in der Bevölkerung. Nicht selten tun sich in diesen Fragen Gräben in Familien, Verwandtschaften und Freundeskreisen auf. Meines Erachtens ist es nun genug der Gräben. Schon deshalb ist es für mich von Wichtigkeit, dass dieses Thema einer Entscheidung zugeführt wird. Dieser anstehende Entscheidungsprozess wird diese Gräben nochmals vertiefen, das ist mir vollauf bewusst. Doch es wurde in den letzten Jahren genug diskutiert und um Positionen gerungen. Die Zeit ist nun gekommen, dieses Thema zu beenden. Hierfür bildet die Regierungsvorlage die geeignete Basis.Seit 1921 besitzt unser Land eine Verfassung, die von einem dualen System ausgeht, ein System, das sich in den letzten 80 Jahren bewährt hat. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass unser Land auch in Zukunft auf dieses Dualsystem mit den zwei Souveränen Fürst und Volk setzen sollte. Gemäss Fremdwörterbuch bedeutet «dual» eine «Zweiheit bilden». Diese «Zweiheitbildung» kann gemäss Duden auch aus Gegensätzlichkeiten gebildet werden. Dies bedeutet aber auch, dass man bei der Bildung einer Zweiheit aus den Gegensätzlichkeiten Konzessionen und Einbussen in Kauf nehmen muss, ansonsten ist keine Zweiheit möglich. Diese Ausführungen in unsere Verfassungsproblematik übertragen heisst, dass man Konzessionen und Einbussen bezüglich der Rechte, welche ein Souverän besitzen soll, machen muss. Diesem Faktum müssen sich beide Souveränitätsträger, Fürst und Volk bzw. seine Vertretung, der Landtag, bewusst sein, mehr noch, sie müssen sich dieser Tatsache nicht nur bewusst sein, sondern sie müssen auch akzeptieren und bereit sein, Rechte abzugeben. Nur dann wird eine Zweiheit gebildet und unsere duale zweiheitbildende Verfassung erfolgreichen Fortbestand haben.Im Findungsprozess zur Zweiheit entsteht das Problem, dass die beteiligten Personen unterschiedliche Ansichten haben, wo und in welcher Grössenordnung sie Zugeständnisse und Konzessionen machen und vertreten wollen. Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen. Daraus entstehen jedoch automatisch Meinungsdifferenzen, welche, je mehr Personen daran beteiligt sind, zu Problemen im Findungsprozess bis hin zum Scheitern dieses Prozesses führen können. Schlussendlich führt dies zu verschiedenen Ansichten und somit zu zustimmenden und ablehnenden Haltungen. Ich will damit aussagen, dass ich jede Meinung, welche zu diesem Thema geäussert wird, vorbehaltlos akzeptiere. Ich kann sehr gut verstehen, dass Abgeordnete Probleme damit haben, Rechte in ihren Aufgaben als Volksvertreter in dieser beantragten Grössenordnung abzugeben, sei es an das Volk oder an das Fürstenhaus.Ich persönlich habe auch mit einzelnen vorgeschlagenen Bestimmungen meine Mühe, so beispielsweise mit Art. 11, welcher die Besetzung der Richterstellen regelt. Grundsätzlich bin ich mit dem Prinzip der Einsetzung eines Gremiums einverstanden. Die Mehrheitsverhältnisse in diesem Gremium und das formelle Vorgehen bei differenzierter Meinung zwischen Landesfürst und Landtag erachte ich jedoch als keinen glücklichen Konsens sowie bei der einen oder anderen vorgeschlagenen Bestimmung in der Verfassungsvorlage. Darauf möchte ich aber im Moment nicht näher eingehen. Während der 1. Lesung werden sicherlich einige problematische Bestimmungen angesprochen werden.Die vorgeschlagene Abänderung der Verfassung soll jedoch in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, und nicht jeder einzelne Artikel für sich. Wenn ich die vorgeschlagene Verfassungsänderung als Gesamtheit betrachte, komme ich nach persönlicher Abwägung für mich zur Ansicht, dass ich diesem Vorschlag meine Zustimmen erteilen kann. Trotzdem hege ich die Hoffnung, dass die einen oder anderen Abänderungsvorschläge, die sicher noch während der 1. Lesung genauer geäussert werden, Aufnahme in die Verfassung finden werden. Denn, wie bereits betont, kann Zweiheit nur hergestellt werden, wenn beide Seiten Konzessionen eingehen.Also, auch seitens des Fürstenhauses sollten weitere Konzessionen eingegangen werden, damit der Landtag auf breiter Front der Verfassungsänderung zustimmen kann. Das Ziel aller an diesem Prozess beteiligten Personen sollte es sein, dass der Landtag mit mindestens der nötigen Drei-Viertel-Mehrheit oder 19 Stimmen dieser Verfassungsänderung zustimmen kann. Dann, nur dann, kann man von einer wahren Zweiheit bezüglich unserer zukünftigen Verfassung, also von der dualen Verfassung, sprechen. Denn wichtig erscheint nicht nur, in Zukunft eine duale Verfassung zu haben, sondern auch, dass eine breite Mehrheit hinter dieser dualen Verfassung stehen kann. Je mehr der Landtag hinter dem endgültigen Vorschlag stehen kann, desto eher kann bei einer Volksabstimmung, welche für mich so oder so von grundlegender Wichtigkeit ist, von einer breiten Mehrheit ausgegangen werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es gelingen muss und auch wird, dass Fürst, Volk, Landtag und Regierung wieder an einem Strick ziehen. Dies ist für den inneren Frieden in unserem Land von grosser Tragweite.Abg. Elmar Kindle:
Herr Präsident, Damen und Herren Abgeordnete. Seit mehreren Jahren wird in diesem Land über die Verfassung debattiert, diskutiert und philosophiert. In internen Arbeitsgruppen und in der Verfassungskommission des Landtages wurde die Thematik der Landesverfassung eingehendst behandelt. Es wurden Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um Beweise für den Umkehrschluss der Ansicht des Landesfürsten darzulegen. Auch der Landesfürst hat sich zusammen mit dem Erbprinzen und seinen Rechtsexperten eingehendst mit der Verfassungsfrage auseinander gesetzt. Er hat seine Meinung dargelegt und kundgetan.Was haben beide Seiten bis jetzt erreicht? Faktisch und nüchtern betrachtet: Nichts. Es wurde viel geschrieben. Die eine Meinung wurde durch das Rechtsgutachten A widerlegt, die andere Meinung durch das Rechtsgutachten B. Eine Aussage wurde durch die andere widerlegt und auch umgekehrt. Diese Situation hat, so zumindest bei mir, eine grosse Verunsicherung und ein gewisses Misstrauen hervorgerufen, eine Situation, in der das Vertrauen zum Teil verloren ging. Diese Situation des Vertrauensverlustes ist für das Fürstentum Liechtenstein vor allem in der jetzigen Zeit nicht förderlich und nicht dienlich. Ich stehe ein für das duale System, Volk und Fürst, und ich stehe ein für die Monarchie. Die Aufrechterhaltung der Monarchie steht für mich nicht zur Diskussion. Ich werde nicht an etwas rütteln, dass sich jetzt 80 Jahre im Grundsatz bewährt hat. Dennoch sehe auch ich in gewissen Artikeln Handlungsbedarf. Darauf komme ich später zurück.Ich denke, es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine Entscheidung zu treffen. Das ist aus meiner Sicht gut und auch nötig. Weitere Verzögerungen schaden unserem Land und dem Klima innenpolitisch wie auch aussenpolitisch, davon bin ich überzeugt. Ich denke, dass es jetzt an der Zeit ist, wieder gegenseitiges Vertrauen und gegenseitigen Respekt aufzubauen, um gemeinsam den Weg für die Zukunft Liechtensteins anzutreten. Es nützt nichts, Drohungen - und ich wiederhole es nochmals - Drohungen auszusprechen und die schlimmsten Szenarien zu kreieren. So kann man keine Konflikte lösen und bereinigen. Gegenseitiges - und ich betone es nochmals - gegenseitiges Vertrauen ist dazu unabdingbar, auch dann, wenn es offenbar stark erschüttert ist und die Wunden tief sind. Ich bin bereit, in die Zukunft zu blicken und die Vergangenheit abzuhaken. Ich weiss, dass das nicht einfach ist. Es ist aber der Weg, den ich bestreite, und für den ich Verantwortung zu übernehmen bereit bin.Wir haben jetzt mit dem Bericht und Antrag der Regierung eine Grundlage, mit der sich der Landtag jetzt zu befassen hat. Der Bericht und Antrag der Regierung basiert auf dem Dualismus, was auch ein klares Bekenntnis zu unserer jetzigen Staatsform ist. Vergleicht man die Verfassung von 1921 und den jetzt vorliegenden Vorschlag der Regierung, so ist für mich klar feststellbar, dass das Volk in letzter Konsequenz die Entscheidung zu tragen hat. Dies stellt für mich eine klare Verbesserung dar. Eine Verbesserung sehe ich in der zeitlichen Einschränkung des Notrechts auf sechs Monate, welches bis anhin uneingeschränkt war. Dasselbe gilt für das Sanktionsrecht. Wenn die Sanktion nicht binnen sechs Monaten erfolgt, so gilt die Sanktion als verweigert. Auch das ist im Vergleich zur Verfassung von 1921 eine klare Besserstellung.Im Art. 11 wird die Richterernennung neu geregelt. Der Landesfürst gibt sein Vetorecht ab, wenn es zu einem Konfliktfall kommt. Auch hier kann der Landtag und das Volk einen eigenen Vorschlag machen. Wird der vorgeschlagene Richter gewählt, so muss dieser vom Fürsten akzeptiert werden. Das mag wohl ein langwieriges und aufwändiges Unterfangen sein, aber in letzter Konsequenz hat auch hier das Volk das letzte Wort. Wenn man hier nicht jetzt schon den Teufel an die Wand malen will, wird eine Einigung im vorgeschlagenen Gremium der Normalfall sein. Dieses Gremium ist überparteilich, was für mich ein zentraler Punkt ist. Fürst, Landtag, Regierung und Experten nehmen darin Einsitz. Das ist für mein Dafürhalten eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Verfahren. Jedoch kann man über die Besetzung dieses Gremiums noch ein Fragezeichen setzen. Hier sollte meines Erachtens geprüft werden, wie das Gremium ausgewogen besetzt werden kann und wie ein Entscheid Gültigkeit erlangt. Dies könnte zum Beispiel mit einer Drei-Viertel-Mehrheit erfolgen. Aber nichtsdestotrotz bestimmt bei Uneinigkeit das Volk via Volksabstimmung, und der Landesfürst hat diesen Entscheid zu akzeptieren.Ein zentraler Punkt stellt für mich der Vertrauensentzug der Regierung dar, wo sich für mich eine zentrale Frage stellt. Im Bericht und Antrag der Regierung steht, dass sowohl der Landtag als auch der Landesfürst die Vertrauensfrage an die Regierung stellen kann. Ist das Vertrauen verloren, muss die Regierung zurücktreten. Es liegt dann am Landtag und am Fürsten, eine einvernehmliche Lösung zu suchen, nämlich eine neue Regierung auf die Beine zu stellen. Dieser Ansatz scheint mir vernünftig zu sein, zumal es im gegenseitigen Einvernehmen geschehen muss. Was aber passiert, wenn keine Einigung erzielt wird? Kommt dann das Notrecht gemäss Art. 10 zur Anwendung? Und wenn das Notrecht durch den Landesfürsten in Kraft gesetzt wird, bedarf dieses dann der Gegenzeichnung des zweiten Souveräns? Im Sinne eines demokratischen Verständnisses müsste dies der Fall sein. Zu diesem Szenario steht im Bericht und Antrag der Regierung nichts geschrieben. Ich denke, dass das nochmals abgeklärt und geprüft werden muss.Wenn einer Regierung das Vertrauen entzogen ist, so kann diese nicht mehr aktiv tätig sein und es wird hier eine führungslose Zeit geben. Hier sollte geprüft werden, wie dieses Vakuum überbrückt werden kann. Eine Verbesserung in diesem Artikel sehe ich in der Tatsache, dass einem einzelnen Regierungsmitglied das Vertrauen nur einvernehmlich durch Fürst und Landtag aberkannt werden kann. Dieses Recht beanspruchte bisher nur der Landesfürst für sich selbst. Das ist zum Vergleich mit der Fassung von 1921 wiederum eine positive Weiterentwicklung.Bleibt zu guter Letzt noch der Art. 112 und 112bis. Hier wird für mich erneut deutlich gezeigt, dass das Volk letztlich wiederum das Schlusswort hat. Das heisst für mich, dass es letztlich nur eine Grundlage der Verfassung gibt, nämlich den Willen des Volkes als zweiten Souverän. Mich persönlich stören diese Bestimmungen nicht. Sie stören mich deshalb nicht, weil für mich der Dualismus nicht in Frage steht. Dieser Dualismus bildet für mich das Grundgerüst unserer Verfassung. Das mag eine sehr einfache Sichtweise darstellen. Ich bin aber überzeugt, dass unsere Monarchie, wenn sich so tiefe Gräben öffnen und eine deutliche Mehrheit des Volkes diese Frage stellt, es auch mit der alten Verfassung möglich ist, die Monarchie abzuschaffen.Ich komme zum Schluss: Vergleiche ich die Verfassung von 1921 mit dem vorliegenden Vorschlag der Regierung, so stelle ich fest, dass dem Volk mehr Rechte zugesprochen werden. Es gibt einige Bestimmungen, die einer erneuten Überprüfung unterzogen werden sollten. Es muss jetzt das Bestreben aller sein, wieder gegenseitigen Respekt zu schaffen und eine neue Vertrauensbasis aufzubauen. Es muss in der Sache losgelöst von persönlichen Urteilen eine Einvernehmlichkeit angestrebt werden, damit diese Verfassungsfrage ein positives Ende findet. Das sind wir unserem Land schuldig, wenn wir es nicht zugrunde richten wollen. Beide Seiten müssen das Ihrige dazu beitragen.Ich habe es eingangs schon gesagt: Ich stehe ein für unsere Monarchie, ihr Weiterbestand steht für mich nicht zur Diskussion. Ich bin Optimist und sehe das Glas nicht halb leer, sondern halb voll. Bei etwas normalem Menschenverstand ist es möglich, nicht hinter jedem Satz das Schlimmste zu befürchten und zu sehen. In diesem Sinne möchte ich schliessen und zum Ausdruck bringen, dass ich für Eintreten bin.Abg. Ivo Klein:
Danke schön. Die Verfassung unseres Landes aus dem Jahre 1921 kennt zwei Souveräne, den Fürst und das Volk. In vielen Verfassungsartikeln kommt dieses duale System zum Ausdruck. Das Funktionieren unseres Staatswesens ist nur durch das Zusammenwirken der beiden Souveräne, der Zweite vielfach vertreten durch den Landtag, möglich. Dieses Miteinander ist liechtensteinisches Selbstverständnis. Auch wenn im Ausland dieser in Liechtenstein von einem überwiegenden Teil der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner befürwortete und gelebte Dualismus als Widerspruch gesehen wird, so ist dieser Dualismus für uns Liechtensteiner nicht nur Identität und Heimat, sondern er ist auch in einer tiefen Verbundenheit zu unserem Fürstenhaus begründet.Die nun heute in diesem Hohen Hause zu beratende umfassende Verfassungsänderung soll einige Bestimmungen klarer formulieren, aber auch einige Rechte der Träger der beiden Staatsgewalten neu regeln. Einige dieser Bestimmungen sind unumstritten, andere haben in der Vergangenheit zu kontroversen Diskussionen geführt. Je nach Interpretation der bestehenden Verfassung kommen sogar die unterschiedlichen Verfassungsrechtler bei einzelnen Artikeln des vorliegenden Verfassungsentwurfs zu unterschiedlichen Schlüssen. Die Frage steht im Raum, ob es sich nun um einen Ausbau der demokratischen Rechte handelt oder ob das Umgekehrte der Fall ist.Aus meiner Sicht ist es allerdings nicht von entscheidender Bedeutung, ob nun in einzelnen Artikeln der eine oder andere Gutachter Recht hat oder nicht. Vielmehr sollten wir die in der Vorlage zur Änderung anstehenden Artikel selbst analysieren und auf ihre Wirkung hin beurteilen. Bezogen auf die Träger der Staatsgewalten ist vor allem auf ein ausgewogenes Verhältnis zu achten. In jenen Fällen, in denen beide Souveräne ein Recht für sich beanspruchen, wäre zu überlegen, ob nicht der Weg der Gemeinsamkeit gesucht wird oder mit anderen Worten: Diese Rechte sollten nur durch Übereinstimmung beider Souveräne wirksam werden. Wenn Fürst und Volk gewillt sind, das Gemeinsame zu betonen, so bin ich überzeugt, dass die umstrittenen Artikel eine Lösung finden. Ein tiefer Graben quer durch unser Land, welcher bei einer Nichteinigung droht, würde auch für die vermeintlichen Sieger zu einem Pyrrhussieg werden. In einer für unser Land so wichtigen Frage darf es keine Verlierer geben. Verfassungsänderungen, die nicht von einer überwiegenden Mehrheit als ausgewogen angesehen werden, führen langfristig zu neuen Konflikten.Wenn ich persönlich den Ausweg aus einer konfliktträchtigen Situation suche, so führe ich mir immer ein Beispiel aus der Geschichte vor Augen, den Versailler-Vertrag. Mit diesem Friedensvertrag wurden Deutschland erhebliche Lasten auferlegt. In Deutschland haben viele diesen Vertrag als Diktat- und Schandfrieden empfunden. Auch ausländische Beobachter, wie Philip Snowden, späteres Mitglied des englischen Parlaments, sagte dazu: «Der Vertrag ist ein Todesstoss für alle diejenigen, die gehofft hatten, das Ende des Krieges werde den Frieden bringen. Es ist kein Friedensvertrag, sondern eine Erklärung für einen weiteren Krieg». Wie wir alle wissen, wiederholten die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg die mit dem Versailler-Vertrag gemachten Fehler glücklicherweise nicht mehr.Das Ringen um einzelne grundlegende Artikel in unserer Verfassung möchte ich mit den Verhandlungen um einen neuen Vertrag vergleichen. Erfolgreiche Verhandlungen sind erst abgeschlossen, wenn eine so genannte «Win-Win-Situation» erzielt ist.Kommt eine kontrovers diskutierte Vorlage zur Abstimmung, stehen sowohl die vermeintlichen Sieger als auch die Unterlegenen langfristig auf der Verliererseite. Daher müssen wir als Abgeordnete alles in unserer Macht Stehende tun, um einen vom Fürstenhaus und von einer überwiegenden Mehrheit der liechtensteinischen Bevölkerung getragenen Verfassungskonsens zu erzielen. Dies ist für ein vertrauensvolles Miteinander nicht nur zwischen Fürst und Volk, sondern auch den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern untereinander von grösster Bedeutung. Aus diesem Grund sollte der Landtag in der Verfassungsfrage nochmals Verantwortung übernehmen, eine Delegation des Landtages, wie bereits mehrmals vorgeschlagen, in der alle politischen Parteien vertreten sind, sollte die anlässlich der 1. Lesung gemachten Anregungen begutachten, das Gemeinsame herausarbeiten, um einen Verfassungskonsens zu erzielen, den beide vollumfänglich mittragen: Fürstenhaus und Volk.
Abg. Ingrid Hassler-Gerner:
Geschätzte Abgeordnete, werte Mitglieder der Regierung. Die Regierung hat entschieden - ich nehme an einhellig - dem Landtag zu beantragen, eine Abänderung unserer Landesverfassung vom 24. Oktober 1921 zu beraten und zu beschliessen. So schreibt sie es im Antrag. In der überwiegenden Zahl der von der Regierung vorgeschlagenen zu ändernden 30 Artikel sind die Grundprinzipien des Staates betroffen: Die Monarchie, die Demokratie, die Volksvertretung, die Gewaltenteilung, der Rechtsstaat und die Gerichte. Aber auch inhaltlich sind wesentliche Teile entweder neu oder sie erfahren eine massgebende Änderung oder Umkehr.Neu ist sicherlich das Prinzip der Selbstbestimmung in Form des Austrittsrechtes der Gemeinden aus dem Staatsverbund oder die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen den Regierenden Landesfürsten und im weiteren Sinn auch das Initiativrecht auf Abschaffung der Monarchie. Alle drei Elemente bergen auf den ersten Blick keine Nachteile für das Volk, dürfen aber mit Bezug auf die faktische Wirkung nicht überbewertet werden und sind in sich noch bei der Lesung zu prüfen. Von direkter Bedeutung sind für mich hingegen die zu verändernden Rechte bei der Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes, die Rechte über die Abberufung der Regierung und im Besonderen das Bestellungs- und Ernennungsrecht sämtlicher Richter.In all diesen Bereichen hat die Regierung entsprechend den Vorstellungen unseres Landesfürsten und der Gruppe Forum Liechtenstein Vorschläge eingebracht, die in dieser Form einer Korrektur bedürfen. Sie stellen keinen Kompromiss dar, noch nicht jedenfalls. Bis jetzt haben alle 19 Vorredner, mit Ausnahme unseres Präsidenten Klaus Wanger, Vorbehalte oder Ablehnung zu einzelnen Artikeln gemacht. Das sagt genug aus.Eine Verfassung nach dem heutigen Demokratieverständnis muss das Ziel sein. Bei den betreffenden Artikeln werden wir ja noch umfassend debattieren. Das weitere inhaltliche Vorgehen kann erst nach der heutigen Debatte respektive vor allem nach der Lesung beurteilt werden. Auf eine rein politische Beurteilung, wie es unser Landtagspräsident sieht, wird man sich hoffentlich nicht abstellen. Ich denke, es ist wichtig zu wissen, dass die Volksvertreter geradezu die Verpflichtung haben, alle Änderungen sehr sorgfältig auf ihre langfristigen Auswirkungen im Positiven wie im Negativen zu untersuchen. Ein solches Denken und Argumentieren sollte bei allen Betroffenen nicht zum Schluss führen, dass man sowieso nur immer das Schlimmste befürchte, dass man den Teufel an die Wand male und nur noch möglichst viel Macht dem Volke zuführen will.Wir werden hier im Landtag und auch unter der Bevölkerung mit unterschiedlichen Meinungen leben und kämpfen müssen. Dies gilt es auch zu respektieren. Als Volksvertreter haben wir speziell die Rechte des Volkes und deren Auswirkungen im Falle einer Abänderung Wort für Wort zu überprüfen und uns dafür einzusetzen, dass die Gewichte zwischen Fürst und Volk gewahrt bleiben. Es reicht nicht aus, dem Frieden zuliebe Kompromisse zu schliessen. Der Landtag hat jetzt auf diesem von der Regierung gewählten Weg die Möglichkeit, sich intensiv und, ich hoffe, auch geduldig mit konkreten Vorschlägen auseinander zu setzen, er hat die Möglichkeit, durch Beurteilungen oder Vorschläge die Vorlage abzuändern. Es ist vielleicht ein oder der Ausweg aus der Entweder-oder-Situation.Aus diesem Grunde habe ich nun einsehen müssen, dass die Behandlung dieser Vorlage auch bezweckt, dass das Stimmvolk und die im Lande betroffenen Menschen eine Plattform haben, sich mit der Dynamik der mehrjährigen Verfassungsdiskussion, vor allem jener der letzten zwei bis drei Jahre und vor allem mit dem konkreten Inhalt der Vorschläge, vertraut zu machen und sich konkret zu befassen. Aufklärung ist besser als Beeinflussung durch Druck oder auch durch Meinungsumfragen. Wichtig ist, dass es zu einer sachdienlichen und breit angelegten Diskussion kommt und nicht zur Profilierung von Gruppen oder Parteien. Ich spreche mich unter diesen Umständen für Eintreten auf die Vorlage aus.Eine überstürzte Entscheidung halte ich jetzt trotz des Druckes seitens unseres Landesfürsten und auch einiger Politiker - ich war überrascht, heute auch seitens unseres Regierungschefs zu hören: Wir sind am Rande einer Staatskrise - ich halte das für falsch und überhaupt nicht für nötig. Schliesslich fand - es wurde schon mehrfach erwähnt - keine Vernehmlassung statt. Gemeinden, Richter, Verbände hätte man fragen können. Die ganze Diskussion um das Verhältnis Kirche und Staat wurde übrigens von der Regierung nicht angetastet und ist somit nur aufgeschoben.Der Abg. Ivo Klein sagte: Das Miteinander von Fürst und Volk ist ein tiefes, liechtensteinisches Selbstverständnis. Beide Teile sind aufeinander angewiesen, um in unserem dualen System das Funktionieren des Staatswesens zu garantieren. Aus dieser Mitverantwortung des Fürstenhauses ist auch eine enge Verbundenheit zwischen dem Volk und dem Fürstenhaus entstanden. Trotz oder gerade wegen des in unserer besonderen dualen Staatsform dauernd erforderlichen Zusammenwirkens und der Konsenssuche erwarte und suche auch ich weitere Dialoge. Ich hoffe sehr, dass die über alle Parteien hinweg zu suchende Gesprächsdelegation Klärungen herbeiführen kann. Vorher erwarte ich eine Stellungnahme der Regierung zu den heutigen Fragen und Anregungen zu einzelnen Artikeln.Diese Vorlage, die wir letztendlich in 1. Lesung beraten, muss inhaltlich nicht nur für das Fürstenhaus, sondern auch für die grosse Mehrheit des Volkes tragbar sein. Sonst befürchte auch ich, dass jede andere Lösung auf das politische Tagesgeschäft zurückfällt und der nötige Friede einem ständigen Unmut weicht. Schon vor 80 Jahren konnte unter grösserem Druck und schwierigeren Umständen ein für das Fürstenhaus und das Volk würdiger und zukunftsorientierter Kompromiss erreicht werden. Den Beweis dafür konnte unser Land, das Fürstenhaus und das Volk in dieser langen Zeit selbst erleben. Wir sind sehr dankbar dafür. Wenn aber nun bei der weiteren Beratung der Änderungen unserer Verfassung keine Ausgewogenheit erzielt werden kann, ist es besser, bei der alten Verfassung zu bleiben, das heisst, vorläufig keine Änderungen vorzunehmen.
Landtagspräsident Klaus Wanger:
Besten Dank. Wir unterbrechen jetzt die Sitzung bis 17.45 Uhr.DIE SITZUNG IST UNTERBROCHEN (UM 17.30 UHR)
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